Gemein(d)e Notfallsanitäter…?

Es ist also soweit: im Landkreis Oldenburg startet nun ein wissenschaftlich begleitetes Projekt zur Etablierung eines Gemeinde-Notfallsanitäter-Systems. Und schon kommen Kommentare wie „billiger geht’s wohl nicht“. Tja, dümmer geht’s wohl nicht… Was soll ein GNFS denn tun? Hat sich mal jemand echte Gedanken über diese Frage gemacht? Wer aufmerksam liest, stellt einige Punkte fest, die interessant sind:

  • Alarmierung durch die Ortszuständige integrierte Leitstelle
  • Alarmierung bei Situationen unterhalb der Notfallschwelle
  • mehrmonatige Zusatzausbildung

Ein Gemeinde-Notfallsanitäter wird hier gedacht als Gatekeeper, der einer weiteren Überschwemmung der Notaufnahmen und des Rettungsdienstes mit unnötigen Bagatelleinsätzen Einhalt gebieten soll. Wenn ich das wenige, was bisher bekannt wurde richtig interpretiere, ist dies ein erster Schritt zur Veränderung der Akut-Versorgung, wie wir sie kennen. Und aus mehreren Blickwinkeln vermutlich der richtige: Aus ökonomischer, weil unnötige Hospitalisierungen und deren Folgekosten vermieden werden. Aus organisatorischer, weil eine Disposition aus einer Hand die Ressource RTW und NA für echte Notfälle freihält. Aus Sicht der Arbeitsgestaltung, weil es eine neue Chance zur Weiter-Qualifizierung schafft. Aus medizinischer, weil der GNFS eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Komponenten des Gesundheitswesens sein könnte. Und aus sozialer, weil es einen Teil der Sorge für die Gemeinschaft wieder näher an die Gemeinschaft trägt.

Sieht man sich nämlich amerikanische Community Paramedic Programme an (hier z.B.- aus Minnesota), so wird klar, dass diese auch für präventive Aspekte Sorge tragen sollen; also z.B. das Monitoring von chronisch Kranken, die Nachsorge nach Klinik-Aufenthalten organisieren oder auch Unterricht in medizinischer Selbstkompetenz planen und durchführen. Für diese Aufgaben ist der deutsche NFS ebenso wenig ausgebildet, wie der amerikanische Paramedic (wobei es den als Archetyp ja gar nicht gibt), was aber bedeutet, dass derjenige, der ein Curriculum für GNFS entwickeln möchte/soll tatsächlich „dicke Bretter bohren“ muss, um es mal mit den unnachahmlichen Worten unseres Landesinnenministers zu sagen…

Hier mal ein Vorschlag für eine Grobstrukturierung eines solchen Curriculums:

  • 40 h Einführung in die Aufgabenbereiche des GNFS
  • 160 h Erweiterte Grundlagen der Pflege (davon 40 h Praxis-Einsatz auf Station)
  • 40 h Schnittstelle Pflege/Nachsorge – Akutversorgung
  • 360 h Krankheitslehre / Pharmakologie (davon 40 h Praxis-Einsatz in Arztpraxis und 40 h Praxis-Einsatz in einer ZNA)
  • 40 h Erstellung eines Behandlungsplans
  • 80 h Methodisch-Didaktische Aufbauschulung  zum Ausbilder für medizinische Selbstkompetenz (davon 20 h Hospitation in einer Ausbildungseinrichtung im Gesundheitswesen)
  • 40 h Rechtsfragen: u.a. Haftung und strafrechtliche Fragen, Delegation
  • 40 h Abschlusswoche mit Prüfung

Wären netto 800 h Ausbildung, die von einer E-Learning-Plattform zum Selbststudium und  weiteren Praxisbegleitungen in der Anfangsphase flankiert werden müssten. Die Voraussetzungen wären:

  • mind. 2 Jahre als NFS tätig gewesen
  • Aufnahmetest zur Ausbildung
  • Monitoring durch ein Board aus Ärzten (sowohl NA als auch aus dem hausärztlichen Bereich) und erfahrenen Pflege-, sowie NFS-Ausbildern.
  • obligate 48 h anstatt 30 h Fortbildung pro Jahr

Ich würde mich gerne an der Etablierung eines solchen Ausbildungsganges beteiligen. Sonst noch wer?

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