Symbolik für Anfänger – Part 3

Gerade zu einem der höchsten christlichen Feste stehen Zeichen (und ihre jeweilige Bedeutung) natürlich hoch im Kurs. Interessant ist es dabei, festzustellen, dass viele Leute „ganz klassisch“ ein Osterlamm verzehren, ohne sich der Bedeutung (das Opfer Christi durch die Kreuzigung am Karfreitag) je tatsächlich bewusst zu werden. Die Semiose hat durch die Reflexion von Alltagsrealitäten für die meisten Menschen aus der Auferstehung Christi einfach 4 freie Tage am Stück zuzüglich leckerem Braten gemacht. Man mag sich über den Verfall des Glaubens aufregen, oder einfach feststellen, das christliche Symbolik heute keine so große Rolle mehr spielt, weil die Pluralisierung der Gesellschaft auch die Pluralisierung unserer Spiritualität voran getrieben hat – das ist allerdings genug Diskussionsstoff für einen anderen Post. Denn wir sind immer noch bei den Zeichen…

„Wenn Synonymisierungen im Privaten und in der Arbeitswelt eine so bedeutsame Rolle spielen, dann findet man sie doch sicher auch im öffentlich Raum, Sherlock? Oh, mein lieber Doktor Watson, sie ahnen ja gar nicht, auf wie vielfältige Art wir durch Zeichen belogen und behumst werden…“ Sagen wir mal so: alle Akteure im öffentlichen Raum arbeiten mit Vereinfachungen und Verkürzungen der tatsächlichen Sachverhalte; und zwar in der Annahme, dass eine Komplexitätsreduktion mit höherer Wahrscheinlichkeit zu breiterem Verständnis für das jeweilige Anliegen führt. Das dabei unter Umständen eben jene Aspekte unter den Tisch fallen, die als contra zur eigenen Position angeführt werden könnten, ist natürlich purer Zufall [Ironie aus]. Die eigentlich interessante Frage dahinter ist doch nicht, wie politischer Wille konstruiert wird (hierzu empfiehlt es sich Herman und Chomsky „Manufacturing Consent“ zu lesen) , sondern von wem er ausgeht? Diese Frage bleibt hier mit Absicht unbeantwortet!

Beschaut man sich, wie unterschiedliche Akteure im öffentlichen Raum Symbole nutzen, um ihre jeweilige Agenda zu betreiben, fällt als erstes auf, wie leicht Menschen sich durch die verwendeten Symbole triggern lassen und wie wenig es ihnen danach gelingt, hinter das Symbol zu sehen. Schauen wir uns dazu doch mal die Grünen an. Die weltweite Initialzündung für die ökologischen Bewegungen, aus denen später die heutige Partei hervorgehen sollte war der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome. Die nüchterne Berichterstattung über die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen durch den kapitalistischen Raubbau, die bereits 1972 erstellt wurde, hat leider bis heute, fast 50 Jahre später kein Jota an Bedeutung verloren. Doch was nehmen wir von den Grünen wahr? „Verbotspartei!“ „Ökodiktatur!“ „Pädophilenpartei!“ Liest man sich die Artikel durch, bzw. macht man sich die Mühe, noch etwas tiefer zu graben, stellt man fest, dass die Schlagworte oft wenig mit der Realität zu tun haben.

Politische Gegner durch plakativ-polemisches Agieren (also die aktive Verwendung starker Symbolik) zu bekämpfen, zu diskreditieren, um Stimmenpunkte zu bringen ist Alltag des politischen Geschäfts. Interessant ist, dass insbesondere die AfD, die ja gerne austeilt nur schlecht einstecken kann. Insbesondere, wenn sie mit eigener Realität konfrontiert wird. Der Kabarettist Volker Pispers hat mal sinngemäß gesagt: „Wenn ich Angela Merkel lächerlich machen will, muss ich sie nur zitieren.“ Das Gleiche gilt für so gut wie jeden anderen Politiker, so gut wie jeder Partei (auch derer, die ich regelmäßig wähle). Das Problem, welches dabei allerdings entsteht, dürfte mittlerweile klar sein: unzulässige Synonymisierung von Propaganda / Agitation und Sachinhalt. Denn natürlich werden so manche Menschen irgendwann das öffentliche Framing des politischen Gegners durch die favorisierte politische Kraft so vollkommen übernehmen, dass dadurch auch eine mentale Imprägnierung gegen – u.U. auch legitime – Sachargumente des politischen Gegners entsteht. Oder einfacher: das oft dämonisierende Bild, welches MEINE Partei vom Gegenüber zeichnet, wird für mich zum Synonym für alles und jeden der ANDEREN Partei. Kann man ganz gut am Green-Bashing in Facebook ablesen.

Und damit sind wir am Endpunkt angekommen: Dogmatismus! Der Glaube an eine selbst gewählte Wahrheit, neben der keine anderen Argumente mehr existieren dürfen, ganz gleich, wie gewichtig diese auch sein mögen. Denn ICH darf keinen schnellen Verbrenner mehr fahren. Denn ICH darf nicht zwei Mal im Jahr nach Malle fliegen. Denn ICH soll auf meinen Fleischkonsum – meinen Konsum überhaupt – achten. ICH, ICH, ICH. Also ich sehe überall nur noch Egos, die verdächtig nach Vierjährigen klingen, denen man das Eimerchen und das Schäufelchen weggenommen hat – weil sie damit den anderen Vierjährigen verprügelt haben. Aber das Elend gehört natürlich ganz und gar MIR, denn es wahren MEIN Eimer und MEINE Schaufel. Hört ihr euch eigentlich reden? Wo habt ihr die zweite Erde versteckt, die wir benutzen können, wenn die hier kaputt ist? Ach, das interessiert euch nicht, denn dann seid ihr ja schon tot? Ihr habt also alle keine Kinder, ja…?

Es ist Ostersonntag, Fest der Auferstehung Christi. Könnte ein schönes Symbol sein, wenn wir doch in der Lage wären, es als dass zu Erkennen, was es ist: einfach ein Zeichen, dass uns daran gemahnen soll, dass jedes Ende auch ein Anfang sein kann! Wäre es nicht schön, wenn man zur Abwechslung mal wieder damit anfinge, einander zuzuhören, anstatt dauernd die eigenen Dogmen wie Monstranzen von sich her zu tragen und jeden zu verdammen, der nicht das gleiche Lied singt? „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“, hieß es mal. Ich habe in letzter Zeit mehrfach Leute entfreundet und blockiert, weil mir das symbolische Handeln ihrer Alter Egos im virtuellen Raum unerträglich wurde. Unerträglich dogmatisch, selbstgefällig und niederträchtig. Wäre es heute an der Zeit, denen zu vergeben? Ich fürchte nein. Denn selbst, wenn ich es könnte, zweifle ich das am anderen Ende an. Denn da habe ich fast nur noch Synonymisierungen und fast keine (Selbst)Reflexion mehr gesehen. Vielleicht trifft man sich in der realen Welt mal wieder, das fände ich spannend. Ansonsten bleibt mir folgende Erkenntnis: wir leben nun wahrhaftig in einem Zeitalter der falschen Götter und ihrer falschen Zeichen. Frohe Ostern…

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