Smalltalk statt serious content?

Wir haben an dem Tag, da ich diese Worte schreibe den 19 Oktober und ich sitze in T-Shirt und kurzer Hose im Garten. Eigentlich ist es ja eher nicht mein Ding, mich zum Wetter zu äußern, denn bei diesem Thema gibt’s wenig argumentative Arbeit. Das Wetter ist wie das Wetter ist wie das Wetter. Andererseits soll man ja an den Klimadaten schon sehen können, wohin unsere Treibhausgaserei uns noch führen wird; nämlich ins Armageddon. Hm… es gehört auch nicht unbedingt zu meinem Portfolio Katastrophenszenarien zu entwerfen, wie das amerikanische Doku-Sender immer wieder tun. Kann man super an unseren Nachrichtenkanälen beobachten, wenn man mal nicht zur Primetime einschaltet. Da ist vom Meteoriteneinschlag, über Sonneneruptionen, Aliens und natürlich auch Klimakatastrophen und Kriege alles dabei, was das Herz zum Verdüstern braucht. Früher hat man sich zum Gruseln Freddy Krüger oder Jason Vorhees reingezogen, heute reichen dazu wenig seriös aufgemachte Dreiviertelstünder auf dem Newschannel. Es verwundert auch wenig, dass alle 12-13 Minuten Werbepause ist. Das folgt dem schon lange bekannten Muster, den Konsumenten zu immer kürzeren Aufmerksamkeitsspannen zu erziehen. Denn wer ungeduldiger ist, kauft öfter Neues, weil die Befriedigungsdauer zusammen mit der Aufmerksamkeitsspanne ebenso sinkt.

Aber allen potentiellen Katastrophen zum Trotz – fiktiven, wie wahren – gilt das Wetter als Part des Smalltalks, des gepflegten Austausches von Unwichtigkeiten. Nun gehört zur Fähigkeit der Konversation – und zu dieser Disziplin zählt auch der Smalltalk – die Kenntnis um die korrekte Unterscheidung von nichtig und wichtig, sowie ein Grundverständnis für größere Zusammenhänge. Nichts ist für mich bei einem Gesprächspartner nervtötender, als feststellen zu müssen, dass hinter einigen Allgemeinplätzen und viel heißer Luft wenig substantielles bleibt, was die Hoffnung auf eine interessante und eventuell sogar tiefschürfende Unterhaltung nähren könnte, nachdem das gefällige Blendwerk abgebrannt wurde. Ich habe kein Problem, wenn jemand zu einem Thema nichts beizutragen weiß, es gibt jede Menge Dinge, von denen ich nicht den leisesten Schimmer habe. In solchen Fällen soll Zuhören helfen, denn dabei kann man unter Umständen etwas lernen. Was ich jedoch auf den Tod nicht ausstehen kann, sind Menschen, die versuchen, sich mit gefährlichem Halbwissen, ein bisschen Hörensagen und einem aufgeblähten Ego in jede sich bietende Kommunikationssituation zu drängen; wenn man mit den Wölfen heult, sollte man auch wissen, wie gebissen wird.

Abseits dieses Exkurses findet man rasch wieder zur eigentlich interessierenden Frage: ist das Wetter ein Thema für Smalltalk, oder vielleicht doch serious content. Und die ist aus meiner Sicht ganz einfach zu beantworten. Wenn man nur wenig Ahnung davon hat, sollte man es beim Smalltalk belassen. Ich bin kein Meteorologe, Physiker und was weiß ich, was für Fachrichtungen sich noch damit befassen … als Dendrochronologen tätige Botaniker kämen vermutlich auch noch in Betracht. Daher kann ich zum Thema Klimawandel aus wissenschaftlicher Sicht nichts Sinnvolles beitragen. Allerdings regt mich die aus meiner ganz persönlichen Sicht ungewöhnliche Witterung zum Nachdenken an. Und alsbald bin ich wieder bei der einen Frage, die mich in der letzten Zeit dauernd umtreibt: wann werden jene, die angetreten sind, uns zu regieren – oder auch zu beherrschen, das hängt ja immer von der jeweiligen Perspektive des Handelnden ab – endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir Menschen wichtiger sind, als jedwedes geopolitisch-wirtschaftliche Machtinteresse? Weil wir Menschen jeden Staat auf dem Erdenrund konstituieren. Und weil wir, diese Menschen, jeder in sich drin, einfach nur Menschen sind, mit menschlichen Bedürfnissen, Interessen und Sehnsüchten, menschlichen Konflikten, Sorgen und Problemen.

Aus dieser Sicht könnte es eigentlich egal sein, ob man Smalltalk macht, der Menschen einander näherzubringen helfen kann, oder ob man über ernsthafte Themen redet, die uns alle angehen. Eigentlich hat jedes Sujet diese zwei Seiten, doch ob man mit der Medaille richtig umgehen kann bestimmt, ob wir miteinander auskommen oder nicht. Immer wieder von der einen Ebene zur Anderen wechseln zu können, ohne Brüche zu erzeugen, ohne das Interesse oder den Respekt für das Gegenüber zu verlieren; erst dieses Verständnis stiftet ein Miteinander. Doch solange so viele Individuen Kommunikation als Ort der Selbstdarstellung missbrauchen, anstatt in einen ehrlichen und respektvollen Dialog einzutreten, solange das Ego alles Handeln diktiert und jedes Gespräch wie ein Kampf geführt wird, bleiben wir weiter mit Highspeed auf dem Highway der Missverständnisse und Konfrontationen – zu schnell, um je eine Ausfahrt erkennen zu können. Lehnt euch doch alle mal zurück und versucht euch selbst beim Reden zuzuhören. In diesem Sinne, eine schöne Woche.

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