Genau dieses Vorurteil findet man doch recht häufig, wenn die Sprache auf das Bedingungslose Grundeinkommen, kurz BGE kommt. Das Thema geistert seit einiger Zeit immer häufiger durch die Medien und scheint mittlerweile immer mehr Anhänger zu gewinnen. Und das übrigens nicht nur unter jenen, die davon profitieren würden. Ebenso selbstverständlich gibt es aber auch jene, die es ablehnen. Die Argumentation ist deswegen schwierig, weil kein Staat so etwas bisher versucht hat und alle Modelle zu den möglichen Auswirkungen auf den Erkenntnissen beruhen, die auf Basis „normaler“ Marktwirtschaft gewonnen wurden. Aus wissenschaftlicher Sicht muss man das BGE also als Wildcard betrachten, oder wahlweise auch als Büchse der Pandora. Je nachdem, wes Geistes Kind man ist.
Ein Artikel – wieder mal auf Zeit online – beleuchtet die Erfahrungen des Vereins Bedingungsloses Grundeinkommen, der bislang ca. 130 Menschen eine solche Chance zugelost hat. Die darin berichteten Erlebnisse und Entwicklungen der Menschen, denen dieses Geschenk zu Teil wurde lassen die Vermutung aufkommen, dass das im Titel benannte Vorurteil so wohl nicht haltbar ist. Wie immer findet sich der interessantere Part in der Kommentar-Spalte, wo Befürworter und Gegner sich ordentlich verbal auf die Mupfel geben. Interessant dabei finde ich, dass die Kommentatoren offenkundig besser über bundesrepublikanische Sozialpolitik bescheid wissen, als so mancher Fachmann.
Zu den Zahlen: 2016 hatte die BRD ein Soziabudget von knapp 889 Milliarden Euro. Darin enthalten sind alle Leistungen wie Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung, ALG, etc. Die Verwaltungskosten betrugen ca. 38 Milliarden Euro, oder ca 4,3%. Immer wieder wird davon gesprochen, dass wenn jeder der 82 Millionen Bundesbürger (vom Säugling bis zum Greis) in den Genuss eines BGE kämen dies ca. 1 Billion Euro/Anno kosten würde und das dies schlicht nicht finanzierbar wäre und das es den Sozialstaat kaputt machen würde und das es die Produktivität der Menschen hemmen und somit die Folgekosten noch verschlimmern würde.
Hierzu ein paar Denkanstöße:
Könnte es nicht sein, dass insbesondere jene Unternehmen, die Ihre Mitarbeiter prekär beschäftigen Angst haben müssten, noch jemand zu finden, der zu diesen Bedingungen für sie arbeitet. Und dass Vertreter dieser Branchen mit Sicherheit Lobbyisten haben, die deshalb für sie gegen ein BGE trommeln. Denn wenn ich nicht wirklich jeden Job – und sei er noch so beschissen – annehmen muss, zum über die Runden zu kommen, käme es höchstwahrscheinlich zu einer Preissteigerung in den betroffenen Wirtschafts-Segmenten (alle Dienstleistungen, wie Call-Center, Zusteller, Sicherheitsfirmen, Friseure, etc.). Ob dies aber mittelfristig zu einem Zusammenbruch einer solchen Branche führen würde, oder doch eher zu verbesserten Erwerbsmöglichkeiten der dort Beschäftigten und damit steigender Kaufkraft und ebenso steigendem Steueraufkommen – wer will das jetzt schon sagen können?
Könnte es nicht sein, dass eine solche Veränderung des Arbeitsmarktes zu einer Aufwertung der Lohnarbeit insgesamt führt? Was zur Folge hätte, dass der Stolz auf die eigene Erwerbsarbeit eher eine Motivations- und damit auch eine Produktivitätssteigerung zur Folge haben könnte.
Könnte es nicht sein, dass eine Gesellschaft, deren größter Teilnehmerkreis nicht mehr von der Angst um das Fortbestehen der eigenen Erwerbsfähigkeit regiert und gegängelt wird eine Zunahme gesellschaftlicher Teilhabe in allen Bereichen erführe: politisches und soziales Engagement könnten einen wahren Boom erleben.
Bin ich zu optimistisch? Vielleicht; aber wenn ich mir die Menschen, die ich kennen lernen durfte so anschaue, habe ich den Eindruck, dass die Meisten mich nicht enttäuschen würden. Leistungsverweigerer kennt unsere Gesellschaft auch heute schon zur Genüge. Was aber in nicht unerheblichem Umfang der Tatsache geschuldet ist, dass das Versprechen von Aufstieg durch Leistung schon lange nicht mehr gilt. Schafft man hier einen Ausweg, der die Idee von Leistung als Gradmesser für gesellschaftliche Nützlichkeit einem humanistischeren Menschenbild nachordnet, bin ich davon überzeugt, dass der Wille zur Leistung ganz von selbst entsteht. Das Entfernen von Zwang schafft Freiheit; und nur ein freier Geist leistet wirklich etwas sinnvolles und nachhaltiges. In diesem Sinne wünsche ich ein erfolgreiches und glückliches Jahr 2018!
Eine Antwort auf „Vom Staat geschenkt – dann schaff ich nix mehr…“