Der verwirrte Spielleiter N°64 – Action & Ressource Economy!

“Was tust du dann?” Es gibt in der DnD-Tube und der PnP-Blogosphere immer wieder interessante Diskussionen darüber, welche Arten von Entscheidungen Spieler für ihre Chars treffen können, wollen und sollen. Wir wollen mal davon ausgehen, dass die Spieler für bzw. durch ihre Chars innerhalb der Secondary World ihre Entscheidungen auf Basis unterschiedlichster Motivationen treffen, die sich allerdings immer auf die Vorgänge innerhalb der Secondary World beziehen sollten. Denn jedes Mal, wenn die Meta-Diskussionen des Spieltisches in die Spielwelt rüberschwappen (also z. B. persönliche Konflikte unter den Spielern oder mit der SL mittels deren Chars oder NSCs ausgetragen werden) passieren gruselige Dinge. Das bedeutet nicht, dass PvP nicht auch mal seinen sehr speziellen Reiz haben kann. Aber wenn das ganze Spiel sich nur noch um derlei SCHLECHTES Meta-Gaming zu drehen beginnt, ist das baldige Ableben der Spielrunde vorprogrammiert. Was ich persönlich in meinen Runden sehen möchte ist, dass die Spieler von ihrer eigenen Person zumindest teilweise abstrahieren, die Spielwelt durch de Augen ihrer Chars wahrnehmen und dann ihre Chars die Entscheidungen treffen. DAS wäre für mich sinnhaftes Rollenspiel. Sich in die andere Person (also seinen Char) zumindest so weit hineinzuversetzen, dass man tatsächlich temporär dieser andere Jemand wird; und in der Folge Dinge so tut oder lässt, wie der Char es tun würde. Nicht jedoch, wie man selbst es tun würde. So weit, so idealistisch…

Nun geht es beim Pen’n’Paper meist nicht um Alltagskram, wie die Frage, welches Hemd ich heute zur Arbeit anziehe, sondern a) auf welche Plothooks die Spieler tatsächlich reagieren und b) welche (endliche) Ressource die Chars in welcher Szene des Spiels einsetzen. Beispiel: die Gruppe erforscht im Schutz der Dunkelheit eine Lagerhalle und die Chars WISSEN (auf Grund einer vorherigen Szene), dass es hier einen Keller gibt, in dem grausige Dinge vor sich gehen. Zu allem Übel tickt die Uhr, denn sie sind vor allem auf der Suche nach mehreren vermissten Personen, die gewalttätigen Kultisten in die Hände gefallen sind; und deren Unterschlupf ist in diesem Keller…! Just, als sie den versteckten Zugang gefunden haben, werden sie von mehreren schattenhaften Gestalten aus dem Hinterhalt angegriffen. Sie werden sich natürlich gegen diesen Angriff wehren, müssen dabei aber zügig entscheiden, welche Ressourcen (Munition, Magie, spezielle Fähigkeiten) sie JETZT einsetzen und welche sie sich lieber noch aufsparen – denn wer weiß schon, was in diesem Keller noch alles wartet? Der aufmerksame Leser hat als Themen hier eben die “ticking clock”, die “damsel in distress” und eine klassische Kollision mit Antagonisten entdeckt. All packed into one short scenario. Action Economy meint in diesem Zusammenhang nun die Schwierigkeit der einzelnen Encounter, beschrieben durch deren inneres Pacing (Anzahl und Stärke verschiedener “Schurken”, mögliche Reveals, dramatische Wendungen, spezielle Gadgets, spezielle Mechaniken etc.). Ressource Economy hingegen betrachtet das ganze aus Sicht der Geschwindigkeit, mit welcher die einzelnen Encounter aufeinander folgen; und damit den Druck auf die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Chars. Als Faustregel gilt: je härter und je schneller, desto wahrscheinlicher wird eine Niederlage der Chars. Was eine Niederlage dann effektiv bedeutet, ist damit nicht ausgesagt. Aber man sollte es so sehen: wenn ich meinen Spielern vorher gesagt habe, dass ihre Gegner keine Ahnung haben, dass sie alle “nur” Figuren in einem Spiel sind und auf jeden Fall und mit allen Mitteln gewinnen wollen, dann könnte ihnen klar sein, dass hierbei Chars draufgehen könnten…!

Es geht also immer um echte, sinnhafte Entscheidungen, die tatsächlich Einfluss auf den Verlauf des Spiels haben. Gibt man seinen Spielern nur die Illusion, Entscheidungen treffen zu dürfen, sind wir beim Quantum Oger (ein Terminus für ein Encounter, dem die Charaktere nicht ausweichen können, egal, welchen Weg sie wählen. Und er ist im Grund ein erster, entscheidender Aspekt von klassischem Railroading, bei welchem Player Agency vom SL mit Wucht in die Tonne getreten wird, um seine Geschichte erzählen zu können). Die Railroading-Diskussion mache ich an dieser Stelle nicht noch mal auf, sondern stelle mal ganz spitz die Frage, ob Spielleiter WIRKLICH Storyteller sind? Denn man könnte ja die Meinung vertreten, dass die Geschichte durch die Spieler mittels ihrer Chars erzählt wird. Allerdings ist es die Aufgabe der SL, Content vorbereitet zu haben, aus dem Sich eine Geschichte spinnen lässt. Und insofern ich bei diesen Vorbereitungen Erwägungen zu den Motiven der Antagonisten und den resultierenden Konflikten, zum Thema der Geschichte, zum Aufbau der Spielwelt (bzw. des aktuell genutzten Ausschnittes derselben), etc. treffen und aufschreiben muss, betreibe ich natürlich Storytelling. Ich nutze dabei Techniken, die auch beim Schreiben von Büchern oder Screenplays zum Tragen kommen; einziger und wichtigster Unterschied ist, dass ich immer nur die Basics des Plots entwickle und mich dann zurücklehnen und abwarten kann, was meine Spieler damit anfangen. Denn ganz sicher baue ich dabei Entscheidungen ein, die (früher oder später) von meinen Spielern bzw. ihren Chars getroffen werden müssen (nicht von mir) – und die IMMER Einfluss auf den Verlauf der Dinge haben. Action und Ressource Economy stellen dabei kritische Fragen, die beantwortet werden müssen und im Gesamtgefüge über Sieg oder Niederlage, über Drama oder Langeweile, über Lösungen oder weiterhin drohende Probleme, also mithin über den Spaß des Spiels mitentscheiden. Doch selbst wenn ich diese Stellschrauben wirklich gut beherrsche, läuft das eine oder andere schief; wie im echten Leben auch. Wichtig ist, dass die Spieler sich darauf einlassen, als ihre Chars zu entscheiden und nicht als sie selbst. Denn neben Würfelpech kann – wie oben bereits erwähnt – auch schlechtes Meta-Gaming das Spiel für alle killen. Wie man’s auch dreht und wendet: gut wird es nur, wenn sich alle am Spieltisch WIRKLICH auf die Secondary World und ihre Chars einlassen. In diesem Sinne – always game on!

New Work N°23 – Nochmal drüber nachdenken…?

Ich recycle mal eben Gedanken und Worte aus einem Post, der mittlerweile fast fünf Jahre auf dem Buckel hat (August 2020) und somit während der ersten Hochphase der Corona-Pandemie entstanden ist. Immerhin konnte man damals unter Auflagen im Inland Urlaub machen. Einiges ist nach wie vor – oder vielleicht eher WIEDER – hochaktuell, manches hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Diskussion ist heute allerdings eine andere, weil sich die Apologeten eines radikalen Wandels und die Die-Hard-Vertreter altmodischen Wirtschafts- und Führungs-Handelns mittlerweile unversöhnlicher gegenüber stehen, denn je. Und jetzt haben wir auch noch diese selbstverliebte, populistische Flitzpiepe Black-Rock-Fritze als Bundeskanzler. Kotzen könnt ich… Egal, los geht’s:

erstellt mit ChatGPT
Tja, also, wie soll ich das denn jetzt sagen, aber… New Work ist nicht neu. Ganz im Gegenteil. Der geistige Vater der Angelegenheit Frithjof Bergmann hat die Grundlagen schon in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts beschrieben. Und auch, wenn bei weitem nicht alle seiner Ideen schon umgesetzt wurden (oder wir dies bald erleben werden), wächst die Zahl derer, die zu der Überzeugung gelangen, dass wir Arbeit im 21. Jahrhundert anders denken müssen. Langsam aber stetig... [Diese Überlegung muss ich - Stand Heute - differenzierter betrachten, da es zwar tatsächlich Leute mit großer Publicity gibt, die sich des Themas unter verschiedenen Vorzeichen annehmen. Doch die eigentlichen Ideen Bergmans spielen dabei kaum eine Rolle...] 

Aber, was bedeutet das nun? Vordergründig geht es darum geht, dass abhängige Produktionsarbeit mehr und mehr von Maschinen erledigt wird und daraus natürlich die Frage entsteht, wie diese Menschen zukünftig ihren Broterwerb bestreiten sollen. Solche Entwicklungen zeichnen sich nun schon seit Jahrzehnten ab. Bergmanns Antwort darauf ist eine Mischung aus bedingungslosem Grundeinkommen durch Umschichtung der Einkünfte aus Güterproduktion und einer zunehmenden Selbstversorgung mit den essentiellen Dingen des Lebens. Diese Darstellung ist allerdings verkürzend und gewiss gibt es in seiner Denke einige wenige Überschneidungen mit der Philosophie des Kommunitarismus; es lässt sich jedoch sagen, dass er versucht hat, ein mögliches Ende der klassischen, abhängigen Lohnarbeit zu denken. Es geht ihm dabei explizit nicht nur um die Arbeit als solches, sondern um Fragen der Teilhabe und Freiheit. [Diese Betrachtungen sind zwar immer noch weitgehend wahr - nur dass deren Umsetzung heute zwar gelegentlich andiskutiert, aber niemals durchdekliniert wird, weil die Lobbyisten der Konzerne ALLES tun, um eine positive, ergebnisoffene Diskussion im Sinne der eigenen Gier von vornherein zu verhindern! Es darf in deren Weltsicht NICHTS existieren, dass die systemische Lohn-Abhängigkeit untergräbt, welche es erlaubt, weiter munter von unten nach oben zu verteilen!]

Heute wird unter New Work von den Meisten aber einfach nur alles verstanden, was beim Schuften nicht nach dem klassischen Muster abläuft: Home-Office, Mobile Work-Spaces, ungewöhnliche Arbeitszeitmodelle wie der 5h-Tag, digitaliserte Workflows, etc.; also zunächst mal Dinge, die nur mit Arbeitsorganisation zu tun haben. Tatsächlich greift, wenn man Bergmann aufmerksam liest, dieses Verständnis jedoch viel zu kurz. Arbeit, wie wir sie heute kennen, wird in vielen Bereichen in den nächsten Jahren fast ganz verschwinden, um in anderen neu zu entstehen. Die daraus entstehenden gesellschaftlichen Umwälzungen zeichnen sich schon lange ab. [Und obwohl diese Entwicklungen sich mit den Ereignissen der letzten Jahre noch verschärft haben, sieht man an vielen Orten mehr oder weniger ungelenke Versuche, das Rad der Zeit zurückzudrehen; die Ewiggestrigen sterben leider nur sehr langsam!]

Eine echte Entwicklung weg von abhängiger Lohnarbeit hin zu solidarisierter Arbeit ist leider bislang noch nicht zu konstatieren. Immer noch dreht sich, wenn irgendjemand den Begriff vollmundig ins Feld führt, so gut wie alles um Fragen der Arbeitsorganisation. Und ja, wir haben diesbezüglich auch immer noch ein erhebliches Kulturproblem, da nicht wenige Chefoide nach wie vor der irrigen Meinung sind, dass sie bei physisch anwesenden Hutständern besser beurteilen könnten, ob diese etwas arbeiten, oder nicht; also, ob diese Menschen effektiv etwas erwirtschaften. Nichts könnte – zumindest in meinem Geschäftsbereich – allerdings der Realität ferner sein. In der Tat wird Bildung als solche uno acto realisiert. Damit dieser komplexe soziale Prozess im Lehrsaal allerdings auch regelmäßig zu zufriedenstellendem Ergebnissen führen kann, sind umfangreiche Vorbereitungen und Nacharbeiten notwendig. Und ein erheblicher Teil dieser Arbeit bedarf eines Quantums Kreativität, die man allerdings oft nicht in einem Großraumbüro sitzend erreichen kann. Also ist Arbeitsorganisation – oder besser gesagt eine flexible Arbeitsorganisation – eine Voraussetzung für ein hohes Qualitätsniveau. Weshalb ich meinen Mitarbeiter*innen Freiheiten lasse, die es anderswo eher nicht gibt. Da kommt jetzt bestimmt gleich wieder so ein schlauer Dippelschisser um die Ecke und sagt: “Ja, wie willst DU denn beurteilen, ob die tatsächlich was für ihr Geld tun?” Und dem antworte ich dann Folgendes: indem ich, wie jeder halbwegs vernünftige Führungseumel mit Kennzahlen arbeite. Nun sind die bei Berufsfachschulen nicht so einfach zu definieren. Aber zwei harte Währungen gibt es: die Zahl der Menschen, welche die Ausbildung ohne Abschluss abbrechen (die ist bei uns unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt) und die Zahl der Examenskandidaten, die am Ende bestehen (die ist bei uns bislang sehr gut). Woraus folgt dass wir im Lehrsaal und bei der Schülerbetreuung sehr gute bis exzellente Arbeit leisten. Was sich auch darin widerspiegelt, dass unsere Schüler*innen sich, allen gelegentlichen Spannungen zum Trotz mit ihren Problemen oft genug vertrauensvoll an uns wenden. Da gestatte ich mir getrost mal zu sagen: meine Mitarbeiter*innen sind ihr Geld verdammt noch mal wert!

Immer mal wieder muss ich diese Diskussionen führen, weil man an bestimmten Stellen Angst hat, dass sich andere Menschen im Unternehmen – wohlgemerkt in vollkommen anderen Geschäftszweigen – durch die Freiheiten, welche in meinem Geschäftsbereich gelebt werden benachteiligt fühlen würden. Aber wir sind nicht alle gleich und wir machen nicht alle die gleiche Arbeit. Als ich noch “einfacher” Mitarbeiter im Rettungsdienst war, wäre ich nie auf die Idee gekommen, jemandem im Büro die Möglichkeit zur Remote-Work zu neiden. Mein Job bot andere Herausforderungen, aber auch andere Freiheiten. Wenn wir solche Neid-Debatten wirklich aufmachen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn Menschen sehr schnell anfangen, Neid zu entwickeln. Aber worauf? Darauf, dass ich halt gelegentlich um 08:00 nicht im Büro in der Dienststelle sitze, sondern in meinem Heimarbeitszimmer, welches zugegebenermaßen in manchen Punkten deutlich besser ausgestattet ist als das, was mir mein Arbeitgeber zur Verfügung stellt? Und mich genauso den lieben langen Tag mit teilweise sehr nervtötenden Aufgaben herumschlagen muss? Dass meine Kolleg*innen mich trotzdem stets erreichen, wenn was ist? Einzig das Pendeln fällt dann weg, weshalb ich an solchen Tagen etwas später aufstehe und dafür vom Start weg wesentlich wacher und produktiver bin; ich bin, zirkadian betrachtet halt eine Eule… Wenn mir jemand das wirklich neidet, lade ich herzlich dazu ein, mich mal zu begleiten. Glaubt mir: meinen Job wollt ihr auch im Home-Office nicht machen müssen! Ich fände es schön, wenn man davon weg käme, immerzu Gleichmacherei betreiben zu wollen, wo diese keinen Sinn ergibt. Z. B., wenn es um Remote-Work und flexiblere Arbeitszeiten geht. Denn die Lehrsäle sind trotzdem morgens pünktlich besetzt und laufen! Dieser Text entstand übrigens an dem gleichen Schreibtisch, an dem ich an solchen Tagen auch sitze/stehe – ihr seht, für die Arbeitsergonomie ist auch gesorgt. Und jetzt diskutieren wir aus, für wen sich Remote-Work eignet und für wen nicht. Und bei Gelegenheit sage ich auch noch was zu diesen frechen Cretins da draußen, die jeden Menschen, der seine Arbeitszeit zumindest teilweise im Büro verbringt als “Sesselpfurzer” bezeichnen, ohne irgendwas über Funktion und Leistung der Person zu wissen. In diesem Sinne – frohes Schaffen.

Auch als Podcast…

Absurdistan ist zurück N°4 – In der Tugend-Haft…?

Dem Denken zufolge könnte es eine Folge des Denkens sein, denkend zu handeln, sofern das Handeln dem Denken folgte. Würde man – bei Lichte betrachtet – Licht in die Dinge bringen, so hätte man erleuchtete Dinge und könnte das denkende Handeln dem Licht in den Dingen folgen lassen, so dass das Handeln dann – dieser Denke zufolge – eine Folge des Lichtes wäre, dass man denkend in die Dinge gebracht hat. Solcherlei Gedanken fröhnend saß der Protagonist auf dem Balkone, welcher, an die Küche angliedernd, jedoch nicht einem Gliedertier gleich geformt, sich dem Hofe zum Süden hin zuneigend und dabei den Blick auf eine grüne Oase freigebend aus einer gewissen Höhe die Metaperspektive auf die Dinge zulässt – so dass die Betrachtung bei Lichte, sofern das UNTEN noch am Tage in Augenschein genommen wird, zu einer erhellenden, gleichwohl passiven Handlung wird, da man den Dingen hierorts situiert nicht allzu schnell allzu nah kommen kann, außer man sprünge hinunter. Was unweigerlich mit schweren Verletzungen einherginge. So lädt der Balkon also, Kraft seiner Struktur und Funktion zu kontemplativer Untätigkeit ein, wenn man sich diesem nicht gerade mit einem Buch oder ähnlichem bewaffnet nähert, um wenigstens dem Geiste etwas Arbeit zu verschaffen; wenn schon der Körper in einem Gartenstuhle umherfläzt.

Das Lesen als letzter Endgegner der ubiquitär auftretenden, unwissenden, ignoranten, ja nachgerade narzisstischen Selbstgefälligkeit, welche allzu viele Wesen, die sich wohl lieber nicht mit den Komplikationen einer halbwegs umfassenden Bildung behelligen lassen mochten, wie eine Monstranz vor sich her tragen; eine wunderschöne Vorstellung, dass Läuterung so einfach sein könnte. Allerdings sind eben jene, die es am allerbittersten nötig hätten, dieser besonderen Kulturtechnik oft hoch abhold. Einzig schreiben können sie wohl. Dies zwar nur mit Mühe, weil bezüglich Interpunktion, Ortographie und Grammatik oft mehr als nur der letzte Schliff vermisst gemeldet werden muss. Dafür wird vieles leider ohne jede Not in die Welt getragen, trotzden so manche Absonderung doch besser vom Beginne her im Orkus des Ungesagten verborgen bliebe. Ach weh, der Schmerz… Das Auge liest, der Geist bedenkt, im Schmerze sich das Hirn verrenkt, denn klar ist bereits nach kurzer Weile: die Blödheit scheint aus jeder Zeile. Nun könnte man sich einer Replik befleißigen, doch der Wohlbelesene erbt, mit dem intensiven Studium vergesellschaftet oft auch eine gewisse Scham, sich genauso unbedacht öffentlich zu entblöden, wie diese Urheber so mancher televerbaler Pein. Sollte man sich denn wirklich auf das quasi kaum noch existente Niveau solch dreister (Selbst)Reflexionsverweigerer begeben, nur um seinen Punkt zu machen? Und wären die überhaupt in der Lage, aus ihrem Dunning-Kruger’schen Tal der selbst-induzierten Kognitions-Verweigerung heraus einem echten Argument zu folgen? Derlei darf bezweifelt werden.

Was am Ende bliebe, wäre die Erkenntnis, dass die eigene Tugendhaftigkeit – nämlich, sich dem eben vorausgeeilten Argumente folgend besser NICHT mit gewetztem Schwerte ins Getümmel auf dem Marktplatz des selbstgefälligen Nicht-Austausches, besser bekannt als Antisocial Media zu werfen – einen damit gleichsam in eine Tugend-Haft nimmt; denn der Reflex, diesen Cretins mal so richtig zeigen zu wollen, was eine Harke ist, bleibt ebenso bestehen, wie die unfassbar dumme Angewohnheit, an Black-Friday-Super-Sales zu glauben. Lernt, Preisentwicklungstabellen zu lesen, ihr Deppen. Der einzig historisch relavante schwarze Freitag war der 25.10.1929, und der löste immerhin eine globale Wirtschaftskrise aus. An den heutigen Black Friday zu glauben, löst hingegen bestenfalls eine familiäre Diskussion um die eigene leere Kasse aus… Solchen gedanklichen Schleifen zu folgen, löst manchmal erhebliche Verwirrung aus, daher fliegen wir zurück zum eigentlichen Thema: dem beinahe ununterdrückbaren Reiz, sich in dämliche Diskussionen einmischen zu wollen, weil man wirklich glaubt, man könne Menschen mit der Kraft des besseren Argumentes davon überzeugen, etwas Dummes zu unterlassen. Ein flüchtiger Blick auf das Weltgeschehen könnte einen hierbei eines Besseren belehren, aber dazu müsste man sich kognitiv weit genug strecken können, um einen Blick über die Wälle des eigenen Dunning-Kruger hinweg zu erhaschen. Das bedarf jedoch der Anstrengung und des Willens, die eigene Meinung überhaupt in Frage stellen zu wollen – und passiert daher nicht. Immer wieder tappt der Protagonist selbst in diese Falle und ist hinterher ob der Beschränktheit der eigenen Weisheit auf sich selbst wütend.

Wahrheit kann eine Tugend sein, allerdings ist Wahrheit allzu oft nur die EIGENE Wahrheit. Weisheit wäre eine Tugend, wenn sie einem denn hülfe, jene Situationen zu erkennen, in denen eine Intervention – gleich welcher Art – sich lohnen könnte und sich geschickt an jenen vorbei zu lavieren, die nur Nerven und Zeit kosten, einen jedoch bestenfalls vor das Licht am Ende des Tunnels führen, welches hupt und schnell näher kommt. Denn wer sich in Gefahr begibt, kommt darin – zumindest im übertragenen Sinne – recht oft um… Auch wenn es gerecht und überdies sehr befriedigend wäre, so manchem Kognitionsverweigerer aus den Weiten des Menschoid-Seins in den Antisocial Media mal so richtig in realiter eine mitzugeben, die sich gewaschen hat. Derlei bleibt einem jedoch zumeist verwehrt, da vom Staate bei Sanktionsandrohung verboten. Da Schlagen, Schießen und Stechen also ausfallen müssen, bleibt einem nichts anderes übrig, als wenigstens ab und an aus seiner Tugend-Haft auszubrechen und wenigstens verbal ein paar armselige Würstchen zu grillen; dabei immer schön darauf achtend, dass aus der Tugend-Haft keine echte Haft werden kann. Am Ende bleibt den Aufrechten ja doch immer nur noch das eine: In diesem Sinne, macht mal hinne – Nazis jagen an freien Tagen. Wir sehen uns…

Auch als Podcast…

Am Ende des Tages…

…ist eine Formulierung, die ich wohl allzu oft in meinen Vorträgen benutze. In meiner Diktion meinen diese Worte, dass man jetzt einen Flow of Events, einen Handlungsstrang, oder eine Abfolge von Erkenntnissen subsummiert und zu einem (vielleicht nur vorläufigen) Ergebnis kommt, an dem man sich dann orientieren kann; oder halt auch nicht. Ich habe eine ganze Menge solcher sprachlicher Maniriertheiten, die meine Kommunikation mehr oder weniger dekorativ garnieren. Sie sind in aller Regel hörbarer Ausdruck meines Bemühens, die Menge der “Ähms” und “Öhms” und “Hms” zu minimieren, welche etwa Edmund Stoibers öffentliche Verlautbarungen stets zu einem recht schmerzhaften Akt des Fremdschämens haben degenerieren lassen. Wenngleich er da definitiv nicht der einzige Politikoide war und ist, bei dessen Verbalabsonderungen man ein Bügeleisen für die Fußnägel brauchte! Solche sprachlichen Wendungen entstehen zumeist als eine Art Ersatzhandlung für die geistige Leere, welche man mit wenig Mühe durch das Gestammel blitzen sehen kann. Das passiert, wenn man sich mit den Inhalten, über die man gerade gerne sprechen möchte gar nicht mal so gut auskennt – ein altbekanntes Kennzeichen des Politikbetriebes, dessen öffentliches Frontend von der regelmäßigen Absonderung inhaltsleerer, nutzloser, überwärmter Sprechblasen gekennzeichnet ist. Hauptsache, man bleibt im Gespräch. Heutzutage ist etwa Jens Spahn eine besonders widerliche, nervtötende und mittlerweile auch deutlich rechtsauslegende Luftpumpe. Na ja, dumm gebabbelt is glei…. Kommen wir lieber zurück zum eigentlichen Thema: Je länger und häufiger man das Vortragen übt, desto leichter wird es, den Sprechrhythmus an die eigenen Denkmodalitäten anzupassen, sofern überhaupt welche vorhanden sind. Insbesondere bei Themen, die ich oft referiere gibt es ein ganzes Repertoire nach Inhalten indexierter, wiederkehrender Textschnipsel, die ich, gleich den Erzählenden des alten Griechenland, die sich ganze Epen merken konnten, memoriere, indem ich spezielle Muster narrativer (Über)Zeichnung benutzte, um für mich selbt den Inhalt besser strukturieren zu können. Und zu diesen Mnemo-Techniken gehört eben auch, dass man Sprechpausen, die schlicht durch bloßes Nichtwissen der nächsten passenden Formulierung entstehen würden, nicht durch die Übersprungshandlung “Ähm” zu überdecken versucht. Viel zu viele Menschen vergessen nämlich mittlerweile, das auch Stille ein Teil des Sprechens sein kann…

Was im Kleinen funktionieren würde, wenn man sich denn öfter dazu hinreißen ließe, nicht einfach unbedacht drauf los zu reden, sondern versuchte, seinem Vortrag eine Struktur zu geben und mit einem gewissen Vorlauf schon wüsste, was man als Nächstes sagen wollen würde – also ohne “ÖHM…” auf den Punkt zu kommen versuchte – würde auch in größeren Gebilden durchaus Sinn ergeben können. Der Begriff Ohm bezeichnet nicht umsonst die Einheit für den Widerstand; in diesem Fall für den Widerstand der eigenen Blödheit gegen einen stetigen und sinnhaften Sprachfluss. “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold” ist ein Sprichwort, dass im Zeitalter dauerhaften, ubiquitären, multimodalen Senden-Müssens offensichtlich LEIDER so gut wie keinen Stellenwert mehr besitzt. Anders lässt sich es nicht erklären, dass so viele Leute es nicht beherzigen, einfach mal die Fresse zu halten, wenn sie von irgendwas überhaupt keine Ahnung haben. Nun macht unsere heutige Antisocial-Media-Landschaft es einem auch nicht leicht, herauszufinden, ob jemand Ahnung von irgendwas hat, oder eben nicht. Und genau darin liegt die größte Gefahr von Antisocial-Media: einfach jeder Depp kann zu jeder Zeit jedwede noch so absurde Scheiße absondern und irgendwelche kognitionsallergischen Online-Subsistenzen feiern ihn dafür ab: ich präsentiere Andrew Tate…, oder die AfD…, oder einen großen Haufen sogenannter Coaches auf Insta… – Graumsankeitsgruseln inclusive. Case closed, da quod erat demonstrandum. Am Ende des Tages ist es also oft schlicht Glück oder Pech, auf welchen Blödsinn wir zuerst reinfallen, oder auch nicht. Es sei denn, wir beginnen uns selbst, gegen die ganze Bullenscheiße zu imprägnieren. Dafür gibt es aber nur einen einzigen Weg: sich von der Couch in der Komfortzone zu erheben, hinaus in die wahre Welt zu gehen, sich Wissen und Erfahrungen zu eigen zu machen und so die Fähigkeit zu erwerben, sich eine ECHTE EIGENE MEINUNG bilden zu können; und diese auch zu vertreten, wenn es darauf ankommt! Dabei lernt man übrigens auch flüssig zu sprechen, indem man seine Gedanken sortiert hat, bevor man den Mund aufmacht. UND ZU WISSEN, WANN MAN BESSER NICHTS SAGT! Beides zusammen ergibt übrigens einen – beredten – Hinweis auf das Vorhandensein von Tugenden wie Weisheit, Wahrheit und Gerechtigkeit. Aber über Tugenden, ihren heutigen Wert und wo man diese seltenen Tiere eventuell findet reden wir bei anderer Gelegenheit. Schönen Sonntag noch.

Lass uns drüber reden…

Es ist nicht selten unglaublich schwer, seine eigenen Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse in Worte zu fassen. Vielleicht nicht so sehr hier, an diesem völlig virtuellen und dennoch irgendwie seltsam wahren Ort, wo ich einfach meine Gedanken in die Tastatur kloppe und mich im Grunde gar nicht so viel darum scheren muss, was andere irgendwann darüber denken mögen. Doch selbst beim Bloggen bemerke ich mittlerweile häufiger eine, eher unbewusste Zurückhaltung, die wohl auf diesem andressierten kulturellen Reflex basiert, “die Anderen” nicht zu sehr mit der Wahrheit überfordern zu wollen. Was auch immer meine Wahrheit nun sein mag… Doch im realen Gespräch, da fehlen mir oft die Worte. Oder, anders formuliert, hätte ich schon viele Worte, die ich aber nicht sagen kann oder nicht sagen will, weil ich genau weiß, dass meine Aussagen eine Reaktion provozieren werden, die mich nicht weiter bringen wird. Und es ist dabei vollkommen gleichgültig, ob ich es gerade mit lieben Menschen zu tun habe, oder mit Leuten, mit denen ich halt arbeiten muss. Man kann nicht immerzu jedem ungefiltert Dinge um die Ohren schlagen, die Anlass zu Kontroversen bieten; so viel Kraft und Energie habe ich nicht. Und die Anderen vermutlich auch nicht. Also unterbleibt die klare Artikulation meiner Meinungen und Erwartungen Face-to-Face nicht selten. Einfach, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass etwas zu sagen an der Gesamtsituation nichts ändert, außer dass ich mich dann auch noch schlecht fühle. Braucht man halt auch nicht…

Ich stelle zwar an mir eine Tendenz fest, manchen Personen meine unkuratierte Meinung häufiger zuzumuten als anderen. Allerdings werden diese oft auch dafür bezahlt; so wie ich dafür bezahlt werde, das reziprok ebenso aushalten zu müssen. Doch komischerweise tue ich das immer nur, wenn es um Sachverhalte geht, die mir zwar wichtig sind, die allerdings zumeist wenig zu meinem persönlichen Benefit beitragen – oft sogar eher das Gegenteil. Ich scheine mich tatsächlich eher zu exponieren, wenn es um anderer Leute Belange geht. Doch für mich selbst… da tue ich auffallend häufig auffallend wenig. Ich habe ehrlich keine Ahnung, warum mir das ausgerechnet heute auffällt, denn es ist ja nicht so, dass ich mir selbst nicht auch regelmäßig etwas Gutes tun würde; so auch dieses Wochenende. Aber ich belasse es zumeist bei Kleinigkeiten, die mich wenig bis nichts kosten (außer vielleicht ein wenig Anstrengung) und den Anderen ebenso wenig bis nichts abverlangen. Vielleicht, weil ich so erzogen wurde: erstmal leisten, dann mal kucken, dann noch ein bisschen mehr leisten und dann mal verschämt fragen; immer mit der Annahme, dass ein “Nein” eine legitime Antwort ist. Aber… ist das tatsächlich so, dass ich mich immerzu mit “Nein” abspeisen lassen muss, weil mein Gegenüber halt gerade nicht kann, nicht will, anderer Meinung ist, andere Ziele hat, oder was weiß ich sonst noch gerade nicht funktioniert?

Während ich diese Zeilen schreibe, laboriere ich gerade an einem Schnupfen. Wie dieser sich entwickeln wird, ist derzeit noch unklar, aber… anstatt jetzt eine klare Ansage zu treffen und mich einfach bis zur Genesung abzumelden, werde ich morgen früh, sofern ich mich nicht schon wieder physisch vollkommen niedergestreckt vorfinde, einfach arbeiten gehen, weil es halt einige Menschen gibt, die sich auf mich, bzw. auf meine Leistung verlassen. Und wer sich auf mich verlässt, ist im Nornalfall NICHT verlassen. Ob das eine clevere Idee ist, werde ich morgen früh wissen. Wahrscheinlich wäre es klüger, daheim zu bleiben, aber so bin ich halt nicht. Das soll jetzt bitte nicht als Aufforderung verstanden werden, mir den Orden “Held der Arbeit” zu verleihen. Ich will und brauche keine Auszeichnungen. Es ist auch kein Fishing for Compliments oder die implizite Aufforderung, mir einen “Bleib doch zu Hause!”-Kommentar zu schicken. Aber es illustriert für mich, wie wenig ich mich häufig um mich selbst kümmere – und wie dumm das eigentlich im Grunde ist. Und ich bin mir verdammt sicher, dass ich mit dieser ungesunden Einstellung – zumindest in meiner Altersklasse – nicht alleine bin.

Ich habe neulich, während einer Fortbildung, die Teilnehmenden dazu aufgefordert, junge Auszubildende im Nebenraum kurz bezüglich deren Blick auf sogenannte Generationen (insbesondere das Thema “Gen-Z”) zu interviewen. Ohne auf präzise Ergebnisse eingehen zu wollen, lässt sich sagen, dass die jungen Leutchen dieser konstruierten Dichotomien (und vor allem der Unterstellung, die jungen Leute seien alle faul, oder gleichgültig, oder sonstwas) überdrüssig sind und sich selbst keiner Generation zurechnen. Insgesamt nehme ich allerdings wahr, dass die jungen Leute zumindest in manchen Situationen besser darin sind, ihre Belange zu vertreten, als mir selbst das wohl gelingt. Und ich finde das gut, auch wenn es einen als Vorgesetzten manchmal ein wenig Contenance kostet, mit Forderungen umgehen zu müssen, die man für sich selbst so nie artikulieren würde. Vielleicht MUSS das einfach ein Lernprozess für beide Seiten sein, ein stetiges Aushandeln des jeweils Möglichen und eines immer wieder neu zu schaffenden Verständnisses für die Bedürfnisse, Sorgen und Herausforderungen des Gegenübers. Würde mir gefallen. Und wenn ich dabei lerne, meine eigene Klappe auch mal aufzumachen und etwas einzufordern, muss das ja nicht vollkommen schlecht sein.

Auch als Podcast…

Das Private ist politisch…

…ist ein Diktum aus der 2. Welle des Feminismus während der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Und es ist heute immer noch wahr – vielleicht sogar wahrer denn je, wenn man lesen muss, dass es Deutschlandweit mittlerweile 120 (vermutlich sogar mehr) Gruppen jugendlicher, teilweise noch nicht mal strafmündiger Neonazis gibt, die sich, koordiniert über social media und messaging apps, abends zusammenrotten, um Gewalttaten gegen Andersdenkende zu begehen. Erinnert ein wenig an Liedzeilen aus “Hey, hier kommt Alex”, allerdings unter erheblich verdrehten Vorzeichen. Um’s kurz zu machen: diese Kinder, denen ihre eigenen Eltern so unfassbar viel Nazi-Mist in Gehirn geschissen haben, dass deren Außenfarbe mittlerweile auch braun geworden ist, diese Indoktrinations-Opfer sind genauso wenig zu retten, wie ihre Eltern aus der Generation Baseballschläger der frühen 90er. Warum dieses Pack überhaupt Kinder bekommen durfte, ist mir ehrlich gesagt unverständlich. Für alles mögliche und unmögliche braucht man in diesem Land eine Erlaubnis. Aber Kinder in die Welt setzen, um die Brut dann auch noch mit inhumaner, rassistischer, chauvinistischer, faschistischer Ideologie zu füttern – das ist okay. Da sagt keiner was. Hauptsache sie zahlen Steuern…

Ich stand damals an der seltsamen Schwelle vom Jugendlichen zum Erwachsenen und ich habe viele Dinge nicht einordnen können, weil mir dazu das tiefere Wissen und die Lebenserfahrung gefehlt haben – aber ich wusste von der ersten Sekunde, da ich diese Dinge wahrnehmen musste, dass diese hässlichen Fascho-Fratzen als widerlicher Bodensatz unserer Gesellschaft schlicht und ergreifend zu dumm, zu unempathisch, zu aggressiv, zu engstirnig und zu leicht erreichbar für die verlockenden Einflüsterungen ihrer Fascho-Fratzen-Ahnen sein würden, als dass man sie je würde re-sozialisieren können. Ich glaube nicht mehr an die Re-Sozialisation von Nazis! Ich glaube, dass man sie – wo auch immer sie auftauchen, finden, öffentlich machen, einkesseln, niederschreien, verjagen und notfalls mit Gewalt bekämpfen muss. Denn sie bedrohen alles, was uns aufrechten Demokraten lieb und wichtig ist: unsere Freiheit, nach unserer Facon glücklich zu werden, gleich ob dies nun religiöse, sexuelle, weltanschauliche, soziale oder politische Aspekte des Daseins betrifft. Oder was auch sonst immer. Man mag den kategorischen Imperatitv nicht mögen, weil Kant erwiesenermaßen ein Chauvi war. Aber unsere darauf fußende Rechtsphilosophie – und in der Folge unsere Gesetze und unsere Rechtsprechung – welche die Freiheit des Einen nur dort einschränken wollen, wo die des Nächsten beginnt, ist ein Wert an sich!

Heute muss ich erleben, dass sich die Geschichte von vor 30 Jahren wiederholt, teilweise in meinem direkten Umfeld. Und ich kann dem nur in aller Entschlossenheit meine tiefste Überzeugung entgegensetzen: nämlich dass die drei ersten Artikel unseres Grundgesetzes UNVERÄUSSERLICHE, UNHINTERGEHBARE und UNIVERSELLE Grundsätze unseres Miteinanders sind, die vor allem eines verhindern helfen sollen: die Objektifizierung von Menschen, so wie etwa die original-Nazis sie durch den Holocaust betrieben haben ! Denn alle Menschen, gleich woher sie kommen, woran sie glauben, wie sie lieben, auf welche Art sie ihre Leben leben wollen und mit wem sie diese Leben teilen wollen waren, sind und bleiben Individuen, die den Schutz ihrer Individualität verdient haben, solange sie selbst nichts unternehmen, anderen diesen Schutz nehmen zu wollen. Und so kann ich euch braunen Kadern, die ihr unsere demokratisch-freiheitliche Ordnung von innen heraus durchsetzen, zerstören und durch eure eigene, überaus kranke, Vision einer “Volksgemeinschaft” ersetzen wollt nur laut entgegenschreien: FUCK NAZIS. WIR werden EUCH jagen, bis IHR wirklich nur noch ein Fliegenschiss der Geschichte seid. Und wer glaubt, das ist doch alles gar nicht so schlimm, den erinnere ich an Kästners Worte nach dem Ende des Nazi-Regimes:

"Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat."
Auch als Podcast…

Absurdistan ist zurück N°3 – …dahin gerafft

Bisweilen – und in diesem Falle gerne eher seltener denn öfter – mag es wohl vorkommen, dass die Gesundheit nicht ganz so tut, wie sie bestimmungsgemäß eigentlich sollte. Das Leben des Protagonisten, angefüllt mit allerlei Aufgaben dieser oder jener Natur, von denen manche doch eher Geschäftigkeit vortäuschender Tand sein mögen, wurde unerwartet, dafür aber nichtsdestowenigertrotz nachhaltig disruptiert. Es erheitert tatächlich eben jetzt ungemein, ein Verb aus einem Anglismus zu konstruieren, welches es noch gar nicht gibt; und im Übrigen auch nicht geben müsste, da man “disruptieren” auch mit “stören” ersetzen könnte, wenn man denn ein Apologet der altmodischen Sprachlehre wäre. Doch… da die “Disruption”, jenes sich geradezu anbiedernde Wort-Liebchen all dieser Möchtgern-Entrepreneure mit ihren ebenso illusionären wie substanzlosen Ideen und Plänen nun mal, wie manche Kreise wohl sagen würden, “der heiße Scheiß” ist, bleibt dem Verfasser dieser Zeilen gar nichts anderes übrig, als beim Anblick heißer Scheiße nicht ins Würgen zu verfallen, sondern einfach fortzufahren mit seinem Tun… dem Schreiben von der Disruption, welche ihn befiel. Und die hattes es in sich – oder, eigentlich hatte man es eher alsbald außer sich, wobei abwechselnd beide menschlichen Hauptöffnungen dem Gott Lokus mit geradezu fließender Inbrunst huldigend für die Abfuhr des Inneren sorgten… Also des inneren Abfalls. Wobei der – auch ohne Brechdurchfall – bei nicht wenigen Individuen weniger stofflich, aber leider nicht vollkommen wirkungslos, oral geschehen kann. Hierorts sagt man dazu wohl “Dumm gebabbelt is glei”…

Pausen vom täglichen Tun mögen unter verschiedenen Gesichtspunkten ihre Vorteile haben; aus Sicht des Lohn- und Brotgebers sicher den Erhalt der Arbeitsfähigkeit; wie effektiv diese auch immer beschaffen sein mag. Für den Protagonisten sind solche Unterbrechungen normalerweise durchaus positiv konnotiert, sofern sie nicht gerade mit einer, unter Extrembedingungen erwungenen Nahrungskarenz einher gehen. Da gewinnt ein hier doch gelegentlich verwendetes Diktum eine völlig neue Bedeutung, wenn es doch diesmal heißen musste “man konnte gar nicht so viel Fressen wie man kotzen musste!” Nun ja, auch solche Intermezzi haben – wie der Begriff “Zwischenspiel” völlig korrekt nahelegt – dem Himmel, oder wem auch sonst sei Dank, alsbald ein Ende. Dieses Mal blieb es bei einem kurzen, aber dennoch schwächenden Besuch, welcher den Protagonisten am zweiten Tage geradezu dazu nötigte, Lektüre zur Hand zu nehmen, da andere Tätigkeiten nicht in Betracht kamen. Das Liegen, wiewohl ansonsten dem Nachtschlafe zugeordnete Notwendigkeit und gelegentliche, liebliche Begleitung des Müßiggangs kann, abhängig von der Qualität der Bettstatt, der physischen Konstitution des liegenden Körpers und der Dauer der Horizontalität sein Willkommen allerdings durchaus überdauern. Vulgo – irgendwann schmerzte des Schreibenden Rücken, so dass eine dringliche dauerhafte Aufrichtung in die sitzende Position unumgänglich wurde. Nun kann man wirklich Vieles im Sitzen tun. Aber man sollte es vermutlich unterlassen, dabei allzu viel Liebe und Zeit auf elektronische Endgeräte – oder besser, die mittels ihres Daseins vermittelten Ablenkungen vom wahren Leben – zu verwenden, wenn es auch Bücher gibt.

Oh ja… jene Konvolute bedruckten Papiers, zusammengehalten von arkanen Künsten (und zumeist etwas Leim), gestaltet mit ikonographischer Hingabe (manchmal auch etwas, das diese zumindest imitieren sollte), kuratiert für EIN spezielles Erlebnis – und mit etwas Glück sogar kognitiv nicht vollkommen substanzfrei. Da der Protagonist des Tsundoku – also des Erwerbs unterschiedlichster Lektüre, die nicht immer sofort verschlungen wird – durchaus zumindest ein bisschen schuldig ist, herrschte also keinerlei Mangel an Lesbarem. Auch wenn der Körper noch nicht wieder 100% Willens ist, bleibt der Geist hungrig. Es begab sich, dass gleich drei Bücher ein freundliches Auge fanden und folgerichtig begonnen wurden. Keines davon ist natürlich jetzt schon gelesen, aber zumindest eines davon ist faszinierend genug, um es zu empfehlen (siehe Ende des Artikels), da die Autorin sich auf erfrischende Weise mit der Frage befasst, wie wir mit einer der menschlichsten Eigenschaften überhaupt umgehen sollen – unserer Fehlbarkeit! Und weil dem Schreiber letzthin – nicht ganz ohne Intention – der Satz, das Fehler nicht (immer) schlimm, sondern (sehr oft) Lernanlässe seien, recht häufig über die Lippen gekommen ist, sollte nun das Wissen rings um diese Erkenntnis noch einmal ein wenig vertieft werden. Da unterdessen die Symptome der unfreundlichen Intestinal-Verstimmung langsam abklingen, bleibt ja wieder Zeit sich mit anderen Formen von Scheiße zu befassen; oder besser, der Suche nach Möglichkeiten, deren Auftreten so gut wie möglich zu verhindern. In diesem Sinne… nach dem dahingerafft werden muss man sich wieder aufraffen. Gehabt euch wohl.

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  • Edmondson, A. (2023): Right kind of wrong. How the best teams use failure to succeed. Peguin Books. ISBN 978-1-847-94378-1

The Critic N°6 – …alles elektrisch, oder was?

Wann genau haben wir verlernt, wie die “willing suspension of diesbelief” funktioniert? Wann genau haben wir angefangen, alles zu hassen und zu dissen, was nicht EXAKT unseren Vorstellungen entspricht? Wann genau haben wir das Staunen verlernt? Ich hatte, das will ich zugeben, geringe Erwartungen, als ich gestern Abend mit der besten Ehefrau von allen auf der Couch Platz nahm, um mir “The Electric State” anzusehen. Gering deshalb, weil ich zuvor NICHT die Gelegenheit ausgelassen hatte, mich ein wenig mit den diversen Auslassungen der “Kritiker” zu befassen. Und was haben sie nicht alles bekrittelt: kein Plot, miese CGI, zu viele anachronistische Elemente, keine werkgetreue Umsetzung der Graphic Novel von Simon Stålenhag, keine emotional Pay-Offs, und so weiter, und so fort. Ganz vorne weg, wie immer, der Critical Drinker und seine Crew. Ganz ehrlich, nicht selten liegt er total richtig – aber dieses Mal kann ich ihm kaum zustimmen. Insbesondere nicht, wenn er damit anfängt, Milly Bobby Brown zu dissen, weil sie ihm zu alt aussieht für eine High-School-Teenagerin. Ich glaube, der saufende Schotte sollte mal gelegentlich aus seiner Bubble rauskommen und vor die Tür gehen; die Welt hat sich nämlich verändert… Aber, fangen wir doch ganz einfach von vorne an (ohne zu sehr zu spoilern).

Immersion? (erstellt mit chatgpt)

Das Worldbuilding ist meiner Meinung nach nicht schlechter, als etwa bei “Fallout”. Das Zusammenspiel von Retrofuturism bei den Robotern und realistischer 90er-Jahre-Tech hinsichtlich des ganzen Restes ist aus meiner Sicht durchaus gelungen. Tech-Entwicklung verläuft pfadabhängig und wenn ich in diesem Film nun Roboter habe, die nach und nach seit den 50ern klüger geworden sind, so bedeutet dies lediglich, dass sich im Kontext der Geschichte bestimmte Entwicklungspotentiale in diesen Bereich verlagert haben. Was den Aspekt des eigentlichen Hauptcharakters des Filmes (der zudem auch der MCGuffin der Geschichte ist) angeht, könnte man sagen, das ist ein bisschen Over the Top, bleibt aber konsistent mit der Idee eines Neuralink – und an dem bastelt man heutzutage rum. Hätten in den 40er Jahren des 20. Jhdts. mehr einflussreiche Leute an Anwendungen für die frühen Robotik-Konzepte geglaubt, hätte sich das alles vielleicht tatsächlich in eine ähnliche Richtung entwickelt. Also Schwamm drüber! Ist man bereit, sich darauf im Rahmen des Narrativs einzulassen, funktioniert dieser Part gut – wenn man darüber hinweg sieht, dass es eher unglaubwürdig erscheint, in einem Bot die Persönlichkeit eines Menschen zu erkennen und deshalb mir nix dir nix auf einen Roadtrip mitzugehen. Aber sind Teenager nicht dafür bekannt Entscheidungen eher emotional denn rational zu treffen…?

Die wichtigen Charaktere erhalten alle eine Einführung, ohne dabei zu viel “In-die-Fresse-Exposition” zu betreiben; es wird gezeigt, wie sie ticken, ohne es extra zu beschreiben zu müssen. Manche Aspekte über die wichtigen Personen werden nach und nach enthüllt, und sind aus meiner Sicht nicht zu dick aufgetragen. Auch wenn Chris Pratt halt Chris Pratt ist und in jedem Film basically Chris Pratt spielt; ein bisschen Overarcting inclusive. Die beste Dialogzeile hat nach meiner Ansicht Giancarlo Esposito kurz vor Schluss, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Lediglich Stanley Tucci – sonst eine sichere Bank – bleibt für mich hier seltsam farblos. An Milly Bobby Browns Spiel habe ich nichts auszusetzen. Sie hat gewiss noch Entwicklungspotential als Schauspielerin, aber schlecht macht sie das hier nicht. Und dass es keine Chemie zwischen Chris Pratt und ihr gäbe, ist schlicht Quatsch. Schaut mal genau hin, das passt schon so. Selbst die CGI-Roboter haben nach meinem Dafürhalten hinreichend Persönlichkeit, um die ihnen zugedachten Rollen ausreichend zu tragen. Comic relief inclusive. Ja… die CGI ist bisweilen etwas unscharf und ich hätte mir bei 320 Millionen Dollar tatsächlich ein paar mehr echte Setpieces gewünscht. Doch abseits dessen ist an der Cinematography wenig auszusetzen. Es gab die eine oder andere Kritik an den wenig innovativen Action-Sequenzen. Das erntet von mir jetzt aber lediglich ein schulterzuckendes “Ach echt…?” Das hier ist kein Action-Film, sondern ein retrofuturistischer Science-Fiction-Roadmovie. Get over it. Nicht alle Kämpfe müssen so knackig inszeniert sein, wie in “The Raid”. Lediglich das Ende kommt hier mehr als nur ein bisschen unglaubwürdig daher. Ich hätte da jetzt ein wenig mehr… Security… erwartet, so rings um die Deportationszone und um das Schaltzentrum DER global wichtigsten Tech-Firma der Erzählung herum…. nah, whatever….

Ja und der Plot? Okay…. einige Aspekte davon sind wirklich dünn wie Jugendherbergs-Tee. In dem Zusammenhang wird öfter die Frage gestellt, warum man nach einem “Krieg” die Roboter nicht einfach alle verschrottet hatte, anstatt sie in ein riesiges Freiluftgefängnis zu sperren. Wahrscheinlich war das tatsächlich billiger und hatte den Vorteil, dass man sich später würde Gedanken machen können, sie irgendwann doch wieder zum Einsatz zu bringen – etwa als billige Arbeitssklaven, sobald man eine Methode gefunden hätte, die freiheitsliebenden Anteile ihre Persönlichkeit wieder zu überschreiben. Aber Denken beim Filmschauen ist ja bekanntlich nicht jedermanns Sache. An einigen Stellen wird der Film unnötig langsam, ja beinahe langatmig, an anderen Stellen hingegen hätte ich mir etwas mehr Kontext für die Geschichte und etwas mehr Charakter-Tiefe für den finalen Pay-Off gewünscht. Aber insgesamt macht der Film seine Punkte: die Protagonisten erleiden Verluste und müssen harte Kämpfe durchstehen, schwere Entscheidungen werden getroffen, Charaktere machen eine (wenn auch zumeist eher geringe) Entwicklung durch, und am Ende bleiben genug lose Enden zum selbst weiterspinnen.

Und man kann über die Frage nachsinnen, was denn nun der Electric State ist, welcher dem Film seinen Titel gibt: die Deportationszone für die Bots? Die Verbindung zwischen Mensch und Maschine? Was einen Menschen menschlich macht – und ob eine Maschine vielleicht auch menschliche Qualitäten erlagen kann? Ich fand diese Fragen allesamt in dem Film wieder. Bleibt also die eine Frage, ob “The Electric State” ein guter Film ist? Ich sag mal so: das hängt davon ab, wie sehr man bereit ist, über Hollywood-typische Logik-Lücken (räumliche Entfernungen, Charakter-Motivation), Inkonsistenzen (Zufälle, Deus ex Machina), allzu oft bemühte narrative Schemata (edle Wilde vs. gierige Konzerne) und gelegentlich holpriges Pacing (zeitliche Abläufe) hinweg zu sehen. Ich habe mir jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, immer noch keine abschließende Meinung gebildet. Aber eines weiß ich: wenn man sich unter Beachtung der zuvor genannten Aspekte Gedanken über Filme macht, ist der erfolgreichste Blockbuster aller Zeiten – ja, mit knapp drei Milliarden Dollar Einspielergebnis immer noch “Avatar” von James Cameron – KEIN NENNENSWERT BESSERER FILM. Viel Spaß mit dieser Nachricht.

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Reisen…

Ich referierte vor einigen Tagen im Rahmen einer Fortbildung über eine spezielle Art des visuellen Storytellings für Vorträge. Ich wählte als übergeordnetes Thema “Bildung als Reise”. Und musste feststellen, dass mich, während ich sprach, das Fernweh überkam. Ich konnte die Erinnerung an den warmen Wind im Gesicht spüren, ebenso wie das beinahe übermächtige Gefühl, einfach davonlaufen zu wollen. Und ich schäme mich nicht dafür. Manche Situationen fordern mehr, als ich derzeit zu geben bereit oder in der Lage bin.

Ich durfte feststellen, dass ich die allermeisten Facetten meiner Arbeit immer noch mag. Aber ich musste auch erkennen, dass ich sie am meisten mag, wenn sie wohl dosiert daher kommen, nicht immer am gleichen Ort stattfinden – und wenn ich mich nicht dauernd mit idiotischen Amateuren auseinandersetzen muss, die immerzu versuchen, an alles was ich tue, Feuer zu legen. ’nuff said. Was nun aber Dosierung sowie Distanz angeht, bleibe ich immer wieder am Thema Reisen hängen. Es beflügelt mich ehrlich, regelmäßig andere Umgebungen besuchen und erkunden – ja, auch dort arbeiten – zu dürfen. Es bedarf dazu nicht einmal unfassbarer Entfernungen, sondern lediglich einer kurzen Entkopplung von der Alltagsroutine. Das, was etwa ein Urlaub erzeugen soll, funktioniert auch auf dieser Ebene recht gut. Es ist hilfreich sich dessen erinnern zu dürfen, denn ich klammere mich mittlerweile viel zu sehr an die Distanz zwischen den Urlaubsreisen, die ich machen darf, weil ich dann neue Impulse, neue Reize, neue Ideen sammeln kann, weil dann alles kann, ohne das irgendetwas muss!

Ob ich dazu unbedingt nach Südfrankreich fahren muss, oder nach Mittelitalien? Nö, muss ich nicht. Die bloße Distanz spielt ja, wie gesagt, keine große Rolle. Aber ich liebe die Weite des Himmels, den erdigen Duft dieser spannenden Landschaften an einem warmen Sommertag, das Gefühl, etwas geschafft zu haben, wenn ich oben auf einer alten Burg stehe; ein Gefühl, dass mir im Alltag viel zu häufig fehlt. Man findet außerdem derlei in Deutschland in dieser Form nicht allzu oft – und viele der Gegenden, wo dies der Fall ist, habe ich schon besucht… ich glaube aber vor allem, dass mir der Geist meiner hiesigen Mitmenschoiden letzthin zu eng geworden ist. Allüberall nur noch Neid, Missgust, Gier, Angst vor dem Unbekannten, Angst vor dem Risiko und der typisch deutsche Reflex für alles, was nicht perfekt läuft einen Schuldigen zu brauchen, den man – je nach Tageslage – mehr oder weniger hart punishen kann. Keinen Dank für ihre Leistung, aber halten sie mal brav den Rücken für das Messer hin. Der Begriff “Perfekt” ist für mich der absolute Endgegner guter Arbeit. Denn, wer dauernd nach Perfektion strebt, verlernt zuerst die Zufriedenheit mit den einfachen Dingen, brennt schließlich sehr hell – und dann ganz schnell aus! Danke, aber NEIN Danke.

Immerzu muss man ackern und planen und erklären und optimieren und wieder planen und dem Teufel sein erstes Kind opfern, damit auch ja nichts schief gehen kann. All diese Narren haben anscheinend noch nie etwas von der unüberwindbaren Mauer der nächsten Sekunde gehört. Ja, Planung ist wichtig, kann aber die Konfrontation mit der normativen Kraft des Faktischen nicht ersetzen. Zumal viele Pläne offenkundig unter reichlicher Zuhilfenahme bewusstseinserweiternder Substanzen und wishful thinkings entstanden sind. Anders sind solche Schwachsinnsruinen wie Stuttgart 21 nicht zu erklären. Aber was weiß ich schon von Planung… Was sich hinter dem nächsten Durchgang findet, muss ich oft erst herausfinden. Doch wir Deutschen starten, anstatt einfach hindurchzugehen, um mal zu kucken was es denn sein könnte, erst mal ein Planfeststellungsverfahren und rufen damit alle ängstlichen Bedenkenträger auf den Plan. Und dabei ist es vollkommen egal, ob es um Millionen-Projekte oder Hustengutzel geht. So vieles wird heute nur noch zerredet, kaputtgeplant, dann wieder schöngerechnet, in den Orkus geklagt oder von den Unken in den eigenen Reihen bewusst torpediert. Dabei ist Angst eher nur dann ein guter Ratgeber, wenn der Säbelzahntiger meine Witterung aufgenommen hat. Und LEIDER haben wir keine freilaufenden Säbelzahntiger mehr. Sie würden manches Problem lösen…

Ich wünschte wirklich, die Menschen würden öfter auf Reisen gehen. Nicht unbedingt auf weite Fahrten, aber auf die kleinen Abenteuer, die einem helfen, wieder zu lernen, sich für die Details rechts und links des Weges zu interessieren. Die einen verstehen lassen, dass der Weg tatsächlich fast immer das Ziel ist; und das Niemand in die Zukunft schauen kann, auch wenn BWLer immer so tun, als wenn ihnen das möglich wäre. Ist es nicht. Das einzige, was die können, ist hoffen, dass Menschen sich wieder genauso verhalten, wie letztes Mal in einem ähnlich gelagerten Zeitabschnitt. Je früher wir alle verstehen, dass Ökonomie nicht mehr – NIEMALS MEHR – das Primat über all unser Handeln haben darf, desto früher wird es hier auf der Erde wieder besser werden. Aber auf dieser gefahrvollen Reise sind wir gewiss noch eine Weile unterwegs. Einstweilen konzentriere ich mich lieber auf die kleinen Reisen, physisch, wie auch im Geiste und versuche, nicht an meinen Mitmenschoiden zu verzweifeln. Das ist vorläufig fordernd genug, während die nächste Sekunde vergeht… und vergeht… und vergeht. “The clock ticks life away” haben Linkin Park mal gesungen. Füllen wir die Ticks doch mit etwas Sinnvollem. In diesem Sinne – Rohe Ostern!

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