Veröffentlichen, auf Teufel komm raus!

Gelegentlich wirkt es wie ein Zwang, wie eine unsichtbare, nichtsdestotrotz mächtige Verpflichtung, Dinge aufschreiben und unter’s Volk bringen zu müssen. Bei näherer Betrachtung sozialer Medien ist das Sendungsbewusstsein, zumindest gefühlt, in den letzten wenigen Jahren enorm gewachsen. Auch die Formen haben sich pluralisiert. Mussten die ersten Blogger und Podcaster noch über fundiertes Know-How bezüglich der Struktur des WWW, verschiedenster technischer Apparate wie Mischpulte etc. verfügen und sich manche Softwarelösung mühsam selbst zusammenbasteln, liked man heute einfach, postet in Facebook, lädt seine Fotos zum semiautomatischen Aufhübschen in Instagramm, twittert seinen Senf über jedes Nachrichtenwürstchen und wasweißichnichtnochallest an weißderteufelwievielen anderen Stellen – damit auch ja jeder mitbekommt, wo man was mit wem gerade tut, welcher mehr oder weniger bekannte gerade welchen Fauxpas begangen hat und was es sonst noch Neues gibt.

Nicht das die meisten so genannten Nachrichten tatsächlich Neuigkeiten wären. Vielmehr ist das Meiste unter der Rubrik „auf Grund der Lebenssituation erwartbarer, sozial verkonventionalisierter Gossip“ einzuordnen; ich bin mir des Umstandes bewusst, dass die schlechten Nachrichten der Anderen das eigene Leben gleich ein wenig hübscher wirken lassen und soviel Menschlichkeit muss einfach mal gestattet sein; aber muss man damit gleich die ganze Welt beglücken? Noch dazu dauernd?

So ganz nüchtern betrachtet ist dieser Zinnober nichts weiter als der früher übliche Dorftratsch, nur auf einem anderem technischen Niveau. Und man muss seinem Gegenüber nicht mehr wirklich ins Gesicht bzw. aufs Maul schauen. Asynchrone Formen der Kommunikation haben die entscheidenden Vorteile, dass man sich seine Antwort gut überlegen könnte, wenn’s mal drauf ankäme und das man einen Teil der unbewusst mit übertragenen Subtexte frisieren bzw. ganz weglassen dürfte – keine Mimik, keine Gestik, im Zweifel auch keine Stimmlage; da bleibt nur die Wucht der Worte, die man selber skalieren kann. Klingt gut, wirkt aber furchtbar, weil so viele Menschen offensichtlich mit Worten nicht sonderlich gut umgehen können, oder aber bewusst die Situation der Distanz für Boshaftigkeiten aller Art missbrauchen. Darum weiter oben der Konjunktiv, denn so wie das Alter die wa(h)re Persönlichkeit wieder zum Vorschein bringt, tun dies auch social networks und ihre Kommunikationsdienste; leider ist Das, was da zum Vorschein kommt nicht selten wenig schmeichelhaft. Ja, die wahre Persönlichkeit wird hier zur Ware Persönlichkeit auf dem Jahrmarkt der virtuellen Eitelkeiten und wenn manch einer seine Energie anstatt für diesen Bullshit für vernünftige Dinge nutzen würde, wie z.B. etwas zu lernen oder Andere etwas zu lehren, könnte mein Blick auf meine Mitmenschoiden ein bisschen weniger zynisch ausfallen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zu letzt, auch ich mache in diesbezüglich keine Ausnahme, sonst bräuchte ich ja nicht Bildungswissenschaft zu studieren.

Nun ist es aber so, dass Öffentlich Machen – also das Posten von hoffentlich publikumswirksamen Belanglosigkeiten – und Veröffentlichen im publizistischen Sinne zwei vollkommen unterschiedliche Dinge sind, denn das eine wirkt als ex-ante-Freigabe für groben Unfug und das andere als Qualitätsanspruch für die zur Disposition stehenden Artikel. Journaille und Kanaille klingen zwar ähnlich, allerdings ist eine solche Analogie weder bei Journalisten noch bei Bloggern immer zulässig. Sicherlich hat der Qualitätsanspruch an den Journalismus mit dem steigenden Zeitdruck durch den Vormarsch des Digitalen in allen Lebensbereichen ein wenig gelitten; vielleicht auch ein wenig mehr. Die neuen Social media haben einen Konkurrenzdruck aufgebaut, der das klassische Printmedium in Bedrängnis bringen konnte. Gehaltvollen Content zu produzieren braucht aber handwerkliches Können und die Muße zur gründlichen Recherche, worin sich ernsthaftes Bloggen und journalistische Arbeit übrigens kaum unterscheiden. Damit bleibt als Differenzierungsmerkmal die nicht zu leugnende unternehmerische Notwendigkeit zur Profitgenerierung, doch auch ernst zu nehmende Blogger verfolgen mit ihren Publikationen heutzutage ja oft pekuniäre Ziele.

Interessant wird hier die Frage, wie man kritischen, unabhängigen, gleichsam informativen Journalismus betreiben kann, der seinen Machern ein auskömmliches Dasein erlaubt und dennoch für jedermann erschwinglich, verständlich und durch verschiedenste Kanäle verfügbar bleibt? Problematisch ist gegenwärtig, aus dem ganzen Wortmüll, der im Internet hin und her bewegt wird, den wertigen Content überhaupt herausfiltern zu können, da ernsthafte Blogger, Spaßblogger, journalistische Angebote und jede Menge Hobos, die zwar null Ahnung haben, darüber aber dennoch viel zu berichten wissen zu einer Melange verschmelzen, die zu überblicken mit jedem Tag schwieriger wird.
Ich erwarte wirklich nicht, dass jeder die Maßstäbe journalistischer Tätigkeit an seine Verlautbarungen anlegen muss, aber ich würde mir wünschen, dass mehr Kontemporanzien denken, bevor sie posten und sich erst informieren, bevor sie irgendjemandes leidlich leckere Opinion-to-go-Häppchen Kritikfrei regurgitieren.

Was nun meine eigene publizistische Tätigkeit angeht, ist diese gegenwärtig zumindest auf zimbocom.de weitestgehend frei von finanziellen Interessen, wenngleich ich nicht umhin kann zu hoffen, dass Leute, die hier lesen sich vielleicht auch mal für die Bücher interessieren, die ich zusammen mit meinem guten Freund Claus Volz auf faeries-inkpot.de veröffentlicht habe und in Zukunft auch wieder veröffentlichen werde. Ansonsten ist es mein erklärtes Ziel, Menschen den Sinn des Lernens und Informiertseins nahe zu bringen, sie eventuell sogar dazu zu bewegen, Interesse in Aktion umzusetzen und ihre eigenen Ressourcen zu nutzen, anstatt nur zu existieren.

Klingt einfach, doch Menschen neigen offensichtlich dazu, sich in der erstbesten Nische der gemütlichen Selbstbeschränkung einzurichten; meistens leider gleich für immer. Sich außer zum Zwecke des täglichen robotens, des gelegentlichen Besuchs sozialer Events oder des Fitnessstudios von der Couch zu erheben, ist ja aber auch SO VERDAMMT ANSTRENGEND… Nun ja, ich habe meine rhetorische Munition noch lange nicht verbraucht und vielleicht wirken meine Worte ja doch hier und da. Also – aufwachen, mal aus der Nische kommen, aufrichten, umschauen und was dazulernen, anstatt auf Fratzenbuch das 100. unnötige Foto zu teilen, oder den 1000. unnötigen Kommentar zu verfassen! Hat noch keinem geschadet!

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