Prosecco-Prokrastination

Es ist schon ziemlich fies, damit wieder aufhören zu müssen, wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat, jeden Abend bei angenehmen Temperaturen in einem mediterranen Garten vor einem alten Natursteinhaus zu sitzen und gemütlich ein Fläschchen Prosecco oder Rotwein wegzuziehen. Und noch bevor sich jetzt jemand berufen fühlt, zu einer Tirade bezüglich riskanten Konsums anzusetzen – niemand hatte gesagt, dass dieser Urlaub leicht sein würde… Ich weiß, was Alkoholismus bedeutet, danke der Nachfrage, ich habe einen nahen Verwandten, der, Gott sei’s gedankt, gegenwärtig seit ein paar Jahren trocken ist. Mein Bedarf an Derartigem ist gedeckt. Aber im Urlaub – insbesondere nach der abendlichen Bett-Verschiffung zweier sehr fordernder kleiner Kinder – ein wenig dem guten alten Bacchus zu huldigen, ist meines Erachtens ein lässliches Vergehen.

Es fiel mir, wie die Tage bereits angedeutet, recht leicht, in den Müßiggang-Modus zu schalten. Das bisherige Pensum dieses Jahr lässt das allerdings auch als wenig verwunderlich erscheinen. Ich ahne allerdings bereite, dass das Zurückschalten in den Normalmodus dieses Mal erheblich mehr Kraft brauchen wird, als sonst. Zu wissen, dass es KEINE Heinzelmännchen gibt, welche die Arbeit auf meinem Schreibtisch weggeaast haben, macht mich schon ein bisschen traurig. Ich hatte, wenn ich mich recht entsinne schon mal Auslassungen über Müßiggang und seine Berechtigung, wie auch seine Notwendigkeit zum Besten gegeben; hätte ich doch damals nur geahnt, dass das Maß der Notwendigkeit mit jedem vergehenden Jahr zunimmt. Zumindest fühlt es sich gerade so an.

Wenn man’s recht bedenkt, tragen durchaus viele Tarifverträge dem Umstand Rechnung, indem sie älteren Mitarbeitern mehr Urlaubstage zugestehen. Nun ist man allerdings mit 42 von dem Etikett „älterer Mitarbeiter“ noch weit entfernt. Und was manche Anteile meiner Arbeitsaufgaben angeht stehe ich ja auch mehr als im vollen Saft. Nur eine Sache, die zermürbt mich. Es gibt einen Arbeitsort, der ist gekennzeichnet durch mangelhafte Prozess-Organisation, fehlendes (medizinisches) Qualitätsmanagement, unausgegorene Aus- und Fortbildungskonzepte und nachgerade lausige Führungs-Personen. Ich werde hier nicht weiter im Detail elaborieren, aber wenn sich die Möglichkeit bietet, werde ich diesen Teil meiner Arbeit abgeben, ohne ihm eine Träne nachzuweinen. Jedoch die Aussicht, genau dort nach meinem Urlaub wieder tätig werden zu müssen, bereitet mir bereits jetzt Magenschmerzen; und ich bin weiß Gott nicht der Typ, der sich wegen Unlust krankmeldet. Anstatt Schwenzelenzia ist da eher „Augen-zu-und-durch!“ mein Stil.

Nun ist es so, dass es mich derzeit doch schon in den Fingern juckt, etwas Energie darein zu verwenden, die Umstände dort zu verbessern, da ich ja nicht weiß, wie mein eigentlicher Arbeitgeber in dieser Hinsicht zu verfahren bereit ist, was bedeutet, dass mein dortiger Einsatz eventuell noch eine Weile laufen könnte. Einzig, ich bin durch meine Zugehörigkeit zu einem bestimmten (kleinen) Anteil einer komplexen Institution in schlechter Position und manche meiner Einwürfe werden schlicht nicht gehört, oder man denkt halt, es besser zu können. Speziell im Bereich Ausbildung kann ich darüber nur lachen, denn davon verstehe ich – sorry, wenn das jetzt arrogant klingen mag – mittlerweile einfach deutlich mehr als irgendwelche, für fragwürdige Verdienste hochgelobten Rettungsassistenten oder freiwillige Feuerwehrleute; so sehr ich deren sonstige, individuelle Arbeit auch schätzen mag.

Ist schon blöd, wenn man solche Gedanken hegt, während man vor dem nämlichen Natursteinhaus sitzt und Prosecco schlürft. Es ist einfach nicht das Gleiche, als wenn man einfach nur ein heiteres Gespräch über vollkommen andere, vollkommen unernste Themen mit seiner Liebsten führt. Darum habe ich das alles hier aufgeschrieben, bin jetzt gerade dabei, mit diesen nervenden Gedanken abzuschließen, denn was man gar nicht, oder nur sehr langsam ändern kann, damit soll man nicht hadern, sonst braucht man mehr Prosecco zum Prokrastinieren…

Ich wünsche jedenfalls allen, die genauso wie ich in einem Job-Dilemma stecken, einen langen Atem und die gut ausgeprägte Fähigkeit, dennoch abschalten zu können, auf das wir gemeinsam Prosecco-Prokrastinieren können; natürlich darf ein jeder anstatt Prosecco gerne ein Hilfsmittel seiner Wahl einfügen. Arrividerci.

Auf der Suche

Das sind wir natürlich alle, immerzu und überall, nach diesem nach jenem und nach dem ultimativen Kick überhaupt, falls es sowas ohne, oder auch mit dem Einsatz (il)legaler, Bewusstseinserweiternder Mittel überhaupt geben kann. Auf der Suche ist ein Zustand, der, so er einmal in den Fokus unseres bewusst erlebten Daseins getreten ist, niemals mehr aufhört; zumindest soweit es mich betrifft. Ich suche jeden Tag nach irgendwas und damit sind beileibe nicht die Auswirkungen dieser typisch männlichen Tüddeligkeiten gemeint, die einen dazu nötigen, noch mal nachschauen zu müssen, wo die Brille, der Schlüsselbund, das Handy, das Notebook oder weiß der Teufel sonst was wohl abgeblieben sein könnten. Ich bin eher auf der Suche nach Ideen, wie man dies oder das besser machen könnte, nach Lösungen für Probleme, oder auch mal einer Möglichkeit, einen Streit beizulegen. Und manchmal suche ich einfach nur nach einem guten Grund morgens aufzustehen, wenn mein Körper doch lieber noch bis gegen elf gammeln würde. Wie war das noch mit dem Erwachsenwerden? Anscheinend bin ich doch erst ein Teenager…

Nun was das Letztere betrifft, flüstert mir mein vorgenannter Körper morgens eher was Anderes ins Ohr, aber im frommen Selbstbetrug – also der bewussten Abschaltung der Selbstreflexion zu Gunsten von Prokrastination, Schlemmen, Saufen und anderen Dummheiten – sind wir ja alle ganz gut, oder? Wie auch immer, Suche ist für mich keine kurzfristige Beschäftigung, sondern mehr so ein lebenslanger, desorientierter Dauerlauf. Und anscheinend bin ich mit diesem Problem nicht allein. Anders ist das allenthalben beobachtbare Wuchern von Ratgebern aller Art (besonders Bücher über Selbstoptimierung sind im Moment voll hip; Moment, ich muss kurz mal Brechen gehen) ist ein gutes Indiz dafür.

Ebenso wie die Blüte, welche Beurteilungsportale für Waren und Dienstleistungen aller Art zurzeit erleben dürfen. Das Web 2.00 in seiner wunderbarsten Form. Wenn man sich mal so richtig schlapp lachen möchte, liest man z.B. auf Amazon die Beurteilungen zu einem Film durch, zu dem man sich bereits selbst eine Meinung gebildet hat. Das funktioniert, egal, ob man das jeweilige Werk nun mag, oder nicht. Denn bekanntermaßen soll man nicht über Geschmack streiten, was hier allerdings in epischer Bandbreite stattfindet. Die schreiben teilweise über irgendwelchen, absolut unwichtigen Bogus so viel, das kann man schon fast als exaltiert betrachten. Ich habe tatsächlich auch schon aussagekräftige Rezensionen über technische Gadgets, oder aber Fachbücher gelesen, aber bei so genannten Machwerken der Unterhaltungskunst (Bücher, Filme, CDs, etc.) zählt für mich mittlerweile nur noch der Unterhaltungswert.

Aber natürlich gibt es noch andere Web-Orte des gegenseitigen Meinungsaustausches (die Leute kommen zu der Seite hin, sondern ihre Meinung und fühlen sich dabei gut!), zum Beispiel bei dem Buchungsportal, welches ich seit einigen Jahren für die Auswahl von möglichen Reisezielen für den sommerlichen Familienurlaub bemühe. Nun sind die Beschreibungen dieses Anbieters, gemessen an den eher mäßigen Standards der Reiseveranstalterzunft recht präzise und ich verfüge mittlerweile auch über einen guten Erfahrungsschatz bezüglich der bevorzugt bereisten Region Italiens, so dass die Bildung einer eigenen Meinung über ein potentielles Ziel auch ohne Kommentare anderer Reisender zumeist recht zielsicher gelingt. Dennoch lese ich mir manchmal auch ebendiese Einlassungen Weitgereister durch; und finde mich Kopfschüttelnd wieder.
Wer die Toskana schon mal bereist hat und dabei nicht in irgendwelchen Sternehotels eingekehrt ist, sondern, so wie meine Mischpoke und ich, in typischen Selbstversorger-Appartements, der weiß, dass diese in aller Regel einfach, aber zweckmäßig eingerichtet sind. Manches wirkt auf den ersten Blick unfertig oder einfach nur alt, vieles ungewohnt, weil dies eben ein anderes Land ist und mit Sicherheit findet man hier so gut wie nirgends eine voll ausgestattete Einbauküche, wie sie daheim die Küche ziert. Steht aber, so man des Lesens mächtig ist, alles in der zuvor erwähnten Beschreibung. Sich dann über die Küchenausstattung zu beschweren, ist dann doch ein bisschen Schizo, oder?

Ich hätte mir manchmal auch das Eine oder Andere anders gewünscht, aber ICH hatte noch keinen Vermieter, der auf Anfrage kleine Probleme nicht charmant zu lösen gewusst hätte. Einer hat mir sogar mal ein härteres Bett beschafft – wer Italien kennt, kennt auch die hiesigen Bettgestelle und die sind manchmal tatsächlich mörderisch, zumindest für mein Kreuz!

Ich glaube, manche meiner Landsleute sollten ihre Anspruchshaltung mal ein bisschen dämpfen, auf den Boden der Tatsachen zurückkommen und vor allem akzeptieren, dass man andere Länder bereist um andere Menschen und Kulturen kennenzulernen. Wozu auch Akzeptanz für das typisch italienische Laissez-Faire im Umgang mit dem – typisch deutschen – Begriff „Akkurat“ gehört. Mir gefällt es hier, ich habe diesmal wirklich weniger als 12h gebraucht, um vollkommen entschleunigt zu werden. Und ich werde gewiss wieder nach Mittelitalien reisen – auf der Suche nach Ruhe, Gelassenheit, gutem Essen und rotem Wein. In diesem Sinne: Bienvenuto a godersi la vita!

Alles auf Anfang

Eigentlich bin ich immer, wenn ein Projekt sich dem Ende zugeneigt hat und dann nur noch die umherliegenden Utensilien von der vergangenen Geschäftigkeit zeugen ein bisschen depressiv verstimmt. Also im Sinne von ausgelaugt vs. ziellos. Neue Ziele stellen sich natürlich in einem geschäftigen Leben mehr oder weniger von selbst ein, ohne dass man ihnen hinterherrennen müsste. Jeder mit einem halbwegs fordernden Job, der mit ein wenig Verantwortung einher geht, weiß genau, wovon ich spreche. Weshalb gerade für solche Leute ein gesundes Gefühl für Work-Life-Balance eigentlich eine gute Sache wäre. Wenn sie denn wüssten, was dieser doch eher diffuse Begriff eigentlich meint.

Arbeitgeber erzeugen da immer gerne die romantische Vorstellung von offenen Arbeitsflächen, in denen sich jeder seinen Platz sucht, der gerade zu ihm passt, um dann auf seine Weise die gerade anstehenden Aufgaben erfüllen zu dürfen. Solche Bilder, wie sie auch gerne in Hochglanzmagazinen gezeigt werden, sind schlicht Bullshit, weil sie bewusst mehrere harte Faktoren der echten Welt ausblenden: a) arbeiten insgesamt nur recht wenige Menschen überhaupt in komfortablen, loftartigen Großraumbüros, b) ist die Notwendigkeit, sich immer wieder einen neuen Platz suchen zu müssen, den man sich zudem nicht personalisieren kann Stress, weil der persönliche Bezug zum Arbeitsplatz so unterdrückt wird und c) gibt es sehr wohl einen definierten Workload, der erledigt werden muss, so dass die freie Zeiteinteilung lediglich eine Illusion ist. Das vordergründige Kuscheligkeitsgefühl, dass sowieso nur wenige Arbeitgeber zu erzeugen verstehen wird somit durch eine Entgrenzung des persönlichen Arbeitsplatzes und eine Entfremdung vom Wert der eigenen Arbeitsleistung erkauft. Unter dem Strich müssen die Menschen in diesen Büros genauso ihr Soll erfüllen, wie die Malocher am Band – welches im Übrigen heute auch nicht mehr annähernd so aussieht, wie zu den streng tayloristischen Tagen Henry Fords.

Ich persönlich fände es ehrlich, wenn man offen sagte: in einem Arbeitsverhältnis schuldet der Arbeitgeber ein, der jeweiligen Leistung angemessenes Salär und eine Arbeitsförderliche Umgebung und der Arbeitnehmer schuldet seine Arbeitsleistung und Loyalität – in dem Sinne, nicht wider besseres Wissen gegen die Interessen seines Arbeitgebers zu handeln. Würden beide Seiten sich an diese Regeln halten, könnte Arbeiten sogar Spaß machen, doch leider gibt es auf beiden Seiten immer wieder Stoffel, die grundlegende Regeln des Miteinanders nicht verstanden haben. Was mittelfristig für Arbeitgeber sogar dumm ist, denn jeder, der eine Statistik lesen kann, dürfte wissen, dass zufriedene Mitarbeiter – vulgo solche, denen ihr Job Spaß macht – motivierter sind und dadurch eine bessere Arbeitsleistung bringen. Mitarbeiter zu demotivieren, indem man sie knechtet, ihnen schlechtes Werkzeug gibt, nicht auf ihren Input hört, oder sie mies bezahlt, ist also insgesamt auch schlecht für’s fiskalische Ergebnis. Aber soweit denken die meisten Menschen nicht, weil Tellerränder ja so verdammt hoch sind…

Was nun aber das Arbeitsförderliche, motivierende Umfeld angeht, so kann es einem passieren, dass man sich selbst ausbeutet, unter Preis verkauft, zu heiß und zu schnell brennt und sich damit kaputt macht. Ein schlechtes Arbeitsumfeld ist in dem Sinne sogar sicherer, weil man merkt, dass es schlecht für einen ist; ein zu Gutes hingegen verschlingt einen vielleicht, bevor man überhaupt zu dieser Erkenntnis gelangen kann – was im Ergebnis allerdings genauso beschissen ausgehen kann.

Ich selbst bin da, wo ich im Moment stehe zufrieden – sogar fast sehr zufrieden. Natürlich bedeutet dies, dass ich gemäß meinen eigenen Ausführungen als gefährdet gelten darf. Ich weiß, ich weiß… meine diesbezüglichen Lektionen sind noch relativ gut im Gedächtnis und ich hatte nicht vor, mich nochmal in eine Erschöpfungsdepression zu manövrieren. Das letzte Mal war schlimm genug. Allerdings stehe ich an einem Scheideweg. Mein Studium neigt sich, wie’s aussieht einem halbwegs erfolgreichen Ende zu (ein Schein fehlt noch, dann ist Abschlussarbeit angesagt) und natürlich muss ich mich besinnen, was ich damit anzufangen gedenke. Sicher ist, dass ich vielleicht noch 7, 8 gute Jahre fahren kann, spätestens dann will ich in einer gefestigten Position sein und ich sehe mich dabei definitiv NICHT weiterhin am unteren Ende der betrieblichen Nahrungskette. Was bedeutet, dass ich meinen Marktwert testen muss!

Nach dem letzten abgeschlossenen Projekt, dessen Beendigung mich, zu meiner eigenen Überraschung, nicht depressiv verstimmt hat, stehen schon weitere in den Startlöchern und auch angesichts dessen bin ich ruhig, ja sogar entspannt, denn mittlerweile bin ich in vielerlei Hinsicht gefestigt und weiß was ich alles kann – und was nicht. Diese hart erarbeiteten Gewissheiten bedeuten für mich, dass in mehr als einer Hinsicht alles auf Anfang steht. Einerseits im Mikrogeschäft meiner day-to-day-work, aber auch im Makrogeschäft meines Arbeitslebens in seiner Gesamtheit. Ich bin eigentlich einfach nur gespannt, welche Gelegenheit als nächste daherkommt. Ich bin bereiter, als je zuvor!

Gesinnungsmonotheismus

Eigentlich leben wir ja in einem säkularen Staat; will heißen Staat und Kirche sind voneinander getrennt und sollen aufeinander auch keinen Einfluss nehmen können. Natürlich ist diese Aussage Bullshit, denn es gibt mannigfaltige Arten gegenseitiger Einflussnahme, auch wenn diese als moralische Appelle ausgesandt, oder in obskuren Gesetzestexten versteckt, oder aber lobbyös in Hinterzimmern ausgekungelt werden. Es ist ja auch immer wieder von der christlich-abendländischen Prägung unserer Kultur die Rede. Was in mir die Frage keimen lässt, warum wir nicht endlich mal wieder einen zünftigen Kreuzzug machen, um Heiden zu bekehren…? Ach so, Mord und Totschlag im Namen des Kreuzes waren nur so lange in Ordnung, so lange nicht allzu viele dabei zuschauen konnten. Tja, da ist das Internet natürlich nicht hilfreich. Handyvideos von Kreuzrittern auf Youtube, die „Deus lo vult“ schreiend IS-Kämpfern die Köpfe abschlagen wären vermutlich ein bisschen zu hart für’s Christenmenschen-Image.

Oder anders gesagt: es wäre politisch nicht korrekt. Was für eine Formulierung… „politisch nicht korrekt“. Anstatt diesen linguistischen Dreck von einer Formulierung zu benutzen wäre es ehrlicher, einfach zu sagen: „Sage dies nicht öffentlich und tu das nicht öffentlich, oder du wirst von uns erst böse angeschaut und danach machst du einfach nie mehr Karriere!“ Wobei das Augenmerk auf der Verwendung des Wortes „öffentlich“ liegt. Wie so oft gilt, Hauptsache die Außenwahrnehmung bleibt sauber. Denn was nicht öffentlich wahrgenommen wird, ist nie passiert, ganz gleich wie verwerflich es auch sei. Womit allerdings die Wirkungen zu besprechen bleiben, welche dieses Konzentrieren auf Äußerlichkeiten mit sich bringen.

Da fühlen sich nun also Leute dazu berufen, die Worte und Taten ihrer Mitmenschen genau zu beobachten und nach, in deren Blockwartmentalitätswelt anerkannten Kriterien abzuurteilen. Mora-Plag sozusagen, nur, dass es hier keine harten Kriterien wie das Abschreiben in wissenschaftlichen Arbeiten gibt, sondern lediglich den selbstgerecht erhobenen Zeigefinger des Blockwarts. Wenn man sich die Wurzeln der Political Correctness anschaut, ging es ja darum, diskriminierenden Sprachgebrauch zu unterbinden, um auf diese Art die Stigmatisierung und Marginalisierung von Minderheiten zu reduzieren. Auf der anderen Seite standen von Anfang an die Rechten und haben die Einschränkung ihrer Redefreiheit beklagt.

Ich bin zwar kein Rechter und ich schließe mich der Kritik an der Political Correctness auch nicht an, um weiterhin diskriminieren zu können – Idioten, Low-Performer, Trolle und Rassistengeschmeiss diskriminiere ich sowieso wann, wo und wie ich will – sondern weil sich diese Idee zu einem Religionsersatz für Leute mit Sendungsbewusstsein entwickelt hat: ich will, dass jemand meine, zumeist vollkommen unwichtige Meinung wahrnimmt? Na da prangern wir doch einfach mal einen ausgewählten jemand mit konträrer Meinung für seinen zu unkonventionellen Sprachgebrauch, seinen Lebensstil, sein Aussehen oder irgendwas Anderes an, was jetzt gerade passt und lenken so von der eigenen Minderleistung ab. Kostet nix und macht viel Wind.

Auf diese Weise kann man jemanden zum Beispiel dafür flamen, dass er immer noch Fleisch ist, wie eklig… Hauptsache, eine Meinung ist in meiner jeweiligen Umwelt Mainstream-kompatibel, dann kann ich sie als moralischen Standard etablieren und jeden dämonisieren, der nicht meiner Vorstellung vom richtigen Leben entspricht. Und weil diese Gesinnungs-Nazis dabei im Vertreten ihrer Standpunkte geradezu religiöse Verzückung zu verspüren scheinen, rede ich im Zusammenhang mit Political Correctness jetzt gerne von Gesinnungsmonotheismus. Meine Meinung ist mein Gott und es kann nur einen Gott geben! Herrgott wie zuwider mir das ist, sich auf die (rein subjektive) eigene Wichtigkeit einen zu wichsen. Ekelhaft!

Dieses Phänomen geht übrigens eng einher mit dem neulich beschriebenen der Diskussionsunfähigkeit. Ich will nicht so weit gehen, unserer modernen Gesellschaft eine generelle narzisstische Störung zu unterstellen; allerdings erscheint es meinen Beobachtungen nach angezeigt, mal wieder auf Dieter Nuhr hinzuweisen: „Wenn man von irgendwas überhaupt keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten!“ Denn eine allzu explizit geäußerte Meinung ist leider oft auch ein ziemlich guter Gradmesser für eine mangelhafte Sachkenntnis bezüglich des Sachverhaltes, zu dem man sich gerade geäußert hat. Klingt paradox, ist aber so. Ich empfinde es deswegen übrigens auch nicht als Widerspruch, einerseits gegen Diskriminierung jeder Art zu sein und auf der anderen Seite Political Correctness Kacke unnötig zu finden, denn ich habe mich wenigstens weidlich mit dem Thema auseinandergesetzt, bevor ich zu meinen Worten anhub. In diesem Sinne schönes Kommentieren auf Fratzenbuch; aber immer schön den Ball flach halten!

Diskussionsfähig?

Ich weiß auch nicht, was die Leute immer mit ihrem Nationalismus haben. Seine Herkunft für einen Quell der Freude und des Stolzes zu halten ist ja nun eine Sache. Man mag das gut finden, oder auch schlecht; sinnvoller wäre es jedoch, einfach zu akzeptieren, dass ein Teil dieses komplexen Geflechts, welches wir unsere Identität nennen, sich über die (gefühlte) Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen realisiert. Und eine solche soziale (Groß)Gruppe ist eben unser Herkunftsland. Soweit verstehe ich das und kann es auch akzeptieren, denn es gibt ja das eine oder andere, worauf man an z.B. an unserem Land stolz sein kann. Ich persönlich bin zwar lieber auf meine eigenen Leistungen stolz, denn auf die anderer, die ich nicht mal persönlich kenne, aber das ist meine Präferenz und mitnichten für andere gültig.

Nun ist es aber so, dass dieser Stolz, den man ja durchaus bereits als Grundform von Nationalismus verstehen könnte, leider nicht die höchste Eskalationsstufe darstellt. Manche Menschen beginnen dann damit, krude Theorien darüber zu verbreiten, was jemanden wohl als Mitglied „ihrer“ Nation qualifiziert – womit wir beim Thema Ausgrenzung wären. Ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen, aber den deutschen Nationalstaat mit einheitlicher Sprache und Kultur gab es nicht, bevor Bismarck in den 1860ern mit seinen Einigungsbemühungen begann, die 1871 im wilhelminischen Kaiserreich mündeten. Ein Blick auf die Deutschlandkarte zum Reichsdeputationshauptschluss 1806 vermittelt ein gutes Bild des Flickenteppichs aus Kleinstaaten, als der sich das spätere Reichsterritorium präsentierte. Zu dessen einender Geschichte gehörte auch die Vereinheitlichung der Sprache, sowie die Erzählung eines nationalen Mythos, der die Bürger hinter den militaristischen Großmachtträumen seiner Anführer einen und zu gehorsamen Untertanen machen sollte. Hätte es tatsächlich einende Elemente zwischen Preußen, Badenern, Hannoveranern und Bayern gegeben, wäre der Vormärz 1848 nicht zu so einem jämmerlichen Ende gekommen.

Dennoch wird das Deutschsein, oder besser deutscher Nationalismus, der eben mit der (non-existenten) langen Geschichte und Tradition des Deutschseins begründet wird immer wieder gerne als Legitimations-Karte gezogen, wenn es zum Beispiel um die Verteufelung des Projektes „Europäische Union“ geht. Wie z.B. in den Kommentarspalten zu diesem Artikel:Anleitung zum Nationalismus. Da wird von einer linkspopulistischen Blase gesprochen, in welcher der Autor anscheinend steckt. Und da offenbaren sich in den ersten Momenten der Kommentierung schon einige der grundlegenden Probleme in den interaktiven Elementen des Journalismus: a) wissen Menschen anscheinend mit dem Begriff „Polemik“ nichts mehr anzufangen, b) ist das respektvolle zur Kenntnis nehmen anderer Meinungen vollkommen aus der Mode geraten und c) ist das politische Etikett „linksintellektuell“ zu einem Schimpfwort umgedeutet worden. Mag vielleicht daran liegen, dass intellektuelle Kompetenz dem einen oder anderen, anscheinend eher konservativ gepolten Kommentator eventuell nicht geheuer ist; denn was man nicht versteht, fürchtet man. Und von der Furcht zum Hass ist es kein allzu weiter Schritt.

Eigentlich findet Willensbildung durch Diskurs statt; das bedeutet, dass man sich mit unterschiedlichen Meinungen zu einem Sachverhalt konfrontieren lässt, unterschiedliche Aspekte desselben Sachverhaltes betrachtet und sich dann eine halbwegs fundierte Meinung bildet, nach deren Maßgaben man dann auch handelt. Soweit die Theorie. Tatsächlich kokonieren sich aber Internetbegnadete Menschen heutzutage gerne in ihrer – wenn man in deren eigener Nomenklatur bleiben will, zumeist rechtslastigen – Meinungsblase ein. Eigentlich sind Etiketten wie rechts oder links ja insofern Käse, als man heutzutage durchaus ein ökologisch orientierter, sich vegan ernährender, ehemals SPD wählender Nazi sein kann, ohne dass das noch irgendjemand seltsam findet. Problematisch ist der Kokon, weil der derart mental eingesponnene Mensch andere Sichtweisen und möglicherweise bedenkenswerte Aspekte nicht mehr so gut wahrnimmt, da diese allein schon in seinem virtuellen Umfeld komplett ausgeblendet werden. Und zwar weil Nazis von Nicht-Nazis gerne aus den Fratzenbuch-Freundeslisten geext werden, wodurch kritische Diskussionen zumeist unterbleiben. Ich diskutiere ganz gerne – nur wenn die Echos gar keinen Grund zur Hoffnung geben, bin ich weg.

Richtig dumm wird es allerdings, wenn man auf Grund seiner Meinung anfängt, die Posts anderer Menschen nach Punkt und Komma auseinanderzunehmen, ohne den eigentlich offensichtlich erkennbaren Sinngehalt zu würdigen und sogar Fakten in einer dem eigenen Standpunkt dienlichen Art uminterpretiert. Derartige Wortklauberei ist vielleicht toll um seine, in ungesundem Maße nationalistische Gesinnung intellektuell zu verbrämen – sofern man dessen fähig ist – verschleiert jedoch unter Umständen reale Tatbestände und ist damit eigentlich unzulässig. Und damit gelten sie mir als nicht diskussionsfähig – Ende der Diskussion.

PS: Man mag mir diesen kleinen Wortwitz verzeihen, aber es ist wirklich frappierend, wie unverschämt, tatsächlichen Argumenten unzugänglich, engstirnig und arrogant sich Mancher im Internet gibt. Im echten Leben würden die das nie tun, weil sie damit rechnen müssten, sich ordentlich Maulschellen einzufangen…

Islamismo-Leaks…

Es wirkt fast schon verstörend unprofessionell, wenn ein, vom Urheber durchaus als vertraulich gekennzeichnetes Dokument mehr oder weniger en passant seinen Weg in die Medien findet, dort postwendend zu neuerlichen Irritationen zwischen zwei Staaten führt und dabei offenkundig wird, dass die Bundesministerien des Inneren und des Äußeren nicht viel von Ressortübergreifender Kommunikation halten. Hingegen lustig ist es für mich, wenn der zuständige Staatssekretär auf Anfrage dürr bescheidet, dass er die Beantwortung einer Anfrage aus einer Bundestagsfraktion ja wohl nicht unterdrücken könne. Recht hat er; denn so vertraulich ist es ja nun nicht, dass die Türkei freundschaftliche Beziehungen beispielsweise zur Hamas unterhält. Das wurde immerhin öffentlich durch den Bundespressesprecher Seibert bestätigt!

Zum einen zeigt sich hier einerseits die Bräsigkeit unseres Behördenapparates, die anscheinend so weit geht, dass sie die diplomatische Handlungsfähigkeit der BRD negativ beeinträchtigt. Es ist nämlich eine Sache, wenn es alle unter der Hand wissen, dass die Türkei hierorts als terroristische eingestufte Organisationen unterstützt, aber eine ganz andere, wenn ein offizielles Statement dies öffentlich bestätigt. Wäre ich Verschwörungstheoretiker, würde ich eine halbwegs geschickt lancierte Provokation vermuten, die dazu angetan wäre, Frau Merkel unter Druck zu setzen und sie dazu zu zwingen, beim Tänzchen mit Herrn Erdogan endlich Farbe zu bekennen. Und so die Frage zu klären, ob unsere Politik moralische Standards hat, oder es tatsächlich nur noch um Machtgewinn bzw. – erhalt durch Klientelpolitisches Taktieren und Lavieren geht? Auf der anderen Seite offenbaren manche Kommentatoren eine fast anrührende Naivität im Umgang mit sowohl unserem strategischen Partner am Bosporus, als auch unserer eigenen politischen Kaste. Glaubt tatsächlich irgendjemand, dass sich Frau Merkel und Kollegen nicht gewärtig sind, wes Geistes Kind Herr Erdogan und seine getreuen AKP-Leute sind? Oder das Herr Erdogan und seine Kollegen nicht wissen, dass die deutschen Diplomaten sehr genau über die Bündnisse und Verpflichtungen der Türkei gegenüber anderen regionalen Kräften im Bilde sind? Die Vorstellung ist lächerlich, wenn man bedenkt, wie leicht ein halbwegs geschickter Sucher mit einem Internetfähigen Endgerät sich solche Informationen besorgen kann. Und Politiker haben immerhin Zugriff auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse.

Natürlich ist die Türkei eine „zentrale Aktionsplattform für islamistische Gruppen“. Die AKP ist ausgesprochen religiös orientiert und pflegt schon lange freundschaftliche Beziehungen mit anderen sunnitisch-islamischen Kräften. Islamismus gibt es nun sowohl bei den Sunniten als auch bei den Schiiten und ganz gewiss bei den Wahhabiten. Die vornehmlich sunnitische Türkei braucht aber – zumindest in der Gedankenwelt von Herrn Erdogan – gleichgesinnte Partner, um Hegemonialmacht der Region werden und bleiben zu können, insbesondere gegen den erstarkten schiitisch orientierten Iran und Ägypten, wo die sunnitische Muslimbruderschaft für’s erste den Kampf mit dem Militär verloren hat. Und da für Herrn Erdogan der Laizismus anscheinend keine nennenswerte Bedeutung hat, verquickt er die jeweilige religiöse Gesinnung seiner Nachbarn mit der Frage nach dem Freund-oder-Feind-Sein. Klingt Blöd, ist aber so…

Man könnte das Gezuchtel um ein Dokument mit einem Schulterzucken abtun und sagen, dass all diese Dinge doch schon lange bekannt sind und dass man sich an die Unaufrichtigkeit der Protagonisten im Flüchtlingsverschiebungstango doch schon gewöhnt hat. Ist ja auch so, dass kaum jemand glaubt, dass die Türkei in ihrer aktuellen politischen Entwicklung tatsächlich noch als privilegierter Partner für die EU in Frage kommt. Es ist offenkundig nur noch eine Frage der Zeit, bis der vom Beginn an wacklige und wenig an tatsächlichen Bedürfnissen orientierte „Flüchtlingsdeal“ offiziell platzt. Und doch bleibt das ausgesprochen unangenehme Gefühl zurück, dass da noch ein dickes Ende nachkommt. Wohin entwickelt sich die Türkei nun tatsächlich und kann die BRD darauf irgendeinen Einfluss nehmen? Wird die Mittelmeerroute endgültig zu einem Massengrab, wenn die Flüchtlingsströme wieder zunehmen? Hat die EU überhaupt noch irgendwelche gestalterischen Kapazitäten, wenn es um so wichtige Nationen übergreifende Fragen wie die Flüchtlingspolitik oder die Reaktion auf die türkischen Entwicklungen geht? Ganz gleich wie diese Fragen in, sagen wir mal einem Jahr, zu beantworten sind – einfach wird das nicht. Und jedwede – gezielte oder ungezielte – Indiskretion macht Diplomatie unter solchen Bedingungen eigentlich nicht unbedingt leichter. Im aktuellen Fall jedoch birgt es die Chance, ein paar Positionen zu klären. Wenn unsere politischen Führer denn den Mut dazu aufbringen können. Glaubt ihr da draußen daran…?

Lehren und Lernen mit WordPress

Im Laufe der Zeit konnte ich feststellen, dass man mit WordPress© eine Menge mehr anstellen kann, als zum Beispiel einfach nur diesen Blog hier zu hosten. Das Ding ist in den letzten Jahren zu einem richtigen Content Management System (einem Werkzeug, mit dem man hochkomplexe Webseiten verwalten und bereitstellen kann) gewachsen, dass sich zudem mit Plugins (Zusatzprogrammen, die einzelne Funktionen nachrüsten) sehr flexibel in verschiedenes verwandeln lässt. Das heißt, dass man mit einer selbst gehosteten WordPress©-Installation zum Beispiel ein kleines Forum betreiben kann, einen Webshop, natürlich einen Blog, eine Web-Galerie, eine kleine Unternehmensseite, etc.; und man kann damit ein Lernmanagementsystem (LMS) realisieren, also eine Plattform für E-Learning.

Es gibt für alle genannten Anwendungsbereiche natürlich spezialisierte Anwendungen, die oftmals einen sehr viel größeren Funktionsumfang mitbringen. Man sollte dabei allerdings nie vergessen, dass mehr Funktionen und eine höhere Skalierbarkeit auch einen deutlich erhöhten Arbeitsaufwand für die Verwaltung und Pflege des Systems mit sich bringen. Und manchmal braucht man den ganzen Schischi, der da mitgeliefert wird gar nicht. Für manches Projekt reicht eine kleine Lösung; insbesondere eingedenk der Tatsache, dass WordPress© und die allermeisten Plugins free to use sind – selbst für kommerzielle Anwendungen. Das bringt den charmanten Vorteil mit sich, dass damit auch low-cost, oder gar no-cost Bildungsprojekte realisierbar sind, bei denen die Anschaffung eines kommerziellen LMS schon auf Grund des Budgets nicht in Frage kommt.

Ich habe in letzter Zeit damit experimentiert, gearbeitet und selbst einiges darüber gelernt. Und da kam mir so die Idee, dass es doch eine runde Sache wäre, mal ein Tutorial zu dem Plugin anzubieten, mit dem ich im Moment zumeist arbeite, nämlich Learnpress©. Also werde ich eine solche Plattform auf meinem Blog implementieren und in der Zukunft die eine oder andere Lektion veröffentlichen, um auch anderen die Nutzung schmackhaft zu machen. Es gibt viele Leute, die ihr, teilweise hoch spezialisiertes Wissen gerne auch mal Entgeltfrei weitergeben; und genau dafür ist Learnpress© aus den zuvor genannten Gründen sehr gut geeignet. Also gehen wir das mal an…

Ein Bündnis progressiver Kräfte…?

Siggi, Siggi, Siggi… was genau willst du uns denn mit deiner Forderung nach einem Bündnis aller progressiven Kräfte sagen? Übersetzt ins parteipolitische Taktieren – und nur dahin gehört dieser Spruch leider – heißt das doch, dass die SPD sich aus deiner Sicht jetzt bereit fühlt für Rot-Rot-Grün. Rein rechnerisch könnte sowas auch auf Bundesebene zu Stande kommen, wenn man nur früh genug anfängt, darüber zu verhandeln, wie du dem „Stern“ irgendwann dieser Tage mitgeteilt hast. In der Sache ist das auch richtig, es lässt aber mehrere wichtige Dinge außer Acht: a) die Schnittmengen sind gegenwärtig viel zu klein, um genug Kleister für ein längerfristiges Bündnis geben zu können; b) niemand kann sagen, wie sich die Zahlen in den nächsten 15 Monaten noch entwickeln und c) jetzt schon auf Wahlkampf zu gehen bedeutet weitere 15 Monate Stillstand, die sich unser Land einfach nicht leisten kann; und schließlich d) sehe ich hier keine progressiven Kräfte! Aber eins nach dem anderen…

Die Linken glauben tatsächlich immer noch, dass die alte, sozialistische Umverteilungsromantik heute genauso funktioniert, wie damals in der DDR (wer genau hinsieht, erkennt den Fehler sofort). Sie haben zudem kaum eine Ahnung von kollektiven Wertschöpfungs- und Nutzungsmodellen, oder etwa davon, auf welche Art man am besten in Bildung investiert. Das gilt übrigens – mehr oder weniger ausgeprägt – für alle etablierten Parteien. Umfragewerte hingegen bilden immer nur ein aktuelles Stimmungsbild ab, sagen nichts über die Zukunft aus – und nichts ist wankelmütiger als der Wähler direkt vor der Urne. Ein Dauerwahlkampf ab jetzt bis nächsten Spätsommer würde sich also einfach nur lähmend auf die politische Handlungsfähigkeit auswirken und wir brauchen jetzt, mit dem Brexit und der immer noch nicht abgefrühstückten Finanzkrise mehr denn je eine voll reaktions- und gestaltungsfähige Regierung.

Und wie war das mit progressiven Kräften? Die SPD hat – genauso wie die Linken – bis jetzt keine neuen Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit gefunden. Immer noch doktort man an Umverteilungsmaßnahmen herum, anstatt eine neue soziale Vision zu entwickeln. Immer noch glaubt man, Klientel bedienen zu müssen, die als abgrenzbares soziales Milieu überhaupt nicht mehr existieren. Und immer noch bedient man sich klassenkämpferischer Rhetorik. Doch der Klassenkampf des 21. Jahrhunderts dreht sich nicht mehr um die direkte (Um)Verteilung von Wohlstand, sondern um die Schaffung eines gleichwertigen und gerechten Zuganges zu Ressourcen, welche die Menschen zur sozialen, politischen und wirtschaftlichen Teilhabe befähigen sollen. Ich sehe aber immer nur Reförmchen, wie etwa das Mindestlöhnchen oder das Mütterrentchen…

Die Grünen jedoch… jedoch… die treiben mir die Tränen in die Augen, mit ihrem paternalistisch-gönnerhaften Regulierungswahn. Progressiv? Freunde der Nacht, gegen euch sind sogar die Hipster progressiv und die können nix, außer mit Wollmütze und Bart scheiße aussehen. Keine Ideen, keine gestalterischen Impulse nur Verwaltung, Verweigerung und Verknöcherung. Aus der Fundamentalopposition von einst ist ein arrivierter Club voller Möchtegern-Intellektueller geworden, deren Programm heute lediglich noch darin besteht, anderen ihre Ideen vom guten Leben vorschreiben zu wollen. Auch hier kann ich keine übergeordneten Pläne oder gar Visionen für die Zukunft erkennen. Da sind einfach überall nur Menschen, die ihre Ideale auf dem Altar der politischen Machtausübung geopfert haben.

Zu pathetisch? Ja Freunde der Nacht, was denkt ihr denn, wie oft man sich vor dem Proporz bücken kann, bevor man das Kreuz nicht mehr gerade bekommt, wenn es wirklich darauf ankommt? Und so ein abgewichster Vollprofi, der genau weiß, wie der Konsens-Hase springt ruft zum Bündnis aller progressiven Kräfte auf? Siggi, sei doch so gut und sag einfach mal ehrlich: du willst Kanzler sein, weil du glaubst, du kannst besser Kanzler und suchst Steigbügelhalter, die dich auf’s höchste Ross lupfen. Von mir aus, es ist zwar schon ziemlich platt und durchsichtig aber bitte… BITTE: nenn diese selbstgefälligen Flachpfeifen nicht progressiv. Ich bin progressiv – ihr seid einfach nur peinlich, wenn ihr euch mit den ewig gleichen Parolen als zukunftsorientiert präsentiert! Wen soll ich denn jetzt wählen? DIE PARTEI vielleicht…?

Versteht mich nicht falsch – auf den Webseiten klingt das alles ganz toll, mit Projektgruppen für Zukunftsentwicklung und Förderung, Zeitleisten und vorformulierten Zielen. Doch die genannten Ziele drehen sich immer nur um wirtschaftliche Fragen, um Schrittchen und die Anpassung an die Interessen aller; was im Klartext bedeutet, dass das Wohl der Wirtschaft und ihrer Lobbyisten immer schwerer wiegt, als dass des einfachen Menschen am unteren Ende der Pyramide. Nur das wir die ganze verdammte Pyramide tragen. Aber keine Sorge – ihr werdet schon merken, wenn die Erosion der Basis endgültig zum Einsturz führt. Denn subtil wird das nicht von Statten gehen. Mal sehen ob vorher noch irgendjemand den Mut hat, wirklich progressiv zu denken und zu handeln.

Alles umsonst?

Wir Menschen werden oft richtig wild, wenn wir irgendwo ein Schnäppchen riechen, oder gar die Gelegenheit, etwas für lau abzugreifen. Nicht selten werden dabei die üblichen Regeln des sozialen Miteinanders vergessen, weil man dann getrieben ist von Gier und dem Gefühl, die anderen, welche die Gelegenheit vielleicht auch bemerkt haben als Konkurrenten ausstechen zu müssen. Wenn’s billig oder umsonst ist, neigen wir überdies dazu, die Qualität des Angebotes nicht mehr so objektiv zu bewerten, sondern vordringlich an Hand des Attributes „Preis“. Das führt allerdings nicht selten zu Enttäuschungen, weil wir eben, geblendet von der eigenen Sparwut, nicht genau genug hingesehen haben. Aber auch das andere Extrem, nämlich Schnäppchen zu meiden, weil „das ja eh nix sein kann“, trifft man dann und wann. Objektiv ist diese Haltung ebenso Käse, weil man letztlich von Fall zu Fall beurteilen muss, ob eine Occasion passt, oder eben nicht.

Das so genannte low- oder no-cost-offers manchmal eine zweifelhafte Qualität haben, oder auch Lockangebote sinisterer Agenten sein können – also Betrug, Nepp, etc. – darf allerdings nicht davon ablenken, dass es Bereiche gibt, in denen kostenfreier Zugang, nicht nur aus meiner Sicht ein Grundrecht darstellt. Reden wir zum Beispiel mal von Bildungsangeboten und der Arbeit, die üblicherweise dahintersteht. Um Beispielsweise eine Lernplattform im Web aufzubauen, braucht es technisches Know-How, eine Infrastruktur (deren Bereitstellung und Pflege Zeit und Geld kosten), Inhalte (die zuvor aufbereitet werden müssen) und nicht zuletzt auch didaktisch-methodische Kenntnisse, die auf wissenschaftlicher Arbeit und Ausbildung basieren. In der akademischen Landschaft selbst wird schon seit Jahren darüber diskutiert, wie man den Zugang zu bestimmten Wissensbereichen dennoch für Nutzer freihält, weil es natürlich jede Menge Akteure (z.B. Verlage, professionelle Anbieter von Lernplattformen und -software, etc.) gibt, die Bildung vor allem unter dem Aspekt wirtschaftlicher Verwertbarkeit (oder besser: Gewinninteresse) betrachten.

Ohne Frage muss ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen kosteneffizient arbeiten, um Geld verdienen zu können. Man muss sich allerdings folgende Fragen stellen: (a) welche Wissensbereiche darf man nicht mit einer „Paywall“ versehen, weil sie alle Menschen angehen? (b) wie kann man den kostenneutralen Zugang zu solchen Wissensbereichen fördern/sicherstellen? (c) welche minimalen Qualitätskriterien müssen kommerzielle Bildungsangebote erfüllen? (d) wer soll über die eben genannten Fragen entscheiden dürfen? Das sind alles in allem ein paar ziemlich dicke Bretter, vor allem, weil man sich zur Beantwortung mit seinen eigenen normativen Vorstellungen und seinem Menschenbild auseinandersetzen muss. Zu (a) und (b) kann ich aus meiner persönlichen Sicht antworten. Zu (c) bedürfte es eigentlich eines gesetzgeberischen Eingriffes, der im Neokorporatismus bundesrepublikanischer Prägung allerdings nicht kommen dürfte, weil man damit ja verschiedenen Akteuren quasi ein Berufsverbot aussprechen müsste. Und bei (d) wird es ganz schwierig…

In den Bildungs- und Erziehungswissenschaften wird schon lange lebhaft darüber gestritten, ob sich Bildung am Prinzip der unbedingten Verwertbarkeit des Gelernten orientieren soll (im Sinne der Erzeugung eines möglichst hohen Arbeitsmarktwertes des Lerners), oder am Humboldt‘schen Ideal ganzheitlicher Menschenbildung (um den Mensch an die Entfaltung all seiner Potentiale heranzuführen). Und je nachdem, ob man eher neoliberalistisch oder eher humanistisch orientiert ist, fallen auch die Argumente hinsichtlich kommerzieller Bildungsangebote sehr unterschiedlich aus. Orientierung an Verwertungsinteressen bedingt eine Befürwortung der privatwirtschaftlichen Verwertung von Lerninhalten, gemäß der Logik, dass auch Bildung den Gesetzen des Marktes zu gehorchen hätte. Ich elaboriere die akademischen Positionen dazu hier jetzt nicht in großer Breite, aber als Humanist finde ich diesen Gedanken furchtbar!

Meine Meinung zu (a) und (b) lässt sich wie folgt zusammenfassen: Alle Wissensbereiche, die direkt mit Grundbildung (Alphabetisierung, mind. eine Fremdsprache, Mathematik, einfache naturwissenschaftliche Zusammenhänge, ein Grundverständnis für gesellschaftliche Zusammenhänge und Prozesse) und der Ertüchtigung zur gesellschaftlichen Teilhabe zu tun haben, müssen frei zugänglich bleiben und für den Lerner kostenneutral beschult werden! Und jeder, der über, dazu geeignete Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt, hat die Pflicht, an der Erreichung dieses Ziels mitzuarbeiten! Ferner gilt, dass wissenschaftliche Erkenntnis, gleich welcher Disziplin nicht kommerzialisiert werden darf, sondern für die weitere akademische Arbeit zum Nutzen der Gesellschaft frei zugänglich bleiben muss! Es gibt genug abgeleitetes Spezialwissen, dessen Vermittlung kommerzialisiert ist, bzw. werden kann. Da muss man nicht z.B. den angehenden Akademikern das Leben sauer machen, indem man relevante wissenschaftliche Papers extra teuer Seite für Seite verkauft.

Allerdings ist mir bewusst, dass es für den Laien sehr schwer zu beurteilen sein mag, welche Güte ein spezifisches kostenfreies Bildungsangebot hat, dass von irgendeinem Freiwilligen entwickelt/betreut wird; daher bräuchte es eigentlich dringend eine Art Gütesiegel, an Hand dessen die Qualität für den Nutzer transparenter wird. Trotzdem ändert das nichts daran, dass wir mehr hochwertige, frei zugängliche Bildungsangebote brauchen. Mal sehen, was ich selbst dazu beitragen kann. Was ich sagen kann ist, dass ich mich mit den Techniken im Moment ausgiebig beschäftige und für mich einen halbwegs kostenneutralen Weg gefunden habe, eine Plattform anzubieten. In jedem Fall stehe ich zu meiner humanistischen Überzeugung. Ist vielleicht noch jemand da draußen, der Zeit und Lust hat, mir zu helfen, bzw. mit mir zusammenzuarbeiten? Das wäre doch mal was, oder…?

Ach ja, am Bosporus…

Man mag sich darüber erregen, dass die Führungsriege der AKP sich gegenwärtig auf Herrn Erdogan als uneingeschränkten Anführer eingelassen hat und dass dieser momentan anscheinend versucht ein Präsidialsystem einzurichten, dass ihm erhebliche Machtbefugnisse einräumen würde. Solche Machtbefugnisse, von denen manche Leute sagen, dass sie den Weg in eine Diktatur bedeuten. Also ungefähr solche Machtbefugnisse, wie sie der US-Präsident schon seit Jahr und Tag innehat. Man verknüpft natürlich überdies immer das Streben des beteiligten Protagonisten nach Veränderungen mit dessen mutmaßlichen Machtambitionen. Aber vollkommen unabhängig davon, dass der brillante Rhetoriker aus kleinen Verhältnissen seinen Traum von Macht lebt, strebt er Veränderungen an, die ihn lange überdauern sollen. Denn er hat gewiss Angst, dass eine Türkei ohne starken Mann an der Spitze sich nicht als Regionalmacht behaupten kann. Speziell gegenüber Syrien, Israel und dem Iran. Und mit dem Gefühl im Herzen, dass der Weg zur EU-Mitgliedschaft auf längere Sicht verbaut ist, sieht er den besten Weg, die Interessen seiner Heimat zu schützen darin, die Türkei zum regionalen Hegemon auszubauen. Immerhin gründet die Macht der AKP vor allem auf dem Gefühl der kleinen Leute, endlich wieder eine starke Heimat zu haben.

Es ist derzeit durchaus nicht unüblich, gegenüber Geschehnissen in der Türkei entweder mit Häme oder mit unverhohlenem Hass zu reagieren. Zumindest habe ich diesen Eindruck beim Überfliegen der üblichen Medienangebote gewonnen. Häme nach dem Muster „wir haben doch gesagt, dass die keine zuverlässigen Partner sind“, oder „wer Wind säht, wird Sturm ernten“; oder man agiert eben vollkommen xenophob und Islamfeindlich. Es gibt natürlich auch noch das andere Ende des Stimmenspektrums, wo sich jene tummeln, die dem Anschein nach alles glauben, was die türkische Regierung so verlauten lässt. Und dann dementsprechend genauso hasserfüllt über die hiesige Presse, Politiker, etc. herziehen, wie manche meiner teutonischen Mitmenschoiden über die Türkei. Also mal wieder unnötiges verbales Aufrüsten 2.00 in der größten Sprachkloake der Welt: dem Internet. Aber im „alle über einen Kamm scheren“ waren wir ja schon immer Spitze. Ich habe hier im Übrigen nicht die Absicht, Herrn Erdogan zu schmähen. Das schafft er durch sein eigenes Tun viel besser und nachhaltiger, als ich es je könnte.

Es gilt zwar auch für die Printmedien, dass die Berichterstattung alles andere als differenziert und ausgewogen daherkommt, doch was sich in den Kommentarspalten tummelt, kann man getrost als armseligen Möchtegerndjihad kleinbürgerlicher Großmachtträumer bezeichnen. Egal, welchen Glaubens oder welcher Herkunft die Kombatanten sind. Es ist mehr als beschämend für meine Spezies, wie kleingeistig, dumpf und aggressiv hier zu Werke gegangen wird. Vor allem offenbart sich dabei, dass die Skripte der verbalen Eskalation sich auf beiden Seiten extrem ähneln: die Menschen aus den kleinbürgerlich-traditionellen, wertkonservativen Milieus beider Seiten – wie stets in Sorge um ihren bescheidenen Wohlstand und ihre ebenso bescheidene Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen – fühlen sich von ihrem jeweiligen Spiegelbild in ihrer Autonomie und Identität bedroht. AKP oder AfD… die Klientel sind sich heute zu ähnlich, weil auf beiden Seiten einfache Lösungen für hoch komplexe gesellschaftliche Probleme angeboten werden.

Würde man genauso eindimensional und kurzsichtig agieren wollen, wie die Bauernfängeropfer auf beiden Seiten, könnte man sich auf den Standpunkt zurückziehen, dass Herr Erdogan sich halt an den demokratischen Prinzipien Europas zu orientieren habe, wenn er etwas von der EU möchte. Nun ist es aber so, dass a) die EU etwas von ihm will, b) die EU gewiss kein Monopol auf die Demokratie hat und c) DIE demokratischen Prinzipien der EU schwer auszumachen sind. Vielleicht sollten wir mal Viktor Orban nach seiner Definition fragen…? Nein, wir Deutschen sind nicht Kraft Verfassung im Besitz der einzig seligmachenden Wahrheit; die Türken auch nicht, aber es könnte ja mal helfen, wenn man sich von derlei Gedankengut einfach verabschieden würde.

Eine Spitze in Richtung der Türkei als Staatswesen und Rechtsnachfolgerin des osmanischen Reiches kann ich mir aber dennoch nicht verkneifen: Völkermord ist Völkermord, auch wenn man keinen Bock darauf hat, an die Fehler seiner Vorfahren erinnert zu werden. Das passiert uns Deutschen dauernd und ich kann versichern, dass man sich daran gewöhnt. Ich fände es jedenfalls total erfrischend, wenn man sich auf beiden Seiten die Zeit nähme, mal länger als 12 Mikrosekunden über das nachzudenken, was man zu äußern plant. Insbesondere wenn man Schmähungen, Herabsetzungen und Beleidigungen plant. Aber wer bin ich schon, dass ich euch gewaltgeilen Verbaldjihadisten und -kreuzrittern da draußen einen sinnvollen Ratschlag geben darf? Daher sei allen Hetzern im Netz gesagt: Sterbt wohl, ihr trüben Tassen!