Erwachsen bilden N°46 – unnütz…?

Ich habe am Anfang der Woche in der Klasse eines Kollegen den Unterricht übernommen, und war zuvor gebeten worden, etwas zum Thema „Lernen lernen“ zu machen; ich sollte also dazu beitragen, Metakognition und Lernstrategien der SuS zu stärken. Der Kommentar des Kollegen dazu war, dass ich sowas doch „aus dem Ärmel schütteln könne“. Um hier mit einem Vorurteil aufzuräumen – JA, ich beschäftige mich sehr intensiv mit verschiedensten Aspekten der Pädagogik, verantworte zumeist die Ausbildung der Ausbilder und bin folglich auch mit Lernstrategien, Mnemotechniken und Metakognition vertraut; aber aus dem Ärmel schüttele ich hier gar nichts, weil junge Menschen für so ein Thema abzuholen unfassbar kompliziert ist. So fiel die Reaktion auf meine Antwort, was wir denn nun machen würden am Montagmorgen auch eher verhalten aus. Subjektiv war da das Gefühl spürbar, dass sich damit befassen zu müssen für einige unnütz wäre. Davon darf man sich aber nicht ins Bockshorn jagen lassen. Das liegt einerseits an bereits vorhandenen und sattsam beübten Strategien einiger SuS; andererseits erscheint Lernen lernen zu müssen anderen wohl als zusätzliche Aufgabe. Und zusätzliche Aufgaben werden von vielen SuS nicht als Chance, sondern als Zumutung empfunden.

Ich bleibe dabei: Der Weg ist das Ziel!

Ich zog meinen Plan trotzdem durch! Das klingt jetzt ein bisschen, als hätte ich den ganzen Tag im Frontalunterricht losgelegt, was aber nicht der Fall war. Ich habe am ersten Tag zunächst in einem Impulsvortrag Lernen aus kognitions- und sozialpsychologischer Sicht dargestellt, sie eine Debatte über ein kontroverses Thema vorbereiten, führen und (kurz) selbst debriefen lassen; Dann mussten sie verschiedene Aspekte des Themas in Stufen sammeln, selbst erarbeiten und für das digitale Lerntagebuch darstellen. Am zweiten Tag habe ich dann mal in einer zweiten Präsentation unter die Haube des Lehr-Motors blicken lassen und danach die SuS dazu aufgefordert, kreativ zu werden. Mit gewissem Zeitdruck (nur 3 UE) ein Video entwickeln zu müssen (incl. obligat einzureichender Mind- Concept-Map und Storyboard/Drehbuch als weiteren Handlungs-Produkten) hat die Schüler dazu gebracht, sich dem Thema „Lernen“ auf drei sehr unterschiedliche (und wie ich fand sehr kreative) Arten zu nähern. Und ich bin noch nicht mal um eine Beurteilung sondern lediglich um ein kurzes Feedback gebeten worden. Man kann solche Handlungsprodukte auch nicht im Sinne einer Notengebung beurteilen – weil dies den selbstorganisierten Lernprozess entwerten würde. Ich hatte aber den Eindruck, dass sie einerseits einer Erweiterung ihres eigenen Methodeninventars für das Lernen und anderseits einem besseren Verständnis konstruktivistischer Lerntheorie näher gekommen sind. Mehr kann man realistischerweise kaum erwarten.

Meine Vorbereitung beinhaltete dazu Arbeitsblätter zur Selbsteinschätzung des eigenen Lernstils und für die Debatte, Powerpoint-Präsentationen, Metaplanarbeit und natürlich ein Artikulationsschema – dass ich am zweiten Tag teilweise über den Haufen geworfen habe, weil ich bemerken musste, zu viele Redundanzen eingebaut zu haben. Andererseits war die Klasse auch nicht so groß, so dass der Zeitbedarf für die Präsentationen bei den Gruppenarbeiten deutlich reduziert daher kam. Ich vergleiche die Arbeit der Lehrperson im Unterrichtsraum manchmal mit dem Job eines DJs. Nicht selten muss man den Beat (Content) on the fly neu abmischen, auf die Emotionen (auch die Ermüdung) des Publikums reagieren und schließlich improvisieren können. Impro geht aber nur mit ordentlicher Vorbereitung – ansonsten verheddere ich mich in meinen eigenen Gedankenkonstrukten und labere am Ende Stuss zusammen. Das geht also nur mit profundem Wissen und einem Plan B (und manchmal auch noch einem Plan C). Tendenziell hat man besser mehr Content vorbereitet, als man braucht; dass dies aber leicht gesagt ist, weiß ich. Insbesondere, wenn man das noch nicht ganz so lange macht. Ich muss meistens nur ein opaar Momente in meinem Fundus stöbern und los geht’s…

Ich las unlängst in Bob Blumes Buch „10 Dinge, die ich an der Schule hasse […]“, dass Bildung auch mal unnütz sein darf. Was er damit meinte, sind – so glaube ich zumindest – jene Inhalte, die nicht direkt und ohne Umweg einer irgendwie gearteten Verwertung zugeführt werden können. Und es mag sein, dass ich ihn falsch verstanden habe, aber für mich schmeckt hier das Humboldt’sche Ideal „proportionierlicher Bildung“ durch; also die Menschen in der Schule als Ganzes wachsen lassen zu wollen, auf dass sie ihre Wege in der Welt finden mögen. Mir ist das immer noch eine tröstliche Vorstellung, dass auch eine Berufsfachschule ein solcher Ort der Bildung sein könnte. Ich hatte im letzten Post dieser Serie über den Erziehungsauftrag gesprochen, den auch solche Einrichtungen haben wie jene, der ich vorstehe! Und ich nehme diesen nur ernst, wen ich einerseits meine Arbeit, aber eben auch die Subjekte dieser Arbeit – also unserer SuS – ernst nehme. Deshalb sagte ich vohin auch, dass eine Benotung bestimmter Handlungsprodukte diese entwerten würde. Denn das wäre so, als wenn ich – nachdem die SuS sich ein ganzes Stück weit selbst offenbart haben – deren Ergebnissen im Anschluss meine Sicht der Dinge überstülpe, und so Denk- und Sichtweisen quasi zu normieren und zu disziplinieren versuche. Unter solchen Voraussetzungen können wir selbstorganisiertes Lernen mit persönlichkeitsbildendem Charakter auch gleich ganz bleiben lassen!

Ich denke, dass wir gut daran täten, auch im berufsfachschulischen Bereich noch mal intensiv darüber nachzudenken, was eigentlich unsere Ziele sein sollen. Die Chefs, für die ich einer solchen Schule vorstehe, haben Erwartungen an das Tun meines Teams und meiner Person, die sich vor allem in den Bereichen Wirtschaftlichkeit und erhöhte Personalbindung abspielen. Mein Ziel jedoch ist es – und da werde ich fürderhin auch keinen Hehl drauß machen – Notfallsanitäter:innen auszubilden, welche diese Bezeichnung verdienen und überall einen guten Job machen können. Ob wir diese unterschiedlichen Interessen wirklich unter einen Hut bekommen können – und falls ja, wie – weiß ich nocht nicht, bin aber für jeden Diskurs offen. Sofern dieser nicht wieder Amygdala-gesteuert mit einem Monolog über Zahlen beginnt, und was man nicht alles tun müsste, um die Klassen voller zu bekommen, obschon jede Vernunft auf Grund der gegebenen Strukturen und Ressourcen gebietet, nicht auf Teufel komm raus Auszubildenden-Zahlen steigern zu wollen! Und aus pädagogischer Sicht schon gleich drei Mal nicht! Ach wäre es nicht schön, wenn das Leben mal einfach wäre…? Ich wünsche noch ein schönes Wochenende.

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