“Was tust du dann?” Es gibt in der DnD-Tube und der PnP-Blogosphere immer wieder interessante Diskussionen darüber, welche Arten von Entscheidungen Spieler für ihre Chars treffen können, wollen und sollen. Wir wollen mal davon ausgehen, dass die Spieler für bzw. durch ihre Chars innerhalb der Secondary World ihre Entscheidungen auf Basis unterschiedlichster Motivationen treffen, die sich allerdings immer auf die Vorgänge innerhalb der Secondary World beziehen sollten. Denn jedes Mal, wenn die Meta-Diskussionen des Spieltisches in die Spielwelt rüberschwappen (also z. B. persönliche Konflikte unter den Spielern oder mit der SL mittels deren Chars oder NSCs ausgetragen werden) passieren gruselige Dinge. Das bedeutet nicht, dass PvP nicht auch mal seinen sehr speziellen Reiz haben kann. Aber wenn das ganze Spiel sich nur noch um derlei SCHLECHTES Meta-Gaming zu drehen beginnt, ist das baldige Ableben der Spielrunde vorprogrammiert. Was ich persönlich in meinen Runden sehen möchte ist, dass die Spieler von ihrer eigenen Person zumindest teilweise abstrahieren, die Spielwelt durch de Augen ihrer Chars wahrnehmen und dann ihre Chars die Entscheidungen treffen. DAS wäre für mich sinnhaftes Rollenspiel. Sich in die andere Person (also seinen Char) zumindest so weit hineinzuversetzen, dass man tatsächlich temporär dieser andere Jemand wird; und in der Folge Dinge so tut oder lässt, wie der Char es tun würde. Nicht jedoch, wie man selbst es tun würde. So weit, so idealistisch…

Nun geht es beim Pen’n’Paper meist nicht um Alltagskram, wie die Frage, welches Hemd ich heute zur Arbeit anziehe, sondern a) auf welche Plothooks die Spieler tatsächlich reagieren und b) welche (endliche) Ressource die Chars in welcher Szene des Spiels einsetzen. Beispiel: die Gruppe erforscht im Schutz der Dunkelheit eine Lagerhalle und die Chars WISSEN (auf Grund einer vorherigen Szene), dass es hier einen Keller gibt, in dem grausige Dinge vor sich gehen. Zu allem Übel tickt die Uhr, denn sie sind vor allem auf der Suche nach mehreren vermissten Personen, die gewalttätigen Kultisten in die Hände gefallen sind; und deren Unterschlupf ist in diesem Keller…! Just, als sie den versteckten Zugang gefunden haben, werden sie von mehreren schattenhaften Gestalten aus dem Hinterhalt angegriffen. Sie werden sich natürlich gegen diesen Angriff wehren, müssen dabei aber zügig entscheiden, welche Ressourcen (Munition, Magie, spezielle Fähigkeiten) sie JETZT einsetzen und welche sie sich lieber noch aufsparen – denn wer weiß schon, was in diesem Keller noch alles wartet? Der aufmerksame Leser hat als Themen hier eben die “ticking clock”, die “damsel in distress” und eine klassische Kollision mit Antagonisten entdeckt. All packed into one short scenario. Action Economy meint in diesem Zusammenhang nun die Schwierigkeit der einzelnen Encounter, beschrieben durch deren inneres Pacing (Anzahl und Stärke verschiedener “Schurken”, mögliche Reveals, dramatische Wendungen, spezielle Gadgets, spezielle Mechaniken etc.). Ressource Economy hingegen betrachtet das ganze aus Sicht der Geschwindigkeit, mit welcher die einzelnen Encounter aufeinander folgen; und damit den Druck auf die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Chars. Als Faustregel gilt: je härter und je schneller, desto wahrscheinlicher wird eine Niederlage der Chars. Was eine Niederlage dann effektiv bedeutet, ist damit nicht ausgesagt. Aber man sollte es so sehen: wenn ich meinen Spielern vorher gesagt habe, dass ihre Gegner keine Ahnung haben, dass sie alle “nur” Figuren in einem Spiel sind und auf jeden Fall und mit allen Mitteln gewinnen wollen, dann könnte ihnen klar sein, dass hierbei Chars draufgehen könnten…!
Es geht also immer um echte, sinnhafte Entscheidungen, die tatsächlich Einfluss auf den Verlauf des Spiels haben. Gibt man seinen Spielern nur die Illusion, Entscheidungen treffen zu dürfen, sind wir beim Quantum Oger (ein Terminus für ein Encounter, dem die Charaktere nicht ausweichen können, egal, welchen Weg sie wählen. Und er ist im Grund ein erster, entscheidender Aspekt von klassischem Railroading, bei welchem Player Agency vom SL mit Wucht in die Tonne getreten wird, um seine Geschichte erzählen zu können). Die Railroading-Diskussion mache ich an dieser Stelle nicht noch mal auf, sondern stelle mal ganz spitz die Frage, ob Spielleiter WIRKLICH Storyteller sind? Denn man könnte ja die Meinung vertreten, dass die Geschichte durch die Spieler mittels ihrer Chars erzählt wird. Allerdings ist es die Aufgabe der SL, Content vorbereitet zu haben, aus dem Sich eine Geschichte spinnen lässt. Und insofern ich bei diesen Vorbereitungen Erwägungen zu den Motiven der Antagonisten und den resultierenden Konflikten, zum Thema der Geschichte, zum Aufbau der Spielwelt (bzw. des aktuell genutzten Ausschnittes derselben), etc. treffen und aufschreiben muss, betreibe ich natürlich Storytelling. Ich nutze dabei Techniken, die auch beim Schreiben von Büchern oder Screenplays zum Tragen kommen; einziger und wichtigster Unterschied ist, dass ich immer nur die Basics des Plots entwickle und mich dann zurücklehnen und abwarten kann, was meine Spieler damit anfangen. Denn ganz sicher baue ich dabei Entscheidungen ein, die (früher oder später) von meinen Spielern bzw. ihren Chars getroffen werden müssen (nicht von mir) – und die IMMER Einfluss auf den Verlauf der Dinge haben. Action und Ressource Economy stellen dabei kritische Fragen, die beantwortet werden müssen und im Gesamtgefüge über Sieg oder Niederlage, über Drama oder Langeweile, über Lösungen oder weiterhin drohende Probleme, also mithin über den Spaß des Spiels mitentscheiden. Doch selbst wenn ich diese Stellschrauben wirklich gut beherrsche, läuft das eine oder andere schief; wie im echten Leben auch. Wichtig ist, dass die Spieler sich darauf einlassen, als ihre Chars zu entscheiden und nicht als sie selbst. Denn neben Würfelpech kann – wie oben bereits erwähnt – auch schlechtes Meta-Gaming das Spiel für alle killen. Wie man’s auch dreht und wendet: gut wird es nur, wenn sich alle am Spieltisch WIRKLICH auf die Secondary World und ihre Chars einlassen. In diesem Sinne – always game on!