Vor ein paar Jahren fragte mich meine Frau, was ich denn mit einem Tablet will, dass wäre doch nur ein teures, sinnfreies Spielzeug. Als ich sie dann gestern mit den Kindern abends auf der Couch sitzen sah, während die drei sich auf einem Tablet „Schwanensee“ anschauten, verzichtete ich darauf, sie zu fragen, was sie denn da mit dem „teuren, unnötigen Spielzeug“ treiben würde. Es wäre ein zu billiger Lacher gewesen; außerdem bin ich üblicherweise nicht nachtragend. Die damals abgegebene Erklärung, dass ich mal ein anderes Gadget als Produktivwerkzeug ausprobieren wollte, war zugegeben auch nicht ganz ehrlich. Immerhin war ich schon immer von allem immens fasziniert, was mit neuen IT-Geräten, und heute speziell Portables zu tun hat; und das ganz gewiss nicht nur aus akademischen Gründen, wenngleich mein Studium der Bildungswissenschaft durchaus einen Fokus auf das Lernen mit neuen Medien gelegt hat. Ich bin einfach auch ein großes Spielkind und es ist schon geil, ein neues, sexy Stück Technik in Betrieb zu nehmen…
Tatsächlich war auch mein erster Gedanke beim Kontakt mit dem damals nagelneuen IPad eines Bekannten, was man denn damit anstellen soll? Für das eingeben und redigieren redaktioneller Texte schien es nicht zu gebrauchen. Die Kamera war zugegeben ein cooles Feature, aber das konnten Smartphones ja auch schon eine Weile. Der Speicherplatz war begrenzt und zudem war das Teil absurd teuer. Teurer als meine letzten Desktop-Rechner, die überdies viel mehr Rechenleistung mitbrachten. Immerhin konnte man damit überall problemlos im Netz surfen. Die anfängliche Ablehnung verwandelte sich genau deswegen jedoch bald in Faszination, als ich begriff, dass portable und ultraportable Webdevices die Zukunft der Vernetzung darstellten. Dass die Vernetzung und Dezentralisierung von Dienstleistungen und produktiver Software klassische inhouse Serve-Client-Systeme bald ablösen könnten. Dass das alte, bislang jedoch nicht zufriedenstellend eingelöste Versprechen eines ubiquitär verfügbaren Netzes doch noch wahr werden könnte. Und dann war es um meine Zurückhaltung geschehen.
Ich gehöre mit über 40 sicher nicht zur so genannten „Generation Net“, die zumindest aus bildungsforscherischer Sicht quasi intuitiv den Umgang mit solchen Geräten und Diensten erlernt, weil sie damit aufwächst. Aber man ist ja anpassungsfähig und ich wusste, dass man sich solchen Veränderungen nicht verschließen sollte. Nur eigene Erfahrungen mit bestimmten neuen Medien und Techniken qualifizieren schließlich zu einer adäquaten Beurteilung der daraus resultierenden Möglichkeiten und somit zu einer sinnvollen Nutzung dieser. Vom Spaßgewinn durch unsinnvolle Nutzung mal ganz abgesehen; immerhin kann man beim Spielen auch was lernen. Soweit erst mal mit den Lobhudeleien.
Ich weiß nicht, ob Clouddienste tatsächlich unser Leben vereinfachen. Sie vereinfachen allerdings in jedem Fall das Teilen von Inhalten verschiedenster Formate wie Texten, Bildern und Videos; mit Blick auf die Spionage-Backdoors, die sich so mancher „Big Brother“ anscheinend hat offenhalten lassen, muss man allerdings wissen, dass man sie unter Umständen nicht nur mit jenen teilt, die eigentlich als Empfänger gedacht waren. Privacy ist zu einem wichtigen Thema der schönen neuen Welt avanciert, spätestens seit Edward Snowdens recht erhellenden Enthüllungen. Allerdings wohl nur für jene, die sich schon immer mit solchen Fragen beschäftigt haben. Alle anderen machen anscheinend genauso weiter wie bisher und blenden Bürgerrechts- und Machtaspekte in ihrem Online-Tun einfach aus. Kann man machen, muss man aber nicht. Spätestens, wenn man außer seinem Mittagessen, Katzenvideos, hoffentlich lustigen Sprüchen und seinen sonstigen medialen Vorlieben noch andere Dinge in der öffentlichen digitalen Agenda abhandelt, sollte man sich eigentlich verpflichtet fühlen, auch einmal über digitale Bürgerrechte offen nachzudenken.
Ich bin kein Schwarzseher, aber realistisch betrachtet ist das Netz noch weit davon entfernt, ein Ort virtueller Demokratie zu werden, in dem jeder seine Ideen darlegen und vertreten kann. Denn zum einen bedeutet der vorangegangene Satz konsequent zu Ende gedacht, dass man eben auch die ganze braune Propaganda, Verschwörungstheorien, Esoterik-Quatsch und noch viele andere Unnötigkeiten eine Bühne bietet; und das fordert viel Contenance. Insofern fehlt also das Wort „sinnvoll“ vor den „Ideen“. Zum anderen aber ist das Web in seiner gegenwärtigen Form vor allem Träger politischer Überwachungs- und wirtschaftlicher Verwertungsinteressen, mithin also weit von echter Demokratie entfernt. Dazu sei als Lektüre Evgeny Morozov empfohlen. Darüber will ich mich an dieser Stelle demnächst noch mal etwas ausführlicher auslassen.
All diesen Problemen zum Trotz haben portable Webdevices, wie etwa immer leistungsfähige Smartphones, vor allem aber Tablets unsere Art zu arbeiten, zu lernen und dabei zu kollaborieren verändert – und tun dies immer noch. Diesen Beitrag sollte man schätzen, auch wenn viele Fragen rings um Verwertungs- und Selbstbestimmungsrechte in der schönen neuen Webwelt noch nicht geklärt sind. Und deswegen bin ich – wenngleich heute auch vorsichtiger als früher – immer noch ein New Media Freak. C U somewhere out there…