Ich will ehrlich sein – hinsichtlich des Grundthemas „New Work“ bin ich mittlerweile ernüchtert. Nicht etwa, weil ich den, teilweise doch sehr unterschiedlichen Ideen, die sich gemeinsam hinter diesem Buzzword verstecken, nichts abgewinnen könnte; ganz im Gegenteil glaube ich fest daran, dass man die Arbeit unserer Zeit in mehr als einer Hinsicht neu strukturieren muss! Ich weiß aber leider auch um die Grenzen, an die man dabei stösst. Nicht selten steckt in diesen Grenzen der Grund für meine Reserviertheit gegegnüber der ganzen Angelegenheit. Denn abseits der strukturellen Hemnisse, die es schwierig machen, in manchen Bereichen (speziell des Gesundheitswesens) neue Formen der Arbeit zu implementieren, ist zumeist das Mindset jener, die über solche Change-Prozesse zu befinden haben, das eigentliche Problem. Und hier könnte ich manchmal vor Wut und Frustration in die Tischkante beißen! Denn einerseits lesen manche Leute in Führungspositionen interessante Bücher, und teilen das sogar Anderen mit – andererseits werden die dort vermittelten Ideen nur propagiert, aber nicht gelebt. Genauso, wie es dieses Buch hier prädiziert, und damit zur Cassandra seines eigenen Schicksals wird…
Insbesondere die Hinweise weiter hinten zum Thema Fehlerkultur sind interessant. Mir war gar nicht bewusst, dass so viele Menschen den Unterschied zwischen „Just Culture“ als Ideal zum Umgang mit Fehlern im Arbeitskontext und dem Beta-Mindset als Blaupause für iteratives Lernen in Orgnisationen gar nicht kennen. Bereits seit über 25 Jahren sind wichtige Erkenntnisse dazu bekannt und es werden fortlaufend neue publiziert, doch wirklich geändert hat sich vielerorts genau nichts! Man kennt doch diesen Spruch „Aus Fehlern wird man klug, drum ist einer nicht genug!“ Diese einfache Volksweisheit besagt, dass man manchmal voranschreiten und Fehler machen muss, um aus den unweigerlich auch daraus resultierenden Fehlschlägen etwas mitnehmen zu können. Aber genau davor hat man vielerorts Angst – evtl. ein bisschen Geld und Ressourcen zu verbrennen, um hinterher doch mit einem neuen Konzept starten zu können. Stattdessen wird oft nur der Status Quo zu Tode verwaltet. So entsteht aber kein Double-Loop-Learning. So entstehen auch keine Innovationen. Man könnte jetzt – widerum mit dem Volksmunde – sagen: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Wenn da nicht meine, beinahe körperlich spürbare, Abneigung gegen diesen einen Satz wäre: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Man stelle sich jetzt einfach meine unartikulierten Wutschreie vor…
So, wie ich immer noch mit dem Versuch beschäftigt bin, Anderen in meiner Organisation das Thema „Just Culture“ näher zu bingen (das ist übrigens die vollkommen absurde Idee, gemeinsam, konstruktiv stattgehabte Fehler zu analysieren, um daraus für die Zukunft Vermeidungsstrategien zu lernen, anstatt zwanghaft „Schuldige“ punishen zu müssen!), könnte ich auch immer noch verzweifeln, wenn es um die das bloße Zulassen von Change-Prozessen geht. Und es ist nicht so, dass ich irgendwelche vollkommen outlandishen Dinge verlangen würde. Ich verlange nicht mal etwas, ich äußere nur manchmal Wünsche. Eine etwas modernere Arbeitsorganisation etwa (Stichwort: mobiles Arbeiten, in meinem Kontext ist das durchaus teilweise möglich), und ein wenig größere Spielräume für Projekte würden mir schon vollkommen genügen. Stattdessen verwalte ich nach wie vor den Mangel. Kein Wunder also, dass das obige Buch seine literarischen Finger auf höchst schmerzhafte Art in schwärende Wunden auf meine Seele gelegt hat….
NEIN, ich bin nicht drauf und dran, davon zu rennen, denn da ich mich selbst weder als feige noch als schwach charakterisiert sehen wollen würde, habe ich stattdessen all diese Herausforderungen angenommen, und arbeite mich daran ab. An dieser Stelle wäre es vielleicht aber noch angezeigt auf etwas hinzuweisen: es ist ja in der Generation Z (ich gehöre, zumindest der Nomenklatur nach zur Generation X) durchaus nicht unüblich, zu fordern, und zu fordern, und zu fordern,; weil diese jungen Menschen halt wissen, dass ihr (Arbeits)Marktwert nicht unerheblich ist. Was sie jedoch offensichtlich nicht verstehen (wollen) ist Folgendes: unabhängig von ihrem theoretischen Marktwert besteht die unabdingbare Notwendigkeit, den tatsächlichen Marktwert irgendwann zu beweisen! Konfligieren diese Werte jedoch aus Sicht der Leitungspersonen, kommt es zu erheblichen Friktionen im Dienstablauf. Ich verstehe, dass man die GenZ anders führt, als das bei mir der Fall war. Zwischen notwendig transparenterem Führungsverhalten und stärkerer Mitarbeiter-Partizipation auf der einen und „Ich kann hier tun und lassen was ich will!“ auf der anderen Seite, besteht jedoch ein himmelweiter Unterschied. Oder härter ausgedrückt: erst selbst leisten – dann fordern! Und nur so am Rande – wenn man mit der „ICH WILL ALLES JETZT“-Attitüde loszieht, stellt man alsbald fest, dass es bei anderen Arbeitgebern einfach nur auf andere Weise Scheiße ist. Denkt mal drüber nach, Kids!
Was mich betrifft: ich versuche weiter „Just Culture“ und das Beta-Mindset für mich selbst zu kultivieren. Vielleicht kann ich ja de/die eine*n oder andere*n auf dieser Reise mitnehmen. Bis dahin versuche ich nicht zu verzweifeln, und gönne mir ab und zu eine Auszeit. Ich wünsche ein schönes Wochenende.