Es gab mal eine Zeit, da man sich unvorbereitet ins Kino begeben musste, weil nicht jede Produktion von Scharen von Aasgeiern – pardon „Medienreportern“ (oder besser, was an menschoidem Geschmeiss halt die Frechheit besitzt, sich so zu nennen) belagert wurde, und jeder noch so kleine Futzel Internes durch die Verwertungsmühle des weltweiten Desinformationsgewebes gedreht werden musste. Wenn man früher ins Kino ging, kannte man keine Analyse des Testscreenings, konnte nicht die Vorabrezensionen der ganzen Möchtegern-Feuilletonisten lesen, wusste nicht, dass der Film / die Serie evtl. durch die Produktionshölle gegangen war und hatte – außer der Werbung und einem THEATRICAL TRAILER keine Hinweise darauf, wie dieser Film sein würde. Und das war gut so! Mein Lieblingsbeispiel hierzu ist „Alien“; wenn die Leute geahnt hätten, auf was für einen Höllenritt sie sich mit dem Lösen des Tickets eingelassen hatten… wer weiß, ob dieses Meisterwerk solchen Status hätte erlangen können. Denn unter Garantie hätten all jene, die mit einem strong female Lead wie Sigourney Weaver als Ellen Ripley 1979 nichts anfangen konnten, den Film gedownvoted. Solche Machoidioten seien auch heute noch verbreitet, hab ich gehört… Jedenfalls kann man mit Sicherheit sagen, dass Kino früher ein deutlich überraschenderes Erlebnis war, als heutzutage, wo so viele von uns schwerst Smartphone-abgestumpft durch’s Leben zombieren und immerzu nur „Hab ich woanders schon gesehen“ murmeln, anstatt sich auf die Geschichte einzulassen. Buy-in? Zero…
Das heißt nicht, dass alle früheren Filme besser gewesen wären als die heutigen. Gurken wurden auch in vergangenen Jahrzehnten zu Hauf gedreht; manche von denen SO SCHLECHT, dass sie im Laufe der Zeit sogar zum Kult wurden („Dark Star“ oder „Angriff der Killertomaten“ etwa). Aber manche waren Meilensteine, weil sie entweder die Art, eine Geschichte zu erzählen vollkommen neu interpretierten, ein neues visuelles Erlebnis boten, oder die Geschichte so gut erzählt waren, dass man sich mühelos darauf einlassen konnte. „Jäger des verlorenen Schatzes“ war so ein Film. Ob man die fünf Oscars als Zeugnis dafür akzeptiert, oder nicht, ist dabei unerheblich. Aber so brilliant ich persönlich den Film bis heute finden mag – auch hier gibt es, wenn man länger darüber nachdenkt, Plotholes, welche Teile der Geschichte und vor allem die Kontinuität mit den folgenden Filmen in Frage stellen (Stab des Re und Lichtreflexion, warum glaubt Indy in späteren Teilen plötzlich nicht mehr an Magie, obwohl er sie GESEHEN hat, etcpp.). Was aber viel wichtiger dabei ist: sind diese Plotholes SO relevant, dass sie meine „Willing Suspension of Disbelief“ zerstören, also meine Bereitschaft, mich auf die Geschichte einzulassen und über diese kleinen Inkonsistenzen und Fehler hinweg zu sehen, weil mich die Story, die Welt in der sie spielt, die Charaktere als solches faszinieren und ich bereit bin, die Realität mal eine Weile Realität sein zu lassen – oder eben nicht? Und ich stelle immer mehr und immer wieder fest, dass die oben bereits erwähnte Smartphone-Abstumpfungs-induzierte ENTSTAUNUNG der Zuschauer bei gleichzeitiger Zombifizierung diese Fähigkeit zu zerstören scheint. Schneller, höher, weiter – aber wehe jemand macht sich die Mühe, Dinge mit einem Schuss melancholischer Reminiszenz an frühere Geschichten zu erzählen; da hörst du dann sofort die ganzen dogmatischen Fanboys and -girls „FANSERVICE“ schreien. Wie bigott ist DAS denn?
Ich meine – es gibt auch teure Produktionen, die einfach meine Aufmerksamkeit nicht (mehr) wert sind. Diese ganze schlecht geschriebene, schlecht produzierte, uninnovative und mittlerweile mit echt lausigem CGI durchsetzte Superhelden-Massen-Scheiße, welche Disney uns hinzuwerfen die Frechheit besitzt BRAUCHT. KEIN. MENSCH. Also… ja, wahrscheinlich gibt es schon Menschen, die denken, dass sie das brauchen, ist ja ein freies Land, aber MIR könnt ihr mit dem Müll vom Halse bleiben, danke. Ich versuche zwar, dieses ganze „Medienreporter“-Geseiere zu umschiffen, aber es klappt einfach nicht. Verficktes Clickbaiting funktioniert auch bei mir hin und wieder. Also erfahre auch ich, öfter als mir lieb ist, vorab Dinge über Titel, die mich interessieren könnten. Ganz ehrlich, wenn’s nach mir ginge könnte man IMDB, Rotten Tomatoes und andere Rating-Seiten einfach wieder abschaffen. Entweder der Film klingt interessant, oder eben nicht. So bin ich früher in Filme gestolpert, die ich andernfalls vielleicht nie angeschaut hätte. Und die mich trotzdem beeinflusst haben. Und jetzt kommen wir zu dem Film, den meine beste Ehefrau von allen und ich uns dieser Tage im Heimkino angeschaut haben: „Indiana Jones and the Dial of Destiny“ – und der mich in vielerlei Hinsicht beeindruckt hat. Auch hier finden sich wieder diverse Plotholes (Helenas Motivation zu Beginn), Zufälle (Menschen denken über etwas nach und kommen zu den gleichen Schlüssen), und eine Szene, die ich in der Form anders geschrieben hätte (keine Spoiler, aber dieser Todesfall war unnötig). Jedoch James Mangold vorzuwerfen, dass er die alten Filme nicht verstanden hätte, ist aus meiner Sicht rundweg Blödsinn.
Man kann über den Einsatz von De-Aging-Technologie streiten, oder über die Frage, warum Helena anfangs ein so verdammt nervtötendes Wesen ist. Vielleicht auch darüber, dass den Nebencharakteren, abseits einiger Aha-Momente, nicht genug Zeit eingeräumt wird. Aber all das verdeckt für mich nicht die detailverliebte und weitenteils den Geist des Originals atmende Wiedererweckung jenes Mythos, der, nach all den Abenteuern endlich an einem friedlichen Ende seines Weges angekommen ist; und DAS darf und soll man auch darstellen, insbesondere wenn „Dial of Destiny“ offiziell der letzte Indiana-Jones-Film, ist. Nostalgie? Oh ja! Fan Service? In jedem Fall! Ein echtes Indy-Abenteuer? Sagen wir mal so: wenn man von ein paar kleineren Schnitzern im Skript absieht, die früher so eher nicht vorgekommen wären, ist es dennoch für mich ein würdiger Abschluss eines wirklich großartiges Movie-Franchises. Das andere das anders sehen, liegt in der Natur der Sache und sei ihnen unbenommen. Manche Kritik zielt mir jedoch zu wohlfeil auf Aspekte rings um den Film. Phoebe Waller-Bridge sei eine Comedienne ohne echte Film-Erfahrung; nun ja, Karen Allen und Kate Capshaw waren jetzt auch keine Titanen der Film-Industrie, als sie ihre Rollen in Raiders bzw. Temple of Doom bekamen. Und was ein Zuviel an Infos von Filmsets und Fimproduktionen angeht – so manches wurde in den letzten Jahren kaputt geschrieben, bevor es an den Start kam, und so manches, während es schon lief. Man denke nur an den Shitstorm ring um „The Witcher“ und den Disput Henry Cavills mit der Showrunnerin Lauren Schmidt Hissrich, was zum Weggang des Hauptdarstellers führte.
Die ganzen dämlichen Fanboys und -girls da draußen, die sich heutzutage oft schlimmer aufführen, als die noch dämlicheren Ultras einschlägiger Fußballclubs sind es, welche das Showbiz nachhaltig beschädigen; denn indem in den Chefetagen der Film- und Fernsehstudios nur noch kurzfristige Quoten und davon abhängende Abo-Zahlen, Merchandise-Verkäufe, Werbedeals, etc. zählen, werden Stoffe, die frischer Wind sein könnten gekillt, während man verzweifelt versucht, kranke Pferde zu Tode zu reiten, solange diese noch jeder kennt. In der Folge gibt’s Einheitskost, die oft so lieblos auf den Schirm geklatscht wird, dass sich der Vergleich zu jenem amerikanischen Gefängnis-Fraß anbietet, wie man diesen aus Filmen kennt… Ich würde mir wünschen, dass Menschen wieder anfangen, selbst über ihren Medienkonsum nachzudenken und nicht unreflektiert den Quatsch nachzuplappern, denn irgendwelche selbstverliebten Möchtegern-Kritiker online abzusondern die Stirn besitzen. Mir ist es vollkommen Wumpe, ob jemand anders den letzten Indy-Film Scheiße fand – er oder sie darf das gerne für sich behalten und muss sich den Film ja auch nicht anschauen; obwohl das dabei helfen würde, wenn man ihn kritisieren möchte. Ich wäre aber entzückt, wenn man dabei einfach unvoreingenommen an die Sache ranginge. Das hilft einem im Leben nicht nur vor dem Fernseher. Einstweilen lese ich Kommentarzeilen NACHDEM ich mir irgendwas angeschaut habe und habe so manchmal wenigstens was zu lachen. Startet schön in die neue Woche – aber labert eure Kollegen nicht mit eurer Meinung zu Film und Fernsehen voll, es sei denn ihr wisst, dass es eine gemeinsame Läster-Session wird. Im Privaten ist das okay – in der Öffentlichkeit NICHT. Und Tschüss.