Zufriedenheit N°7 – „Mein Therapeut sagt…“

Ich bin ja jetzt nicht so das typische Trend-Opfer. Wer mich in meiner Hood oder auf der Arbeit umherwandern sieht, bemerkt meistens die gleichen Dinge: Sneaker, Jeans und T-Shirts in gedeckten Farben, keine Accessoires und einen Homebrew-Haarschnitt Marke Langhaarschneider. Optisch bin ich ungefähr so interessant, wie diese neuerdings allseits beliebten Steinwüsten-Vorgärten, welche unsere urbane Bodenversiegelung noch ein bisschen beschleunigen – und das ca. so farbenfroh wie’n Bundeswehr-Panzer. Aber Trends gibt es ja – oh Wunder – nicht nur in der Mode. Ich werfe mal die Buzz-Words „New Work“, „Work-Life-Balance“ und „Achtsamkeit“ in den Raum, lasse deren unheilvolle Wirkung kurz verhallen und setze ein herzhaftes „WAS’N BULSHIT!“ on top. Hab ich mich bei einigen Gelegenheiten schon dran abgearbeitet. Nun scheint ein neuer medialer Trend gerade hip zu sein: Psychologische Betrachtungen. Insbesondere Zeit online schmeißt da im Zwei-Tages-Takt mit Artikeln um sich.

Zuerst habe ich das anfangs (insbesondere als Betroffener) mit gewissem Interesse verfolgt, dann nach einer kurzen Weile mit einem Schulterzucken abgetan – und jetzt nervt es mittlerweile nur noch! Nicht, weil ich Psychogramme langweilig fände. Man kann Menschen interessent finden und sie dennoch von ganzem Herzen hassen. Ich habe nur mit der Redundanz ein Problem. Und dem Umstand, dass die Themen irgendwie doch nur wie Füllmaterial für das Sommerloch wirken. Ich bin ja kein gelernter Journalist, aber ich würde mal annehmen, dass insbesondere Interviews mit Experten und/oder Betroffenen eine gewisse Vorbereitung brauchen; und das Redigieren solcher Texte bis hin zur Veröffentlichungs-Reife in aller Regel auch ein Korrektur-Lesen durch den/die Interviewten beinhaltet. Der Prozess benötigt üblichwerweise ein paar Wochen. Man hat also nicht zufällig soviel davon genau jetzt am Start, sondern dahinter steckt eine Agenda. Und ich frage mich gerade, welche das wohl sein könnte?

Zweifelsohne hat die Pandemie die Situation für psychisch Erkrankte nicht wirklich verbessert. In den meisten Fällen dürfte eher das Gegenteil der Fall sein. Und natürlich kann es im interesse genau dieser Menschen sein, darauf aufmerksam zu machen, dass die Versorgungsstrukturen für psychische und psychosoziale Notfälle in Deutschland stellenweise geradezu grotesk schlecht sind, wenn man bedenkt, wie viel Geld wir per anno in unser Gesundheitswesen pumpen. Aber irgendwie drängt sich mir der Eindruck auf, dass man hier nicht zu einer – sinnvollen – Diskussion anregen will, sondern mit einem gerade trendigen Thema Klickzahlen zu generieren versucht. Wenn schon die CDU-Skandale nicht mehr ziehen, der Baerbock (zumindest gefühlt) erlegt wurde, und jetzt viele an der bangen Frage der BILD-Zeitung verzweifen, ob der Malle-Pauschal-Urlaub schon wieder in Gefahr ist, braucht man halt irgendwas, was die Leute wenigstens ein bisschen hooked: Haben wir alle einen an der Waffel?

Als Mensch, der immer mal wieder mit seiner Depressionserkrankung zu kämpfen hat, muss ich sagen, dass ich einem solchen medialen Spotlight gegenüber höchst ambivalente Gefühle habe. Man(n) möchte meinen, dass die Grenze zwischen Effekthascherei und gut gemeinter Aufklärung einen höchst schmalen Grat darstellt, von dem der eine oder andere Artikel abgleitet. Insbesondere, wenn ich Überschriften wie „Depressionen passen zum Zeitgeist“ lese. Und damit ist dem interviewten Experten kein Vorwurf gemacht, denn diese Headline wurde aus gutem Grund aus dem Zusammenhang gerissen – um potentielle Leser mit einer höchst kontrovers klingenden Aussage aus der Reserve zu locken. Und genau deshalb finde ich, dass solche Themen, wenn sie denn schon in Mainstream-Medien behandelt werden müssen, bitte etwas sachlicher daherkommen sollten. Denn was den Leuten als salienter Reiz in Erinnerung bleibt, ist vor allem die Headline!

Auch der Umstand, das Befragte damit kokettieren, dass der Satz „Mein Therapeut sagt…“ schon fast zu einem kulturellen Code degeneriert ist, mit dem man Small-Talk einleiten kann, stimmt mich diesbezüglich nicht gerade positiv. Denn tatsächlich sind psychische Erkrankungen immer noch mit Stigmatisierung verbunden; Witze möchte ich darüber also, zumindest öffentlich, nicht gerissen sehen. Auch nicht durch Betroffene. Aber wahrscheinlich gehe ich hier zu hart mit den Menschen ins Gericht. Jede:r hat ja so eine eigene Art mit dem Druck, dem Schmerz und dem Stress umzugehen. Die Journaille sollte sich allerdings endlich mal hinter die Ohren schreiben, dass man Fingerspitzengefühl und etwas Expertise braucht, um solche Themen adäquat aufbereiten zu können. Und das vermisse ich im Moment zu oft. Sei’s drum; mir geht es im Moment besser und das wünsche ich allen anderen Betroffenen auch! Schöne Woche.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert