Was ändern. Aber wie?

Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern, wie oft ich schon von so vielen verschiedenen Menschen gehört habe, dass man ja was ändern müsste, aber das man keine Ahnung hätte, wie sowas von Statten gehen soll. „Was ändern“; das klingt ein bisschen wie der universelle Schlachtruf des stereotypen Wutbürgers, der im Angesicht gefühlter institutioneller Ungerechtigkeit zur Tat schreiten wird, egal was da kommen möge.

Tatsächlich ist es aber in der Realität selten mehr als eine sinnentleerte Worthülse, denn zum einen ist das Stereotyp des Wutbürgers selbst nicht mehr als ein Substanzloses Idol, weil mitnichten alle am gleichen Strang ziehen. Wer die medial bestens dokumentierte Schlacht um Stuttgart 21 einigermaßen aufmerksam verfolgt hat, erkennt genau, wovon ich gerade spreche. Woraus sich das zum anderen ergibt, nämlich der sich in immer drolligerer Art entladende Culture clash der im wutbürgerlichen Lager anzutreffenden Partikularinteressen, welche das initiale „DAGEGEN“-Gefühl lediglich auf Zeit zu einen vermag. Grün mag das neue Schwarz sein, aber Kehrwoche bleibt Kehrwoche und damit kommt der Autonome nicht unbedingt klar.

Sicherlich entwerten diese Beobachtungen den Trend zur Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Rechte im Sinne zivilen Ungehorsams nicht vollkommen – die diesbezügliche Staats- bzw. Verfassungsrechtliche Debatte kenne ich und votiere hiermit ausdrücklich für die Anerkennung des Rechtes zum zivilen Ungehorsam – Aber sie lassen zumindest in mir die Frage aufkeimen, ob’s denn wohl möglich ist, sich erst einmal Gedanken darüber zu machen, WAS man denn nun tatsächlich aus WELCHEN Motiven heraus geändert sehen wollen würde, welche Alternativen es zum Status Quo überhaupt geben könnte, welche Folgen eine Änderung nicht nur für einen selbst sondern auch für Andere hätte und schlussendlich, wie weit man selbst zu gehen bereit wäre, um eine solche Änderung voran bringen zu können.

Und da wird’s dann oft ganz schnell finster…

Ich bringe der kritischen Hinterfragung der Legitimation dieser oder jener politischen Entscheidung durchaus Sympathie entgegen und auch ich sehe in einigen gesellschaftlichen Bereichen dringenden Handlungsbedarf. Mein Problem ist nur, das es mir zumeist um Dinge geht, die man nicht auf den ersten Blick sehen kann – wie etwa gefällte Bäume oder eine Abrissbirne an einem Bahnhofsgebäude – sondern eher um Fragen der sozialen Integration, oder besser des Mangels daran und um die systemische Reformbedürftigkeit unseres Gesundheitswesens. Dinge, für die Menschen auf die Straße zu bringen immer nur dann klappt, wenn deren eigene pekuniären Interessen irgendwie tangiert werden.

An dieser Stelle sei gesagt, dass ich nicht allen Teilnehmern an den Protesten rings um Stuttgart 21 jetzt unterstelle, dass sie nur wegen der Wertentwicklung ihrer Stadt da waren, aber ich habe – vor allem beruflich – schon zuviele Menschen kennen gelernt, um noch uneingeschränkt glauben zu können, dass Altruismus in höheren Konzentrationen als den homöopathischen vorkommt. Dessenungeachtet finde ich selbst das Projekt hinsichtlich der Blauäugigkeit von Politik und Wirtschaft hanebüchen, aber das soll nicht Gegenstand dieses Textes sein.

Was aber im Fokus meiner Betrachtungen liegt – es sei nochmal erwähnt für jene, welche diese Zeilen bislang vielleicht nicht allzu aufmerksam überfogen haben – ist mein Ärger darüber, dass obschon halbgarer „Wir müssen was ändern!“-Populismus niemanden an irgendein Ziel bringen wird, egal wie nah oder fern es auch sein mag, die Leute – wenn überhaupt – aus dem falsch verstandenem Bedürfniss heraus „mal irgendwas Gutes tun“ zu müssen dem erstbesten Hurrarufenden Idioten mit einer Agenda hinterher rennen, dessen ihre Äuglein und Öhrchen habhaft werden. Erinnert ein bisschen an die Weimarer Republik der 30er des 20. Jahrhunderts, n`est-ce pas?

In solchen Szenarien ist die Energie, welche der eine oder die Andere aufzubringen vermag, um DER SACHE dienlich sein zu können oftmals überraschend, vor allem wenn man es mit der sonstigen Vitalität der Wortäußerungen und Taten vorgenannter Individuen vergleichen möchte. Es wirkt fast so, als wenn der Aktionismus in uns allen nur ein Stichwort braucht, um mal so richtig abzugehen. Was mich daran fasziniert ist allerdings eher der Umstand, dass dieser Aktionismus, diese unbändige Energie in alles mögliche fließt, nur nicht unbedingt in das Vertreten politischer oder gesellschaftlicher Anliegen, die auch tatsächlich vertretenswert wären.

Man könnte nun einwenden, dass in einer Demokratie ja schon jeder selber entscheiden darf, was für ihn oder sie wichtig und richtig ist und ich bin wahrlich der Letzte, der die Rechte auf Meinungsäußerung und Selbstentfaltung einschränken möchte, es wäre mir allerdings daran gelegen, mal wieder an Kant zu erinnern; um genau zu sein an den kategorischen Imperativ. Für diejenigen, die’s mit Philosophie nicht so haben (und das dürften wohl die Meisten sein) subsummiere ich das mal mit zwei Sprichworten: „Was du nicht willst, das man dir tut, da füg auch keinem Andren zu.“, oder „Die Freiheit des Einen endet da, wo die des Anderen beginnt.“.

Aus vielen Einzelfreiheiten einen Weg zu destillieren, der für alle gemeinsam gangbar ist, stellt zugleich das Recht aber auch die Pflicht der Demokratie dar und in einem Zeitalter der Beliebigkeit, wie unsere Zeit gerne gelegentlich genannt wird, fällt das um so schwerer. Aber genau deswegen muss man, wenn man mal wieder dabei ist, dem Credo „was ändern zu müssen“ anheim zu fallen sehr genau darauf achten, das Veränderung zuerst immer bei einem selbst beginnt. Mit Mahatma Ghandis Worten, die heute kein Jota weniger aktuell sind als damals heißt das: „Sei du selbst der Wandel, den du in der Welt sehen willst.“ Recht verstanden bedeutet dies, zunächst sich selbst zu reflektieren und gegebenenfalls – nein besser höchstwahrscheinlich – zu ändern, bevor man beginnt, Wandel von Anderen zu fordern. Ein gutes Beispiel wird man nämlich nur, wenn einem „gut gedacht“ auch ein „gut gemacht“ folgt…

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