Erwachsen bilden #21 – Feel the Flow!

Manchmal wird man beim Studieren auf etwas aufmerksam, dass man schon mal gesehen, gehört, durchdacht hatte, ohne zum damaligen Zeitpunkt recht auf einen grünen Zweig gekommen zu sein. Das ist nicht ungewöhnlich, denn Wachstum braucht gelegentlich nicht nur den richtigen Anstoß, sondern auch den richtigen Flow. Doch was ist das überhaupt – dieser Flow? Sportler sprechen davon, aber sonst… haben wahrscheinlich nicht so viele Menschen eine klare Vorstellung davon. Ich kannte den Begriff zwar, habe damit aber früher eher den richtigen Groove verwechselt; und auch, wenn Musik manchmal als Tor für Stimmungen und Inspirationen dienen kann, so nutze ich sie doch meist gezielt, um diesen Prozess zu katalysieren, bewusst hervorzurufen und darin zu schwelgen. Und erreiche damit tatsächlich auch einen Flow-Zustand.

Mihály Csíkszentmihályi, Psychologe und Urheber der Flow-Theorie beschreibt Flow als das Erleben eines Moments der optimalen Erfahrung. Flow beschränkt sich dabei nicht auf körperliche Tätigkeiten, bedarf des absichtsvollen Tuns, einer definierten Schwierigkeit, die nicht unter- aber auch nicht zu sehr überfordert und dem Wunsch, die Sache um ihrer selbst Willen zu tun. Damit kann auch der Dilettant – hier im besten Wortsinne gemeint – in den Zustand des Flows kommen. Auf den Passus „um ihrer selbst Willen“ kommen wir später noch einmal zurück, doch wenn man sich den Rest der Definition anschauen, ist hier die Rede von pädagogischem Handeln im besten konstruktivistischen Sinne.

Absichtsvolles Tun, ausgelöst durch eine pädagogische Intervention, die einen Mittelweg zwischen Unter- und Überforderung in der Beschäftigung mit einem Lerngegenstand weist; für mich klingt das so, als wenn wir als Berufspädagogen dazu aufgerufen wären, Flow in unseren Schülern zu erzeugen, weil wir dadurch deren Freude am Lernen durch positive Selbstwirksamkeits-Erfahrungen stärken könnten. Zwar ist das Buch zum Thema keine How-To-Anleitung und bedarf an einigen Stellen einer behutsamen Transponierung ins Erwachsenenpädagogische; dennoch lohnt sich die Beschäftigung, wie ich finde sehr. (übrigens nicht nur für die Lehrer, sondern auch für Schüler, wenn diese denn bereit sind, sich der Lektüre aufmerksam zu widmen. Das ist nichts für Blinkist©; ich finde diese App im übrigen schlecht…).

Was nun das Tun um der Sache selbst Willen angeht: Csíkszentmihályi geht im Buch davon aus, dass eine Beschäftigung mit einer bestimmten Sache nur dann einen Flow-Zustand auslösen kann, wenn diese autotelisch motiviert ist; wenn ich mich also ohne externen Druck auf ein Ding konzentriere, einfach, weil es für mich einen Sinn ergibt. Mache ich mich dabei jedoch von Erfolg/Misserfolg-Mustern abhängig, gibt’s keinen Flow. Exotelische (oder extrinsische) Motivation, die sich aus (beruflichen) Notwendigkeiten oder dem Wunsch, glänzen zu können (narzisstisch) speist, würde nach seiner Forschung also keinen Flow-Zustand herbeiführen können – oder zumindest nur sehr selten.

Ich bin mir nicht sicher, ob das tatsächlich so stimmt, denn ich habe auch in beruflichen Kontexten, in denen ich externem Druck unterworfen war, bereits solche Zustände erlebt. Aber zugegebenermaßen war dies weitaus häufiger bei Tätigkeiten der Fall , die ICH tun wollte, einfach, weil ICH sie tun wollte. Vermutlich hängt es im pädagogischen Kontext also nicht nur mit der hoffentlich anregenden Gestaltung einer Lernsituation zusammen, sondern auch mit der Art, wie wir das Zusammenwachsen einer Klasse fördern können; und vor allem, ob wir in der Lage sind, dass allzu frühe Entstehen einer Rangfolge (und Hackordnung) innerhalb derselben zu verhindern, um allen eine Chance auf Flow-Erlebnisse geben zu können. Denn eine weitere wichtige Botschaft ist: Flow bedeutet nicht nur Freude, sondern auch persönliches Wachstum durch Erfahrung, die gerne gewonnen wird. Was in der Folge allerdings auch bedeutet, dass die Umstände, unter denen der Flow-Zustand entstehen kann mit fortschreitender individueller Entwicklung immer wieder neu austariert/erweitert werden müssen.

Insgesamt ein spannendes Thema, das nicht nur aus meiner pädagogisch-fachlichen Sicht, sondern auch aus der Perspektive persönlicher Entwicklung einen Blick wert ist. In diesem Sinne wünsche ich eine schöne Woche.

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