Ich habe schon seit einer ganzen Weile einen Sinnfragen-Kombinator auf meinem Schreibtisch stehen. Das ist so eine Art Aufstellkalender, der – zufällig aufgeblättert – teilweise absurd witztige, teilweise aber auch tiefsinnige Fragen generiert. Soll eigentlich ein Spiel sein, aber ich hatte den bislang immer wie so einen Wochenplaner mit wechselnden Denkaufgaben hingestellt. Na ja, ehrlich gesagt stand er in den letzten Monaten unbenutzt im Regal neben dem Schreibtisch, da mir allzu oft am Ende des Tagwerkes nicht mehr nach tiefsinnigen Fragen zumute war. Heute habe ich ihn einmal geblättert, und er lieferte folgendes Ergebnis:
Diese kurze Frage war dann doch etwas niederschmetternd, da das auf die Realität nicht zutrifft, auf eine Familienangehörige aber schon, was hier über die letzten Tage mehr als nur ein wenig emotionalen Aufruhr erzeugt hat. Und ich musste dabei einmal mehr feststellen, dass ich vermutlich im Verlaufe vieler Schichten auf dem RTW und in der Leitstelle in den letzten knapp 30 Jahren einen Teil meiner Seele verkauft habe. Anders lässt sich meine persönliche Gleichmut kaum erklären. Denn auch ich trauere. Man sieht’s nur nicht so deutlich. Und eigentlich will ich mich auch gar nicht so sehr davon mitnehmen lassen. Denn ich habe im Moment einen Luxus nicht, den man braucht, um sich angemessen mit Verlust auseinandersetzen zu können: Zeit. Ich. Habe. Einfach. Keine. Zeit! Also eigentlich müsste die Frage für mich lauten: „IST DIE ZEIT TOT?“. Was natürlich ebensolcher Kokolores ist, denn die Zeit kann vieles, aber sie verschwindet nicht einfach. Ich meine… JA, jetzt gerade eben ist wieder eine Minute vergangen, die nicht zurückkommt. Man könnte darob auch traurig sein, weil älter zu werden wirklich nix für Pussies ist. Wenn du so wie ich knapp fünfzig bist und wachst morgens ohne Schmerzen auf, dann bist du halt einfach tot. Doch die Fragen, mit denen man sich wirklich befassen sollte, lauten meiner Erfahrung nach folgendermaßen: War es eine gute Minute? Habe ich etwas sinnvolles getan – für mich, aber auch gerne, oder sogar noch lieber, für Andere? Liebte ich während dieser Sekunde – und wurde ich geliebt? Hatte ich an irgendetwas Freude…?
Ich habe ja kürzlich erwähnt, dass ich mich in einem emotionalen Tal befinde, was natürlich auch mit dem Verlust zu tun hat, aber ebenso mit Überforderung, Mangel an Zeit für mich selbst und meine Belange, und schließlich Regenwetter. Ich bin ein Sonnenmensch und nicht jeden Abend draußen sitzen und in den Himmel kucken zu können, drückt mir echt auf die Seele. Schaue ich also auf die eben benannten Fragen, sieht es für mich im Moment so aus, dass ich gestern und heute sehr wohl einiges Sinnvolles getan habe, für mich und andere; ich wurde geliebt und ich liebte und es gab die Gelegenheit zu einer kurzen Auszeit, in der ich den Grill anwerfen konnte. Nur Freude und längere Pausen, etwa zum Zocken – da sieht’s gerade RICHTIG finster aus. Vor Ende September geht da kaum etwas, und dann ist dieser Sommer auch schon wieder rum. Aber was soll ich sagen – wir haben uns etwas auf die Agenda gesetzt, dass uns vielleicht den Herbst noch einmal ein bisschen versüßt. Mal schauen, ob eine kleine Reise aus dem Tal heraushilft, wenn die Saison schon lang vorbei ist… Vorfreude soll ja bekanntermaßen auch schon helfen.
Es ist fühlt sich gerade jetzt paradox, ja irgendwie beinahe ungerecht an, das zu sagen; aber ich bin in diesem Moment zufrieden. Weil ich weiß, dass die Welt sich weiterdreht; und ich irgendwie immer meinen Shit gerockt bekomme. Erst unter Stress laufe ich wirklich zu Hochform auf. Vielleicht, weil ich eigentlich im Grunde meines Herzens gelegentlich gerne ein fauler Mensch wäre und daher dann und wann auch mal was verbummele; selten, aber es passiert. Weil ich weiß, dass die Zeit, auch wenn Sie sich dafür ein bisschen was nimmt, alle Wunden heilt; auch die richtig großen! Und es nicht ungerecht ist, wenn wir weitermachen dürfen, während andere diese Gelegenheit nicht mehr haben. Weitermachen ist allzu oft nämlich auch ein MÜSSEN. Und dann ist es gar nicht mehr so geil… Weil ich die Gelegenheit habe, für meine Lieben da zu sein. Ich nehme das mit „den guten und den schlechten Tagen“ nämlich ernst. MONOGAM UND ALTMODISCH ISSER, JAWOLL! Und schließlich, weil ich erfahren durfte, dass die Menschen um mich herum, zumindest teilweise, tatsächlich noch Menschen sind – und nicht einfach nur Funktionen. Das gibt zumindest ein wenig Hoffnung für den ganzen Rest. So, und jetzt ist genug gelabert. Die nächsten Tage werden mich in vielerlei Hinsicht fordern, daher ist für heute Schluss. ich wünsche euch einen guten Start in die Woche.