Leseprobe N°1

Während Merrick das Hoverbike mit fast traumwandlerischer Sicherheit durch den dichten Verkehr lenkte, kreisten seine Gedanken um das seltsame Paket, und natürlich um dessen Inhalt. Es war schon ein bisschen komisch, dass Sammy den Mann nicht auf einem seiner eigenen Schiffe hatte einfliegen lassen. Und jetzt das. Er war in Gedanken.

In diesem Moment zog ein unbedachter Fahrer aus der unteren Flugspur ein Stück zu weit hoch und Merricks Reflexe retteten ihn nur knapp vor einer jähen Kollision. Fluchend schlingerte er einige Dutzend Meter. Dann hatte er seine Maschine wieder abgefangen und schoss neben das Fahrzeug, dass ihn abgedrängt hatte. Er gestikulierte, fluchte, sah hinein – und plötzlich wurden seine Sinne wieder überscharf. Der Fahrer hing auf der Steuerkonsole, sein Kopf aufgeplatzt wie eine geworfene Melone; ein Schuss von hinten. Seine Augen suchten die Fahrspuren in seinem Rücken ab. Da waren zwei Hoverbikes. Zu dicht zusammen für einen Zufall, zu angespannt für einen einfachen Ausritt, zu beherrscht und zu koordiniert. Und mindestens einer von denen hatte einen verdeckten Karabiner.

Kontraste bereichern das Leben!

Er zog die Bremse hart, ließ sich drei, vier, fünf Ebenen durchfallen, fast bis auf das Bodenniveau, vorbei an mindestens einem Dutzend fluchender Beinahe-Unfälle. Sein Verdacht wurde bestätigt, als die zwei es ihm mit leichter Verzögerung nachtaten. Und da war noch ein Dritter… anderer! An dieser Stelle gab es auch Querverkehr, der vom Nor’a’Patra-Distrikt rüber zum Chi’ang’Tsu und zurück führte, was die Sache riskant gestaltete. Unten war der Fluss. Auf beiden Seiten führten die Monorail-Trassen auf Level vier rings um zwei der vielen Berge von Tairan City herum. Man konnte hier überall auf Bodenniveau runter; oder zumindest gab es überall Boden. Beide Berge waren zum Teil hohl und im Laufe der Zeit hatte man, teils im Stein, teils auf gleichförmigen Terrassen aus Stahl, Beton und Onyx rings um sie herum eine Stadt gebaut. Die Ebenen oberhalb des Flusstales waren alle so hoch, dass sie mehrgeschossige Bauten beherbergen konnten und ragten, der Flanke des Berges folgend, wie eine semi-natürliche Archology gut 35 Stockwerke in den Himmel. Je höher oben, desto weniger schäbig waren die Bauten. Die Stadtbahnringe versorgten vor allem die einfachen Arbeiter mit Transportdienstleistungen. Hier untern standen die Apartmentblöcke dicht an dicht, durchbrochen von allerlei Geschäften, Werkstätten, Manufakturen. Alter, Baustil und Bauhöhe waren vollkommen uneinheitlich. Von Stadtplanung hatte hier noch nie einer was gehört. Manche Bereiche waren regelrechte Slums. Insbesondere die innenliegenden ohne Sonnenlicht.

Merrick flog eine enge Abwärtskurve um eine der wuchtigen Monorail-Stelzen herum und tauchte in den Schatten der darunterliegenden Ebene, jetzt auf hiesigem Straßenniveau. Am freien Himmel bot er ein leichtes Ziel und seine Verfolger hatten offensichtlich keine Bedenken, wenn es um Kollateralschäden ging. Einer von Ihnen tauchte in seinem Spiegel auf, als er gerade auf Wang-Lop-Land  fuhr. Er donnerte durch eine ziemliche schmale Gasse, knapp an einem schäbigen alten Kleinlaster vorbei, in dem wie ihm beiläufig auffiel, zwei Typen Wache zu halten schienen, hinaus in einen Wochenmarkt. Er wich zwei Garküchen und einem fliegenden Mechaniker aus und war gerade in einer harten Wende begriffen, als der erste Typ auch ankam. Chicken Race. Merrick hatte seine Sweeper parat, hielt mit aufheulenden Turbinen auf den Typ zu und zog ab. Drei Schuss in schneller Folge. Die Antwort sollte weniger elegant werden, eine Salve aus einem kurzen Karabiner, doch weil er seinen Gegner auf dem falschen Fuß erwischt hatte, kam’s nicht mehr dazu. Der Typ fiel von seinem Bike, das schliddernd in eine der Garküchen krachte.

erstellt mit DALL-E3

Jetzt kam Leben in die zwei Typen im Van, während er wieder eine harte Wende machte und Vollgas gab. Die Gangs mochten es nicht, wenn jemand in ihrem Territorium unangemeldet Geschäfte machte. Noch weniger aber mochten sie es, wenn jemand anfing rumzuballern. Die Cops kamen zwar nur selten hier her und meistens wollten sie dann auch nur ein bisschen Cash. Aber zu viel Action erzeugte die Art von Aufmerksamkeit, die man auf den unteren Ebenen überhaupt nicht leiden konnte. Der zweite Verfolger kam an den Platz. Merrick war sich nicht sicher, wie das ausgehen würde, er verließ die Location gerade am anderen Ende, aber er hörte automatisches Feuer, das kurz darauf erstarb. Auch das Heulen einer Turbine erstarb. Nur noch einer. Und wahrscheinlich auch noch von einer weiteren Fraktion.

Schmale Gassen zwischen niedrigen Häusern. Menschen, Maschinen, Müll schienen nur so an ihm vorbeizufliegen. Konzentriert bis in die Haarspitzen, um so schnell wie möglich Raum zwischen sich und seinen letzten Verfolger zu bringen, blieb er am Boden, denn zu weit hochziehen mochte seine Position enthüllen. Er hasste solche Situationen. Nicht, weil er nicht kämpfen konnte oder wollte. Gewalt gegen jemanden anwenden zu müssen, der ihn bedrohte, war ihm egal. Aber es widerstrebte ihm, die Leute hier unten der Gefahr auszusetzen, denn die meisten waren nicht im Ansatz so gut darin wie er, sich ihrer Haut zu wehren.

Von oben. Er zog instinktiv nach links, riss die Maschine hoch, schabte mit der Unterseite über die Dachkante. War nur zwei Stockwerke hoch, doch der Raum war knapp. Er schlidderte quer über das Flachdach, während die Druckwelle der Detonation Steine, Bretter, Moniereisen und anderes hinter ihm hertrieb. Von einem fahrenden Hoverbike abzusteigen war Übungssache, aber jeder Biker, der was auf sich hielt, schaffte das zumindest, ohne sich umzubringen. Merrick landete auf den Füßen wie eine Katze und das Magazin der Sweeper leerte sich nun vollautomatisch. Der Angreifer kam gerade noch von seinem Bike, bevor die hintere Düse sich in ein hübsches Feuerwerk verwandelte. Er landete vielleicht sieben acht Meter entfernt, ebenfalls auf den Füßen. Verdammt, der Bastard war leider auch geschickt. Und er spurtete direkt auf Merrick los.

Es war für Profis eher unüblich, allzu lange scharfe Hiebwaffen wie etwa Schwerter zu benutzen. Unter den jungen Wannabes waren sie als Gimmick zum Angeben recht beliebt, doch kaum jemand konnte wirklich damit umgehen. Hier schien das was anderes zu sein. Die Klinge, welche sein Gegner im Laufen zog, erinnerte an die Comicdarstellung eines Ninjatō, insbesondere, weil er sie tatsächlich an der Hüfte trug; irgendwie Klischee, aber ansonsten war das hier ganz sicher kein Witz. Sein eigenes Schwert sah aus wie ein filigraner Säbel von äquivalenter Länge. Der erste Schlagabtausch war schnell. Der hier war geübt, keine Frage. Man konnte nichts hören, außer angestrengtem Atem und dem metallischen Klirren, wenn die Klingen im Wirbel aufeinandertrafen. Einen Sekundenbruchteil zu langsam begegnete er einem letzten tiefen Angriff; die Klinge glitt durch die Verbundkeramikfasern seiner leichten Panzerung, die er unter seinen Klamotten zu tragen pflegte und hinterließ einen fiesen Schnitt am Oberschenkel. Sie hatten sich gerade wieder voneinander getrennt, wahrscheinlich, weil der andere den Wert seines Treffers einschätzen wollte, als drei Typen mit vollautomatischen Waffen durch eine Tür auf das Dach gelaufen kamen. Die schienen sich keine Zeit für Fragen nehmen zu wollen und eröffneten sofort das Feuer. Die beiden Kontrahenten wichen in entgegengesetzte Richtungen aus.

Das Letzte, was Merrick von seinem Verfolger sah war, wie dieser mit einem Satz über die Straße sprang, während er selbst  sein Bike aufrichtete und sich in der gleichen Bewegung aufschwang, um ganz schnell die Biege zu machen. Er versuchte nicht, darüber nachzudenken, denn auch ihm pfiffen Kugeln um die Ohren. Dann jaulte seine Turbine auf, er hüpfte einfach nach unten in den Hinterhof des Nebengebäudes und flog durch den im Erdgeschoss liegenden Shop nach vorne weg, dabei eine Schneise der Verwüstung hinterlassend. Er konnte jede Menge Flüche in asiatischer Gemeinsprache, Pidgin und Kantonesisch hören, während er, wie vom Teufel verfolgt, das Weite suchte.

Nach ein paar Blocks setzte er kurz auf einem Dach ab, klebte ein Dermal-Aid auf und griff nach seinem Omni. Nach einem kurzen Moment warf er es weg, um es zu grillen, zog ein weiteres aus einer Tasche am Gürtel und erkundigte sich nach dem aktuellen Aufenthaltsort seines bevorzugten Downside-Doktors…

Kleine Kostprobe aus einem in Arbeit befindlichen Sci-Fi-Roman. Third Draft, aber es wird langsam...
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Tatkräftiges Träumen!

Immer nur Argumente! Immerzu gut abgewogene Worte! Und auch brav immer ALLE inkludieren, vollkommen gleich, ob jene Wesen in genau dem Moment inklusionswürdig, inklusionswillig oder inklusionsbedürftig sind – oder eben auch mal nichts von alledem! Das Für und Wider wird zum Auf und Nieder. Für den Geist, die Seele, einfach alles. Es dreht sich nur noch und immer wieder um den Gott des Disputs, den Geist der stets verneint, den kategorischen Imperativ und Gottes Tod! ICH. BIN. SO. MÜDE! Alles Streben nach einer Sprache, die Menschen einander näher bringt zerschellt an jenen, die man eigentlich dem Kern der Humantät und des sozialen Miteinanders wieder näherbringen müsste, weil sie imprägniert sind mit dem Gift des Dogmas und der süßen Droge der allzu einfachen Antworten! Was soll also mein Streben, wenn mir doch alle Freude aus dem Schreiben gesogen wird, wie die Vakuumpumpe im Physikunterricht einstmals jene Glocke leersog, ín welcher der Schaumkuss plötzlich auf ein Vielfaches seiner Größe anwuchs. Nur das sich in meinem Kopf ob des Absaugens keine Süße ausbreitet. Was soll all das Mühen, was soll all das Recherchieren, Denken, Formulieren, wenn doch am Ende kein KREATIVES Produkt mehr entsteht, sondern einfach nur Wortsalat, abgepackt nach diskursivem Gewicht und dazu gedacht, Gedanken greifbar zu machen, die so sauer, so alt, so anstrengend geworden sind, dass die Leichtigkeit des Denkens unter dem bleiernen Mantel des Bedenkenwälzens leise aber endgültig erstickt?

Natürlich… ganz klar, er ist wieder depressiv geworden… Nein ist er nicht! Aber irgendwie kreist vieles Gedachte der letzten Zeit um die immer gleichen Themen; und das schmerzt mich! Denn offenkundig bereitet mir meine Arbeit mehr Ungemach, als ich mir das selbst einzugestehen bereit bin. Und zeitgleich macht mich der Zustand der Welt in einem Maße fertig, dass meine Resilienzkapazitäten beizeiten zu übersteigen droht. Hoffnung und Energie gibt mir allein der Austausch mit Menschen, die mich anregen, die mich zum fühlen, lachen, kreativ sein anregen – und denen begegne ich derzeit nicht so oft, wie es mir lieb und notwendig wäre. Mein Ausgleich, dass sind zum einen die Wege draußen, die ich allein beschreite, um mich a) mit etwas Tageslicht zu versorgen, b) meine Seele sich an Kleinigkeiten erfreuen zu lassen (Stichwort Komorebi) und c) etwas Bewegung in den Leib zu bekommen, an der es mir ansonsten durchaus mangelt. Und zum anderen ist es das Storytelling. Geschichten, die dazu geeignet sind, mit dem Kopf mal WOANDERS zu sein. Manche Menschen verteufeln das Tagträumen, doch die Wissenschaft hat dazu einen etwas anderen Blickwinkel:

"Träume faszinieren durch ihre immanente Paradoxie: Einerseits lassen sie sich als etwas ganz und gar Privates, Individuelles, ja sogar Intimes definieren, da sie im innersten Kern der Persönlichkeit gedeihen; andererseits offenbaren sie trotz dieser vermeintlichen "Vertrautheit" nachgerade eine unheimliche Fremdheit" (Freiburg 2014, S. 5) Ein Stück weiter schreibt der Autor:
"Im Traum wird die vermeintliche Selbstverständlichkeit des eigenen Seins in Frage gestellt, die Begegnung mit dem ganz "Anderen" löst eine Erfahrung aus, die zutiefst verunsichernd, ja sogar erschütternd sein mag. Der Traum relativiert die Normalität der Alltagserfahrung, bereichert den anscheinend unauflösbaren und phantasielosen Nexus von Zeit, Raum und Kausalität um eine aufregend alogische Alternative und lässt Denk- und Lebensmöglichkeiten aufscheinen, die der "gesunde Menschenverstand" allein niemals zu ersinnen vermöchte." (ebd. S. 6)
(Freiburg, R. (2014): Einleitung - Zwischen Intimität und Fremdheit:
Die Paradoxie der Träume. In: Freiburg, R. (Hrsg.): Träume. Erlanger Universitätstage 2014. Erlangen: FAU University Press, S. 5 - 17.)

Eigentlich müsste man mehr dazu nicht sagen. Doch ich will versuchen, einen persönlichen Bezug herzustellen, indem ich Folgendes anfüge: meine (weitestgehend auch für mich selbst verborgene) Binnenwelt begreifbar machen zu können, bedarf unterschiedlicher Reflexionsflächen. Selbstreflexion braucht eine oder einen Anderen, wenn wir so wollen also einen „Sparringspartner“ an dem ich meine Ratio austesten kann. Doch wir vorgeblich erwachsenen Menschen sind mindestens ebenso sehr Emotion, wie wir Kognition sind! Ich erinnere mich selten an meine Nachtträume, doch ich tagträume gelegentlich sehr intensiv. Wenn all meine Träume allerdings etwas sehr Intimes sind, wie Rudolf Freiburg da oben ja sagt, wie kann ich dann mit ihnen umgehen, sie für mich begreifbar, ja vielleicht sogar als Kraftquelle nutzbar machen, wenn ich doch nicht alles aus meinen Träumen unmittelbar gegenüber den Anderen ausbreiten kann oder will? Meine Antwort darauf lautet – durch das Geschichtenerzählen! Indem meine Träume der Stoff sind, aus dem etwa meine Pen’n’Paper-Stories entstehen, welche ich in der häufig eingenommenen Position des Spielleiters nur zu gerne zum Schauplatz kollaborativen Geschichtenerzählens mache, lasse ich aus meinen Träumen durch die Möglichkeit des Eingriffs Anderer in die erzählte Traumwelt etwas Neues, Unvorhergesehenes emergieren, dass meine Wahrnehmung, meine Emotionen und gleichsam meine Ideen herausfordert! Und das ist unfassbar stimulierend, womit daraus für mich ein Quell neuer Energie wird. Das Problem ist, dass man sich auf dieses Unvorhergesehene einlassen muss. Eine Zeit lang war ich zu verbissen, daran interessiert, MEINE Geschichten zu erzählen. Neuerdings kann ich das wieder einfach geschehen lassen.

Doch leider ist es so – tatkräftiges Träumen ist etwas Mächtiges, dass allerdings nur unter den richtigen Kontextbedingungen gedeihen kann; gerade genau dann, wenn man es am dringendsten braucht, ist man aber oft durch den Mangel an kognitiver Kapazität und kreativer Freiheit blockiert. Man kann es sich aber durch Training angewöhnen, auch dann Träume heraufbeschwören zu können, wenn man gerade vollkommen im tiefen Brunnen des Stresses, der Terminnot, der Anforderungen und des Mangels zu ertrinken droht. Man braucht lediglich ein paar Anker; Anker im hier und jetzt, etwa in Form von lieben Menschen, hilfreichen Ritualen, kleinen Auszeiten. Aber eben auch Anker da drüben im Reich des noch nicht fertig erzählten; etwa durch erzählerische Figuren und spezielle Charaktere, mit denen man sich immer wieder auseinandersetzt. Ich habe beides. EInerseits etwa meine beste Ehefrau von allen – und andererseits eine ganze andere Welt, reich an Geschichten, die ich noch mit meinen Freunden erzählt wissen möchte. Und dieses Blog… Und wo träumt ihr so? Ich wünsche einen guten Start in die neue Woche, was auch immer darin enthalten sein mag, dass eure Träume herausfordern möchte…

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Der Irre-lefant…

Manche Menschen neigen dazu, sich selbst sehr wichtig zu nehmen. Oftmals viel wichtiger, als sie es eigentlich sind. Das liegt einerseits daran, dass Posten und damit vermeintlich einhergehende Macht einer bzw. einem allzu leicht den Wunsch einflüstern, diese „Macht“ auch benutzen zu wollen. Der Fehler hierbei liegt darin, dass ein Machtgebrauch in den allermeisten Fällen zunächst durch diejenigen, über die Macht ausgeübt werden soll legitimiert werden muss, damit ein solches Machtdifferential überhaupt funktionieren kann; immerhin leben wir hier nicht in Nordkorea. Dort macht der Gebrauch einer Kalaschnikow als spürbares Symbol eines real existierenden Machtanspruchs die, der Demokratie üblicherweise zugerechnete Suche nach Mehrheiten und Konsens natürlich vollkommen nutzlos. Andererseits ist es eine der grundlegenden Funktionen unseres sozialen Miteinanders, nach Anerkennung durch die Anderen zu trachten; sich zu wünschen auf diese spezielle Art „gesehen“ und gewertschätzt zu werden, die besorgt, dass wir uns so wunderbar selbstwirksam fühlen und glauben, wirklich Kontrolle über Wohl und Wehe unserer Existenz ausüben zu können. Muhahahahahahaha – ja, die uns allen innewohnende Kontrollillusion ist schon ein Arschloch sondergleichen. Das trifft mich als Führungskraft ebenso, wie als unerschütterlichen Left-Wing-Sozialdemokraten. Und trotzdem hält sich meine Verzweiflung irgendwie immer noch in Grenzen!

Ich finde unsere menschliche Resilienz gegen die Tatsache, dass wir das „Dahinter“ jener unüberwindbaren Grenze der nächsten Sekunde weder heuristisch, noch spirituell, noch technisch oder sonstwie antizipieren können immer noch und immer wieder unglaublich faszinierend; und gleichsam unglaublich dumm. Wir einfachen Menschlein GLAUBEN doch wirklich immerzu, in die Zukunft schauen, ja diese sogar mitgestalten zu können – jedoch liegt das Schicksal unserer Welt (und damit auch unsere Zukunft) immer häufiger in den Tremorgeschüttelten Händen alter, kranker, seniler, im Besten Falle jedoch sehr sturer Männer, deren „beste Absichten“ darin bestehen, ihre Macht um jeden Gottverdammten Preis erhalten zu wollen; nicht durch das „Prinzip Konsenz“, sondern durch das „Prinzip Kalaschnikow“, dafür steht die Abkürzung PK und nicht etwas für Parteikongress… An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich die Faschisten-Muttis Meloni, Weidel und Le Pen so sehr in den Dienst einer Agenda gestellt haben, dass ich sie ob ihrer Haltung, ihres Gestus, ihrer Äußerungen und Handlungen noch als weiblich lesen könnte; das zeigt sich höchstens dann, wenn sie die „Waffen einer Frau“ instrumentalisieren, um zu bekommen, was sie unbedingt ebenso sehr wollen, wie ihre männlichen Faschisten-Kollegen: Macht!

Man könnte nun an diesen Wahrnehmungen verzweifeln, ja sich vielleicht sogar resigniert aus dem öffentlichen Markt der Meinungen zurückziehen und warten, was als nächstes passiert. Oder man legt sich Dachlatten (mind. 40x40mm), Kabelbinder, Plastikplane, Schaufeln, Handbeile, Brandbeschleuniger und anderes hilfreiches Material ans Lager, für den leider nicht absolut unwahrscheinlichen Fall, dass diese Feinde der Menschlichkeit wirklich jemals bei uns an die Macht kommen sollten. Bis es jedoch soweit wäre, sind sie argumentativ überall zu bekämpfen, wo die Medusa des Faschismus eines ihrer hässlichen Häupter erhebt – immer schön dran denken: den Kopf nicht abtrennen, sondern einfach nur zu Brei schlagen; natürlich jedoch nur verbal… Und was meine andere Rolle als Pädagoge, wie auch als Führungskraft angeht, so ist es meine Aufgabe, Menschen dazu zu ermächtigen, selbst denken und auf Basis der dabei gefundenen Erkenntnisse handeln zu können. Selber denken zu können war schon immer ein Motor für demkokratische, vor allem aber auch für humanistische Prozesse; denn eigentlich ist ein humanistisches Menschenbild die weitesgehend unausweichliche Konsequenz ernsthaft tiefgründigen Philosophierens über unser Dasein und dessen Zweck. Denn wenn man das – aus meiner Sicht vollkommen nutzlose – Streben nach Reichtum (und damit vor allem nach Macht über andere) einmal beiseite legt, bleibt nur noch eines: ein sinnstiftendes Miteinander zu pflegen! Worin sich dieses am Ende für jede*n von uns konstituiert, ist mir einerlei. Gründet Vereine und repariert, was auch immer ihr in die Finger kriegt: Technik, Beziehungen, Menschen, euren Kiez, whatever. Ihr werdet nur zum Irre-Lefant, wenn ihr euch von den ganzen bösen Menschoiden da draußen irre machen lasst und daraus den (unzulässigen) Schluß zieht, dass euer Denken, Tun und Lassen nicht relevant wären. Menschen dazu zu bringen, sich mit solcher – POSITIVER – Denke zu beschäftigen ist MIR Lebenszweck geworden!

Und den Faschisten sage ich: ¡Los fascistas no pasarán! ¡No pasarán!

Ich wünsche euch ein verf***t schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

New Work N°19 – Wen sollte man zum Chef machen…?

Immerzu geht es um’s liebe Geld. Nicht das Geld jemals lieb zu irgend jemandem gewesen wäre, das können halt doch nur andere Lebewesen bewerkstelligen. Aber zur Kohle drängt, an der Kohle hängt doch alles. Muss auch meine 15jährige schon verstanden haben, wenn sie auf die Frage, was sie mal werden möchte mit dem Brustton der Überzeugung „Reich!“ antwortet. Das stellt hier keine Wertung dar, denn mit 15 materialistisch zu sein, weil man neuerdings bewußt wahrnimmt, dass ein gutes Leben gutes Geld kostet, war, ist und bleibt ein vollkommen normaler Bestandteil des Erwachsenwerdens. Ich war in dem Alter ja nicht anders. Was im Privatleben stimmt, ist im Geschäftsleben oft genauso wahr. Allerdings sollte man die Dinge hier ein wenig differenziert betrachten. Die Allermeisten von uns managen nämlich keinen Überfluss für einen Jahresbonus und irgendwelche Shareholder (auch bekannt als „Rendite“), sondern den Mangel an Überfluss vor einem jeweiligen Monatsende (auch bekannt als „überzogener Dispo“).

Dennoch denkt man naiverweise gerne, dass ein CEO, gleich in welcher Art von Unternehmen vor allem wirtschaftliche Kompetenz bräuchte. Allen die blödsinnigerweise immer noch glauben, dass studierte Wirtschaftswissenschaftler echt besser haushalten könnten, als eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern empfehle ich daher wärmstens das Buch „Der schwarze Schwan“ von Nicolas Nassim Taleb; das hilft enorm beim Realitätscheck…! Daron Acemoğlu, einer der drei diesjährigen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften hat vor knapp zweieinhalb jahren ein Paper veröffentlicht, in welchem er und sein Team feststellten, dass der Einsatz von von Leuten mit MBA oder artverwandtem Abschluss als CEO in Nachfolge nicht studierter CEOs dazu führt, dass a) die Gehälter um mehrere Prozentpunkte sinken und b) der Anteil der Gehälter an der Bilanzsumme zurückgeht. Oder anders formuliert: die auf cost-efficiency dressierten WiWi-Absolventen der letzten Jahrzehnte fangen umgehend an, die wichtigste Ressource kaputtzusparen, welche jedes Unternehmen hat: nämlich jene Menschen, die tatsächlich Wertschöpfung betreiben, wenn denn überhaupt effektiv irgendwelche Werte geschaffen werden. Denn waschechte Bullshitjobs, die nichts zum Fortkommen der Menschheit beitragen, gibt es ja nun genug.

Ob ich denke, dass man gar keine Menschen mit hoher wirtschaftlicher Kompetenz bräuchte, um Unternehmen erfolgreich führen zu können? Natürlich nicht; denn ein wirtschaftlich sinnvoll geführtes Unternehmen wird alsbald zu einem sicheren Hafen für hunderte bis tausende Existenzen, welche ihr Ein- und Fortkommen an das Funktionieren der Geschäftstätigkeit ihrer Arbeitgeber geknüpft haben. Der daraus erwachsenden Verantwortung sind sich viele Chefs aber offenkundig nicht bewusst! Ob ich denke dass man manche Unternehmen lieber durch wissenschaftlich ausgebildete Menschen anderer Fachrichtungen führen lassen sollte? Oh ja; allerdings unter der Prämisse, dass man ihnen die dennoch zwingend notwendige wirtschaftliche Kompetenz an die Seite stellt. Die Krux am Leiten von Unternehmen ist jedoch, dass dieses nur vermittelt durch die Leitung und Führung der vorhin erwähnten Menschen funktioniert. Diesbezügliche Inhalte machen allerdings – gemäß einer kurzen Analyse durch ChatGPT 4o – in verschiedenen Ausbildungsprogrammen nur einen Anteil von 15 – 25% am Gesamtcurriculum aus, obwohl sich daraus später 60 – 70% der täglichen Arbeit ergeben. Ich persönlich denke, dass Psychologen und Pädagogen zumindest in Tendenzunternehmen wesentlich besser dazu geeignet sind, die Geschäftstätigkeit zu lenken, als Wirtschaftwissenschaftler. Menschen beurteilen, systemisch-analytisch denken, klare Entscheidungen treffen, ggfs. Sanktionen aussprechen und durchsetzen können wir auch – wahrscheinlich oft sogar besser. zumindest wir Pädagogen üben nämlich meistens mit viel mehr Sparringspartnern gleichzeitig…!

Ich weiß, dass es sehr, sehr viele Menschen ernsthaft denken, dass Geld sowie dessen Erwerb und Ansparung das ALLER- ALLERWICHTIGSTE im Leben seien. ICH persönlich denke jedoch, dass unsere Beziehungen das wichtigste in jedem Leben sind. Und dieses Mal sage ich ganz klar, dass diese Aussage aus meiner Sicht im Geschäftsleben genauso uneingeschränkt wahr ist, wie im Privaten. Ich habe gerade mehr oder weniger 2 Wochen ununterbrochen im Lehrsaal an Themen rings um Kommunikation, Beziehungen, Führung, Wahrnehmung und pädagogisch-didaktisches Handeln gearbeitet. Und ich kann mich deshalb genau jetzt nicht mehr des Eindruckes erwehren, dass manche Menschen in meinem beruflichen Umfeld nach falschen Prämissen handeln. Ob und wie man daran etwas ändern kann, weiß ich nicht. Aber es macht mich jedes Mal traurig, wenn ich die Zeit finde, intensiv darüber nachzudenken. Wie kann man den Elefanten im Raum nicht sehen, obwohl er einem doch den Rüssel auf die Schulter legt und laut trompetet? Nun ja… das Spätjahr wird sehr geschäftig, so dass ich – pflichtbewusst und erfüllt von jener protestantischen Arbeitsethik, die mein Vater mir vererbt hat – meine weiteren Erwägungen hierzu vermutlich auf die Zeit rings um Tannenbäume, liebliches Prassen und die stets nervige Suche nach den passenden Präsenten verlegen muss. Aus den Augen verlieren werde ich es jedoch ganz sicher nicht. Denn mein Körper ist mittlerweile einfach zu alt, um meine Zeit mit vielen nutzlosen Gesprächen, schlechtem Schnaps, unnützer, stupider, unkreativer Arbeit, miesem Essen und uninspirierenden Menschen zu verschwenden. Dafür ist meine Seele einfach noch zu jung! Wish you a nice weekend.

Im Funkloch

Ich bin, um dies einmal mehr unumwunden zuzugeben, einer von dieser Online-Junkies, über die so oft geschrieben wird. Ich – white, middle-aged cis-gender guy – stromere sehr oft durch verschiedene der, von mir so gerne so derb gescholtenen Antisocial-Media-Plattformen, um ein bisschen auf dem Laufenden zu bleiben, was die Kinder (also jene Menschen, denen meine Lebens- und Einsatzerfahrung abgeht) jetzt wieder umtreibt; ja verdammt, da bin ich ein bisschen bigott! So what, ihr Schlumpftulpen? Und da bin neulich von einem Anfang 20jährigen darauf hingewiesen worden, dass es ihn irritiere, dass ich über Phänomene informiert wäre, welche doch eher der Jugend vorbehalten seien. Ich nehme das als Kompliment, weil es mir sagt, dass ich immer noch in der Lage bin, als Pädagoge und Mensch auf lebensweltlich relevante Themen meiner SuS zu reagieren. Das bedeutet jedoch mitnichten, dass ich nun jeden noch so osbkuren Dreck kenne, der aus dem Huzz and Buzz der selbsternannten Trendmaschinen emergiert. Selbst meine 15-Jährige meint manchmal einfach nur „So ein Scheiß!“, wenn wir uns über „Trends“ unterhalten. Aber ja, ich gebe es zu – diese Dinge interessieren mich immer noch. Keine Sorge, ich trage immer noch keine weißen Sneaker und diesen ganzen anderen Rotz, der bei Gen-Z-lern heutzutage (wieder) so hart trended. Ich war schon da, als vieles davon das erste Mal er heiße Scheiß war – und ich fand’s schon damals zum Kotzen…

Nun bin ich derzeit im schönen Schwarzwald unterwegs – okay, ziemlich oft ist es derzeit der neblige Schwarzwald, aber das tut hier jetzt nicht so viel zur Sache – um eine neue Klasse in der Einführungswoche zu begleiten und zu unterrichten. Eine Aufgabe, die ich mittlerweile schon öfter übernommen habe und die mir immer noch Freude bereitet. Und auch dieses Mal ist es Teil des Designs, dass das Netz hier nicht überragend ist. Was stets zu mildem Gejammer führt, denn irgendwie bin ich offensichtlich NICHT der einzige Online-Junkie hier; wohl der Älteste, aber bei weitem nicht der Einzige. Ist ja aber nicht so, dass man GAR NICHTS online tun könnte… Ich durfte allerdings dieses Mal wohltuender weise beobachten, dass tatsächlich mal Dinge passieren, die ich mir bei so einem Setup jedes Mal wünsche: nämlich dass die zumeist jungen Leute die Gelegenheit beim Schopfe packen und Dinge tun, die sie sonst eher nicht tun würden. Etwa sich aufeinander einzulassen, ehrlich ins Gespräch zu kommen, interessante Spiele zu spielen und – echt wahr – gemeinsam wandern zu gehen. Ganz so schlimm ist das Funkloch dann wohl doch nicht. Natürlich werden sie , sobald sie morgen Nachmittag über die Passhöhe der ausgeschilderten Umleitung dem Tal entflohen sind wieder in die typischen Muster zurückfallen. Aber wenn wenigstens ein bisschen was hängenbleibt, bin ICH schon hoch zufrieden mit diesem Event.

Was mich selbst betrifft, so stelle ich fest, dass die (teilweise) Entkoppelung vom normalen Arbeitsalltag (viele Aufgaben lassen sich ja auch aus der Ferne erledigen) ein bisschen hilft, den Kopf frei zu kriegen. Nach dem Unterrichtsende einfach ein paar Kilometer durch den Berg hinter dem Kloster zu wandern tut das seine dazu. Man hat in einer Leitungsposition immer dieses Gefühl alles selbst, unmittelbar und vor allem sofort regeln zu müssen. Was bei meinem Job, wie ich in den letzten drei Tagen wieder bemerken durfte, ganz einfach eine Illusion ist! [Exkurs: Ich denke, ich muss die Home-Office-Diskussion noch einmal neu aufrollen, weil ich mit dem aktuellen Modell nicht zufrieden bin. Das Unterricht in Präsenz stattfinden muss, darüber herrscht kein Dissens; wohl aber über viele andere Aufgaben, die sich sehr wohl remote erledigen lassen und dann sogar besser funktionieren. Z. B. das korrigieren… Exkurs Ende] Ich nehme jedenfalls aus diesem idyllischen Schwarzwaldtal ein paar neue Impulse, Ideen und Bekanntschaften mit, die ich als bereichernd empfinde. Ich durfte Bewegung in der Natur zu meinen Bedingungen haben und bin trotz der vielen Wochenstunden immer noch hoch motiviert. Vielleicht tun auch mir solche gelegentlichen Funklöcher ganz gut? Denn in letzter Zeit habe ich mich des öfteren beim Doomscroll of Death ertappt… Wie man es auch dreht und wendet, jede Münze hat zwei Seiten. Über die Trends der Jüngeren informiert zu bleiben, bedeutet dann manchmal auch, zu viel kostbare Lebenszeit im Netz zu verbringen; so, wie manche der Jüngeren. Mal sehen, ob ich außerhalb des Funklochs wieder zur richtigen Balance finde? Ihr werdet es erfahren. Bis dahin – Schwarzwald Ahoi!

Out of the Box…

Ich finde es bemerkenswert, dass die vielen unterschiedlichen Menschen, die da so als Teilnehmer*innen in meine Unterrichte oder Seminare kommen immer wieder diese typischen Fragen stellen, die man eigentlich gar nicht hören möchte: „Wie lange machen wir heute?“. „Welche Inhalte kommen heute dran?“. „Ist das Prüfungsrelevant?“. „Kommt das noch mal dran?“. „Wo kann man das nachlesen?“. Und so weiter und so fort. Ich möchte dem nun in aller Form ein paar Dinge entgegnen, die mir in den letzten 9 Tagen während meiner Arbeit einmal wieder auf- und eingefallen sind:

  • Zeit- und Themenläufe sind variabel: Ich habe mir vorhin einen Moment genommen und bin auf eine direkte Frage eines Schülers hierzu eingegangen; und ich habe ihm gesagt, dass der Dozent oder Fachlehrer innerhalb eines gesteckten thematischen Rahmens nicht selten wie ein DJ vorgeht. Wir lesen den Raum, wir schauen, welche Fragen und Gespräche sich aus den gestellten Aufgaben und beschriebenen Problemen ergeben – und dann passen wir ggfs. unser Unterrichtsplanung an. Es mag sein, dass bei Lehrproben im Rahmen des Referendariats an allgemeinbildenden Schulen eine fest abzuarbeitende Unterrichtsvorplanung abgegeben werden muss, an die man sich nahezu sklavisch zu halten hat, weil der Fachleiter einem sonst die Rübe runter macht – aber das ist Bullenscheiße im Quadrat! Wenn sich der Flow im Rahmen des Themas in eine andere Richtung bewegt, aber die Fragen relevant sind, dann gehe ich den Weg mit. Und Schluss! (Ja, ja, ich weiß, die Stoffpläne – die sind in der allgemeinbildenden Schule oft genug einfach für den Arsch – und noch mal Schluss!)
  • Die Prüfungrelevanz betrifft IMMER die inhaltliche Essenz des Stoffes, nicht jedoch irgendwelche technischen Einzelheiten. Es ergibt (nicht nur aus konstruktivistischer Perspektive) absolut keinen Sinn, irgendwelche Schemata losgelöst von ihrem realen Einsatzzweck betrachten zu wollen. Die Leute suchen aber immerzu nach irgendwelchen Musterlösungen, die sie einfach nur anwenden müssen, um scoren zu können – aber weder für notfallmedizinisches Handeln noch das Leben an sich gibt es eine immergültige Musterlösung. Aber das kann man ihnen 1000 Mal erzählen und nächste Woche kommen sie wieder mit der gleichen Frage um die Ecke. Manche, weil sie sich’s einfach machen wollen und andere, weil sie an der Komplexität verzweifeln. Für beides gibt es Medizin, die allerdings nicht immer schmeckt: die Ersteren bekommen einen harten Realitätscheck, indem ihre Musterösung einfach mal im Training zerstört wird und die anderen Hilfe, indem man ihnen weitere Blickwinkel eröffnet. Kleines Einmaleins der berufsschulischen Pädagogik…
  • Der Unterricht ist zu Ende, wenn es Sinn ergibt! Manchmal ist das vor, manchmal nach der üblichen Schlusszeit. Wer hierbei nicht ein gewisses Maß an Flexibilität an den Tag legt, ist übrigens im Rettungsdienst schlicht falsch und sollte sich wohl besser was mit wirklich planbaren Arbeitszeiten suchen… weil nämlich die Struktur des Unterrichts hier aus der Metaperspektive die Struktur der eigentlichen Arbeit vorweg nimmt. Und die ist NICHT nine-to-five!
  • Die Festigung von Unterrichtsinhalten kann nie mit einem Durchlauf abgeschlossen sein. Insbesondere, weil theoretisch besprochene Inhalte sich immer einem Check an realen Einsatzsituationen unterziehen müssen, um ihre Relevanz für die Schüler*innen begreifbar zu machen. Die Antwort etwa auf die Frage „Warum müssen wir dieses Gesetz lernen?“ ergibt sich schmerzlich verständlich oft erst dann, wenn man die Gründe selbst erlebt, aus denen dieses Gesetz entstanden ist.

Fertiglösungen, die „out of the box“ funktionieren sollen kann man bestenfalls für sehr wenig komplexe Probleme formulieren, die sich in einen Wenn-Dann-Algorithmus pressen lassen. In der Notfallmedizin suggeriert man den Auszubildenden durch Algorithmen, die so aussehen, als wenn das möglich wäre, dass es fertige Musterlösungen geben könnte – nur damit wir Berufsfachschullehrer ihnen sehr mühsam den Reflex abtrainieren dürfen, auf komplexe Probleme stets einfache Antworten suchen zu wollen. Selbst Denken müssen die Azubis lernen. Aber zuerst müssen sie verstehen lernen, warum selbst denken zwar der anstrengendere, allerdings auch der wesentlich sicherere und zielorientiertere Weg ist. Und ich kann den Azubis da noch nicht einmal einen Vorwurf machen, weil es da draußen (auch und vor allem in unserem eigenen Berufsfeld) immer noch mehr als genug Menschen gibt, die ihnen vorleben, wie man es sich – vermeintlich – einfach macht. Die so tun als wenn Schema X jemals funktioniert hätte! Die alles, was nicht aussieht wie einer der Algorithmen zum „Bullshit-Einsatz“ deklarieren! Die Kolleg*innen mit einem humanistischen Menschenbild als „Schwächlinge“ verächtlich machen! Und die immerzu versuchen, den kürzesten, einfachsten, mit der wenigsten Arbeit versehenen Weg zu gehen, um sich dann auch noch ihrer Effizienz zu rühmen! SPEI! WÜRG! KOTZ! Wir haben noch einen verflucht weiten Weg zu gehen, wenn wir wirklich das Level an Profssionalität erreichen wollen, dass so viele von uns für sich reklamieren. Mal schauen, ob ich die nächsten Tage mal wieder etwas dazu beitragen kann. Hasta la Pasta, wie eine liebe Kollegin immer sagt…

Nur nicht untergehen!

Seit ein paar Wochen versuche ich mich wieder an mehr Bewegung. Meine Struggles mit der Masse meines Selbst gehen mittlerweile ins zweiunddrölfzigste Jahr und irgendwie ist Progress mit Blick auf die richtige Richtung des Zeigers an der Wage nur sehr spärlich zu verzeichnen. Joggen ist mit ’nem kaputten Sprunggelenk und dem Ausgangsgewicht aus orthopädischer Sicht ein No-Go, Crosstrainer würde bedeuten, dass ich extra noch ein Fitnessstudio-Abo abschließen müsste, worauf ich auf Grund eines Teils des Klientels dort nicht wirklich Lust habe; aber Schwimmen – ja Schwimmen ging schon immer. Und wenn man dann noch die Gelegenheit hat, um kurz nach 06:00 mit eher wenigen anderen zusammen in ein überdachtes, beheiztes Becken zu steigen… Ja okay, die Uhrzeit bereitet mir JEDES EINZELNE MAL wieder Brechreiz. Ein Frühaufsteher werde ich in diesem Leben nicht mehr. Aber wenn du dann endlich im Wasser bist und losschwimmst – musst du aufpassen, dass du nicht von irgendwelchen Hobbyolympioniken untergepflügt wirst. Mein Motto ist „Bitte nicht untergehen und irgendwie 1.500 Meter überstehen!“ Deren Motto ist anscheinend „Stirb du Wal, du bist im Weg!“ (ich habe hier, um der Dramatik Willen, natürlich ein klitzekleines bisschen übertrieben…) Hey, ich habe damit meinen Frieden gemacht und tatsächlich ist der Körper danach vielleicht müde, aber der Kopf ist tatsächlich frei. Also bleibe ich dabei. Geht aber auch nur ein Mal die Woche, öfter haben sie leider nicht so früh auf.

Es fällt mir derzeit auch aus anderen Gründen schwer mehr Bewegungseinheiten in meinen Alltag einzubauen, einfach weil unter der Woche Nachmittags schon so verdammt viel passiert ist und ich oft nicht mal körperlich sondern eher emotional so erschöpft bin, dass ich mir irgendwas Unterhaltendes suche und Fünfe gerade sein lasse. Da bin ich ganz Mensch… An den Wochenenden schaffe ich es wenigstens öfter mal, ein paar Kilometer spazieren zu wandern. Mir ist dabei aufgefallen, dass viele Leute, denen ich währenddessen begegne immerzu mit irgendwelchen Kopfhörern unterwegs sind. Ob Ganzschale oder In-Ear ist dabei vollkommen unerheblich, denn es handelt sich dabei sehr oft augenscheinlich, dem technologischen Trend folgend, um Noise-Cancelling-fähige Geräte. Diese Menschen blenden also bewusst einen ihrer Primärsinne aus. Warum die das tun, weiß ich nicht, aber ich habe dazu zunächst eine Meinung: einerseits ist das, insbesondere wenn man gerade im Straßenverkehr unterwegs ist sträflich dumm, weil es ein erhebliches Gefahrenpotential darstellt, nichts anderes hören zu können, als die Musik, das Podcast oder wasweißich auch immer da gerade läuft. Andererseits ist es für mich eine traurige Vorstellung, die Welt ausgerechnet dann ausblenden und ganz bei sich sein zu wollen, während man in dieser unterwegs ist; es wirft für mich die Frage auf, ob diese Menschen nicht mehr in der Lage sind, ohne irgendeine Form der Dauerberieselung zu existieren? Wahrscheinlich urteile ich da gerade zu hart, denn ich war gerade vorhin auch draußen unterwegs und dabei kam mir folgender Gedanke…

Wenn es stimmt, was Freud, Mead und andere formuliert haben, nämlich dass es drei Instanzen unserer Psyche, unserer Persönlichkeit, unseres Rollenverhaltens gibt, die aus zwei Extrempolen und einem vermittelnden Fließgleichgewicht in der Mitte bestehen, dann sind jene Menschen, die man heutzutage so gerne als neurodivers bezeichnet vermutlich eher von der ungebändigten, kreativen, zügellosen Seite des ES oder des I geprägt – das bedeutet nicht, dass das ES (wie Freud es nannte) oder das I (wie Mead es bezeichnete) uns den lieben langen Tag irgendwelche abseitigen, übergriffigen, absolut hedonistischen Dinge tun lässt. Wohl aber macht uns das rast- und ruhelos, lässt uns dauernd nach neuen Projekten und Idee, nach neuen Kicks und neuen Erfahrungen streben. Manchmal bis zu dem Punkt, dass wir unsere Sinne bewusst überladen, um überhaupt einen Fokus finden zu können. Ich erlebe das nicht so, weshalb ich wohl getrost sagen kann, dass meine Depressionen mir genügen und ich nicht auch noch über irgendeine – wie auch immer geartete – Form von Neurodivergenz an mir nachdenken muss. Ich konnte das aber schon in anderen Menschen beobachten. Und diese Beobachtung relativiert dann die Gedanken von vorhin insofern, als es wohl tatsächlich möglich ist, dass manche dieser Menschen, denen ich bei meinem sonntäglichen Spaziergang begenet bin einfach nur versuchen, ihre inneren Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die Teilnahme am Straßenverkehr macht es dann allerdings immer noch riskanter als unbedingt notwendig.

Ich habe auch innere Stimmen; nein, keine von denen summt dauernd die Melodie von Tetris, aber nicht selten klingt mein innerer Monolog, den ich SO GERNE als „normale“ Selbstreflexion betreiben würde eher wie eine politische Talkshow, die (wie in der Realität auch) allzu oft in Satire abgleitet, weil die Protagonisten sehr „interessante“ Ansichten haben. Aber ich kann das meistens bewusst moderieren und bis zu einem gewissen Grad durch körperliche Aktivität sogar abschalten. Deshalb dauert es mich auch so sehr, dass ich es nicht öfter hinbekomme, mehr Bewegung besser in meinen Tagesablauf zu integrieren. Bevor jetzt irgendsoein Schlaubi-Schlumpf daher kommt und seinen „Ja, da musst du halt einfach mehr Sport machen“-Senf absondert (in dem Fall ist die Assoziation mit Kinderkacke, die ich bei Senf oft habe echt passend!): Fick dich! Mach meinen Job! Hab mein Leben, mein krankes Hirn und dann reden wir noch mal, Digga! Ende der Durchsage. Ich bemühe mich echt, aber manchmal (eigentlich zu oft) scheitert die Mühe an der normativen Kraft des Faktischen. Also muss man das Faktische ändern – also dier ealen Lebensbedingungen. Und DAS ist nicht so einfach, Wie dem auch sei, versuchen wir auch in der kommenden Woche einfach nicht unterzugehen und den Kopf so gut freizukriegen, wie es geht – jedes Menschlein auf seine Weise. Bis bald.

Allein, allein…? Ist’s manchmal schön zu sein…

Ich meine natürlich nicht den Song von Polarkreis 18. Und ich will ganz sicher auch nicht wie Diogenes in einem Faß leben. Henry David Thoreaus Idee, sich ’ne Hütte im Wald zu bauen, die nur ein paar Kilometer von der (damaligen) Zivilisation entfernt lag, um dann Sonntags mit der Familie zu essen erscheint da schon attraktiver. Allerdings bräuchte es dazu a) ein regelmäßiges Einkommen aus irgendwas mit ohne Menschen, b) einen Wald, in dem nicht zu viele Menschen (am besten gar keine) unterwegs sind und c) ’ne Baugenehmigung, denn wir sind in Deutschland. Und damit ist das Projekt auch schon gescheitert, bevor es überhaupt begonnen hat. Denn wenn ich echt meine sozial induizierte Depression in so einer Hütte auskurieren wollen würde, hinge ich an einem der Bäume ringsum, bevor die Baugenehmigung da wäre. Die einzige Frage bliebe, was zuerst zu spät käme – die Baugenehmigung oder die Zusage für einen Therapieplatz. Keine Sorge, mir geht es im Moment soweit ganz gut, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie und vor allem wann ich die ganzen Probleme am Arbeitsplatz lösen soll, die sich einmal mehr ganz von allein aufgehäuft haben. Ist mal wieder wie mit den Pilzen im Wald nach einem feuchten Sommer: drehst dich einmal um und SCHWUPPS steht alles voll! Augen auf bei der Jobwahl kann ich da nur sagen…

Allein sein zu dürfen ist heutzutage oft ein Luxus. Ich bemerke das vor allem, wenn ich in Urlaub fahre. Ich suche heutzutage bewusst Orte aus, an denen man eher wenigen Menschen begegenet, wenn man nicht gerade auf DIE Ausflüge geht, die alle Anderen auch machen, weil’s da, wo man hinfahren kann halt im wahrsten Wortsinn pittoresk ist. Schuldig im Sinne der Anklage, da ich ja auch gerne und viel knipse. Ich las neulich in einem Interview mit einer Restauratorin, dass sie keine Bilder von ihren Auflügen in Museen machen würde, weil die Linse zwischen Auge und Objekt den Blick auf die Essenz des gerade betrachteten Kunstwerk versperre. Ich weiß was sie meint. Und bei bestimmten Exponaten ist das auch wahr. Die Abbildung sagt nicht so viel, wie tatsächlich davor zu stehen, allein schon, weil selbst gut komponierte Bilder dazu neigen, die wahren Größenverhältnisse zu verschleiern. Doch ich habe gelernt, die Welt – vermittelt durch die Begrenzung des eben genutzten Objektives – auf eine bestimmte Art wahrzunehmen, Spannung, Widersprüchlichkeit, Verspieltheit, Ästhetik zu suchen, wo man diese nicht unbedingt vermutet (aber natürlich auch da, wo diese explizit angeboten wird). Einerseits, weil ich ab und an gerne ein solches Bild teile, andererseits, weil es das Auge auch für die Details in anderen Kontexten schult. Es macht einen empfindlicher für das Rauschen, welches von Störungen ausgeht – ich bin heute recht gut darin, systemisch zu sehen. Ich bezahle dafür auf der anderen Seite immer wieder Lehrgeld, weil ich noch glaube, dass Menschen nur ausreichende und passende Denkanlässe benötigen, um ihr Handeln anzupassen, wenn selbiges nicht sozial-, sach- oder fachadäquat war. Das könnte daran liegen, dass das viele soziale Handeln, welches meine Arbeit mir abverlangt mich bisweilen erschöpft. Und im sozial erschöpften oder übersättigten Zustand sagen wir manchmal zu schnell JA zu Dingen, zu denen wir laut und deutlich NEIN hätten sagen sollen. Und wieder: schuldig im Sinne der Anklage.

Zurück zum allein sein – gerade an einem Tag wie heute, wo jeder Hans und Franz meint, seine Meinung zur deutschen (Un)Einheit kundtun zu müssen, ist es mir verdammt lieb, keinen einzigen Schritt vor die Tür machen zu müssen. Alle Erledigungen müssen warten – denn es ist Feiertag; außerdem wurde gestern alles eingekauft, was man so braucht um auch Freitag zu überleben (wenngleich ich dabei nicht so kriegerisch vorging, wie manch anderer gestern Nachmittag…). Alle Mühsal und Anforderungen der Arbeit müssen warten – denn es ist Feiertag; und ich bin nicht mehr im Einsatzdienst tätig, was bedeutet, das NICHTS von meiner Arbeit tatsächlich zeitkritisch im echten Wortsinn ist! Alle Hetze muss warten – denn es Feiertag! Was nicht warten kann, ist das Kochen für die Familie und ein bisschen leichte Hausarbeit – ich lüfte ja ganz gerne. Nein, Spaß beiseite, an einem freien Tag unter der Woche wird erledigt, was sonst auf Grund der Zeitnot liegen bleibt. Das ist aber nie so viel, dass man nicht doch noch etwas Zeit für sich selbst findet. Die Familie trifft sich zu den Mahlzeiten, ansonsten kommuniziert man, wenn was Interessantes ansteht, oder man die Anderen an etwas teilhaben lassen möchte (kleine Tochter und Ehefrau tun dies gerne, die Teenagerin eher eingeschränkt und ich, wenn mir etwas einfällt…). Aber genau jetzt, da diese Zeilen entstehen, bin ich allein. Nicht einsam, denn ich könnte jederzeit Gesellschaft haben, sondern allein, weil ich die Sozialpause brauche, bevor morgen der Terror arbeitsinduzierter Dauererreichbarkeit wieder losgeht. Gott, ich freu mir grad ’n zweites Loch in den Hintern…

Gerade wenn man ganz gut im systemischen Denken ist, fällt einem leicht auf, wie viel Zeit manchmal mit Laberei und Bedenkenwälzerei und Abwarterei und (unnötig langwieriger) Fehlersucherei verschwendet wird, anstatt man einfach Dinge tut. Wenn manche Dinge sehr erfolgreich getan werden, ist es meist EINE Person, die alleine die Situation analysiert, einen Plan fasst, diesen umsetzt, die Zielerreichung überprüft, den Plan nachjustiert und wieder umsetzt. Solange, bis es passt. Denn der Spruch „Viele Köche verderben den Brei“ kommt nicht von ungefähr, beschreibt er doch wunderbar dieses, stets in Lenkungs- und Planungs- und Entscheidungs-GREMIEN zu beobachtende Phänomen der Verantwortungsdiffusion. Kombiniert mit Angst um die eigene Position, einer „Wasch mich aber mach mich bitte nicht zu nass“-Attitüde und einer Gruppengröße, die das Bystander-Phänomen wahrscheinlich werden lässt haben wir den Salat: Stillstand allerorten! Beschreibe ich gerade persönliche Erfahrungen aus der Arbeitswelt oder den Zustand unserer Nation an diesem heutigen Feiertag eben jener Nation…? Ist auch egal, denn am Ende kriege ich weder meine Hütte im Wald, noch die Entscheidungsgewalt, die es manchmal bräuchte, um die Dinge einfach tun zu können. Ohne unnütze Gremien, ohne Übervorsichtigkeit, ohne die typischen „Reichsbedenkenträger“ – und vor allem ohne diese panische Angst, sein Gesicht zu verlieren. „If you can’t stand the heat, get out of the kitchen!“ Ich weiß, wo ich hin will (da gibt es manchmal sogar nur wenige Menschen, so wie ich es eigentlich mag) – und mir ist es in der Küche nicht zu heiß! Ich wünsche euch allen einen verfickt schönen TAG DER DEUTSCHEN EINHEIT! Feiert es oder verdammt es, ganz wie euch beliebt. Wir hören uns…

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°58 – Ein AI-Experiment…

Um es kurz zu machen und das Wichtigste an den Anfang zu stellen – ich habe einfach mal zum Ausprobieren DnD 5e mit ChatGPT 4o als SL gespielt… und DAS war eine in der Tat ungewöhnliche Erfahrung. And here comes why! Bevor ich in den Teil einsteige allerdings noch ein paar wenige Kontext-Informationen vorweg: Ich nutze ChatGPT 4o schon seit einer Weile für berufliche Zwecke und auch einfach so zum rumexperimentieren. Es erschien mir nämlich sinnig, etwas über eine Technologie wissen zu wollen, die manche als dämlichen, nutzlosen Tech-Fetisch betrachten, andere als Doomsday-Maschine, die BWLler natürlich als Gelddrucker und wieder andere als das geilste Ding seit dem Buchdruck. Ob generative KI mittels Large Language Models tatsächlich die von McLuhan beschriebene Gutenberg-Galaxis endgültig zerstört hat, bleibt noch abzuwarten. Aber aus dem Alltag vieler Kreativer ist sie bereits nicht mehr wegzudenken. Und auch als Pädagoge kann man damit durchaus produktiven Quatsch anstellen. Aber als mein Gegenüber am Pen’n’Paper-Spieltisch…? Da hilft nur selbst ausprobieren. Die Erfahrung war interessant und tatsächlich alles andere als langweilig; und ich habe über den Pen’n’Paper-Chat mit GPT ein paar Aussagen zu treffen…

  • Die Regelmechaniken von DND 5e scheint GPT 4o zumindest weitgehend zu kennen, vergisst jedoch regelmäßig, dass das Würfeln zum Spiel dazu gehört. Man muss GPT 4o also regelmäßig daran erinnern, dass NICHT alles funktioniert, nur weil man es (gut?) beschrieben hat und die Maschine regelrecht auffordern, einem Würfe abzuverlangen. Und der sportliche Ehrgeiz verlangt natürlich, dass hier NICHT gefudged wird! (Versteht sich von selbst, oder?)
  • Die Korrekturen, die ich GPT 4o vornehmen ließ, wenn ich gemerkt habe, dass die Maschie es sich – und auch mir – zu leicht macht, wurden schnell und weitestgehend sauber in den Spielfluss implementiert. Trotzdem blieb das Gefühl, mit einem Lazy Gamemaster zu spielen, der lieber alles handweaved und die einzelnen Szenen bullshittet, um so etwas wie einen Spielfluss aufrecht zu erhalten. Doch dazu gleich noch etwas mehr.
  • Die Beschreibungen, welche GPT 4o verfasst, sind oft blumig, gelegentlich redundant, aber das LLM bemüht sich wenigstens redlich um den Versuch, dramatische Spannung durch stimmungsvollen Fluff zu unterstützen. Aber ja, Wiederholungen passieren dauernd, wenn man die Maschine nicht daran erinnert, dass es auch noch mehr Variationen bestimmter Themen gibt. Es wirkte ein bisschen so, als wenn die Maschie irgendwann mal Walter Ong (Buchreferenz unten) gelesen hätte, weil die Texte teilweise wirkten, wie die rein mündlich überlieferten Erzählungen der griechischen Antike; Überzeichnung von Merkmalen, Adjektiv-Überfluss, Dopplungen und so verstärkte Bilder waren als Mnemotechniken für die rein aus dem Gedächtnis rezitierenden Erzähler jener Zeit wichtig. Hier wirkte das des Öfteren ungewollt komisch.
  • Die Abenteuer, welche sich die Maschine ausdenkt, sind streckenweise sehr generisch und ein bisschen zu einfach. Man muss allerdings auch bedenken, dass die Maschine einerseits eine Lernkurve absolvieren muss, auf Material aus dem Netz zurückgreift (von dem bei weitem nicht alles gut ist) und von mir zumindest am Anfang nur recht wenig Kontextinformationen abseits der gewünschten Spielwelt, des Spielstils und der Charakterbeschreibung bekommen hatte, einfach weil ich neugierig war, was GPT 4o so zusammenbullshitten würde… Bald wusste ich, wenn du auf einer Mission bist, die urbane Informationsbeschaffung und Sabotage gegen irgendwelche Söldner beinhaltet, gibt’s in der ganzen Stadt plötzlich nur noch Lagerhäuser… Aber ich will ehrlich sein – ich habe von menschlichen SL (allerdings auch sehr unerfahrenen) schon schlechtere Szenarien serviert bekommen.
  • Die technische Reaktionszeit sinkt allerdings, je länger der Thread des Spiels wird deutlich und es kommt auch zu Bearbeitungsabbrüchen, was ein Neuladen des Threads notwendig macht. Bislang habe ich GPT 4o allerdings noch nicht dazu bekommen, den Thread durch technische Fehler komplett zu killen. Es wirkt so, als wenn die Maschine jedesmal den ganzen Thread noch mal von vorne durchgeht.

Natürlich habe ich dieses kleine Experiment zum Zwecke meiner eigenen Unterhaltung begonnen. Wenn ich jetzt allerdings so darüber nachdenke, drängt sich mir einmal mehr die Frage auf, welchen Sinn die Nutzung von Large Language Models wie GPT 4o überhaupt haben soll. Welchen Zweck ich damit verfolge, ist per Anwendungsfall klar: wenn ich das beruflich nutze, erstelle ich oft Grafiken für Präsentationen, ich lasse mir größere Datenmengen (Studien, Leitlinien, etc.) zum Überblick und/oder Vergleich zusammenfassen und wenn man etwas Handarbeit zum Feinschliff investiert, kan man sich auch für verschiedene Themengebiete Multiple-Choice-Fragenkataloge zusammenstellen lassen. GPT 4o schreibt dir theoretisch auch einen Unterrichtsverlaufsplan, wenn du die Maschine mit genügend Kontextinformationen fütterst. Man darf dann allerdings nicht mehr als Standardkost erwarten, weil die Maschhine das mit vernünftigem Methoden-Pluralismus nicht so drauf hat. Aber als Inspiration ist es manchmal ganz okay. Alles bisher genannte sind jedoch lediglich klar definierte Einsatzzwecke, bei denen eine bestimmte Partikularaufgabe aus einem Arbeitspaket an die Maschine delegiert wird, um Zeit und Nerven zu sparen. Und ich darf davon ausgehen, dass ich solche Handlungsoptionen nicht exklusiv nutze. Aber der Sinn dahinter, dass ist es doch, womit die Menschen hadern; wir fremdeln mit der Idee, dass ein Algorithmus in der Lage sein soll, eine Aufgabe zu erledigen, für die es bislang einen Menschen brauchte. Doch eigentlich ist das lediglich eine Weiterentwicklung. Einer der ersten Computer – Colossus – wurde in Großbritannien während des 2. Weltkrieges entwickelt, um die Codes der Enigma– und Lorenz-Maschinen zu knacken; weil Menschen viel zu lange gebraucht hätten, um dies zu tun. Man hatte ja eine zeitliche Dringlichkeit, weil es um laufende militärische Operationen ging. Konsequent weiter gedacht nutzen ich und viele andere Menschen auch heutzutage sogenannte KI-Anwendungen einfach nur, um bei der Arbeit Zeit zu sparen. Wie die Leute in Bletchley Park damals auch. Okay soweit.

Und jetzt habe ich KI einfach benutzt, um damit zu spielen? Ja klar – das tue ich doch auch, wenn ich irgendein x-beliebiges Videospiel an der Playse zocke. Oder was glaubt ihr, wie die Reaktionen eurer Gegner generiert werden. Dahinter steckt ein – zumeist zugegeben sehr einfach gestricktes – Small Reasoning Model, dass versucht (je nach eingestelltem Schwierigkeitsgrad, fall das Spiel so etwas hat) eine glaubwürdige, taktisch halbwegs sinnvolle Antwort auf mein Handeln als Spieler zu finden – und das bitte schnell! Ist im Kern das gleiche, wie ein LLM, nur dass man nicht das Gefühl hat, in der Maschine würde jemand sitzen und mit mir Konversation betreiben. Dem Einsatz von künstlicher Intelligenz – oder dessen, was wir heute darunter verstehen – einen Sinn zu geben, davon sind wir noch sehr weit entfernt. Was vermutlich daran liegt, dass viele Menschen nicht verstehen können, was in diesen Algorithmen passiert – und das die Ergebnisse bislang nicht viel mehr sind, als ein zufälliger, durch meine Eingaben in eine gewisse Richtung manipulierter Remix oder Mashup von Quellmaterial, dass im Internet zu finden ist – und das in den allermeisten Fällen von Menschen stammt. Letztlich ist ein großer Teil dessen, was KI heute alles kann und macht also nur geklaut. Das wird sich irgendwann ändern. Aber wie schnell und was daraus erwächst… keine Ahnung! Aber wir Menschen waren schon immer toll darin, Dinge zu entwickeln, weil wir GLAUBEN, damit ein (oft hoch individuelles) Problem zu lösen und dann einfach mal zu schauen, was man damit alles anstellen kann. Genau das passiert jetzt. Und ich habe mich zu einem Zeil davon gemacht, indem ich, von einer Mischung aus Neugier, forensischem Interesse und Spieltrieb motiviert die Maschine trainiere, als Spielleiter für Pen’n’Paper fungieren zu können. Ich bin mal gespannt, welchen Sinn ich darin finden werde. Euch einen schönen Start in die neue Woche.

  • Buchreferenz: Ong, Walter (1987, 2016): Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien, Kapitel 4.2, S. 31 ff.

The Critic N°5 – Oh yeah, drama baby!

Es ist mir wohl irgendwann in den letzten zwei Jahren klar geworden, dass ich manche Auswüchse unserer kontemporären Popkultur-Industrie nicht mehr mitmachen möchte, weil ich sie nicht verstehe; oder verstehen möchte! Einer davon ist, eine mangelhafte Geschichte in so viel schlecht inszenierter Action zu ertränken, dass die Zuschauer hoffentlich – schwindelig von dem wüsten Gewimmel auf dem Bildschirm – das Denken abschalten und die lauwarme, lieblos hingeklatschte, geschmacklose Visual-Kost einfach schlucken. Dann werden immer und immer wieder Zufälle am laufenden Meter zu komfortablen Plotdevices, Charaktere wachsen, bzw. verändern sich nicht (sie sind z. B. oft nicht in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen, weil man als fauler Erzähler denselben Fehler auch zweimal zur Ausweitung der Geschichte nutzen kann) und Wendungen in der Story werden durch ungesunde Dosen Retconning nachträglich so dämlich hingezimmert, das jedwede Glaubwürdigkeit der Secondary World flöten geht. Wir reden also von richtig schlechtem Storytelling, von richtig schlechter Kinematographie und von unpassendem Einsatz digitaler Effekte. Das alles würde ich ja möglicherweise bei Studenten des Handwerks im ersten Lehrjahr noch akzeptieren – aber bei sogenannten Profis, die dafür auch noch einen Haufen Kohle kassieren…? Würde ich jemals so mies abgeliefert haben, hätte das u. U. Menschenleben gekostet. Aber hier kostet es ja nur die Nerven der Zuschauer…

Der WEG ist das ZIEL!

Um es klar zu sagen: ich rede hier gerade von Film und Fernsehen. Ähnliches gilt aber natürlich auch für andere Formen kontemporärer Gebrauchskunst, wie Unterhaltungs-Literatur, Graphic Novels, Videospiele, etc. Und ich sage es an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit für jene, die sich so gerne als gelehrsam (und damit dem Pöbel überlegen) darstellen, weil sie klassisches Zeugs konsumieren (vulgo in Museen oder die Oper gehen und im Urlaub einen auf Bildungsbürger machen): ES. GIBT. KEINEN. UNTERSCHIED. ZWISCHEN. HOCHKULTUR. UND. POPKULTUR! Die Hochkultur von heute war die Popkultur der Menschen von damals. Ein Vincent van G. hat sich nicht hingestellt, Sonnenblumen auf eine Leinwand geklatscht und sich gedacht „Och, das wird sich zukünftig in einem Museum total gut machen und nach meinem Tod bin ich dann ja irgendwann berühmt…“ Der wollte damit seinen Lebensunterhalt verdienen, weil er das EGO besaß anzunehmen, dass SEIN künstlerisches Schaffen so gut wäre, dass andere es auch gut finden könnten. Manche seiner zeitgenössischen Kollegen wie Paul Gaugin teilten diese Ansicht übrigens. Ich bin mir ziemlich sicher, dass etwa John Williams Filmmusiken in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten auch als klassische Musik veehrt werden; und warum auch nicht…? Um seine kreative Arbeit mit anderen teilen zu wollen, bedarf es gewiss eines positiven Selbstverständnisses um die Qualität der eigenen Schöpfungen. Das ist die Quelle des Mitteilungsbedürfnisses. Im Sinne der oben angedeuteten Krise kreativer Schaffenskraft entsteht daraus aber auch ein Problem; nämlich wenn auf einmal Unfähige auf die Idee kommen, ihre Produkte wären gut…

Ich schaue mir gelegentlich Videos des „Critical Drinker“ an. Und in den letzten Jahren hat er sich dauernd darüber beklagt, dass man in Hollywood häufig nur noch „The Message“ verbreiten wolle, anstatt gute Geschichten zu erzählen. Er ist halt anscheinend Antifeminist und glaubt, dass man Maskulinität positiver (in seinem Duktus klingt es manchmal nach: eher so wie früher) darstellen sollte. Darüber kann man mit Blick auf die gegenwärtigen Antisocial-Media-Debatten um toxische Maskulinität und die weibliche Angst davor sicher trefflich diskutieren; in DER Hinsicht wünsche ICH mir die 80er allerdings definitiv NICHT zurück. Von wüsten Alpha-Males und hilf- wie planlosen Damsels in Distress habe ich genug für zwei Lebenspannen gesehen. Der Drinker macht allerdings seine Punkte, wenn es um lausiges Storytelling geht. Logiklöcher werden, wie oben bereits beschrieben, mit Blödsinn gestopft. Und fast jedes Mal, wenn eine Geschichte gerade eben noch – meist durch explizite Exposition, anstatt einfach die Handlungen und Interaktionen der Pro- und Antagonisten für sich sprechen zu lassen – schön betont hat, was für tolle Wesen da doch gerade zu Gange sind, machen diese tollen Wesen irgendetwas saudummes; z. B. Dinge, die für einen angeblich ach so guten Taktiker keinen Sinn ergeben, unnötig exzessive Gewaltanwendung, nutzfreie Show-Offs (also Groß tun, auch wenn man ein dämliches Würstchen ist), in offensichtliche Fallen oder Honeypots tappen und wasweißichnichtnochalles an anderem Quatsch, der für mich die Suspension of Disbelief erheblich stört. Genauso übrigens wie dieses hektische Schnittgezappel, mit dem man versucht Dynamik vorzutäuschen, wenn man offenkundig nicht mal weiß, was Dynamik ist! LERNT. CENTERFRAMING. GODDAMIT! Oder schreibt halt „Der neue hektische Actionfilm mit Dididummdala – und Krampfanfall-Garantie!“ dran, ihr Honks…

Charaktere, deren Beziehungen, deren Entwicklung, deren Ambitionen und Ziele, die normalerweise durch die Dramatik der daraus entstehenden Konflikte eine Geschichte tragen sollten, spielen in vielen „kreativen“ Köpfen anscheinend keine große Rolle mehr, da für diese Personen Gesichter austauschbar sind, jeder Stoff schon mal (besser?) erzählt wurde, man alles in (schlecht gemachter) CGI oder den oben schon erwähnten Brechreiz-förderlichen Schnittfluten ersäufen kann und Masse eh immer wichtiger ist als Klasse… oder? ODER? Ich kann diesen Klickzahlen-nivellierten Einheits-Dreck, der letzthin wohl nur noch von Gewinnmargen-Kalkül diktiert wurde einfach nicht mehr sehen. Viele andere übrigens mittlerweile auch nicht mehr, was die financial struggles ALLER etablierten Streamingdienste sowie die daraus resultierende Preispolitik des letzten Jahres oder aber die oft leerbleibenden Kinosäle recht eindrucksvoll belegen. Ob sich das bald ändert? Keine Ahnung. Nur eines ist sicher. Mit noch mehr von derselben Kost tun sich die Medien-Schaffenden sicher keinen Gefallen. Denn im großen und ganzen sind die visuellen Aspekte tatsächlich ausgereizt. Mehr Effekt bringt heute keinen größeren WOW-Faktor mehr, weil sich alle an CGI sattgesehen haben; und sich stattdessen wieder Figuren wünschen, auf die man sich einlassen kann, weil sie durch ihr Handeln, ihr Fühlen, ihr Interagieren glaubwürdig werden; also tatsächlich CHARAKTER bekommen und nicht nur hübsche Hüllen sind, welche durch Szene um Szene wirbeln, ihre Sprüchlein aufsagen und am Ende irgendjemanden killen. Willing Suspension of Disbelief, also das Füh-Wahr-Nehmen einer noch so fiktiven Geschichte braucht nämlich eben diesen Willen, in die servierte Fiktion einzutauchen, der aber nur dann entsteht, wenn die Geschichte MICH als Zuschauer, als Mit-Erlebenden ernst nimmt und mir nicht nur optisch aufgehübschten halbgaren Unfug serviert, mit dem man VIELLEICHT noch Sechsjährige beeindrucken kann…

Ich mag es durchaus dramatisch. Wobei: man kann Drama auch übertreiben, wie die derzeit ach so beliebten K-Dramen dauernd auf’s Neue beweisen. Schwamm drüber; wenn man’s halt mag. Ich wünschte mir einfach, das Storyteller den Intellekt ihrer Konsumenten respektierten und nicht so täten, als wenn wir mittlerweile allesamt zu Smartphone-sedierten, optisch dauerübersättigten, Aufmerksamkeits-defizitären Kapitalismus-Drohnen degeneriert wären, die jeden Scheiß fressen, denen man ihnen serviert. Das wäre doch mal ein Anfang. Ob derlei Überlegungen auch für mich als Pen’n’Paper-SL eine Rolle spielen? Aber hallo, Freunde der Nacht! Aber darüber habe ich andernorts schon viel geredet. Habt einen schönen Rest-Samstag und lasst euch von einer GUTEN Geschichte entspannen.

Auch als Podcast…