Das Leid Kultur #03 – Bildung

Es gehört zum guten Ton, den allgemeinen Verfall der Sitten und des guten Geistes in den nachfolgenden Generationen zu beklagen – und das ungefähr seit Platons Zeiten. Ist schon ein paar Tage her (so runde 2440 Jahre), was bedeutet, dass wir heute eigentlich in sittenfreien,  gewalttätigem, alles umfassendem Chaos leben müssten; wenn wir es dieser Deutung nach nicht schon lange geschafft haben müssten, uns selbst vollkommen auszulöschen. Nun ja, das mit dem Auslöschen werden die „Führer“ unserer Welt in ihrer Propaganda- und Dogma-umnebelten Arroganz schon noch irgendwann besorgen…

Was nun jedoch die Sitten angeht, so scheinen diese, wenn in ihrem Ausdruck auch einem steten Wandel unterworfen doch einen Kern zu wahren, der mehr oder weniger unhinterfragbar über allen Menschen thront. „Du sollst nicht töten“ ist so ein Grundsatz, den keiner ernsthaft anzweifelt (jene, die ihn verletzten, tun das entweder im Bewusstsein der Verwerflichkeit ihrer Tat, oder entwickeln später das dazugehörende Schuldgefühl – Ausnahmen nennen wir Soziopathen. Und echte Soziopathen sind selten!). Aber rings um die Zehn Gebote ist im Zeitenlauf ein Kanon von Wissen, Erfahrung und auch Kunst als Ausdruck dieser Errungenschaften entstanden, dessen Destillat wir gemeinhin als Basis unserer Kultur verstehen.

Ich hatte bereits gesagt, dass Kultur in ihren Verkehrs- Ausdrucksformen sehr wohl steten Veränderungen unterworfen ist, weil wir Menschen sehr wohl auf verschiedenste Weisen mit unserer Kultur interagieren. Allerdings gibt es einen Kern, um den herum sich unser Tun und Lassen, unser Bemühen und Prokrastinieren, unser Erschaffen und Vernichten gruppiert. Diese Aussage und die der Veränderlichkeit stehen nicht im Widerspruch – denn so wie ich ein immer gleiches Samenkorn im Acker ausbringe, wachsen immer neue, jedoch einander nie gleiche Pflanzen daraus. Man muss Kultur als etwas lebendiges verstehen, dass sich dauernd erneuert.

Was zur Diskussion steht ist die Frage, wie groß dieser Nukleus unserer Kultur sein soll. Aus dieser Spannung stammt die Frage, was wir als Allgemeinbildung betrachten; und was als überflüssig, nicht allgemein gültig, eventuell sogar falsch. Immer mal wieder wirft jemand seine Definition von Allgemeinbildung in den Raum und erklärt sie für gültig. Meist finden sich in diesen Antologien durchaus bedeutende Errungenschaften der Kunst, Philosophie, oder sagen wir der Wissenschaften allgemein. Kenntnisse, welche der jeweilige Autor als unerlässlich für das Funktionieren unserer Kultur erachten.

Womit wir wieder beim Dogmatismus und der Lei(d/t)kultur wären, über deren Deutungshoheit hier gestritten wird. Denn durch Inkludieren oder Auslassen von Diesem oder Jenem kann ich das Verständnis der „eigenen“ Kultur durchaus manipulieren. Vielleicht nicht gleich; aber nehmen wir mal an, dass ich heute aufhöre, die Evolutionstheorie zu unterrichten. wie lange würde es wohl dauern, bis Darwin reines Spezialistenwissen wäre, was unser Verständnis von Naturzusammenhängen nachhaltig verändern würde. Hört irgendwer die Kreationisten rufen? Die Hoheit über die Bildung, speziell die Allgemeinbildung ist eine Machtfrage. Macht, nach der bei weitem nicht nur lautere Kräfte streben. Wo wären wir heute, wenn Holocaust-Leugner es auf den Stundenplan geschafft hätten…?

Ich werde mittlerweile immer misstrauisch, wenn es um diese Diskussion geht, denn viele Interessen treffen hier aufeinander. Meines wäre, dass sich am besten jeder dieser Probleme bewusst wäre.  Schönen Tag noch!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert