Es heißt ja immer, wir wären soziale Wesen. Nun könnte man diese Behauptung, offen gestanden, nach einem kurzen Blick in die Kommentar-Spalten bei Facebook, oder nach dem „Genuss“ eines durchschnittlichen Nachrichten-Potpourris als Nonsens abtun. Das Maß an verbaler Gewalt macht es nicht eben leichter, an die Bildbarkeit, oder aber die Soziabilität des Menschen an sich zu glauben. Ich kann mir da aber mit einem kleinen – wissenschaftlich untermauerten – Trick helfen: Soziabilität, Extrovertiertheit und Offenheit für Neues sind drei von fünf Variablen, welche die Sozialpsychologie zur Persönlichkeits-Beurteilung heranzieht. Der Trick liegt darin, dass ICH weiß, dass diese Parameter bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt sind. Damit kann ich manchen Quatsch, den man auch genauso gut als Beleidigung des eigenen Menschseins auffassen könnte, einfach als das abtun, was es ist: ungefilterte, unreflektierte Gehirnkacke. Und schon geht’s mir besser, weil ich das nicht allzu ernst nehmen muss.
Unter dem Strich bleibt aber stehen, dass jedes menschliche Wesen die Nähe anderer menschlicher Wesen braucht, um nicht zu verkümmern oder gar zu sterben. Und dass ein Ball mit dem Namen Wilson hier nur ein sehr kümmerliches Substitut ist, hat uns Tom Hanks sehr schön vorgeführt. Ob diese andere Menschen nun Typen sind, die ich leiden kann, oder nicht, ist dabei vollkommen Wurst, denn auch negativer Input hat seinen Wert, schärft er doch unsere Wahrnehmung. Allerdings ist es mit dem Sozialen wie mit allem anderen auch; wie der alte Paracelsus schon wusste: „Jedes Ding ist ein Gift. Nur die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“
Bezogen auf Mehrsamkeit heißt dies, dass Solitude gelegentlich hilfreich sein kann. Ein Gleichgewicht herzustellen ist in unserer Zeit aber nicht immer so leicht. Zum einen sind wir stets eingebunden in Familie, Arbeit, Freundeskreis. Zum anderen lassen wir uns nur allzu gerne zu noch manchem mehr einbinden, als gut oder gar gesund wäre. Dass ich im Rahmen meiner Arbeit viel zu kommunizieren habe, liegt in der Natur der Sache (Gesundheitswesen, Ausbildung, etc.). Dem kann ich mich nicht entziehen, aber ich habe Wege gefunden, es zu kanalisieren. Im privaten Bereich stört es mich vermehrt, dass Menschen offensichtlich glauben, dass ein Smartphone bedeutet, dass man darauf immer und dauernd erreichbar sein muss. Einen Bullshit muss ich!
Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, was für Inhalte mich tatsächlich interessieren und habe daher verschiedenes deinstalliert, was Zeit verbraucht, ohne einen Mehrwert für mein Leben zu erzeugen: Instagram, Facebook, Twitter, Signal; WhatsApp habe ich im Moment noch, weil verschiedene Kanäle dort Dinge organisieren, die ich auch für die Arbeit brauche. Doch in mittlerer Frist werde ich auch dort verschwinden, weil mir diese elende Dauer-Gebimme und -Gebrumme auf den Sack geht. Wenn’s was Wichtiges gibt, schreibt mir ne SMS, schickt eine Mail, oder noch besser, ruft mich an. Die meisten „Messenger-Gespräche“ dauern achtmal so lange, wie das Telefonat, dass es gebraucht hätte, die Sache zu klären. Und für so einen Mist ist mir mein Leben zu schade!
Ach und noch etwas: auch in der informellen Schriftkommunikation gelten die guten alten Regeln der Orthographie und Interpunktion unvermindert weiter. Wer also von mir tatsächlich ernst genommen werden möchte, tut gut daran, zu schreiben, wie es üblicherweise in der formellen Kommunikation vorausgesetzt wird. Klar soweit?
Ich lief die Tage ein Stück durch die Felder hinter dem Dorf, in dem ich zurzeit zum Urlaub mit meiner Familie logiere und nach einer Weile, wie ich da gelegentlich meine Kamera hochnahm, um der Landschaft den einen oder anderen Blickwinkel abzuringen, der vielleicht später zum Strahlen anregt, kam die nahe Ostsee in den Blick. Alleine dazustehen, auf diesem windzerzausten Acker, fasziniert von den Geräuschen der Natur, dem Geruch von Salz und dem Gefühl von Weite, ist mir einmal mehr klargeworden, dass abseits aller Ideen und Pläne, die ich noch zu verfolgen gedenke das wahre Leben genau jetzt stattfindet; und dass ich mir nicht von irgendjemandem im Namen der Arbeit oder irgendwelcher selbsterfundener sozialer Zwänge seine Scheiße aufzwingen lassen werde, damit diese mein Leben genau jetzt entwertet. Alles hat seine Zeit. Das gilt insbesondere für das Digitale.
Komische Worte aus den Tasten von jemandem, der doch offensichtlich ein Blog betreibt, oder? Sagen wir mal so: hier bestimme ICH, was, wieviel und zu welchem Zeitpunkt ich von mir preisgebe. Bei Facebook und Co. Jedoch nicht. Denkt mal drüber nach – oder lasst euch schön weiter sedieren…