In dem Moment, da es gelingt, die Teilnehmer eines Lehrganges mit auf eine Reise zu nehmen, an der alle Beteiligten, inklusive des Dozenten wachsen können, wird die Artverwandtschaft meiner Arbeit zu meinem Lieblingshobby Pen’n’Paper am deutlichsten sichtbar. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten müsste, dass mir mein Job genau dann keinen Spaß macht. Wenn ich das allerdings zu laut sagen würde, müsste ich womöglich einen Vergnügungs-Abzug auf mein Gehalt hinnehmen… 😉 Aber mal im Ernst: natürlich bin ich im Lehrsaal, genauso wie auf dem SL-Sessel am besten, wenn ich Spaß an dem habe, was gerade passiert. Und das hängt natürlich davon ab, ob die Geschichte, welche ich gerade erzähle die TN/Spieler so zu packen vermag, dass sie mitmachen (wollen). Allen sozialen Reibungsverlusten zum Trotze, die in gemischten Gruppen entstehen können, emergiert dann im Lehrsaal und am Spieltisch gleichermaßen der Stoff, aus dem meine Welt gemacht ist: Immersion. Das Fürwahrnehmen und Eintauchen in die Erzählung.
Das ist kein Selbstläufer. Auch wenn ich nur mit begrenzten technischen Mitteln simuliere (beim Pen’n’Paper sind das z. B „nur“ die Kraft meiner Stimme und die wohlwollende Fantasie meiner Spieler:innen) genügen u. U. ein paar Kunstgriffe, um den Buy-in der Spieler:innen oder Teilnehmer:innen auszulösen und aktiv zu halten. Buy-in ist hier ein ambiger Begriff. Einerseits ist die Motivation zur Teilnahme an einer Erfahrung gemeint, andererseit die Akzptanz der Rahmenbedingungen dieser Erfahrungen. Das heißt allerdings im Klartext, wenn ich meinen Spielern/Teilnehmern einen Haufen unglaubwürdigen Bullshit als Voraussetzung für das Training/Spiel präsentiere, und gleichzeitig von ihnen verlange, sich vollends darauf einzulassen, wird das Ding in die Binsen gehen! Um dem vorzubeugen, kann Buy-in, aus dem erst die Immersion entstehen kann, durch drei Dinge erzeugt werden:
- a) Relevanz [Spielern/Teilnehmern ist das behandelte Thema wichtig, weil es Bezug zu ihren bisherigen Erfahrungen hat, gleich ob diese virtuell oder real erworben wurden!]
- b) Konsistenz [Spieler/Teilnehmer können sich darauf verlassen, dass die Regeln des Spiels bzw. der Simulation immer gleich bleiben, damit ein verlässliches Umfeld bilden und gleichartige Handlungen in diesem Setting stets gleichartige Ergebnisse poduzieren!]
- c) Transparanz [die Regeln des Spiels sind für die Spieler/Teilnehmer vorab bekannt und wurden als fair und gültig anerkannt!]
Für mich ist der entscheidende Unterschied zwischen Simulations-Trainings und Trainer-Lehrgängen aus meinem beruflichen Umfeld und dem Pen’n’Paper-Rollenspiel die Wirkung des Einsatzes von technischen Ressourcen. Pen’n’Paper benötigt diese NICHT. Man kann natürlich mit Schischi wie Ambient Light, Soundeffekten, Requisiten, etc. arbeiten. Ob dies die Spielerfahrung für SL und Spieler:innen reichhaltiger gestaltet, ist allerdings sehr von den Protagonisten am Spieltisch abhängig. In meinen Spielrunden genießt es keinen Stellenwert mehr. Bei Simulationstrainings hingegen ist der Situationsadäquate Einsatz von Technik notwendig, um jene Realitätsnähe in der Simulation darzustellen zu können, die ich beim Pen’n’Paper-Rollenspiel als Freizeitbeschäftigung u. U. gar nicht haben möchte. Auch hier gilt allerdings als Voraussetzung, dass die drei oben genannten Faktoren (Relevanz, Konsistenz, Transparenz) beachtet werden; andernfalls ist es vollkommen egal, ob mein Simulations-Studio 5.000.00€, 50.000€ oder 5.000.000,00€ gekostet hat! Und hier sind wir bei der Qualifikation der Trainer. Verstehen Trainer bzw. Spielleiter ihr Handwerk als Erzähler einer Geschichte nicht, ist es vollkommen Wumpe, wie viel Aufwand mit den Requisiten betrieben wird – das Setup wird keine guten, nachhaltigen Erfahrungen für die Spieler/Teilnehmer erzeugen!
Man muss ehrlicherweise sagen, dass ein gewisser Ressourcen-Aufwand bei Simulations-Trainings notwendig ist. Wo man die Grenze zwischen notwendig und nice-to-have ziehen möchte, ist allerdings in der Tat immer noch Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Dennoch lassen sich auch mit vergleichsweise geringem Aufwand für das eigentliche Setup der Trainings-Situationen anständige Ergebnisse erzielen. Keine Abstriche jedoch sollte man bei der Technik machen, die das Debriefing von Simulationen erleichtert. Aber dazu bei anderer Gelegenheit mehr. Womit wir auch schon beim zweiten, für mich entscheidenden Unterschied zwischen diesem Teil meiner Arbeit und Pen’n’Paper angelangt wären: eine Rollenspielrunde kann man nachbesprechen, bzw. zusammenfassen, damit Story-Infos nicht verloren gehen; man kann es aber auch bei Notizen belassen. Bei Sim-Trainings MUSS ich ein strukturiertes Debriefing durchführen, welches alle Aspekte der Simulation noch einmal aus verschiedenen Perspektiven aufgreift, um die Entwicklungs-Potentiale der TN darstellen zu können. Ansonsten kann ich das Simulieren auch bleiben lassen…
Wenn man sich mal ein bisschen Zeit nimmt, gewisse Aspekte der eigenen Arbeit und der Hobbies analytisch zu durchdringen, und dann dabei auch noch feststellen darf, dass es Schnittmengen zwischen Arbeit und Hobby gibt, resultiert daraus manchmal ein nicht zu unterschätzender Motivationsschub für beide Felder. Ich kann nur empfehlen, mal drüber nachzudenken. Einstweilen wünsche ich einen schönen Fortgang der Woche und viel Spaß; im Job, wie auch in der Freizeit…
Eine Antwort auf „Der verwirrte Spielleiter / Erwachsen bilden N°33 – Spielleiter meets Lehrer!“