Der verwirrte Spielleiter N°24 – Abenteurer-Urlaub?

Ich bin heute beim Chillen und Surfen (natürlich im Netz, nicht auf dem Wasser, dazu wäre es mir selbst mit nennenswerten diesbezüglichen Fertigkeiten und einer Neopren-Pelle, die überdies an mir wenig sexy aussähe etwas zu frisch) über einen Beitrag gestolpert, bei dem ich erst mal stutzte: „A day off for Adventurers?“. Nachdem der Autor sich eine ganze Weile über die historische Entwicklung der Freizeit als gesellschaftliches Phänomen ausgelassen hatte, kam er dann zu seinem eigentlichen Punkt: nämlich, wie man „Freizeit-Abenteuer“ für Pen’n’Paper-Charaktere entwickelt und gewinnbringend in seine Kampagnen einbaut.

Ich hatte damit begonnen das zu lesen, weil ich in dem Moment gerade eine, dem Urlaub angemessene, halb-aufmerksame Langeweile pflegen wollte; und endete mit der Frage, wieso er so viel Gewese um den Umstand macht, dass Chars auch mal ’ne Auszeit brauchen könnten? Viel interessanter wäre doch die Frage gewesen, ob unsere Chars das was sie tun, nämlich Abenteuer erleben (weil wir als Spieler das so wollen) eigentlich als Job, als Bürde, als Berufung, als Fluch, als Schicksal oder doch selbst gewählt betrachten. Denn davon hängt, wie im wahren Leben auch ziemlich direkt ab, welchen Stellenwert Freizeit für sie hat und wie sie diese am liebsten verbringen.

Ich denke jetzt gerade an Spielrunden, die ich als SL orchestriere und solche, denen ich als Spieler beiwohne und kann nur sagen, dass die Wahrnehmung bezüglich des Phänomens „Freizeit“ im Rollenspiel sehr variiert. Abhängig von Setting, Genre, Metaplot, etc. gab und gibt es Gruppen, die ultra-fokussiert auf Ziele hinarbeiten und deren Mitglieder einen feuchten Dreck auf Urlaub gäben, selbst wenn sie denn das Konzept überhaupt kennen würden. Und es gab und gibt ebenso andere Gruppen, welche die Ausschweifungen ihrer Chars auch gerne in play ausleben wollen. Ich mache bei sowas sowohl als Spieler, wie auch als SL dankbar mit, denn manchmal erweist sich so ein vermeintlicher Lückenfüller als exzellenter Aufhänger für die nächsten Fährnisse. Aber ich muss offen zugeben: so richtig Gedanken drüber gemacht habe ich mir noch nie.

Je länger ich nun allerdings darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass es wohl davon abhängt, ob man seine Chars tatsächlich als virtuelle Wesen mit einer kompletten Persönlichkeit wahrnimmt, oder eher doch nur als Spielfiguren, welche durch Zahlen auf einem Blatt Papier repräsentiert werden. Je mehr ich meinen Char fühle, desto eher werde ich Szenarien wie einer durchsungenen, durchfeierten , durchzechten, durchzockten, durchtanzten Nacht etwas abgewinnen können, selbst wenn sie die laufende Kampagne als solche zumindest vordergründig nicht unbedingt weitergebracht haben. Da nicht wenige meiner eigenen Chars Performing-Artists der einen oder anderen Art sind, wird das zumindest meine üblichen Mitspieler nicht sonderlich verwundern.

Ich versuche ja immer, den Sozialwissenschaftler in mir im Zaum zu halten, wenn ich über mein Hobby N°1 schreibe. Denn eine zu starke theoretische Durchdringung macht das Spiel nicht immer besser. Im Gegenteil kann man das, was man intuitiv richtig gemacht hat zerstören, wenn man es zu sehr analysiert und zerredet. Diese Aussage hat was mit Lebenserfahrung zu tun: Je älter man wird, desto mehr biografischen Ballast schleppt man mit sich herum; und das hemmt manchmal die Augen des Kindes, welche gerade für das Pen’n’Paper so unglaublich wichtig sind. Beginne ich nun aber, alles zu zerdenken, zerstöre ich dabei mit etwas Pech die Leichtigkeit und den Spaß des Spiels.

Und genau dagegen sind solche „Freizeit-Abenteuer“ aus meiner Sicht eine ganz gute Medizin. Denn indem man sich und den anderen Spielern die Gelegenheit gibt, mit dem eigenen Charakter witzige, entspannende, ausgleichende (ja, meinetwegen auch mal prickelnde) Erfahrungen zu machen, entstehen in der Folge gute Gefühle gegenüber dem Char und dem Spiel als solchen. So eine Gelegenheit sollte man als Meister nicht unbedingt auslassen. Es sei denn, die Spieler wollen mit ihren Chars nur noch Party erleben. Dann mache ich ihnen Feuer unter dem Arsch. Aber üblicherweise ergibt sich sowas im Anschluss an eine konfliktreiche – eventuell auch Verlustreiche – Klimax ganz von selbst und reguliert sich danach auch wieder. Großartig durchdenken oder planen musste ich sowas bisher nicht. Wenn ihr aber aus sowas tatsächlich ein Abenteuer machen wollt, denkt an die Nexus-Vortex-Methode und an spannende NSCs. Dann wird alles gut. In diesem Sinne – always game on!

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