Märchenonkel sozial – Rollenspiel für Dummies #6

Jeder kennt solche Momente. Man steht irgendwo umher, signalisiert nonverbal, oder unter Umständen auch mittels Verlautbarung, dass man Kommunikationsbedarf hat und wird einfach ignoriert. Ob das nun in einem Elektronikladen stattfindet, wo offensichtlich immer alle so genannten Fachverkäufer verschwunden sind, wenn man nicht sofort einen Tausender auf den Tisch legt, oder in irgendwelchen Verwaltungen, Praxen oder sonst welchen halb-öffentlichen Orten, wo irgendein Telefonat oder der Kollege viel, viel wichtiger sind, als der Hufe scharrende Präsenzkunde; es ist ein Naturgesetz, dass man immer dann nicht zum Zuge kommt, wenn zum Zuge kommen am Allerwichtigsten wäre.

Nun ist es so, dass alle Kommunikation auf Übertragung von Zeichen beruht, unabhängig davon, welche Form diese Zeichen haben mögen und welches Medium sie zur Übertragung nutzen. Zeichen haben Bedeutungen; so gut wie jeder Mensch versteht zum Beispiel den nach oben abgespreizten Daumen als Symbol für „alles soweit gut / in Ordnung“. Den Zeigefinger senkrecht an die Lippen zu heben bedeutet, dass das Gegenüber still sein soll. Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen, aber es wird auch jetzt schon klar, dass wir tagtäglich Unmengen an durch Symbole kodierten Informationen verarbeiten, egal auf welche Art wir diese aufnehmen. Wir können das, weil wir uns vom frühesten Kindesalter an die Codes unserer Umwelt aneignen. Auch das ist Teil von Sozialisation.

Schade nur, dass dieser Teil unserer Persönlichkeit allzu oft schlafen geht, wenn wir uns an einem Spieltisch zusammen finden. Sowohl als Spielleiter, als auch als Spieler ist man auf Aktionspunkte angewiesen, also auf Orte und Personen im Kontext des Spiels, mit denen zu interagieren die Handlung voran bringen kann. Nun haben diese Orte oder Personen aber nicht, wie in irgendwelchen Computerspielen, ein goldenes Frage- oder Ausrufezeichen über sich schweben, dass sie als solchen Aktionspunkt ausweist. Damit verkomplizieren sich die Dinge allerdings; und zwar spätestens in dem Moment, da der Spielleiter der Meinung ist, die Spieler sollen gefälligst die Rolle spielen, also ihren Charakter darstellen, um an ihre Infos oder sonstewat zu kommen, immerhin heißt das Ganze ja Rollenspiel und die Spieler im Gegenzug aber einfach nur auf ihre Fertigkeit würfeln wollen. Das entgegen gesetzte Beispiel gibt es natürlich auch…! Doch nicht nur sich offenbarende Unterschiede hinsichtlich der Frage, wie das Spiel denn am Besten gespielt werden sollte, bringen hier Probleme mit sich. Das schlichte Ignorieren der einfachsten Prinzipien des Kommunizierens ist ein viel dickerer Hund, der hier ziemlich oft unter dem Tisch voller Papier, Stifte, Würfel und Fusti begraben liegt.

Man kann nicht NICHT kommunizieren. Wenn man kurz darüber nachdenkt wird klar, was damit gemeint ist. Auch ein ablehnender Gestus und ein Brummeln haben eine Bedeutung, nämlich „lass mich jetzt in Ruhe!“ Versteht eigentlich jeder, oder? Wenn man nun mit offenen Augen und Ohren durch die Spielwelt wandert, bekommt man jede Menge Dinge mit. Vielleicht ist nicht alles davon essentiell für die Geschichte, aber das muss ja auch nicht so sein. Parts der Erzählung, die zum Flair des Settings beitragen, oder Nebenschauplätze beleuchten, sind auch reizvoll. In jedem Fall aber ist Aufmerksamkeit gefragt! Besonders, wenn der Spielleiter eine Person oder einen Ort vielleicht etwas ausführlicher als das Drumherum beschreibt, darf man hellhörig werden, denn hier lauert eine Chance zur Interaktion … oder eben auch nicht, wenn man einfach dran vorbei latscht, weil man gerade SEIN Ding machen will. Kein Thema, wenn so was ein, zwei Mal am Abend passiert. Vielleicht enthält die Agenda dieses Spielers Enden, die sich mit dem, was man als Meister plant verknüpfen lassen. In aufwendigeren Kampagnen wird überdies irgendwann so gut wie jeder Charakter nebenbei noch sein eigenes Süppchen kochen, doch darauf gehe ich ein anderes Mal ausführlicher ein. Wenn allerdings nun immer wieder an solchen so genannten Plothooks – also Stellen, an denen man sich an den Plot hängen kann – vorbei marschiert wird, weil man gerade nix mitbekommen hat, oder meint, Anderes sei jetzt gerade wichtiger, kann das auf die Dauer die Geduld des Spielleiters auf eine harte Probe stellen.

Das funktioniert aber auch umgekehrt. Es gibt Settings, die von vorn herein so angelegt sind, dass die Spieler sie auf eigene Faust explorieren können und sollen. Solches Sandboxing kann sehr reizvoll sein, wenn es allerdings darauf hinausläuft, dass die Spieler immer wieder im Kreis laufen, weil sie einfach nicht erraten können, worauf der Spielleiter denn nun hinaus will, wird das irgendwann sehr öde. Wie auch im echten Leben braucht es Ziele, die man verfolgen kann. Natürlich kann das Ziel eines Spiels das nackte Überleben sein, aber wenn wir mal ehrlich sind: beim Zocken gehört zur Pain auch das Gain! Wenn nun der Spielleiter die Interaktionsinteressen der Spieler ignoriert, sie immer wieder, entweder aus Faulheit, Arroganz, oder falsch verstandenem Laisser-faire hinter den falschen Fährten herhetzen lässt, oder mit allen Mitteln versucht, sie auf seine, als einzig zulässig betrachtete Interpretation der Geschichte zu zwingen – oh, wie ich Railroading HASSE! – fährt der Spieldampfer ebenso auf Grund, denn irgendwann endet Ignoranz, egal aus welcher Richtung, in Unmut!

Man könnte schon sagen, dass es recht seltsam ist, dass so viele Spieler und Spielleiter aneinander vorbei reden, wo Rollenspiel doch ein soziales Spiel ist, oder? Allerdings muss man den Umstand betrachten, dass einfach viele verschiedene Persönlichkeiten und Temperamente am Spieltisch aufeinander treffen, was das Miteinander dort zu einem miniaturisierten Abbild des Miteinanders im großen, echten Leben macht. Zwar trifft man sich in der Regel mit Freunden, weil man seine Freizeit ja kaum mit jemandem verbringen möchte, den man nicht leiden kann, aber auch das schützt nicht vor Missverständnissen. Es menschelt also, aber wenn ALLE, also explizit auch der Meister, ein paar Regeln beachtet wird alles etwas einfacher:

1) Zuhören, wenn Andere etwas sagen!
2) Anderen NICHT die eigene Meinung / Interpretation aufzwingen wollen!
3) Versuchen der Charakter zu sein und nicht immer nur man selbst!
4) Zuhören, wenn Andere etwas sagen!
5) Einen anderen Spielstil als den Eigenen einfach akzeptieren – oder woanders spielen!
6) Die eigene Agenda zu Gunsten des Spiels, der Geschichte auch mal hintenan stellen!
7) Zuhören, wenn Andere etwas sagen!
8) Aufeinander eingehen!
9) Auch einfach mal Fünfe grade sein lassen!
10) Hab ich eigentlich schon erwähnt: Zuhören, wenn Andere etwas sagen?
11) …und immer schön locker durch die Hose atmen, wenn mal die Luft brennt!

Ich versuche stets, mich an diese Prinzipien zu erinnern und jedermann darf versichert sein, dass ich jedes Einzelne regelmäßig vergesse oder auch mal bewusst missachte, weil ich ein Mensch bin. Aber ein bisschen mehr davon und ein bisschen weniger auf die Kacke hauen macht alle am Tisch glücklich; in diesem Sinne: always game on!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert