Oh du fröhliche…

Ach ja, es ist schon seltsam. Immer wenn sich der 24 Dezember nähert, findet man in den verschiedensten Presseerzeugnissen – und heutzutage natürlich auch in den Online-Medien – satireartige Artikel, welche die höchst ambivalente Verbindung des jeweiligen Autors zum höchsten Fest im Jahr auf mal mehr, mal weniger humoreske Art kolportieren sollen. Die Basis dafür bilden die, häufig als gefährlich beschriebene, Gemengelage interfamiliärer Beziehungsgeflechte, sowie die stets überzeichneten Befindlichkeiten einiger stereotypisierter Mitglieder der Mischpoke. HA HA, WITZIG…

Ich will gestehen, dass auch in meinem Familienverbund das Eine oder Andere nicht gerade zur Gemütlichkeit gereicht, wenn denn mal wieder die (f)rohen Festtage anstehen. Und natürlich juckt es auch mich manchmal in den Fingern, eine saftige kleine Abrechnung mit den durchaus in gewisser Zahl auffindbaren Schrullen, Vorstellungen und Handlungsweisen hinzuknallen; mit jedem vergehenden Jahr wird dieser Drang allerdings ein wenig kleiner. Nicht, weil etwa plötzlich alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre. Wer glaubt den sowas? Allerdings wird man mit zunehmendem Alter ruhiger, duldsamer und weiß solche Zusammenkünfte auf einer anderen Ebene zu schätzen als früher.

Natürlich werden bei solchen seltenen Gelegenheiten immer die gleichen ollen Kamellen aufgekocht, natürlich sind die über Jahrzehnte ausgefeilten, in Traditionen geronnenen Rituale wenn überhaupt, so nur geringen Wandlungen unterworfen und ebenso natürlich passieren Peinlichkeiten, auf die man hätte verzichten können. Aber meine Mutter kann immer noch ziemlich gut kochen. Sich des Gesundheitszustandes meiner Verwandten versichern zu können, bekommt über die Jahre eine größere Priorität, denn wer weiß schon, wie alt sie noch werden. Das hat nichts mit Zynismus zu tun, sondern mit der schlichten Wahrheit, dass wir alle irgendwann sterben müssen. Hat man sich vorher mal damit beschäftigt, haut es einen wenigsten nicht vollkommen aus den Latschen, wenn ein lieber – das gilt aber auch für einen nicht ganz so lieben – Verwandter in Gras beißt.

Weihnachten ist das Fest der Liebe, sagt man und es kann nicht schaden, sich in diesem Zusammenhang nochmal zu vergewissern, wen man liebt und warum. Und ganz nebenbei kann man es auch als Test nutzen, um herauszufinden, wer einen selbst zurückliebt. Man sollte jetzt nur nicht dem Irrtum aufsitzen, dass sich dies anhand des summierten Wertes der Geschenke ablesen lässt. Ich gestehe: auch ich lasse mir gerne etwas schenken. Ich freue mich schon, wenn man mir eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lässt. Wer tut das nicht? Ich schenke aber auch gerne. Und ich erlebe den Heiligen Abend im kleinen Kreise meiner eigenen Familie als eine Art Zeitreise, wenn leuchtende Kinderaugen das Ratsch-Ratsch begleiten und sich der Verpackungsaufwand in Restmüll verwandelt; ich selbst mache es auch heute noch wie früher: Ratsch-Ratsch! Früher aus reiner Ungeduld. Heute kann ich wenigstens behaupten, dass ich nicht an die Wiederverwendbarkeit von Geschenkpapier glaube…

Der ganze Trubel dauert wenige Tage und versetzt dennoch über Wochen und Monate die Gemüter in Wallung wie Nichts sonst; außer vielleicht Kriegsalarm. Das allein ist ausreichender Anlass, sich ein bisschen darüber lustig zu machen. Aber bitte nicht zu sehr. Denn bei aller Sorge um die Vorbereitung prandialer Detonationen, reicher Gabenteller und duchgestylter Wohnungen bleibt allzu oft auf der Strecke, was so viel beschworen, aber so selten erreicht wird: nö, nicht die Besinnlichkeit. Die kommt nämlich von ganz alleine, wenn man Frieden findet. Den Frieden, den Weihnachten uns eigentlich versprechen will. Mal schauen, ob wir’s dieses Jahr wieder schaffen, ihn wenigstens im Kreise der Familie zu halten? Das wünsche ich euch allen. Bis die Tage wieder.

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