Üblicherweise versuche ich, hier bei der Themenauswahl ein wenig Abwechslung zu erzeugen. Wenn man allzu monothematisch oder gar redundant wird, schläfert das die Leser/Zuhörer ein, oder aber es schreckt sie ab. Beides führt irgendwann sicher dazu, dass die eigene Reichweite sinkt und das kann ja niemand mit einem so eitlen Ego, wie ich eines pflege, gut finden können, nicht wahr. Ach, denkt doch einfach was ihr wollt, aber wenn man immer auf den gleichen Knochen rumkaut, macht das irgendwann keinen Spaß mehr; ganz so, als wenn man alle Tage sein Lieblingsgericht serviert bekäme. Kann man sich auch einen Ekel dran fressen…
Manchmal jedoch ergibt sich eine thematische Brücke, die man nicht erwartet hatte. Und Brücken sind halt zum darüber gehen gemacht. Ich hatte am Wochenende noch über das Home-Office und die Flexibilisierung der Arbeit gesprochen. Heute bin ich nun über einen Artikel gestolpert, der das Thema Viertagewoche mal wieder zur Diskussion bringt. Die Autorin fordert radikale Flexibilität. Finde ich gut. Sie rekurriert dabei auf Äußerungen von Sanna Marin, der finnischen Regierungschefin, die man allerdings nicht als offizielle Regierungsagenda verstanden wissen möchte. Ist aber auch gar nicht so wichtig. Die Frage nach einer Flexibilisierung und Verkürzung der Arbeitszeit wird in letzter Zeit immer wieder diskutiert- und passt halt haargenau zu meinem letzten Post. Der Artikel an sich bringt dann auch tatsächlich wenig Neues. Aber die Kommentarspalte…; fast immer finden sich, wie in der Diskussion unter diesem Artikel auch Leute, die dann natürlich der Lohnkürzung das Wort reden.
Es ist so eine Art Naturgesetz, dass die selbsternannten „Leistungsträger“ Anwesenheits- oder Arbeitszeit mit Produktivität in einem proportionales Abhängigkeitsverhältnis denken. Obwohl die blanken Zahlen lange belegen, dass eine solche Aussage in dieser dogmatisch verallgemeinernden Form Bullshit ist. Aber hey, wer lässt sich schon gerne sagen, dass es die 60h/Woche eigentlich gar nicht braucht… Es ist doch so: wir suchen einem Sinn in den Dingen die wir tun. Manche schöpfen diesen Sinn durch eine Zahl, die sich am Ende des Monats auf einem Bankkonto abbildet; und einige von denen wissen sogar, dass diese Zahl absolut keinen realen Wert hat, weil das meiste Geld, dass erzeugt wird, Fiat-Geld ist. Aber auch unfrommer Selbstbetrug als Quelle des selbst gewählten Lebenszweckes ist natürlich zulässig. Wieder andere streben nach einem Höchstmaß an anstrengungsfrei abgreifbarem Hedonismus. Oder sind einfach hoffnungslos verträumte Idealisten. Und irgendwo dazwischen findet man die Realisten, die wissen, dass es ohne Anstrengung nicht geht, die vielleicht sogar etwas von bleibendem Wert schaffen wollen, aber am Schluss trotzdem noch genug Zeit für sich und ihre Lieben übrig haben möchten. So einer bin ich.
Arbeitsproduktivitätsmessungen sind so ein Instrument, dass seit dem Aufkommen des Taylorismus immer bemüht wird, wenn es um die Frage geht, wieviel Arbeit ich als Unternehmer pro Euro von meinen Angestellten zu erwarten habe. Nun sind die Zeiten, in denen Akkordlöhne gezahlt wurden vorbei, weil die Zahl der in der Produktion Tätigen von Jahr zu Jahr sinkt. Wir leben im Zeitalter des Umbruchs von Industrie 3.0 zu Industrie 4.0, was bedeutet, dass die Zahl der Dienstleister und Wissensarbeiter im Vergleich zu den Produzierenden immer weiter steigt. Und damit verändern sich auch – zumindest für jene, die keine rhythmisch wiederkehrenden Dienstleistungen, wie etwa Pflege, Verkauf, Instandhaltung von Infrastruktur etc. erbringen – die Umgebungs-Bedingungen, unter denen die Arbeit erbracht werden muss. Ob ich meine Unterrichtskonzepte Montags Morgens um 08:30 im Büro meines Arbeitgebers schreibe, oder Abends um 20:00 im Home-Office, wenn die Kinder ins Bett gegangen sind und die beste Ehefrau von allen zur Abwechslung mal was anderes auf Netflix schauen möchte als ich, ist doch vollkommen Wumpe, solange das Ergebnis zum Erfüllungszeitraum funktioniert. Oder?
Man könnte jetzt wieder diese alte Work-Life-Balance-Leier anfangen. Darauf habe ich eine Antwort: MEINE Work-Life-Balance ist nicht automatisch EURE Work-Life-Balance; oder umgekehrt. Was für mich funktioniert, was ich als gesund erachte, wie was und wo ich am kreativsten und produktivsten bin, weiß ich selbst besser, als irgendein verschissener Coach, ein dummdreistes Ratgeberbuch – oder mein Chef. Und wenn Chefs clever sind, wissen SIE das auch und gestatten jenen Mitarbeitern, bei denen, auf Grund der Struktur der zu erbringenden Dienstleistung eine Flexibilisierung funktionieren kann, die dazu notwendigen Freiheiten. Ich will kein bedingungsloses Gehalt überweisen bekommen. Ich erbringe Leistung, weil mir mein Job Spaß macht. Aber mit dem Messen ist das so eine Sache. Denn gerade bei Tätigkeiten, die ein gewisses Level an Hirnschmalz, Kreativität und Innovationsfähigkeit erfordern, kann man die Muße manchmal nicht zwingen. Es passiert mir schon gelegentlich, dass ich ein Thema durchdenke und mir der passende Ansatz für den Unterricht erst kurz vor knapp einfällt. Dann wird’s halt auch mal Nacht. So what?
Womit wir wieder beim berühmten Unterschied zwischen Effektivität und Effizienz wären. In meiner Welt versuche ich beide Begriffe zu versöhnen, weil ineffizientes Handeln meinerseits unnötig meine Energie verbrennen würde. Ein zu starkes Streben nach Effektivität kann das befeuern. Doch ich würde es mögen, wenn man die Beurteilung dieser Frage mir selbst überließe und nur meinen Output zur Kenntnis nähme. Phasen der Selbstausbeutung werden bei mir nämlich durch Phasen der Prokrastination und des Müßigganges abgelöst. Solange der Median einen guten Ausgleich zwischen Effektivität und Effizienz mit sich bringt, ist es eine Win-Win-Situation. Und je früher Chefs das begreifen, desto früher können wir alle Feierabend machen. Gute Nacht.