Tja. Man könnte natürlich Rollenspiel betreiben, indem man normale Tagesabläufe beschreibt, bei denen Sachbearbeiter Konstantin Kalubbe mit der Unbill seltsamer Kunden behelligt wird. Jeden Tag auf’s Neue ruft Peter Paternoster an und fordert Dinge, die Ihm laut Vertrag gar nicht zustehen. Und unser wackerer Kalubbe findet jedesmal ein neues Hintertürchen im Kontrakt, welches Paternosters‘ illegitime Forderungen elegant abblitzten lässt. Und Tschakka – wieder gescored… Tatsächlich kommen mir Spiele wie die Sims oder dergleichen manchmal so vor. Ohne jetzt Fanboys und -girls vor den Kopf stoßen zu wollen, aber wenn ich so was will, gehe ich auf der Leitstelle arbeiten. Ist meistens auch wie Bullshit-Bingo und die anderen (Anrufer) haben alle Joker!
Meine Idee von Rollenspiel hat eher was mit dem Ungewöhnlichen, dem Abseitigen, dem Unglaublichen oder Unaussprechlichen zu tun; oder anders gesagt mit Dingen, mit denen meiner einer im echten Leben nie zu tun hat. Oder hat einer von euch schon mal eine Atomgranate entschärft, die NSA gehacked, einer Yakuza-Kampftruppe die Stirn geboten, fremde Welten erforscht, und, und, und…? Tja, wohl eher nicht. Und weil es so verdammt unwahrscheinlich ist, dass so etwas je im realen Leben passiert, mischen sich meine Charaktere im Spiel immer wieder in Angelegenheiten ein, die sie nichts angehen, ohne vorher zu wissen, was, bzw. ob sie dafür überhaupt etwas bekommen, oder wem sie dabei auf die Füße treten werden.
Und sie werden Leuten auf die Füße treten. Den diese Art von Rollenspiel, wie ich sie betreibe lebt – wie eigentlich alle Arten von Unterhaltungskunst – von der Qualität des Gegenspielers. Was wäre denn z. B. ein Bond-Film ohne einen wirklich bösen Bösewicht? Was wiederum die Frage aufwirft, was einen Bösewicht denn nun zum Bösewicht macht? Eine hoch relevante Frage, wenn man bedenkt, dass die allermeisten Geschichten für ihr Funktionieren einen Gegenspieler brauchen.
In Filmen läuft es ja oft so, dass man den Bösewicht erstmal so richtig bei der Arbeit zeigt (Exposition/Steigerung), nachdem man die wackeren Helden eingeführt hat. Klassische Dramatik-Schule. Dann lässt man den Antagonisten mit allerlei Schurkerei davon kommen, so dass der Zuschauer so richtig Gelegenheit bekommt, den Bösen als Bösen hassen zu lernen. Dazu gehört auch, dass der/die Held/en mindestens einmal in ihrem Bemühen krass scheitern, den Bösewicht aus dem Verkehr zu ziehen (Katastrophe). Zum Beispiel, weil sie nicht bereit sind, die gleichen Mittel einzusetzen, die der Antagonist und seine Henchmen.
Und dann kommt meist Payback (Happy End). Nur wenige Filme lassen den Bösen davon kommen. Allerdings beleuchten auch wenige Filme die Motive des Bösen. Ist ja nicht so, dass alle Bösewichte reinste Soziopathen wären, die keinerlei Empfindung haben bezüglich ihres Tuns. Auch Antagonisten haben eine Agenda, Ziele, (Zeit)Pläne; und manchmal ist das Böse des Einen die gerechte Sache des Anderen. So kommen z. B. Kriege zu Stande. Beide seiten denken üblicherweise, im Recht zu sein.
Im Rollenspiel nun den Antagonisten sein Ding durchziehen zu lassen, hat folgerichtig nur selten etwas mit dem wahren Bösen zu tun. Denn wenngleich es Antagonisten gibt, die einfach nur die Welt brennen sehen wollen (und die sind sehr selten), haben die meisten doch (durchaus auch persönliche) Motive, die sie selbst nicht als böse wahrnehmen würden.
Was ist also nun böse; oder besser was macht den Bösewicht böse? Meist nutze ich Motive meiner Antagonisten, welche dem üblichen Rechts- bzw. Gerechtigkeitsempfinden der Charaktere zuwider laufen. Nicht selten haben Spieler bei mir herausfinden müssen, dass das gefühlt Erzböse auch einfach nur (über)leben wollte. War für manche recht verstörend, wenn man es doch liebt seine Gegner zu hassen.
Wichtig für mich ist, dass Motive nachvollziehbar realistisch sind und konsistent zur Geschichte erzählt werden. Und wenn meine Spieler die Gegner dann immer noch bekämpfen wollen und sich – oft im Streit innerhalb der Gruppe – entscheiden müssen, welche Methoden einzusetzen sie bereit sind, wird daraus meist gutes Spiel. Wir wachsen schließlich an unseren Prüfungen; Fehler stets inbegriffen. In diesem Sinne – always game on!