Wenn man sich gut fühlen, richtig schlagfertig klingen, halt irgendwie aus der Masse hervorstechen möchte, benennt man irgendwas mit etwas cool klingendem anderen; wie etwa Synabogalismus. Oder man haut ’nen fetten One-Liner raus. Hauptsache, der fetzt. Oder man ruft jedes Jahr in irgendwelchen Medien die neueste Veränderung der Sprache aus. Ich habe die Tage einen Artikel gesehen, in dem irgendwelche krypischen Kürzel für alltägliche Redewendungen, die zuvor einfach nur ins Englische übersetzt worden waren, als der heiße Scheiß der Kommunikation der Generation Z dargereicht wurden. Keine Ahnung ob die wirklich so texten; afaik abbs have been a thing since the dawn of time: 6/83-1 A und P rot 51. Wer’s nicht versteht: Pech gehabt. Ich glaube ja, das Abkürzungen heute einfach Ausdruck von Faulheit sind. In meinem frühen Informations-Zeitalter hatte eine SMS halt nur eine begrenzte Zeichenzahl, danach wurde automatisch ein zweite SMS drangehängt, die extra kostete. Können sich die Kids heute gar nicht mehr vorstellen; jedenfalls zwang einen das schon aus fiskalischer Sicht zu einer gewissen Kommunikations-Sparsamkeit. Würde ich mir heutzutage manchmal auch wünschen.
Dass bei dem ganzen Chitter-Chatter unserer Zeit das eine oder andere in der Übersetzung verloren geht, liegt in der Natur von Kommunikation. Und damit ist noch nicht mal das Abkürzungsgewurstel über zwei bis drei Sprachen hinweg addressiert. Wir können heute zwar längere Zeichenketten verschicken, doch die sozialen Aspekte des Kommunizierens, wie Subtext, Bedeutungsüberschuss, Konnotation, etc. überträgt auch ein Emoji-verzierter Whatsapp-Roman nur äußerst unzureichend. Sprachnachrichten machen es übrigens aus mehreren Gründen kaum besser. Denn auch beim gesprochenen Wort gilt immer noch Watzlawicks drittes Axiom (der Empfänger macht die Botschaft), und dem digital transferierten Gestammel fehlt immer noch ein großer Teil der unbewussten Kommunikationsexpressionen, die unser Körper hinzufügt. Hinzu kommt, dass ich persönlich in der Öffentlichkeit weder etwas in meine Taschenwanze stottere, noch das Gestotter Anderer aus dieser beziehe. Das privat gesprochene Wort hat im öffentlichen Raum nämlich nichts verloren! Außerdem sind die meisten Leute offenkundig nicht fähig, in 60 Sekunden auf den Punkt zu kommen! Das ermüdet mich – und Dinge, die mich ermüden, ignoriere ich mittlerweile immer häufiger. Deshalb kann’s passieren, dass Sprachnachrichten einfach unbeantwortet bleiben.
Dieser Blogpost hier ist ein beredter Beweis, dass ich durchaus gerne und viel digital kommuniziere. Ich weigere mich allerdings schlicht und ergreifend, mir jeden Trend zu eigen machen zu wollen. Ich laufe ja auch seit Jahren in Sneakern, Jeans und T-Shirts in gedeckten Farben herum (sehr oft schwarz), und interessiere mich nicht für Mode-Trends. Mal davon abgesehen, dass ich in Hochwasser-Skinny-Jeans oder einem Jogging-Anzug einfach schreiend lächerlich aussähe, ist das nicht MEIN STYLE. Das Gleiche gilt uneingeschränkt für mein Kommunikationsgebahren. Ich hatte vor gar nicht langer Zeit eine Begebenheit im Lehrsaal, als ich „Meme“ nicht „Miem“ sondern „Meme“ aussprach; sehr zur Belustigung einiger Schüler. Was ich erzählen wollte, haben sie trotzdem verstanden. Der Punkt ist – es ist mir ziemlich egal, ob meine Ausdrucksweise als Anachronismus wahrgenommen wird (GOOGELT DAS FREMDWORT, WENN IHR ES NICHT KENNT), oder als „trendenziell“ uninformiert, oder nicht am Puls der Zeit, etc. Ich bin nämlich kein Kind dieser Zeit, habe aber immer noch Puls; also verhalte ich mich auch so! Alles Andere wäre meiner Persönlichkeit, meinen Aufgaben, meinem Standing und meinem Alter unangemessen.
Das Bild beweist, dass ich trotz des bestehenden Anachronismus das Re-Mixen und den Mash-Up immer noch ganz gut beherrsche. Das Beste aus beiden Welten – der „Neuen“, in der angeblich nun die Generation Z vorgibt, was gerade „in“ ist, und der „Alten“, in der wir Generation X-ler angeblich keine Ahnung mehr haben, wie der Hase läuft – ist, was ich für alles (un)mögliche nutze: mein kreatives Tun, mein Pädagogen-Dasein, meine kleinen Fluchten aus dem Hier und Jetzt, meine Hobbies; und was weiß ich nicht noch alles andere. Die Meta-Perspektive aus dem Digitalen (nämlich meinem Blog) auf das Analoge (mein ledergebundenes Journal), welches das Digitale (das kleine Bild wurde mit einem Sprocket-Drucker aus einer Handyfoto-Datei angefertigt…) halbwegs geschmeidig assimiliert ist es, die diese Gratwanderung aus meiner Sicht hinreichend illustriert. Und jetzt kommt ihr, Z-ler!
Das Wort Synabogalismus gibt es übrigens überhaupt nicht. Es ist ein Kunstwort, welches wir nutzen, um Ausbilder in Ausbildung dazu zu bringen, spontane Rede zu trainieren. Zwei Minuten lang über einen Terminus schwadronieren zu müssen, den man nicht kennt und der auch gar keinen Sinn ergibt, trainiert die Schlagfertigkeit; dieses seltsame Wort „Schlagfertigkeit“ (man soll ja reden, OHNE jemanden umzuhauen) ist aber auch nur eine Bezeichnung für die Gleichzeitigkeit von Reden und Denken. Ich fühle mich – dank viel Training – jedenfalls nicht „Lost in Translation“, wenn ich in irgendwelche Kommunikations-situationen mit den unterschiedlichsten Gegenübern gehen muss. Ich gehe vielleicht nur nicht immer auf jede Spitze ein; denn wenn ich heutzutage einfach nicht mehr über jedes verbale Stöckchen springe, dann eher, weil ich – zumindest gelegentlich – schneller übersetze, als manch anderer, und mir deshalb aussuchen kann, auf welchen Style-Train ich aufspringen möchte; und auf welchen eher nicht. Erfahrung ist halt durch nichts zu ersetzen, außer durch mehr Erfahrung. Übersetzt ihr noch – oder denkt ihr schon? Schönen Abend noch…