…punked…?

Das Jugendwort des Jahres 2022 sei „smash“, behauptete man dieser Tage. Als wenn das nicht genug wäre, befragte man dann 20 junge „Prominente“ (was auch immer das individuell bedeuten mag), nach deren Meinung dazu. Dass einige dieser Menschen schon fast 30 waren, entwertet die Befragung aus meiner Sicht, weil sich speziell vom Teen zum Twen so verdammt viel verändert. Aber hey, wer bin ich denn schon? Als ICH mich auf den steinigen ersten Metern vom Knaben zum Mann befand, kam es zu drei Begegnungen, die mein Leben bis heute beeinflussen: erstens wurde ich an Pen’n’Paper herangeführt, zweites begann ich – auch durch das Erstere vermittelt – mit den Punks abzuhängen. Und drittens begegnete ich meiner besten Ehefrau von allen. Im Bezug auf den letzten Punkt habe ich nichts weiter zu sagen; außer vielleicht, das Langzeit-Beziehungen von den Beteiligten Mühe und Pflege verlangen. Der erste Punkt hat sich im hier gegebenen Kontext schon so oft in Einlassungen realisiert, dass ich diesen heute auch mal beiseite lassen will. Der zweite Punkt jedoch bedarf eventuell einer kurzen Betrachtung. Zuvor sei allerdings noch erwähnt, ich bin immer noch auf diesem steinigen Weg, und mittlerweile zieht er sich ein bisschen. Wenigstens bin ich kein Junge mehr. What separates the boys from the men…?

Boys gehen tanzen, men zur Klausur ins Kloster 😉

Manche Erinnerungen an diese Zeit sind mittlerweile ein wenig verschwommen (ist ja auch schon 30 Jahre her), gewisse Personen und Dinge werde ich aber gewiss mein Lebtag erinnern. Insbesondere den Umstand, dass meine politische Sozialisierung damals sozusagen auf Links gedreht wurde – und dass dieser Life-Spin auch mit viel mehr Lebenserfahrung und Bildung einer kritischen Betrachtung nach wie vor standhält. Hätte auch anders kommen können, denn die späten 80er und frühen 90er waren auch in Mannheim von Konflikten zwischen den politischen Polen und Bevölkerungsgruppen geprägt. Ich war damals mehr so ein Mitläufer, durfte allerdings viele Einblicke nehmen. Den Begriff „Punk“ habe ich damals noch nicht bewusst reflektiert. Das kam erst später. Aber ich wusste damals instinktiv, dass diese Leute dem Mainstream, dem Angepasst- und Eingepasstsein kritisch bis ablehnend gegenüber standen. Wir waren Kids und die Emotionen ins uns mächtig; also waren auch die Zeichen des Andersseins nach Außen mächtig. Mein diesbezüglicher Mut war insofern immer begrenzt, als ich noch nie zum Radikalismus geneigt habe – und dies bis heute nicht tue; doch die bewusste Abgrenzung war immer ein Motiv meines Lebens. Wenn manchmal auch ein gut Verstecktes.

Wenn ich heutzutage etwas über Jugendsprache und ihre Codes lese, überkommt mich oft ein Schmunzeln. Nicht etwa, weil ich die beschriebenen Begriffe lächerlich fände. Das sind sie nicht! Können sie gar nicht sein, denn für die jeweilige Jugend sind diese Begriffe Teil IHRER Realität! Was weiß ich denn, abseits meiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema schon davon, was es heißt, heutzutage so jung zu sein, wie ich vor 30 Jahren? Manche von denen sind Mainstream, manche sind Außenseiter, so wie ich es war – nur anders! Same, same, but different? Keine Ahnung. Ich habe zwar, durch meine Arbeit in der beruflichen Bildung viel mit Menschen dieser Alterstufe zu tun, aber wirklich verstehen…? Ich rühme mich einer gewissen Menschenkenntnis, möchte mir jedoch nicht anmaßen, zu behaupten, in Menschen hineinsehen zu können, deren Realität doch recht weit von meiner entfernt ist. Was ich aber weiß ist Folgendes: jedes Individuum sucht nach Distinktion, nach der Gewinnung einer eigenen Identität; und Alterskohorten, so divers ihre Mitglieder auch sein mögen, so wenig der Begriff „Generation“ zur differenzierten Beschreibung komplexer sozialer Phänomene taugen mag, erzeugen ihren je eigenen Peerpressure – und damit Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Andernfalls hätten sich nicht schon Platon und Sokrates vor 2500 Jahren über die Unsitten der Jugend beschwert – und die Zwei taten das keinesfalls als Erste….

Viele empfinden den Begriff „Punk“ als ausgenudelt und überstrapaziert. Das könnte damit zusammenhängen, dass er für Vieles herhalten musste; z.B. als Marketing-Buzz für Video-Spiele und Filme, reduziert auf einen optischen Stil, den jemand aus SEINER ganz speziellen Sicht auf Atom-/Cyber-/Diesel-/Steam-Punk entworfen hat. Der Whatever-Punk, den ich im Kopf habe, sieht sicherlich anders aus, als der von William Gibson, den Leuten bei CD-Project RED, oder den Wachowski-Brüdern, die mittlerweile Wachowski-Schwestern sind. Das Suffix -PUNK steht dabei jeweils für mögliche gedachte Entwicklungspfade, die jedoch eines gemeinsam haben: sie werden von ihren Machern stets als problembehaftet betrachtet. Weil die Festschreibung eines Status Quo in den Erzählungen unweigerlich katastrophale Folgen haben wird.

[Kurzer Exkurs]: Folgt man Adorno, der die Kunst dem Primat des wirtschaftlichen Verwertungsinteresses unterworfen sieht, und kann man z.B. auch Science-Fiction-Literatur als Kunst verstehen, wird der Zwiespalt klar, in welchem sich die Künstler befinden müssen: einerseits fiktive Pfade beschreiben zu wollen, die eine mögliche Entwicklung unserer Welt zu bestimmten Zeitpunkten extrapolieren, um auf ihre Wahrnehmung der Probleme aufmerksam zu machen, und dies andererseits so zu tun, dass ein Verlagslektor es nicht sofort in den Mülleiner wirft. Heute ist es einfacher, weil man ja alles im Selfpublishing herausgeben kann – Reichweite zu erzeugen, bleibt aber im Zeitalter von Antisocial Media paradoxerweise immer noch schwierig. Weil sich Art und Geschwindigkeit der Wahrnehmung geändert haben. Wenigstens gibt es heute häufiger ein Problem-Bewusstsein für die Krisen unserer Zeit! [Exkurs Ende]

Die Verwurstung des Begriffes in den Medien hat mit der Zeit zu einer gewissen Beliebigkeit der Ettikettierung geführt – alles, was nicht Mainstream ist, nennt man Punk. Der Tag wird einfacher wenn man ein gutes Stereotyp und ein schickes Label dafür hat. Dass wir alle uns zuerst über Dichotomien – also in Gegensätzen zu dem, was wir als ANDERS wahrnehmen – definieren, bleibt dabei cerebral unterrepräsentiert. Was mich einstmals gepunked hat, ist einfach nur etwas anderes, als das, was die Kids heute punked; der Mechanismus bleibt der Gleiche! Und es ist dabei vollkommen egal, ob es die Mainstream-Kids oder die Außenseiter sind (Goth, Jock, Yuppie, Metaler, etc. benutzt man heute ja nicht mehr so…) – sie alle haben etwas , dass sie punked. Ich habe meine Identität gefunden, und die werden das auch tun. Und möglicherweise lächeln sie, wenn sie mal so alt geworden sind wie ich, auch über das Gelaber und die Klamotten von damals… C U…

Auch als Podcast…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert