Ein Witz über Weihnachten?

Ich habe das schon bei mancher Gelegenheit getan: nämlich, mich über das Pogo-Hüpfen im Minenfeld zu beömmeln, dass die Festtage für viele Menschen darstellen. Das hohe Christfest im Kreise der Familie wird von manchem Autor eher als garstiges Gemetzel rings um den Gänsebraten beschrieben. Aber auch, wenn derlei Possen natürlich einen gewissen Unterhaltungsfaktor haben mögen – irgendwann ist genug davon. Doch nicht, weil mir Weihnachten auf einmal wieder heilig geworden wäre.

Römer haben vor 2020 +/- ein paar Jahren einen Juden ans Kreuz genagelt, der neue Ideen unters Volk gebracht hatte. Man darf getrost davon ausgehen, dass an der Geschichte, die alljährlich auf’s Neue erzählt wird, ein wenig historische Substanz dran ist, die eher mit Aufstand gegen ein repressives Regime zu tun hatte, denn mit der Geburt von Gottes Sohn auf Erden. Wir Menschen waren ja schon immer ganz gut darin, die „gute alte Zeit“ ex post zu verklären…

Nein, das mit reichlich heidnischem Brauchtum (geschmückte Bäume, etc.) verbrämte, mittlerweile zum hastigen Konsumspektakel regredierte Abfeiern im Abglanz fromm zitierter christlicher Glaubensgrundsätze, die dann doch weit häufiger ein bloßes Lippenbekenntnis bleiben, macht mich nicht zu einem gläubigeren Menschen, als ich das sonst auch bin. Womit nicht gesagt ist, dass ich ungläubig oder unspirituell wäre. Ich brauche dafür nur meistens keine Rituale. Und doch – an diesem einen Datum lasse ich diesen Ritualen Raum, denn sie haben tatsächlich einen erdende Funktion in meinem Leben.

Jedes Ende ist auch ein Anfang und zweifelsohne gibt es keinen besseren Zeitpunkt für einen selbstläuternden Rite de Passage, als zum kalendarischen Jahresende; Weihnachten fällt nicht zufällig in diese Zeit, hat Kaiser Konstantin es doch geschafft, die Bischöfe beim 1. Konzil von Nicäa davon zu überzeugen, den 25. Dezember als höchsten Feiertag des Sol Invictus-Kultes im römischen Reich in die damals noch junge christliche Liturgie mit zu übernehmen. Also feiern wir am 1. Weihnachtsfeiertag auch das, im heidnischen Glauben natürlich verehrte, Wiedererstarken der Sonne nach der Wintersonnwende, die üblicherweise auf den 21. oder 22. Dezember fällt.

Meine Selbstläuterung beinhaltet ein bewusstes Innehalten, ein Reflektieren, eine Introspektion, bei der das peinliche Einhalten gewisser tradierter Handlungsabläufe hilfreich ist. Auch, wenn mir das erst im Laufe der Jahre bewusst geworden ist: die Rituale und Traditionen, die sich im Laufe der Zeit rings um bestimmte Feiertage herausgebildet haben sind es, die den besonderen Wert solcher Zeiten für uns Menschen ausmachen. Weil diese Rituale uns zwingen, vom Alltag wenigstens kurz Abstand zu nehmen. Das klappt natürlich oft nicht so gut, wie man sich das erträumt, weil solche besonderen Zeiten in unserer schnelllebigen Welt leider nur zu gerne mit der Erwartung auf Perfektion aufgeladen werden, die – zu Weihnachten genauso, wie sonst den Rest des lieben langen Jahres – stets eine Illusion bleiben wird. Et voilá: garstiges Gemetzel, rings um die Gans…

Das ist bei mir daheim manchmal nicht anders. Aber das ist kein Grund zum Ärger mehr. Ich las heute einen Artikel auf Zeit Online (wo auch sonst), in dem sich die Autorin damit befasst, dem Nazi-Onkel auch am Festtisch entschieden entgegen zu treten. Was letztes Jahr, vorletztes Jahr und die fünf Jahre davor nix gebracht hat – egal, ob zu Weihnachten, Ostern, oder dem Geburtstag von Tante Hildentrude – wird auch dieses Jahr nichts bringen, außer Ärger und Verdruss. Mal davon abgesehen, dass die Lady sich dem naturalistischen Fehlschluss hingibt. Ich muss gar nix, nur weil ich „dem Guten“ dienen soll – was auch immer das sein mag. Nazis werden geboren, leben und sterben wieder und die in meiner Verwandtschaft betrachte ich als biologisch selbst lösendes Problem.

Was vom Feste dann übrig bleibt, sind zumeist überschüssige Kalorien auf der Hüfte, mancher Tand, den man nicht unbedingt gebraucht hätte, Erinnerungen aller Art und das Gefühl, dass es doch irgendwie ganz OK gelaufen ist. Ich schätze vor allem die Kalorien und die Zeit, die ich in den letzten Jahren – allem Trubel zum Trotze – für mich selbst freimachen konnte. Entschleunigung. So wie im Sommerurlaub, nur ohne Pool, Sonne und eine endlos lange Autofahrt. Denn der Teil meiner Familie, mit dem ich feiere, wohnt im Nahbereich. Auch dieses Jahr wird es wieder OK sein. Und falls nicht – habe ich genug Schnaps gebunkert. Cheerio und gesegnete Festtage!

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