Manchmal will es einfach nicht klappen, Dinge zu erklären. Entweder mangelt es an halbwegs interessiertem Publikum, an einem Sujet, wo man jetzt gerade mal so richtig auf die Kacke hauen könnte; oder aber an der Lust. Mit dem Erklären und Lehren ist es, wie mit jeder anderen etwas komplexeren Verrichtung auch: wenn man’s nicht mit einer gewissen Hingabe macht, wird’s halt Kacke. Also ich will damit jetzt nicht sagen, dass der Fachverkäufer seine Waren liebkosen soll, der Bürohengst seine Flipcharts mit Glitzersternchen verzieren, oder der Musiklehrer Arien singen muss; ich meinte mehr jene Zuwendung an das Fach und den Respekt vor den Tücken, die Sorgfalt und damit konsistent gute Leistungen hervorbringen. Und sofern es um Menschen geht, fände ich ein wenig Achtung vor den Bedürfnissen der Klienten auch ganz schick – vollkommen unabhängig davon, welcher Art diese Beziehung auch ein mag. Womit wir bei der Beziehungsweise wären.
Meistens wird das ja synonym zum Wort „oder“ benutzt, aber ich finde eine Verwendung als Nomen jetzt gerade passend, auch weil Beziehungen relativ häufig das Wort „oder“ enthalten. (OK, „aber“ kommt auch ganz schön oft vor.) Zum Beispiel wenn es um Handlungsalternativen oder differierende Meinungen geht. Und die entstehen in jeder Beziehung zwangsläufig; beziehungsweise sie sind ein Hinweis darauf, dass das Miteinander verschiedener Individuen stets die Möglichkeit des Missverstehens, Missachtens oder auch des Miss(be)handelns beinhaltet. Wir sind ja schließlich verschieden! Nicht nur die Gender, nein, nein, Menschen so ganz an sich. Denn wir sind doch alle einzigartig; na ja, meist mehr einzig, als artig…
Sich selbst und sein eigenes Tun als einigermaßen einzigartig zu erachten, ist ein notwendiger Mechanismus, mit dem unser Hirn eine halbwegs stimmige Erzählung unserer Existenz fortführt und erhält. Würden wir uns nicht als unabhängig, individuell, selbständig wahrnehmen, könnten wir unser Selbst nicht begreifen, nicht als eigenständige Person agieren. Und so uncharmant die Nebenprodukte der Persönlichkeitsautonomie im psychologischen Sinne auch sein mögen – z.B. das vehemente Absondern auch der abseitigsten Meinungen – sind sie doch integraler Bestandteil des Menschseins. Jeder Mensch muss als Kind erst erkennen, dass er ein eigenständiges Ding ist, das ganz viele Dinge tun kann um hernach erlernen zu müssen, dass für das Miteinander dieses Selbst beschnitten werden muss. Das ist aus rein praktischer Sicht falsch rum, denn zuerst begreift ein kleines Kind sich und die Welt als eins; allerdings mit dem Nachteil, dass es das Konzept von dein und mein erst mühsam erlernen muss. Und das endet nicht mit dem Schulabschluss, sofern man denn überhaupt einen erwirbt.
So oder so entscheidet die Beziehungsweise, beziehungsweise wie gut wir es verstehen, unsere persönliche Einzigartigkeit mit der individuellen Einzigartigkeit der anderen in Einklang zu bringen darüber, ob ein Miteinander funktioniert. Natürlich gehören zu einer funktionierenden Beziehung immer zwei, da bringt jeder etwas Gutes in den sozialen Austausch mit und dann funktioniert das schon. Manchmal – manchmal auch öfter – klappt es aber nicht wie erhofft, weil zum Beispiel der individuelle Return of Investment nicht entsteht; dazu hörte ich dieser Tage von einem Kollegen, der sich um einen Praktikanten bemühte, dieser aber immer nur seinen Kopf durchzusetzen versuchte. Man könnte sagen, der Praktikus ist selber schuld, wenn er das Lehrangebot nicht annimmt. Dem stimme ich zu, allerdings muss man den jungen Mann einmal fragen, was ihn zu diesem Verhalten veranlasst. Hat er dazu keine sinnvolle Antwort, hat er Pech gehabt, denn all die kleinen Prinzen und Prinzessinnen die da so langsam heranreifen, müssen halt auch mal scheitern. Insbesondere, wenn dies aus eigener Borniertheit geschieht.
Es kann aber auch sein, dass man selbst einer Fehleinschätzung unterliegt, dem Gegenüber zu viel oder zu wenig zugetraut, oder eine persönliche Ader getroffen hat (das muss noch nicht mal willentlich geschehen sein), was den sozialen Fluss bis zum Stillstand hemmen kann. Auch in diesem Fall gilt es, ein beim Gegenüber wahrgenommenes Fehlverhalten zu thematisieren; einmal, klipp und klar. Gibt es keine vernünftige Antwort – siehe oben! Denn so sehr einem ein harmonisches Arbeitsumfeld am Herzen liegen mag, ein harmonisches Privatumfeld ist noch sehr viel wichtiger. Folgerichtig muss ich nicht erklären, wohin der größere Teil meiner empathischen Energie fließt, oder? Allerdings nehme ich mir, bevor ich irgendjemand mit seinem Bullshit konfrontiere sehr viel Zeit, die Dinge zu begutachten. Außer beim Blaulichtfahren hasse ich es überdies, meine Stimme zu erheben. Kostet mich zu viel Zeit und Nerven.
Stattdessen beobachte ich Menschen zumeist – übrigens für mein Leben gerne – und gebe Ratschläge genau dann, wenn sie in die Situation passen und einen Mehrwert für den Angesprochenen erzeugen. Sich aufzudrängen, schadet nämlich auch der Beziehungsweise. In diesem Sinne noch einen schönen Tag.