Das große Staunen N°2 – Wie?

Es gibt da in der Kognitionspsychologie so einen Begriff: „intrinsische Motivation“. Was das hiermit zu tun hat, erläutere ich nach einer Geschichte: Es ist schon eine Weile her, da waren wir alle sehr plötzlich gezwungen, „social distancing“ zu betreiben (Gott hat das manchmal GUT getan!), man durfte nur noch zu fünfzigst in einen Supermarkt (ganz angenehm, mal nicht Omma Brömmelkamps Wagen vor Ungeduld in die Hacken geknallt zu bekommen!) und ganz viele Arbeiten mussten plötzlich von zu Hause erledigt werden (ich habe den morning commute ehrlich gesagt nicht vermisst)!. Da war Home-Office plötzlich toll! Das galt auch für Unterrichtsveranstaltungen und ich habe in der Zeit einige Male aus meinem Büro zu Hause gesendet. Dabei hatte ich auch mal – quasi als Einladung zum Unterrichtsbeginn – morgens in die Chatgruppe der Klasse ein Bild meines vorbereiteten Arbeitsplatzes gepostet. Und musste mir dann den Spott meiner Twitch-streamenden Schüler:innen anhören, dass ich total unterausgerüstet sei… Konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen! Also habe ich im Laufe der Zeit immer wieder nachgerüstet, ausprobiert, rumgefrickelt, mir mehr zum Thema Live-Streaming beigebracht, bis ich halbwegs zufrieden war. Nur um dann eine Weile später wieder rumzufrickeln… usw. Ich durchlief diesen Repeating Circle mehrfach – und tue es heute noch gelegentlich. Aber nicht, weil ich unbedingt besser ausgerüstet sein will als meine Schüler (bin ich vermutlich bis heute nicht, weil’s auch noch Anderes gibt). Auf Twitch zu zocken ist nämlich nicht mein Ding, dafür sind meine Reflexe zu langsam. Mich interessiert einfach, wie ich meinen Heimarbeitsplatz auf die Bedürfnisse meines persönlichen Workflows optimieren, und wie ich es mir dabei ein bisschen gemütlich machen kann.

Worüber Herr Gibbon wohl staunt…?

Beim Staunen als Begriff geht es mir um verschiedene Aspekte: Warum man es erlebt (Auslöser)? Wie und auch wann man es erleben kann (Umgebungsbedingungen)? Wozu es u. U dienlich ist (Kreativität und Entspannung)? Was man dafür tun kann (Achtsamkeit, und Aufmerksamkeit)? Gewiss kommen mir noch andere Gedanken dazu, aber wenn ich mir heute das „WIE“ mal genauer anschaue, ist es natürlich oft Neugier, die eine*n dazu treibt, sich mit Dingen zu befassen, die Anlass zum Staunen bieten können. Wie z. B. die oben erzählte Geschichte. Neugier erzeugt intrinsische Motivation, also den Drang, sich mit etwas aus eigenem Antrieb, ohne Not oder Zwang von Außen zu befassen. Und ich war neugierig geworden, was es bräuchte, um in diesem Bereich meiner Arbeit (Distanz-Lehre in der Erwachsenenbildung) besser zu werden, habe nebenbei ein bisschen Blut geleckt, was das Thema Vlogging angeht (obwohl ich noch nicht sehr weit gedieen bin) und durfte feststellen, dass bereits vergleichweise geringe Investitionen an Engagement, Zeit und finanziellen Ressourcen die Dinge vorangebracht haben. Wenn man die Lernkurve in Betracht zieht, bin ich daran durchaus gewachsen; denn es hat mir neue Möglichkeiten aufgezeigt, kreativ zu werden, Dinge auszuprobieren und nicht zu sehr in einen typischen Trott zu verfallen, der für meine Psyche Gift ist, wie ich mittlerweile weiß.

Ob ich dabei gestaunt habe? Nun, ich denke, dass diese fixe Idee, dass Staunen mit lautem „AH!“, „OH!“, „HEUREKA!“ und großen, glänzenden Kulleraugen einhergehen muss dem Umstand geschuldet ist, dass wir mit Staunen immer das kindliche Staunen assoziieren. Ich mag dabei vielleicht gelegentlich milde gelächelt und gegiggelt haben (vermutlich klang es eher wie dieses irre Kichern eines verrückten Wissenschaftlers), aber um das wahre Ausmaß meines Staunens quantifizieren zu können, hätte ich dazu wohl in einem MRT liegen müssen – und ich mag enge Räume nicht mehr besonders. Folglich müsst ihr mit der Versicherung leben, dass es mich fasziniert, zum Staunen angeregt und in einige sehr schöne Selbstwirksamkeitserfahrungen geführt hat – frei nach Hannibal Smith’s legendärem Satz „Ich LIEBE es, wenn ein Plan funktioniert!“ (wer’s nicht kennt => die Originalserie „Das A-Team!“). Staunen kann beim Erwachsenen vermutlich viele, ganz unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen, aber man darf sich sicher sein, dass Menschen auch oberhalb des Grundschulalters noch ganz erheblich zum Staunen fähig sind; und dann in der Folge häufig Dinge tun, die andere auch zum Staunen anregen! Und das alles nur, weil sie sich fragen „WIE geht das?“. Indem Sie sich das fragen, tauchen sie in eine neue Materie ein – und aus der Frage wird durch das Staunen die Antwort, weil Staunen Fragen aufwirft, und damit zu einem Prozess des Lernens anregt!

Igitt – Lernen? Ja genau. Im Grunde kann Lernen nur dann richtig gut funktionieren, wenn wir uns entweder für den Gegenstand des Lernens interessieren, weil dieser uns fasziniert (also zum Staunen anregt), oder wenn wir durch psychologisches Re-Framing aus der Notwendigkeit eine Tugend machen – uns also durch frommen Selbstbeschiss zum Lernen motivieren. Ob dieser Text eine Motivationshilfe ist? Keine Ahnung! Ob jemand darüber staunt? Vielleicht! Ob’s jemand kommentiert? Bestimmt wieder nicht! Macht nix – denn mich regt die Beschäftigung mit diesen Medien hier immer wieder zum Staunen an, weil ich am Anfang nie weiß, wie der Text, der gerade durch meine Hände auf den Bildschirm fließt enden wird. So ist das bei den Autoren. Oft genug sind wir von unseren eigenen Geschichten überrascht. Mal schauen, was das Wochenende noch bringt. Einstweilen einen schönen Tag.

Auch als Podcast…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert