Menschen lieben Trends. Trends zu folgen gibt einem in einer (gefühlt) immer entgrenzteren Welt die Gewissheit (das Gefühl), irgendwo dazugehören zu können. Und das hilft doch bei der Bewältigung des Weltschmerzes, oder? Immerhin wissen wir ja seit dem nicht ganz folgenlos gebliebenen Buch von Ulrich Beck, dass wir in einer „Risikogesellschaft“ leben. Soziologen, die sich mit ihren Publikationen ins helle Licht der nicht-fachlichen Öffentlichkeit trauen, ergehen sich gerne in Gesellschafts-Diagnosen und legen ebenso gerne auch gleich einen Lösungsvorschlag bei. Wichtig zu wissen ist dabei, dass auch Geisteswissenschaftler Trends lieben – insbesondere, wenn man jeweils ihrem eigenen folgt.
So ist das mit den Bezeichnungen für so genannte Jahrgangskohorten. Ich zum Beispiel gehöre nach üblicher soziologischer Meinung zur Generation X! Wir wären die ersten (und vermutlich auch Einzigen), die ohne den Eindruck des Krieges, dafür aber in dauerhaft wachsendem, allgemeinem Wohlstand groß geworden sind, denkt man. Menschen im nahem Osten, Schwarzafrika und Südamerika mögen das tendenziell anders sehen, aber wenn wir schon wissenschaftlich arbeiten, dann bitte mit reiner Nabelschau, was scheren mich denn die Probleme der restlichen Welt in meinem Elfenbeinturm. Man mag mir meine Polemik verzeihen, denn im Allgemeinen habe ich wohl nichts gegen Soziologen. Manches, was sie beizutragen haben, hilft mir sogar bei meiner Arbeit. Aber so manches möchtegern-kluge Büchlein kommt da doch mit einer arg verkürzten Weltsicht daher stolziert.
Das gilt auch für diesen lächerlichen Trend mit der Generation Y. Man soll es „Generation Why“ aussprechen, weil die angeblich alles hinterfragen würden. Tut mir leid, aber wenn ich mir diese „Millenials“ oder „Digital Natives“ so anschaue und ihnen zuhöre, dann offenbaren nicht wenige von denen – speziell, wenn es um neue (soziale) Medien geht – ein überraschend großes Maß an Naivität im Bezug auf die reale Welt. Dazugehören scheint vielen da wesentlich wichtiger, als Dahinterschauen oder gar selber denken… Womit wir wieder beim Trend wären. Es scheint zum Zeitgeist zu gehören, mehr für sich zu fordern, seinen Wert zu reklamieren, zu widersprechen und Hierarchien anzuzweifeln. Warum das jedoch notwendigerweise so sein muss, diese Erklärung bleiben die Soziologen und auch die Vertreter der „Generation Warum“ selbst einstweilen schuldig.
Man könnte konstatieren, dass tradierte Formen des Sozialen sich überlebt haben, weil ja jetzt alles hip und chic und digital und so weiter ist. Wenn man moderne Periodika liest, fragt man sich schon, ob es irgendwo noch Orte gibt, an denen malocht wird – so ganz klassisch im Sinne von Wertschöpfung im Schweiße des eigenen Angesichts. Denn auch in einer Wissensgesellschaft gibt es Arbeit, die manuell erledigt werden muss; die Pflege zum Beispiel. Da gibt es flache Hierarchien schon recht lange. Lässt man seinen Blick eine Weile schweifen, findet man heraus, dass es jede Menge Jobs gibt, die auch heute noch so funktionieren, wie seit Jahrzehnten. Nicht weil es dort keinen Innovationswillen gäbe, sondern weil manche Dinge halt so sind, wie sie sind und die Neuerfindung das Rad nicht runder macht. Und dann kommt so ein Schwafler wie der hier daher und will mir weismachen, dass ich ein sauteures Kommunikations-Seminar brauche, um mit Menschen reden zu können, nur weil die nach 1990 geboren sind…? Echt jetzt?
Sorry, Leute, die Generation Y gibt es so wenig, wie fliegende Schweine ohne Katapult-Benutzung. Und auch, wenn der eine oder andere das jetzt nicht gerne hört: auch die so genannten „digital natives müssen“ sich mal daran gewöhnen, dass man Leistung zeigen muss, BEVOR man die Lorbeeren dafür ernten kann. Dass man sich auch einfach mal unterordnen können muss, weil es jemanden gibt, der über einem steht (und das vielleicht sogar mit gutem Recht) . Dass das abgefahrene neue Konzept für jemanden mit viel Erfahrung auch nix anderes mehr ist, als alter Wein in neuen Schläuchen. Und das das Rad an sich, so als Design betrachtet halt einfach schon saugut ist. Denn egal, in welchem Jahr ich geboren wurde – ein bisschen Demut hat noch keinem geschadet.
Ich sage nicht, dass wir keine Innovatoren brauchen, also Leute, die Dinge verändern (wollen). Doch bevor ich verändere, sollte ich mir darüber klar sein, mit welchen Mitteln, auf welchen Wegen ich welches Ziel erreichen will; und ob dieses Ziel eine Verbesserung des Status Quo darstellt. Und das kriegen Leute meiner Generation meist besser hin, weil wir halt ein bisschen mehr Erfahrung mitbringen. Und Tschüss, ihr Lappen.