Begriffe sind toll – man hat ein Schlagwort, welches auf einen Streich so viel sagt, so viele Assoziationen freisetzt, so viel Bedeutung in sich trägt, dass man sich weitere Worte sparen und sofort zum Wesentlichen kommen kann. Und übersieht dabei, dass die wenigsten komplexen Begriffe frei von Widersprüchlichkeiten sind und je nach Betrachter und Blickwinkel auf äußerst unterschiedliche Art interpretiert werden können. Wie eben das schöne Wort „Identität“…
Die Identität ist ein Teil unserer Persönlichkeit, welcher deren unvermeidliche Verstrickung in soziale Netzwerke unterschiedlichster Größe repräsentiert. Eben durch dieses Eingebettetsein in das Soziale werden wir als Individuen erst real, bekommen wir erst einen Sinn und eine Bestimmung, die sich wiederum zu einem nicht unerheblichen Teil aus unserer Identität speist. Bedenken wir hier zum Beispiel das Identifikationspotential eines Fußballfans mit „seinem“ Verein. Jeder von uns ist Teil von Vielem, somit ein soziales Wesen und definiert sich als Individuum über dieses Teil-Haben als Teil-Sein. All diese Teile bilden unseren Anker im Hier und Jetzt, irgendwie den Boden, auf dem unsere Persönlichkeit wächst.
Doch der Begriff Identität lässt sich eben wegen dieses, für jeden von uns fühlbaren Anteils, den er an uns hat sehr gut missbrauchen. Es ist zumeist nicht Problembelastet, wenn wir uns ein Stück weit mit unserem Arbeitgeber, unserer Jugendkultur, unserem Verein identifizieren, doch in dem Moment, da Politik ins Spiel kommt, wird die Begrifflichkeit Identität problematisch. Die Instrumentalisierung einer so genannten „kulturellen Identität“ ist die Wurzel des Übels.
Denn indem ich durch den rhetorischen Kunstgriff, anstatt des Sozialen die Kultur zur Basis der Identität zu machen, aus etwas indivudellem ein Unterscheidungsmerkmal für Gruppen konstruiere, kann ich andere Menschen, die vielleicht auch noch von woanders kommen ganz erstklassig ausgrenzen, ihnen ein „Unmensch-Sein“ andichten, das berechtigen soll, sie zu stigmatisieren und zu verfolgen, wobei die Wahl der Mittel zunächst im Dunkel verborgen bleibt. Das macht derlei Tun aber nicht richtiger, denn Identität bleibt etwas individuelles, soziales und darf nicht, weil es jemandem – wie z.B. den „Identitären“, die ja immer so schön betonen, sie seien nicht rechts – in den Kram passt zu einem wohlfeilen Indikator für WIR gegen DIE gemacht werden.
Ich persönlich beziehe meine Identität nicht aus der Zugehörigkeit zu einer Kultur, denn Angehöriger eines stets im Gange befindlichen Prozesses zu sein, ergibt für mich irgendwie nicht so recht Sinn. Oh, ich bin durchaus verschiedensten sozialen Gruppierungen zugehörig und empfinde diese Beziehungen als mal mehr, mal weniger Sinn stiftend für meine Existenz; und sicherlich beeinflusst mich Kultur bzw. der Umstand, dass mein Sein einerseits in diesen Fluss eingebettet ist, ihn andererseits aber auch verändert, so dass man von Reziprozität sprechen könnte. Aber ich bin nicht so sehr von der Idee der Kultur als Heimat durchdrungen, dass ich mich von dem rassistischen Geschwafel jener mitreißen ließe, die Identität von etwas individuellem zu etwas kollektivem umgestalten wollen, um Menschen so beeinflussen zu können. Man hüte sich vor „Identität“ als Schlagwort, vor allem in Einheit mit „Heimat“ und „Kultur“; da ergießt sich braune Brühe in leere Köpfe… Selber denken und selbst seine Identität finden macht frei, unabhängig und stark. Aber über Stärke reden wir ein anderes Mal!