Es mag nur eine subjektive Wahrnehmung von anekdotischer Evidenz meinerseits sein, aber für diese alten Augen dreht sich der öffentliche Diskursraum nur noch um die eigene Achse – und DIE ist auch noch ein Spiegel! Es gibt vereinzelte wissenschaftliche Befunde aus den letzten Jahren, die zumindest den Verdacht nahelegen, dass Social Media das Geltungsbedürfnis von Narzissten in besonderem Maße befriedigen hilft. Es wäre aber zu hoch gegriffen, zu behaupten, dass sich heute nur noch egomane Selbstdarsteller in den antisozialen Medien tummeln. Das sind nur jene die man wahrnimmt, weil sie posten bis die Maus glüht…! So weit so schlecht. Wenn man aber – wie ich – den Anspruch hat, NICHT so eine dogmatische Aufmerksamkeits-Nutte zu sein, wie manch andere Menschen, die kennenzulernen ich das zweifelhafte Vergnügen hatte, bedarf es vermutlich einiger argumentatorischer Stunts, um sich nicht selbst ins Abseits zu stellen. Immerhin bin ich schon seit rund 25 Jahren online präsent. Und ich habe mich nie gescheut, meine hier geposteten Gedanken auch in die semi-anonyme Halböffentlichkeit der antisozialen Medien zu zerren. Den Feind killt man am besten mit seinen eigenen Waffen, oder…?
Ich durfte feststellen, dass die Seite in dieser Darreichungsform gestern ihren 10 Geburtstag hatte; und es wäre doch mal angemessen, sich zu fragen, was das hier eigentlich soll? Denn so ein Blogpost schreibt sich nicht von allein und auch ganz gewiss nicht in unter 10 Minuten. In aller Regel sind es eher so 1,5 – 2h, bis die Gedanken geordnet, der Text geschrieben, Beitragsbilder bearbeitet und der Podcast aufgezeichnet sind. Bei ein bis zwei Posts pro Woche wäre das ungefähr ein halber Arbeitstag. Und dafür braucht es schon eine gewisse Motivation. Manche verdienen so ihr Geld, haben aber andere Themen, einen anderen Workflow und nutzen alle Tricks, um Clicks zu generieren. Click-Baiting ist allerdings ebensowenig meins, wie Suchmaschinen-Optimierung. Nun könnte ich einfach sagen: „Ich bin halt eine Rampensau und will bewundert werden!“ Aber tatsächlich ist das nicht so, und dass ich nicht bewundert werde, kann ich sogar beweisen. Die Statistik lügt nicht. Ich habe fast 800 Beiträge geschrieben und hier in 10! Jahren weniger als 120 Kommentare bekommen. Selbst wenn ich früher auf Facebook (dem ich vor nunmehr über 10 Monaten den Rücken gekehrt habe) noch zweimal so viele Kommentare und Likes bekommen haben sollte, wäre das ein verdammt maues Echo für so viel Arbeit. An der Aufmerksamkeitsökonomie alleine kann es also nicht liegen. Vielleicht aber daran, dass mir einerseits die Inhalte, über die ich spreche am Herzen liegen und ich gerne Menschen zum darüber nachdenken anregen würde. Andererseits ist es für mich – und ich glaube, das schon mal irgendwo gesagt zu haben – so was wie Ergotherapie.
Also renne ich weiter, immer wieder und wieder mit meinen Gedanken und Gefühlen um die Wette diesen metaphorischen Hügel hinauf, in der vagen Hoffnung, etwas Ballast abwerfen und gleichsam anderen Menschen eine Gelegenheit zum Lernen und Wachsen bieten zu können, vielleicht auch selbst etwas lernen und wachsen zu dürfen – und damit meine ich ausdrücklich nicht meine Jahresringe! Ich sagte (oder schrieb) neulich, dass man zu echter Selbstreflexion dringend eines Spiegels bedürfe, der sich dann üblicherweise in anderen Menschen konstituiert. Deshalb ist ein anderer Teil meiner vagen Hoffnung auch, vielleicht irgendwann wieder zu konstruktiveren Diskussionen anregen zu können. Ich geißele hier ja nur zu gerne Dogmatiker, Egomanen, rechte Agitatoren, Influenzeranzien und anderes Online-Geschmeiss, dessen Geseiere und Gepose den öffentlichen Diskursraum leider zu weiten Teilen in oben erwähntes Narzissmus-verseuchtes Spiegelkabinett verwandelt hat, in dem die Meinung des Gegegnübers üblicherweise im televerbalen Klo runtergespült wird. Und es liegt anscheinend nicht in meiner Natur, das einfach so hinzunehmen. Ob das gut ist oder nicht, verrät mir vielleicht irgendwann das Licht; aber bis es soweit ist, bin ich hier und kämpfe meine Kämpfe: mit meinen inneren Dämonen, mit den dummen Menschen, die ich leider ohne Anstrengung sehen kann und den Auswirkungen einer Gesellschaft, die Solidarität und Verantwortungsbewusstsein zu Störfaktoren für’s Geschäft erklärt hat. Danke für nichts, ihr Anbeter von Mammon!
Gelegentlich sind ich und meine virtuelle Rosinante müde, denn oben auf dem Hügel warten ja doch nur die Windmühlen. Und dann…, dann erregt etwas meine Gedanken, meinen Ärger, meine Dämonen, und wieder bin ich dabei – Running up that hill! [Randbemerkung: es interessiert MICH einen Scheiß, ob ihr da draußen denkt, dass die Duffer-Brüder den Song in der 4. Staffel von „Stranger Things“ zu Recht oder unrecht, gut oder schlecht, oder als pösen Fanservice eingesetzt haben – denn der Song war vorher gut und ist es auch nachher! Und die Szenen mit „Max“ sind für mich der Hammer. Also kommt klar drauf – Ende Gelände!] Und mit diesen salbungsvollen Worten eines alternden Nerds seid herzlich begrüßt im nächsten Jahrzehnt von „My Madness Machine“. Schönen Samstag noch.