Sprache, du wunderbares Instrument…?

Seine Gedanken kohärent und präzise ausdrücken zu können, ihnen die Kraft zu verleihen, einem Anderen tatsächlich verständlich zu sein, oder ihn gar für den eigenen Standpunkt gewinnen zu können, ist eine Kunst, deren höchste Ausdrucksform nur sehr selten erreicht wird. Selbst zwischen Menschen, welche sich grundsätzlich der gleichen Muttersprache befleißigen – in unserem Falle sei diese im gegebenen Kontext das Deutsche – muss sie nicht unbedingt eine funktionierende Lingua Franca darstellen.

Die am einfachsten begreifliche Barriere sind Dialekte. Obschon meine Mitmenschen zumindest theoretisch alle des Schriftdeutschen mächtig sind, existieren regionale Sprachgebräuche („heya, was machschn du doo, longa?“ – für Nicht-Mannheimer würde man diese Äußerung in etwa mit „Hallo, was machst du denn da, mein Freund?“ übersetzen…wobei Freund nicht überall auf der Welt die gleiche Bedeutung hat…), die berechtigte Zweifel daran aufkommen lassen können, ob man sich denn noch im gleichen Staat befindet. Tatsächlich gibt es so was wie eine Hitliste der beliebtesten Dialekte. Ich persönlich denke, dass so etwas eine sehr dumme Erfindung darstellt, denn wenn es gemäß dieses Rankings beliebte Dialekte gibt, muss es ja auch weniger Beliebte geben, was wiederum die Frage aufwirft, wer sich denn nun hier, aus welchen Gründen unverschämter Weise das Recht herausnimmt, sich zum Richter über die Sprachgewohnheiten Anderer aufzuspielen. Dies trägt zwar nicht den gleichen Grad an Absurdität und Realitätsferne zur Schau, als wenn ausgerechnet Amerikanische Justizbeamte irgendjemanden wegen Folter zur Rechenschaft ziehen wollen, aber es bleibt, wie der Schwabe wohl sagen würde, ein Geschmäckle zurück. Darüber hinaus findet der Dialekt als Varietät unserer gemeinsamen Sprache nur in eher seltenen Fällen seinen Weg in Publikationen, die dann zudem als Mundart gekennzeichnet sind und nicht selten dazu dienen, die besonderen Eigenarten einer solchen aus humoresken Belangen auszuschlachten, assoziiert man mit dem sprachlichen Ausdruck doch oft auch bestimmte Eigenheiten einer Region und ihrer Bewohner.

Doch will ich mit meinen Gedanken Andere erreichen, stellt der Dialekt im publizistischen Bereich ein als eher gering einzuschätzendes Hindernis dar. Vielmehr muss man sich Gedanken um folgende Punkte machen: Welches Ziel verfolge ich mit meinen Worten und welche Motivation steht dahinter? Soll diese transparent sein und falls ja, wie kann ich das erreichen? Was für einen Weg der Veröffentlichung wähle ich? Falls ich Subtextinformationen (welche bei verbaler Kommunikation durch Gestik, Mimik, Tonlage, etc. automatisch mitgeliefert werden) mit einschließen möchte, wie kann ich dies mit den zur Verfügung stehenden Medien erreichen. Welchen Bildungshintergrund haben meine potentiellen Empfänger und in wie weit muss ich dies bei der Abfassung meiner Mitteilungen und Betrachtungen berücksichtigen? Das sind nur einige Fragestellungen, mit denen man sich zu befassen hat.

Nehmen wir als Beispiel dafür, wie leicht man Missverstanden werden kann, einen von mir in einem Internetforum einfach mal so hingeworfenen Satz:

„Ob die so genannte Entwicklungshilfe, also diese zynisch-bigotte Einrichtung zur Kaschierung der Imperialismusschäden nun verdammungswürdig ist, weil sie aus Schuldgefühlen heraus geleistet wird, oder aber toll, weil sie Menschen zu helfen versucht, muss jeder für sich entscheiden.“

Grundsätzlich schwingt hier natürlich eine Implikation mit, nämlich dass das Konstrukt Entwicklungshilfe in den Augen des Autors eine „zynisch-bigotte Einrichtung zur Kaschierung der Imperialismusschäden“ ist. Jedoch enthält der Satz auch eine Relativierung, welche dem LESER die Verantwortung der Entscheidung überträgt, ob er diese Auffassung nun teilen möchte, oder eben nicht. Man hat mich für diese Äußerung hart angegangen, so dass ich mich schließlich gezwungen sah, meine Meinung mit Fakten bzw. einer differenzierteren Darlegung meiner Sichtweise der Dinge zu untermauern. Unabhängig davon, dass man diese Meinung kontrovers diskutieren kann und muss, zeigt es jedoch auch, dass die Stoßrichtung – nämlich ein ironischer Kommentar zu der Frage, ob Leute, welche sich als Helfer in Krisenregionen begeben, sich auch der Gefahren bewusst sind, denen sie sich dort aussetzen, obwohl sie von der Politik aus der bloßen Notwendigkeit der Imagepflege heraus instrumentalisiert werden – vollkommen missverstanden wurde, weil ich mich meist bewusst dem Gebrauch eines IRONIE-Emotikons verweigere. Denn wer die Ironie eines Textes oder eines Sachverhaltes nicht vom Hinschauen zu erkennen vermag, dem muss ich es hinterher sowieso erklären, egal ob ich das dämliche Grinsemännchen nun benutzt habe, oder nicht!

Es vermittelt allerdings auch eine deutliche Lehre. Zum einen scheint der Sprachgebrauch, ganz speziell im Internet auf Grund der im Vergleich zum verbalen Austausch deutlich verkürzten Aufmerksamkeitsspannen durch das dauernde zu-sich-Nehmen kurzer und kürzester Informations- und Kommunikations-Schnipsel zu verarmen. Und ich möchte mich hier überhaupt nicht auf irgendwelche sozio-linguistischen Untersuchungen berufen, sondern ganz und gar auf meine höchst persönlichen diesbezüglichen Beobachtungen. Dies bezieht sich nicht nur auf Wortschatz, Orthographie, Interpunktion, Grammatik, etc., sondern auch – und vor allem – auf die Hemmschwelle, Beleidigungen schriftlich niederzulegen. Und ich musste in letzter Zeit auch bei mir diesbezüglich eine äußerst beunruhigende Tendenz ausmachen, Andere „einfach von der Platte zu putzen“. Etwas, das mir bei einem normalen Gespräch, selbst wenn es in einer hitzige Diskussion über ein strittiges Thema mündete niemals in den Sinn käme.

Zum andern vermeine ich einen Rückgang in der Fähigkeit zur Wissensvernetzung auszumachen. Normalerweise sollte es einem nicht vollkommen verblödeten Individuum recht einfach möglich sein, historisches, geografisches, wirtschaftliches, soziales und politisches Wissen in einem Kontext miteinander in Verbindung bringen zu können. Warum haben die NATO-Staaten 1990-91 am Persischen Golf doch gleich noch mal Krieg gegen Saddam Husseins Irak geführt. Um die Welt von einem schlimmen Diktator zu befreien, welchen sie die 10 Jahre davor allerdings munter mit Waffen beliefert hatten, damit dieser die islamische Theokratie im Iran bekämpft? Oder doch eher, um die Annexion Kuwaits rückgängig zu machen, weil das dort zu findende Öl einen sehr wichtigen Faktor für die US-Amerikanische Wirtschaft darstellte. Wie war es gleich noch mal zu der Bildung der Theokratie im Iran gekommen? Wo liegen die Wurzeln all dieser Konflikte? Wer profitierte von diesen Konflikten? Eigentlich ist all dies recht einfach verständlich und heutzutage sogar sehr gut im Internet recherchierbar. Man muss sich doch heutzutage noch nicht einmal mehr die Mühe machen, die ich selbst z.B. als Jugendlicher noch hatte, in der Bibliothek die richtigen Bücher suchen UND lesen, oder mich durch verschiedene Zeitungen wühlen zu müssen. Und dennoch, obwohl die Menge des leicht verfügbaren Wissens immer schneller wächst, scheint die Zahl derer, die es zu gebrauchen wissen stetig zu schrumpfen. Woran das wohl liegen mag?

Ich werde mich tunlichst hüten, hier Behauptungen aufzustellen, wie etwa, dass wir immer mehr verdummen, aber tatsächlich kann man in der Studien- und Ausbildungslandschaft eine Tendenz ausmachen, die Breite der vermittelten Wissensinhalte zu Gunsten einer höheren Fach-Spezialisierung zu beschneiden. Was in der Konsequenz dazu führt, dass jemand eine bestimmte, hoch differenzierte Profession womöglich um einiges schneller und vielleicht auch besser zu beherrschen erlernt, allerdings auf Kosten verringerter Schnittstellenkompetenzen; et voilá, der viel beschrieene Fachidiot ward geboren.

Wie schon gesagt, das ist lediglich die Essenz selbst angestellter Beobachtungen, die in einem wissenschaftlichen Kontext wahrscheinlich kaum als generalisiert aussagekräftig bestehen könnte. Aber es stellt für mich eine gute Basis für Diskussionen dar, denn eine in meinen Augen zu spezialisierte Form der Ausbildung raubt dem solcherart Unterrichteten die früher einmal genossene Breite an „Allgemeinwissen“ die schlicht notwendig ist, um Fachwissen interdisziplinär in einen Kontext setzen zu können.

Unter diesen Vorzeichen ist ein weiteres Problem, welches die Kommunikation nicht nur im Weltinformationsgewebe, sondern auch in vielen anderen Lebensbereichen enorm belastet, die mit der Spezialisierung einhergehende Ausdifferenzierung von Subsprachen innerhalb des eigenen linguistischen Systems. Der hierzu passende Terminus ist das so genannte „Fachchinesisch“, allerdings umfassen Subsprachen auch verschiedenen Subkulturen eigene Sprachfarben wie z.B. den Hip-Hop-Slang. Sprache wird somit schnell zu einem wirksamen Mittel der Desintegration des gegenseitigen Verständnisses.

Und somit sind manche Bemühungen, etwa Menschen am entgegen gesetzten Ende einer Internetleitung durch den Schriftsprachgebrauch andere Standpunkte oder auch nur die Chance zur Wahrnehmung anderer Aspekte eines Sachverhaltes näher zu bringen von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn auch wenn die alle irgendwie Deutsch sprechen, verstehen sie weder mich noch einander.

Sich dann in vollkommener Ignoranz der eigenen linguistischen Unzulänglichkeit aus dem virtuellen Fenster zu hängen und andere für ihre Worte dumm von der Seite anzumachen zeugt nicht nur vom Rückgang der Kommunikationsfähigkeit und dem Niedergang der Bildung, sondern auch dem Abgang jeglicher Höflichkeit. Und dafür kann man auch bei gutem Willen weder die Subkulturen, noch die Bildungssituation oder gar das Internet verantwortlich machen. Aber auch wenn es doch sehr bequem wäre, die – zweifellos gravierenden – Mängel unserer Gesellschaft einmal mehr als nutzlose Entschuldigung für jeden Dreck heranzuziehen, mit dem man sich eigentlich gar nicht befassen müssen wollte – hier muss sich jeder an die eigene Nase fassen und mal darüber nachdenken, ob er auch verstanden hat, was der Andere überhaupt sagen wollte und ob es manchmal nicht einfach besser wäre, seine Finger bei sich zu behalten, anstatt über seine Tastatur noch mehr überflüssigen Stumpfsinn in der Welt zu verbreiten.

In diesem Sinne wünsche ich mir und allen Hörern Sinne, die stets offen sind, auch das Ungeliebte, Unangenehme, Schmerzhafte, Widersinnig erscheinende, Erschreckende oder schlicht Andere aufzunehmen, ein Hirn, es zu begreifen und ein Herz diesen Dingen den Platz einzuräumen, der ihnen genauso zusteht, wie der eigenen Denkart. Lebt, denkt, fühlt und sprecht wohl, bis zum nächsten Mal.

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