Der verwirrte Spielleiter N°48 – Lizensiert…?

Es gibt so eine ungeschriebene Konvention, dass sich bestimmte Genres, bzw. bestimmte Settings nur mit den dafür vorgesehenen Regelwerken realisieren ließen. Wir wollen zur Abwechslung mal Vampire? Kein Thema, White Wolf hat da was im Angebot! Wir suchen nach der detailliertest möglichen Fantasy-Spielumgebung? Hey, gab’s da nicht DSA? Cyberpunk ist uns ohne Magie und Metamenschen zu öde? Auf auf, zum Schattenlauf! Das ließe sich jetzt sicher noch eine Weile fortführen, wenn ich Menschen langweilen wollte. Worauf’s hinausläuft ist Folgendes: allzu leicht mache ich im Hobbyumfeld das Ausleben MEINER Phantasie, MEINER Kreativität, MEINER schrägen Träume abhängig von der Verfügbarkeit eines Konsumproduktes. Denn hey, sorry falls ich da Illusionen zerstöre, jene Verlage, die Rollenspiel-Regelwerke herstellen und vertreiben, wollen damit Geld verdienen! Das ist eine Industrie. Und spätestens seit DnD 5E dank der verstärkten Präsenz von Pen’n’Paper in den Mainstream-Medien boomt (siehe etwa ab 2016 „Stranger Things“), läuft das Geschäft wohl ganz gut.

Das führte in den vergangenen 20+ Jahren durch die sogenannte Open-Gaming-License 1.0 (gibt’s seit Edition 3) von Wizzards of the Coast (dem Hersteller von DnD) dazu, dass im Windschatten von DnD andere, artverwandte Regelwerke entstanden sind, welche sich der grundlegenden Spielmechaniken von DnD bedienen, aber eigenständig funktionieren – und für ihre jeweiligen Autoren Geld verdienen dürfen. Gleiches gilt für verschiedene Komplementär-Produkte wie Bücher, Magazine, You-Tube-Kanäle, Patreons und Anderes, bei denen das Geschäftsmodell auf der eben erwähnten OGL 1.0 basiert – die WOTC jetzt vermutlich durch eine neue Version ersetzen wird, die – wenn man den geleakten Dokumenten glauben möchte – faktisch die Arbeit all dieser Fans zu deren Eigentum machen würde. Zumindest wird das gerade befürchtet. Es gibt den einen oder anderen You-Tube-Kanal, dem ich folge, weil ich mich für Rollenspiel nun mal interessiere, und vieles, was in DnD wahr ist auch in anderen Regelwerken gilt; und zwar vollkommen unabhängig von den regelmechnischen Aspekten. Und die könnten nun alle verschwinden…

Wenn ich sage, dass ich das traurig finde, geht es mir natürlich auch um den Umstand, dass man da ein paar Menschen ohne größere Not einfach mal die Lebensgrundlage killt. Vor allem aber führt es einem drastisch vor Augen, dass selbst ein – immer noch – relatives Nischenhobby nicht davor gefeit ist, auf Teufel komm raus monetarisiert werden zu müssen. Dass ist, was ich meinte, als ich eingangs vom sich-abhängig-machen von Konsum-Produkten sprach. Es ergeben sich immer Auswirkungen auf das Tun und Lassen der jeweiligen Fanbase, wenn es zu wirtschaftlich motivierten Verwerfungen im Kosmos eines bestimmten Franchises kommt; und da ist es vollkommen egal, ob sich’s dabei um diese neue, geile Serie auf Flix, Prime oder Plus handelt, oder eben um das favorisierte Pen’n’Paper-Regelwerk.

Vor diesem Hintergrund bin ich dann doch ganz froh, dass ich in den letzten 25 Jahren ein eigenes Regelwerk entwickelt und gepflegt habe, dass mit Costum-Anpassungen an verschiedene Settings und mehreren zeitgleich gespielten Kampagnen zwar nur einem sehr kleinen Personenkreis bekannt ist – dafür aber nix extra kostet, außer Zeit und Ideen. Und das natürlich an den in meinen Runden vorherrschenden Style of Play angepasst ist. Wir probieren immer mal wieder etwas kommerzielles aus und natürlich stehen in meinem Regal auch verschiedene Systeme aus den letzten 30 Jahren, die selbstverständlich hier und da als Inspiration herhalten mussten. Und ich lasse mich auch gerne mal vom Zauber eines anderen Regelwerkes einfagen. Aber zumeist bleibt der Schuster bei seinen Leisten. Und ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass – sollte jemals jemand diese Regeln nutzen wollen – ich diese ohne große Probleme zur Verfügung stellen könnte. Ich vermarkte das nur nicht, da im Homebrew-PDF nicht nur gemeinfreie Artwork drin ist. Da es aber nur zum nicht-gewerblichen Hausgebrauch genutzt wird, entsteht da kein Urheberrechtsbruch.

Wie dem auch sei; ich fände es nice, wenn sich mehr Leute ihrer eigenen Kreativität und Fantasie bemächtigen, anstatt irgendeinem offenkundig hungriger gewordenen Konzern ihre Kohle in den Rachen zu werfen. Man sollte dazu vielleicht noch wissen, dass WOTC Hasbro gehört (ja, genau die, denen z. B auch „Transformers“, „Power Rangers“ und „My little Pony“ gehören – passt ja ganz gut zusammen, oder?). Ich weiß, dass Spielleiten nicht einfach ist. Darum schreibe ich hier ja ein Ratgeberbuch, dass nix kostet. Das eigene Spielleiten wird nämlich besser, wenn man nicht nur vorgefertigte Produkte nutzt, sondern eigene Module, Abenteuer und schließlich Kampagnen entwickelt. Denn was MEIN Tisch braucht, kann irgendein Designer bei WOTC oder irgendeinem anderen Hersteller gar nicht wissen! Vielleicht schreibe ich bis zum Jubiläumspost mal ein kleines How-To-Design. Nachdem ich jetzt mal wieder zwei Runden als SL fortführen konnte, und einige spontane Einfälle hatte, ist die Energie auch wieder da. In jedem Fall wünsche ich euch eine gute Woche. Wir hören uns und bis dahin – always game on!

Auch als Podcast…

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