Gemeinsam eine Geschichte erzählen! Das ist das eigentliche Herz von Pen’n’Paper-Rollenspiel. Natürlich hat man als SL ein wenig Macht über die Rahmenbedingungen innerhalb der Spielwelt. Allerdings hat man vorher einen Common Ground abgesteckt. Ich mache es nicht so wie Matt Collville, dass ich vorher 3 – 5 mögliche Kampagnensettings pitche, und sich die Spieler dann raussuchen können, auf welche Art von Plot sie Bock hätten. Ich finde das deswegen ein bisschen ungünstig, weil ich als Berufspädagoge weiß, dass man gegen die Erwartungen der Teilnehmer anunterrichten muss, wenn man vorher zuviel vom Unterrichtsplot preisgibt. Beim Pen’n’Paper ist das nicht anders. Ich verbaue mir mit etwas Pech die Möglichkeit, einen Metaplot in andere Richtungen zu entwickeln, wenn die narrative Notwendigkeit sich ergibt. Mal davon abgesehen, dass ich einen starken Mix aus allen Elementen mag – Rätsel und Mysterien, Diplomatie und soziale Interaktion, taktisches Vorgehen und Kämpfe; alles hat seine Daseinsberechtigung und sollte in angmessener Menge in einer Kampagne vertreten sein; wobei nicht jede einzelne Sitzung sich derart „abmischen“ lässt, um mal eine DJ-Metapher zu bemühen. Und dann kommt noch das „Plan-X“-Element dazu, denn was ich plane, und was die Spieler dann damit machen, sind ja mehr als zwei Paar Stiefel.
Nun ist es so, dass ich in letzter Zeit auch häufiger wieder selbst zum spielen komme, weil sich ein zweiter Spielleiter für unsere Gruppe gefunden hat. Ich bin dafür sehr dankbar. Da es sich um eine High-Fantasy-Welt handelt, die wir zwei kollaborativ entwickelt haben (und die ursprünglich mal für eine Romanserie gedacht war, von der wir bis heute nur den ersten Teil – fast – realisiert haben), gibt’s manchmal Diskussionen um dieses oder jenes, weil das Regelwerk von mir stammt. Nichtsdestotrotz macht es einen Heidenspaß. Und, wie ich schon ein paar Mal gebeichtet hat, bin ich alles andere als ein leiser oder zurückhaltender Spieler. Dass ich mir dann meist auch noch Charaktere mache, die eher nicht introvertiert sind, macht es manchmal für meine Mitspieler nicht einfacher. Dennoch stehe ich auf dem Standpunkt, dass man das Erzählrecht, sofern der eigene Char in die jeweilige Szene involviert ist – beanspruchen kann, wann, wozu und wie man möchte. Natürlich gibt es hierzu Einschränkungen: man kann nicht einfach etwas tun, was der Char schlicht nicht tun kann. Man kann grundlegende Gesetze der Physik nicht einfach missachten (es sei denn der Char hat Fähigkeiten, die dies zumindest teilweise möglich machen => Magie in ihren verschiedenen Spielarten). Und man kann nicht einfach Dinge tun, die weder technisch, noch sozial, noch politisch in das Setting passen (in High-Fantasy-Szenarien gibt’s keine sozialen Medien und üblicherweise auch keine Demokratie; und zumeist auch keine Handfeuerwaffen, es sei denn man spielt in D&D 5E bei Matt Mercer ’nen besessenen Artificer).
Neulich ist folgendes passiert: ein anderer Char, der neu zur Gruppe stieß, war auf der Suche nach etwas. Und weil man ins Gespräch gekommen war, äußerte er die Bitte, dass wir ihm doch bei der Suche helfen mögen. Mein aktueller Charakter ist eine Bardin, die mit sowas überhaupt kein Problem hat; sie sucht noch ein bisschen nach ihrem Stil, ist aber offen für Neues. Sie nahm diese Bitte also zum zum Anlass, auf dem Markt auf ein Faß zu steigen, die Anfrage für alle weithin hörbar zu deklamieren, und darauf zu hoffen, dass sich eine Reaktion zeigen möge. Was ein anderer Char (oder besser dessen Spielerin) zum Anlass nahm, ein wenig pissed zu reagieren, weil man ein etwas subtileres Vorgehen (vulgo Straßenweisheit-Rumgeeier in den „Schatten“) für besser hielt. Oder sich davon mehr Spotlight versprach. Nun muss ich an dieser Stelle klipp und klar sagen: auf welche Weise man eine Aufgabe löst, entscheidet man im Pen’n’Paper selbst! Wann und wie man das Spotlight für sich beansprucht, entscheidet man selbst! Wie sehr man beim Zocken „in character“ geht, entscheidet man selbst! Klar, manchmal hocken sich die Spieler – oder besser ihre Chars – zusammen und machen einen Plan; der in aller Regel die erste Berührung mit dem Feind nicht vollkommen unbeschadet übersteht. Aber das ist ein anderes Thema. Aber wie einzelne Spieler durch ihre Chars die einzelnen Teile eines Planes umsetzen, oder welche Einzelaktionen sie wie durchführen, entscheiden sie selbst! Andernfalls hätten sie keine Player Agency – kein Erzählrecht!
Ich habe kein Problem damit, im Spiel für andere zurückzustecken. Und ich habe auch kein Problem damit, meine Ressourcen zu teilen. Aber ich kann keine Gedanken lesen. Und wenn ich keine Hinweise auf die Pläne anderer Leute bekomme, dann mache ich halt mein Ding… einfach weil das ein Spiel ist, und ich Spaß haben will! Nun gehe ich naiv davon aus, dass andere das genauso machen, und bin zugegebenermaßen jedes Mal ein wenig irritiert, wenn mich hinterher jemand anmault, anstatt vorher zu sagen, was er oder sie vorhat. Dazu ist Kommunikation nämlich gut. Nun könnte man einwenden, dass es Aufgabe des Spielleiters ist, das Spotlight „gerecht“ zu verteilen. Aber es gibt keine gerechte Verteilung! Es gab, gibt und wird auch in Zukunft immer Spieler geben, die wie ich fröhlich durch das Abenteuer walzen, und versuchen, die Welt nach ihrem Bilde zu gestalten; und andererseits solche, die gerne der Geschichte bei ihrer Entfaltung zuschauen, und sich ausreichend unterhalten fühlen, wenn sie ab und zu mal ein paar Würfel werfen und damit irgendwas Cooles tun können. Das ist jetzt eine sehr grobe Unterteilung, aber nach meiner Erfahrung reicht diese, um die entsprechenden Protagonsten am Tisch abzuholen. Problematisch sind mittelfristig nur die, die sich einfach nicht entscheiden können, ob sie Rampenau sein wollen, oder nicht… Ich selbst gestalte gerne, ich mag es dramatisch, und ich schauspielere auch ein bisschen am Tisch. Das ist mein Stil. Wenn sich jemand davon an den Rand gedrängt fühlt, tut mir das leid. Aber jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Und ich bin nicht bereit, mich hierbei zu ändern, weil mein liebstes Hobby einer der wenigen Orte ist, an denen ich diesem Teil meiner Persönlichkeit freien Lauf lassen kann. Das ist mein Spaß – und den will ich mir nicht nehmen lassen. In that sense I will always game on…