Over the hills and far away…

Ich las heute morgen auf ZON einen Artikel, in dem sich eine Frau darüber ausließ, dass man ab dem Moment, da man Mutter würde, dauernd und von allen Schuldgefühle gemacht bekäme: man gehe das mit der Schwangerschaft falsch an, sei später dann zu wenig für das Kind da, oder helikopterte zuviel, man arbeite zu wenig, man erzöge falsch, oder gar nicht, man setze sich nicht genug für die Schule, den Kindergarten, wasauchimmer ein, man mache überhaupt gar nix richtig! Der Artikel ist leider nur hinter der Z+-Paywall für Abonenten verfügbar, deshalb verlinke ich hier nicht. Das Resumée der Autorin ist denn auch ernüchternd. Sie findet, dass man als Frau und als Mutter zu wenig gewertschätzt und entlastet, dafür aber zu sehr gedisst und bevormundet würde. Ich bin jetzt halt ein Kerl, aber ich könnte mir vorstellen, dass meine beste Ehefrau von allen was dazu zu sagen hätte – denn selbstverständlich spielt diese Diskussion auch in unserer Beziehung zumindest manchmal eine nicht unwichtige Rolle.

Die Autorin berichtete dann schlussendlich darüber, dass sie sich ganz bewusst davon freizumachen versuche, indem sie sich gezielt frei nähme und halt fünfe gerade sein ließe, wann immer sich die Gelegenheit dazu böte. Denn jeder Mensch bräuchte seine Freiräume. Ich fühlte mich sofort an ähnliche Gespräche mit meiner besseren Hälfte erinnert; vor allem, weil ICH gerade einen solchen Freiraum genieße. Und ich mich nun doch fragen muss, ob ich mich dafür schämen sollte, dass ich mir a few days off genommen habe, um mal wieder klar zu kommen: mit mir selbst, der Welt, meinen Aufgaben und dem ganzen anderen Scheiß. Es ist nicht so, dass dieser Vorgang ohne Präzedenz wäre. Alle paar Jahre breche ich mal für ein paar Tage aus gewohnten Mustern aus – und lasse fünfe gerade sein. Und ich bin gerade ziemlich glücklich darüber. Andererseits würde ich mir wünschen, dass meine Gattin, dass auch täte. Beim letzten Gespräch gab sie nämlich verschiedene Gründe an, warum das nicht ginge…

Ohne jetzt hier Interna aus dem Eheleben ausbreiten zu wollen, kann ich aber sagen, dass manche Gründe davon etwas mit Umständen im Arbeitsumfeld zu tun haben; andere jedoch sind psychologische Barrieren. Und wenn ich mich nicht vollkommen täusche, entstammen diese Barrieren eben jenem Framing, welches der, im Artikel recht gut beschriebene Konformitätsdruck für Frauen und Mütter vermutlich erzeugt: du hast IMMER zuerst für deine Kinder (oder deinen Haushalt, deinen Ehemann, etc.) da zu sein, und erst dann für dich. Ich habe diesen Effekt in Gesprächen auch schon mal als „Depersonalisieren“ bezeichnet, weil es sich für mich so anfühlt, als wenn die eigene Persönlichkeit entwertet und ganz langsam verdrängt würde, wenn sie zu lange und zu oft hinter den Belangen Anderer zurückstehen muss. Und ich bin davon überzeugt, dass nicht wenige – Frauen und Männer – jetzt gerade nickend vor dem Bildschirm sitzen, weil sie eben dieses Gefühl kennen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht missverstanden werden: ich verstehe den vollkommen berechtigten feministischen Impetus der oben beschriebenen Argumentation, weshalb ich meiner Gattin schon ein paar Mal angeboten habe, sie solle doch einfach auch mal was machen, nur für sich, weit genug weg und ein paar Tage lang. Bisher hat sie das immer abgelehnt. Vielleicht klappt es ja jetzt. Frauen haben sehr viele Belastungen, und unsere Gesellschaft als Ganzes tut sich immer noch schwer damit, Emanzipation zu (be)fördern. Und als Vater von zwei Töchtern sehe ich das mit Sorge (um ihre Zukunft) und Beschämung (über meine biologische Hälfte der Spezies Mensch). Nichtsdestotrotz möchte ich, dass zur Kenntnis genommen wird, dass solche Probleme auch Männer betreffen. Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht annähernd so oft, wie Frauen. Dennoch ist es eine Frage echter Emazipation, dass wir dann in diesem Zusammenhang auch über diese Kerle sprechen, die es nicht einfach so wegstecken können – dieses Ausdauerspiel namens „Leben“.

Seien wir ganz ehrlich: die Welt ist komplizierter geworden, seit ich als Rotzlöffel in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts aufgewachsen bin und sozialisiert wurde. Ich versuche Schritt zu halten, aber das ist nicht immer einfach. Und wenn ich mich so umsehe, befürchte ich, dass dieses „Schritthalten“ (also bewusst auf dem Weg, hin zu einer wirklich emanzipierten Gesellschaft mitgehen) vielen noch schwerer fällt. Seht es uns Männern, die wir versuchen, was dazu zu lernen, bitte nach, wenn wir noch nicht so viel besser geworden sind, wie wir eigentlich müssten, in diesem Spiel namens „Gleichberechtigung“. Denen, die es absichtlich nicht mitspielen wollen, dürft ihr von mir aus mit einem rostigen Löffel die Eier ausschaben. Aber es gibt genug Kerle wie mich, die noch was dazulernen können und wollen. Habt einfach noch etwas Geduld – und gebt uns dann und wann einen Schubs. Wir können das ab, auch wenn wir im ersten Moment vermutlich nicht immer glücklich darüber sind. Das Ziel ist noch over the hills and far away – so wie meine momentane Bleibe. Also müssen wir alle dranbleiben! Peace!

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