Wann immer ich nach Südfrankreich oder Mittelitalien komme, fühlt es sich für mich wie Heimkommen an. Die Landschaft, die Menschen, die Art mit den Dingen umzugehen – einfach alles atmet für mich eine Leichtigkeit, die ich in good old germany mittlerweile dauerhaft schmerzlich vermisse. Now don’t get me wrong: ich mag meine Heimat, nur die Menschoiden in ihr könnte ich mittlerweile zu einem großen Prozentsatz one-way ohne Sauerstoff auf den Mond schießen. Mein Geist ist mediterran. Er war es immer und wird es wohl auch immer bleiben. Da ist es doch schön, wenn man wenigstens einige Wochen im Jahr auch physisch dort weilen kann, wo man mental eh so gut wie immer unterwegs ist. Dieses Mal ist es wieder Südfrankreich, das alte Katharerland. Nächste Wochenende ist schon wieder Ostern und das erste Quartal 2024 war ein rauher Ritt. Das nächste dräut schon mit den üblichen kleinen und großen Problemen, Aufgaben, Anforderungen. Aber GENAU JETZT kann mich dieses andere Leben so dermaßen am A***H l****n, dass es kaum in Worte zu fassen ist. Denn ich sitze hier an einem Sonntag draußen vor dem Häuschen. Es ist zugegebenermaßen frischer als erhofft, aber wenigstens trocken und auch ein wenig sonnig. Das Domizil ist abgelegen genug, sich von nichts und niemandem belästigt fühlen zu müssen; außer vielleicht von der Herde Ponys und Esel, die auf den fast 100 Hektar, die ringsum unserem Vermieter gehören frei umherstreichen dürfen. Nein Spaß, die Ponys und Esel sind toll – niedlich, ruhig, zutraulich. Die Hütte ist einfach, aber mit allem ausgestattet, was man braucht; und das WLAN gerade so schnell und schlecht erreichbar, dass man es nutzen KANN, aber nicht unbedingt WILL. Wie viel besser wird’s noch? Das einzige, was um diese Jahreszeit fehlt, ist der typische Geruch, den das Land annimmt, wenn ab dem späten Frühjahr die Sonne brennt. Aber das kann ich verschmerzen, denn im August geht’s nochmal nach Mittelitalien.
Was macht Urlaub wirklich zum Urlaub? Was lässt uns die Art von Entspannung finden, die uns von unserem Alltag entkoppelt, Reserven auffüllt, zur Ruhe kommen lässt? Warum muss es überhaupt eine Entkopplung vom Alltag geben und warum fahren oder fliegen wir dafür manchmal um die halbe Welt? Ich weiß es nicht; und wenn ich ehrlich bin, will ich das auch gar nicht so genau wissen. Denn MEINE Antwort gälte eh nur für mich und niemanden sonst. Mal davon abgesehen, dass so verf****e Listicles wie „7 Plätze für ein garantiert großartiges Retreat!“, oder „Die 11 hübschesten kleinen Städte!“ höchstens zu a) überlaufenen „Geheimtipps“, b) genervten anderen Besuchern und c) mehr Stress führen. Und, im Falle dieses einen Fjordes in Norwegen regelmäßig zu Tode gestürzte Selfie-Jäger produzieren. So eine Scheiße kannste dir einfach sparen. Obwohl, auf die Frage, warum man sich vom Alltag entkoppeln zu müssen glaubt, kann ich eine Antwort geben, die vielleicht auch für andere Gültigkeit besitzt: weil dieses Gefühl, wie ein Hamster im Rad, oder der Esel rings um den Brunnen immer nur im Kreis laufen zu müssen, ohne je IRGENDWO anzukommen einen mit zunehmender Zeitdauer immer mehr bedrückt, unzufriedener macht, sich nach einer Abwechslung sehnen lässt – EGAL WELCHER! Und dieses Gefühl entsteht einfach nur dadurch, jeden Tag roboten zu gehen. Selbst in einem Job, der sehr vielfältige Aufgaben und ein sehr abwechslungsreiches Tätigkeitsprofil hat, wie etwa meiner, kommt man immer wieder an diesen Punkt, an dem noch ein bisschen mehr von der gleichen Scheiße dich in den Wahnsinn zu treiben droht. Glaubt mir, ich weiß wovon ich spreche… [Trifft aber auch Andere: mehr vom immergleichen macht immer gleichgültiger und erschöpfter.]
Insofern spüre ich die Wirkung bereits, denn alles ist anders: die Unterbringung, die Landschaft, die Menschen, die Art mit den Dingen umzugehen – und natürlich die Absenz von ernsten Aufgaben. Meine einzigen Aufgaben sind: Sachen ankucken, knipsen, einkaufen und kochen (und natürlich auch essen und trinken), lesen, schreiben und nachdenken – undzwar zweckfrei. Ich habe hier schon des öfteren über Zweckfreiheit sinniert und komme auf immer unterschiedlichen Wegen doch wieder zu ähnlichen Ergebnissen: nämlich dass meine wahre Liebe dem Lesen, Denken und Schreiben gilt; und dass ich vermutlich insgesamt ein glücklicherer Mensch wäre, wenn ich damit mein Geld verdienen könnte. Aber damit zu hadern hat keinen Sinn, wenn man in vielen anderen Dingen zumindest ab und an auch seinen Sinn finden kann. Und ich möchte an dieser Stelle von folgender, tendenziell nicht neuer Erkenntnis berichten, die – vielleicht – für manche Menschen, die sich mit Sinnsuche (evtl. sogar beruflich) beschäftigen dennoch ein wenig ernüchternd sein mag: Sinn ist wie Kultur und Persönlichkeit ein dynamisches Konstrukt, welches seine Gestalt im Zeitlauf immer wieder ändert. Was damals für mich sinnstiftend gewesen sein mag, ist dies heute nicht mehr unbedingt. Sich an diese alten Momente eines vermutlich verflogenen Sinns zu erinnern, nennt man Nostalgie – das Zurückerinnern an eine Zeit, in der es angeblich besser war. Dabei sind es lediglich unsere vergangenen Selbstwirksamkeitserfahrungen und die damit verknüpften positiven Emotionen, welche die subjektive Illusion eines besseren Damals entstehen lassen! Sich davon abhängig zu machen, ist ein sicheres Rezept, sich seinen Urlaub, oder gar sein Leben zu versauen!
Ich habe im Moment die Gelegenheit Neues zu sehen, zu erleben, darüber nachzudenken und so neue positive Selbstwirksamkeitserfahrungen zu generieren, an die ich in ein paar Jahren mit Wehmut zurückdenken kann (und werde), um mich mit der notwendigen Energie für die dann anstehenden Aufgaben auszustatten, die mich über die Zeit bis zum Urlaub trägt. Urlaub ist Erleben; und ICH kann das nicht in einer Bettenburg am Strand. Es hilft allerdings auch, wenn man die Anreise stressfrei abwickeln kann – was dieses Mal tadellos funktioniert hat: 1080 KM ohne eine einzige Friktion – YEEHAA Baby. In diesem Sinne eine gute Zeit, wir lesen uns.