Me, Self and I #03 – allzu privates.

Arbeit ohne Ende. Ohne in’s Detail gehen zu wollen, aber die letzten 10 Tage hatten es in sich. Drum hat es auch länger gedauert. Gedanken zum Thema habe ich mir schon lange gemacht. Oder besser – ich tue das andauernd. Denn es gibt wenige Themen, die so kontrovers diskutiert, aber auch gelebt werden, wie „Privatspäre“. Womit wir auch schon am ersten Problem angelangt wären: was ist denn das, diese sogenannte „Privatsphäre“?

Näher wir uns der Sache juristisch, finden wir den Artikel 2 des Grundgesetzes, sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Hier ist festgelegt, dass es bestimmte Bereiche unseres Lebens gibt, auf die weder andere Menschen (auch Konzerne) noch Ermittlungsbehörden einfach so zugreifen dürfen. Dass es mit dem tatsächlichen Schutz nicht immer soweit her ist, wie einen das bloße Lesen der Gesetzestexte vielleicht suggeriert zeigen die Debatten um z.B das Polizeiaufgabengesetz in Baden-Württemberg und Bayern. Man mag die Bedenken der Beschwerdeführer teilen, oder auch einfach glauben, dass die Polizei ihre Befugnisse schon verantwortungsbewusst einsetzen wird – einfach ist der Themenkomplex nicht. Denn von den vielen wird ein Eingriff in die Privatsphäre als Angriff auf ihre Bürgerrechte verstanden.

Dies berührt die Frage, wie viel Einschränkungen die Bürgerrechte verkraften, bevor die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Staates bedroht ist. Doch dieser Frage werde ich mich demnächst in einem anderen Post widmen. Heute soll es eher um die feine Trennlinie zwischen privat und öffentlich gehen. Denn beides agiert auf vielfältigere Art miteinander, als ich dies in einem einzelnen Blogpost darstellen könnte.

Das Gefühl dafür, wie viel Privatspäre ich brauche, scheint bei Menschen höchst unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Ein einfacher Blick in die sozialen Netzwerke offenbart dabei eine beinahe erschütternde Bandbreite an Sorglosigkeiten. Fast scheint es, als wenn die Annehmlichkeiten, welche die Preisgabe von Daten zum Beispiel bei Konsumtätigkeiten mit sich bringt (schnelle, unkomplizierte, beinahe Berührungsfreie Abwicklung, Lieferung frei Haus, am besten gleich, etc.) die virtuelle Nacktheit rechtfertigt, die dabei zwangsweise entsteht. Die Einfallstore für den Missbrauch dieser Daten (bis hin zum Identitätsdiebstahl mit den Folgekosten) werden dabei vollkommen ignoriert. Selbst der Umstand, dass Personaler (übrigens auch ich) potentielle Job-, oder Ausbildungsplatz-Kanditaten googeln oder facebooken, scheint vielen vollkommen egal. Oder ihnen ist schlicht nicht bewusst, wie leicht man online gefunden werden kann; selbst mit verdrehtem Facebook-Namen…

Ein weiterer Punkt ist die politische oder ethische Gesinnung. In der vermeintlichen Anonymität des Netzes (oder in der Ignoranz der eigenen Außenwirkung) werden Aus- und Ansagen getroffen, die man wahrscheinlich sonst nicht unbedingt tätigen würde. Die Mitgliederzahl der „das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen!“-Fraktion scheint in meinem Bekanntenkreis auf gleichbleibend niedrigem Niveau zu stagnieren. Was aber nur daran liegt, dass ich offenkundige Nazis gleich aussortiere. Und mit Nazi meine ich Menschen, die unsere Gesetze verbal missachten, sich Ausländer- oder Minderheiten-feindlich äußern, oder eindeutige Zeichen auf ihren sozialen Seiten haben. Da gibt’s auch kein „Na ja, war vielleicht ein Ausrutscher…“ Wer Sticker und Memes in den Farben der Reichskriegsflagge und mit eindeutig fremdenfeindlichen Texten auf seiner Seite hat, ist kein Patriot, sondern entweder extrem naiv und dumm, oder ein Nazi. Ende der Diskussion!

Was ich in meinem Kämmerlein über Manches denken mag und was ich öffentlich äußere… die Gedanken seien frei, hieß es einmal. Und sicher darf man denken. was man will, sofern daraus kein Unrecht an anderen erwächst. Auch mir entfleucht manchmal in den heimatlichen vier Wänden mal eine Äußerung, die eventuell sogar justiziabel sein könnte (allerdings eher linker Natur). Ich käme jedoch nie auf die Idee, meine politische Meinung und meine Arbeit miteinander zu verquicken. Von daher empfinde ich eine rote Linie zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen als notwendig. Doch sie wird von immer mehr Menschen ignoriert, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Denn je mehr ich den Begriff Privatsphäre durch mein eigenes Tun oder Lassen (Stichwort: Selbstverdatung) entwerte, desto mehr wecke ich die Begehrlichkeit des Staates nach der endgültigen Schöpfung eines gläsernen Bürgers.

Doch dieser Gedanke gruselt mich. So sehr ich meine mediale Präsenz schätze und pflege – es gibt Aspekte meines Selbst, die andere, insbesondere Fremde und den Staat nichts angehen. Denn sollten wir jemals wieder einer Autokratie entgegen gehen, muss ich in den Untergrund, da ich den Nazis zur Not auch mit der Waffe in der Hand entgegen trete, bevor ich ein viertes Reich zulasse! Bereits mit dieser Äußerung habe ich zuviel gesagt. Aber ich möchte jeden dazu anregen, sich selbst darüber klar zu werden, wie viel von sich er, oder sie, oder es da draußen bekannt geben möchte. Privatsphäre bedeutet ein Stück Macht gegenüber jenen, die Macht über uns alle erlangen wollen. In diesem Zusammenhang sei jedem noch mal dieses Stück von Reinhard Mey empfohlen. Ich wünsche eine schöne Woche.

Ach ja, als nächstes kommt in dieser Reihe „allzu optimiert…?“

Auch zum Hören…

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