Ich referierte vor einigen Tagen im Rahmen einer Fortbildung über eine spezielle Art des visuellen Storytellings für Vorträge. Ich wählte als übergeordnetes Thema “Bildung als Reise”. Und musste feststellen, dass mich, während ich sprach, das Fernweh überkam. Ich konnte die Erinnerung an den warmen Wind im Gesicht spüren, ebenso wie das beinahe übermächtige Gefühl, einfach davonlaufen zu wollen. Und ich schäme mich nicht dafür. Manche Situationen fordern mehr, als ich derzeit zu geben bereit oder in der Lage bin.

Ich durfte feststellen, dass ich die allermeisten Facetten meiner Arbeit immer noch mag. Aber ich musste auch erkennen, dass ich sie am meisten mag, wenn sie wohl dosiert daher kommen, nicht immer am gleichen Ort stattfinden – und wenn ich mich nicht dauernd mit idiotischen Amateuren auseinandersetzen muss, die immerzu versuchen, an alles was ich tue, Feuer zu legen. ’nuff said. Was nun aber Dosierung sowie Distanz angeht, bleibe ich immer wieder am Thema Reisen hängen. Es beflügelt mich ehrlich, regelmäßig andere Umgebungen besuchen und erkunden – ja, auch dort arbeiten – zu dürfen. Es bedarf dazu nicht einmal unfassbarer Entfernungen, sondern lediglich einer kurzen Entkopplung von der Alltagsroutine. Das, was etwa ein Urlaub erzeugen soll, funktioniert auch auf dieser Ebene recht gut. Es ist hilfreich sich dessen erinnern zu dürfen, denn ich klammere mich mittlerweile viel zu sehr an die Distanz zwischen den Urlaubsreisen, die ich machen darf, weil ich dann neue Impulse, neue Reize, neue Ideen sammeln kann, weil dann alles kann, ohne das irgendetwas muss!

Ob ich dazu unbedingt nach Südfrankreich fahren muss, oder nach Mittelitalien? Nö, muss ich nicht. Die bloße Distanz spielt ja, wie gesagt, keine große Rolle. Aber ich liebe die Weite des Himmels, den erdigen Duft dieser spannenden Landschaften an einem warmen Sommertag, das Gefühl, etwas geschafft zu haben, wenn ich oben auf einer alten Burg stehe; ein Gefühl, dass mir im Alltag viel zu häufig fehlt. Man findet außerdem derlei in Deutschland in dieser Form nicht allzu oft – und viele der Gegenden, wo dies der Fall ist, habe ich schon besucht… ich glaube aber vor allem, dass mir der Geist meiner hiesigen Mitmenschoiden letzthin zu eng geworden ist. Allüberall nur noch Neid, Missgust, Gier, Angst vor dem Unbekannten, Angst vor dem Risiko und der typisch deutsche Reflex für alles, was nicht perfekt läuft einen Schuldigen zu brauchen, den man – je nach Tageslage – mehr oder weniger hart punishen kann. Keinen Dank für ihre Leistung, aber halten sie mal brav den Rücken für das Messer hin. Der Begriff “Perfekt” ist für mich der absolute Endgegner guter Arbeit. Denn, wer dauernd nach Perfektion strebt, verlernt zuerst die Zufriedenheit mit den einfachen Dingen, brennt schließlich sehr hell – und dann ganz schnell aus! Danke, aber NEIN Danke.

Immerzu muss man ackern und planen und erklären und optimieren und wieder planen und dem Teufel sein erstes Kind opfern, damit auch ja nichts schief gehen kann. All diese Narren haben anscheinend noch nie etwas von der unüberwindbaren Mauer der nächsten Sekunde gehört. Ja, Planung ist wichtig, kann aber die Konfrontation mit der normativen Kraft des Faktischen nicht ersetzen. Zumal viele Pläne offenkundig unter reichlicher Zuhilfenahme bewusstseinserweiternder Substanzen und wishful thinkings entstanden sind. Anders sind solche Schwachsinnsruinen wie Stuttgart 21 nicht zu erklären. Aber was weiß ich schon von Planung… Was sich hinter dem nächsten Durchgang findet, muss ich oft erst herausfinden. Doch wir Deutschen starten, anstatt einfach hindurchzugehen, um mal zu kucken was es denn sein könnte, erst mal ein Planfeststellungsverfahren und rufen damit alle ängstlichen Bedenkenträger auf den Plan. Und dabei ist es vollkommen egal, ob es um Millionen-Projekte oder Hustengutzel geht. So vieles wird heute nur noch zerredet, kaputtgeplant, dann wieder schöngerechnet, in den Orkus geklagt oder von den Unken in den eigenen Reihen bewusst torpediert. Dabei ist Angst eher nur dann ein guter Ratgeber, wenn der Säbelzahntiger meine Witterung aufgenommen hat. Und LEIDER haben wir keine freilaufenden Säbelzahntiger mehr. Sie würden manches Problem lösen…

Ich wünschte wirklich, die Menschen würden öfter auf Reisen gehen. Nicht unbedingt auf weite Fahrten, aber auf die kleinen Abenteuer, die einem helfen, wieder zu lernen, sich für die Details rechts und links des Weges zu interessieren. Die einen verstehen lassen, dass der Weg tatsächlich fast immer das Ziel ist; und das Niemand in die Zukunft schauen kann, auch wenn BWLer immer so tun, als wenn ihnen das möglich wäre. Ist es nicht. Das einzige, was die können, ist hoffen, dass Menschen sich wieder genauso verhalten, wie letztes Mal in einem ähnlich gelagerten Zeitabschnitt. Je früher wir alle verstehen, dass Ökonomie nicht mehr – NIEMALS MEHR – das Primat über all unser Handeln haben darf, desto früher wird es hier auf der Erde wieder besser werden. Aber auf dieser gefahrvollen Reise sind wir gewiss noch eine Weile unterwegs. Einstweilen konzentriere ich mich lieber auf die kleinen Reisen, physisch, wie auch im Geiste und versuche, nicht an meinen Mitmenschoiden zu verzweifeln. Das ist vorläufig fordernd genug, während die nächste Sekunde vergeht… und vergeht… und vergeht. “The clock ticks life away” haben Linkin Park mal gesungen. Füllen wir die Ticks doch mit etwas Sinnvollem. In diesem Sinne – Rohe Ostern!