Der verwirrte Spielleiter N°63 – Was tust du (jetzt)?

[Notiz des Herausgebers: an dieser Stelle könnte natürlich auch ein Rant darüber stehen, was für eine unfassbar narzisstische, faschistoide und grunddumme Gurkentruppe gerade das Régime Nouveaux der USA bildet, aber ganz ehrlich: ich schreibe hier lieber über Dinge, die mir momentan mehr Spaß machen! Viel mehr Spaß! Also gibt’s einen weiteren Rollenspiel-Post. Lebt damit oder lest was anderes…]

Pen’n’Paper wird als Dialog gespielt. Jeder Spieler teilt dazu der Spielleitung in einer gegebenen Situation mit, was sein/ihr Charakter eben jetzt zu tun gedenkt, die Spielleitung entscheidet darüber, ob dies überhaupt möglich ist und teilt umgekehrt dem Spieler mit, wie hoch die Schwierigkeit dafür ausfällt. Dann wird gewürfelt, um zu sehen, ob das klappt. Überdies können Spieler für ihre Chars auch abseits einer gerade laufenden Szene übergeordnete Ziele, Motivationen und Ideen entwickeln, die sie verfolgen wollen. Diese sind allerdings nur realisierbar, wenn der Spielleiter davon auch weiß. Im Gegensatz zu Viedeospielen ist es aber grundsätzlich den Spielern im Pen’n’Paper möglich, die Gesamtgeschichte durch ihre Handlungen so zu beeinflussen, dass auch für den Spielleiter unabsehrbar wird, wohin der Zug fährt – selbst in eher linear aufgebauten Kampagnen. Denn das Erzählrecht – also Art und Umfang der Lizenz, in die Geschichte einzugreifen – ist auf beiden Seiten in etwa gleich umfangreich. Das ist die Kurzform, aber ich denke, man sollte sich die Langversion noch mal anschauen, um zu verstehen, woraus sich bestimmte Diskussionen in und um Pen’n’Paper überhaupt ergeben.

Beginnen wir damit, dass es überhaupt ein Erzählrecht gibt. Man darf es als Allgemeinplatz verstehen, dass FTTRPGS (fantasy tabletop roleplaying games) aus dem klassischen Miniature Wargaming entstanden sind, weil irgendwann jemand auf die – zuerst als etwas absurd betrachtete – Idee kam, anstatt der Abenteuer einer ganzen Truppe die Abenteuer einer einzelnen Spielfigur spielen zu wollen. Am Anfang war das eine sehr Simulations-lastige Angelegenheit, bei der es vor allem um Regeln für movement, attack capability, stamina, etc. ging… oder? Weit gefehlt. Selbst den Referees des preußischens Kriegsspiels im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wurde bereits eine weitreichende Entscheidungsfreiheit abseits objektiv beschriebener Regeln eingeräumt. Manche gaben sogar offen zu, Regeln und Würfelwürfe zu missachten, um auf Basis eigener Erfahrungen zu einer realistischeren Darstellung oder besserem Drama kommen zu können (fudging dice rolls anybody…?). In den frühen Tagen des Rollenspielhobbies wurde noch hart darum gestritten, wer überhaupt was tun darf – darauf kommen wir gleich zurück – doch heute gehen wir davon aus, dass Spieler und Spielleitung die Geschichte GEMEINSAM erzählen. Und dazu braucht es neben dem Dialog noch einige andere Dinge. Daher sehen wir uns die oben beschriebene Sequenz nun etwas genauer an:

  • Beschreibung der Ausgangslage: wir nehmen an, dass Spieler und Spielleitung sich auf ein Setting, ein Regelwerk, etc. geeinigt haben, damit alle von einem common ground starten können. Bzw., dass neue Spieler zumindest eine Vorstellung davon haben, worum es nun gehen wird. Die Vorarbeit des Spielleiters besteht darin, nun Konflikt- oder Dramenhaltige Situationen zu entwerfen, in welchen die Spieler ihre Charaktere dieses oder jenes tun oder bleiben lassen, um die Geschichte vom Startpunkt aus voranzutreiben oder gar aufzulösen. Das Abenteuer beginnt und nach der Beschreibung der ersten Szene folgt die berühmte Frage: “Was tut ihr / Was tust du?” (na ja… eigentlich kommt diese Frage im Spiel ZIEMLICH häufig vor…)
  • Statement of Intent: Die Spieler haben nun die Chance, mehr oder weniger präzise zu beschreiben, was ihr Charakter in dieser Szene tun wird. Was das genau sein könnte, hängt davon ab, ob wir uns in einem sozialen Encounter, einer Exploration oder in einem Kampf befinden. Definiert durch das Setting gibt es jedoch stets eine ganze Auswahl an Dingen, die ein Charakter tun KÖNNTE. [Hier spielt die Ausgestaltung des Erzählrechtes nun eine Rolle – nämlich im Sinne der Frage, wie viel Zeit man den Spielern für die Formulierung ihres statement of intent lässt? In älteren Diskussionen liest man öfter, dass es eben davon abhängt, welche Art von Encounter es ist; und dass die Spieler etwa im Kampf genau die 6 Sekunden für diese Formulierung bekamen, die eine Kampfrunde in Playtime dauerte. Wer zu langsam war, hatte seine Runde verschwendet und tat nichts!] Ich selbst neige bei Kampfsequenzen auch eher dazu, diese Entscheidungszeiten begrenzen zu wollen, weil das Kampfgeschehen sonst seine Dynamik und damit auch sein Drama verliert. Gerade hier offenbaren sich oft Probleme, da es durchaus Spieler gibt, die für ihr statement of intent sehr lange brauchen, weil sie etwa die Fähigkeiten ihres Charakters nicht gut vom Papier in die Situation übertragen können, insgesamt wenig fantasiebegabt sind, oder die Entscheidungen zu Teilen auf ihre Mitspieler oder gar den Spielleiter auslagern wollen. Und damit den folgenden Punkt verkomplizieren (oder vereinfachen, je nachdem, auf welchem Standpunkt man als Spielleitung steht…)
  • Interpretation und Beurteilung: Je nachdem, wie präzise oder auch nicht ein statement of intent formuliert ist, muss ich als Spielleiter nun eine Entscheidung darüber treffen, OB die angesagte Aktion gemäß der üblichen Regeln in der Welt, in welcher wir derzeit spielen überhaupt möglich ist, ob sie DIESEM Charakter möglich ist – und falls in beiden Fällen die Antwort JA ist, wie SCHWIERIG die Durchführung für diesen Charakter sein wird. [Es gab eine lange Tradition, das statement of intent wohlwollend oder harsch auszulegen. Ein gutes Beispiel für die häufig harsche Variante ist der Umgang von Spielleitungen mit dem DnD-Magierspruch “Wunsch”; eine gute Analogie hierzu ist die, in der Literatur häufig beschriebene, wortwörtliche Interpretation mit Bezug auf die drei Wünsche, welche einem z.B. der Dschinn gewähren muss – in aller Regel war das Ergebnis solcher magischer Wünsche alles andere als schön für den Wünschenden. Solches Verhalten bezog sich aber nicht nur auf den “Wunsch” sondern auf alle möglichen Situationen, in denen das statement of intent zu ungunsten der Spieler interpretiert wurde; was zur Legende des klassischen, antagonistischen Spielleiters führte, der stets als Gegner seiner Spieler agierte!] Eine Anmerkung: dies ist der Moment, in dem oft die rules laywers aus ihren Löchern gekrochen kommen, wie die Kakerlaken, wenn’s dunkel wird. In dem Moment mach ich einfach das Licht wieder an. Mit mir diskutiert NIEMAND mehr über Regeln. Wer’s versucht, war das letzte Mal dabei. Genau, weil ich keinen Bock auf so was habe, spielen wir seit Jahrzehnten in meinem System – und gut is. Ist diese Phase des “rulings” nun abgeschlossen, kommen wir zum nächsten Schritt.
  • Das Würfeln: Es gibt verschiedenste Mechaniken, mit Würfeln Wahrscheinlichkeiten zu modellieren. Aus der Perspektive des Gamdesigners geht es dabei um action econmy, Glockenkurven und wie man Schwierigkeitsgrade in Min.- oder Max.-Würfe übersetzt. wie auch immer das jeweilige Regelwerk dies bewerkstelligt, ist am Ende wumpe, sofern es nicht zu kompliziert wird – denn heutzutage würfeln die Spieler selbst für ihre Chars […doch das war nicht immer so. In der frühen TTRPG-Szene wurde heftig darüber diskutiert, ob die Kenntnis der Mechaniken hinter dem Spiel nicht die immersion für die Spieler stören würde; und man deswegen als SL ALLE Würfe des Spiels durchführen und danach lediglich die Ergebnisse der beschriebenen Handlungen erzählen sollte. Long story short: Die andere Seite hat sich durchgesetzt – weil das selber Würfeln den Spielern Spaß macht. Punkt] Der einzige Punkt, der MICH daran immer wieder aufregt ist – wenn Spieler auch nach der vierunddrölfzigsten Sitzung immer noch fragen, was sie jetzt würfeln sollen. Das ist für mich genauso ein Killer der Dynamik und des Dramas, wie die oben erwähnte Entscheidungs-Paralyse…
  • Das Ergebnis erzählen: Ob der Spielleiter oder die Spieler nun erzählen, was in der Folge passiert, wenn klar ist, ob es geklappt hat oder nicht, hängt ein bisschen vom Tisch und den Personen in der Runde ab. Rule of thumb: wenn’s gut gelaufen ist, lasst die Spieler ein bisschen ihre Fantasie ausleben. Wenn’s schief gelaufen ist, sorgt dafür, dass das Drama weitergeht. Lasst sie vorwärts scheitern und dann schauen, ob sie es irgendwie anders hinkriegen. Was ihr nicht unbedingt tun solltet, ist Folgendes: einen hard-won victory kaputterzählen, indem ihr diesen Sieg durch einen Spin in eine drohende Niederlage verwandelt. Wenn die Chars gewonnen haben, haben sie gewonnen – und fertig! Was allerdings NICHT bedeutet, dass sich in einer dynamischen Situation unterwegs nicht trotzdem noch zusätzliche Herausforderungen ergeben können.

Auf diese Art und Weise wird jede einzelne Spielsequenz “aufgelöst”. Denn am Ende steht ja immer die Frage, ob die Spielercharaktere die Herausforderungen meistern können, oder nicht? Und, was aus dem einen – oder dem anderen – eventuell erwächst? Denn aus der Verkettung vieler einzelner Spielsequenzen werden am Ende Abenteuer – und aus Abenteuern Kampagnen. Und nur sehr selten nehmen diese den Weg, den ich vielleicht bei der Vorbereitung mal im Kopf hatte. Warum auch? Sind ja viele verschiedene Köpfe dran beteiligt. Man könnte auch sagen: TTRPGS sind komplexe, chaotische Systeme; und das muss man halt wollen! Sollte ich oben, beim Thema rulings etwas hart geklungen haben, sei an dieser Stelle übrigens noch erwähnt, dass ich durchaus bereit bin, auf Basis gesunden Menschenverstandes über ein ruling zu reden – aber niemals mit jemandem, der glaubt, dass die WILLKÜRLICH von einem Dritten aufgestellten Regeln eines Spielsystems, die nur einen mangelhaften Interpreter für die vielen Fragestellungen innerhalb des Spiels darstellen, mich als SL überstimmen können. Da hast du dir den Falschen ausgesucht, Nachbar! Ich mache übrigens irgendwann demnächst noch den Follow-Up-Post “Was tust du (dann/damit/deswegen/etc.)”, der sich mit den oben schon aufgeworfenen Fragen rings um eigene Charakter-Motivation dreht. Einstweilen hab ich genug gesprochen, daher – always game on!

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Der verwirrte Spielleiter N°62 – Encounter Design

Wenn ich mich hinsetze und antagonistische Begegnungen für die nächste Sitzung mit meinen Spielern entwerfe, dann blättere ich üblicherweise nicht durch ein “Monster Manual” oder irgendeine andere Sammlung von vordefinierten Kreaturen. Oh, ich kenne und besitze solche Bücher durchaus, sogar zu verschiedenen Regelwerken – ich benutze sie nur allerbestenfalls als Inspiration für meine eignen kranken Ideen. Könnte natürlich daran liegen, dass ich schon seit Jahrzehnten beinahe ausschließlich auf Basis meines eigenen Homebrew-Systems leite. Das ist allerdings nicht der Hauptgrund, denn die Leitfrage, die ich mir immer stelle, ist nicht, wie die Chars meiner Spieler mit dem fertig werden, was ich ihnen vor den Latz knalle – sondern, ob es MIR Spaß machen wird, diese Kreaturen zu spielen! Pen’n’Paper ist vieles: zuvorderst eine Möglichkeit, narrativ in andere Welten einzusteigen, jemand anders sein zu können als man selbst ist, Dinge tun zu können, die man selbst nie tun könnte (oder wollte… jetzt mal ernsthaft – wer hätte schon WIRKLICH Lust, sich mit Vampiren, Aliens oder einer Drogendealergang zu kloppen, hm…?) – sich also in Eskapismus zu üben. Pen’n’Paper ist aber auch Problemlösen – und zu den am häufigsten verwendeten Problemen gehören im Storytelling seit der Antike nun mal Antagonisten. Was wäre etwa ein Krimi ohne einen guten Bösewicht (Oh – eine contradictio in adjecto… wie nett). Nun ist mein Regelwerk NICHT auf das taktische Zerkloppen von Monstern ausgelegt. JA – es gibt ein Kampfsystem, JA – es wird auch bei uns gekämpft, NEIN – es gibt keine ausufernden Taktik-Regeln, sondern vor allem “theatre of the mind”. Wenngleich auch an meinem Tisch manchmal eine Art Battlemap und Minis benutzt werden. Minis sind einfach dope as hell!

Mir geht es vor allem um die Motivation und Ziele der Antagonisten. Das sind bei mir keine 2-dimensionalen Wegwerfartikel, wenngleich es natürlich Minions gibt, bei denen man keinen zweiten Gedanken darauf verschwenden muss, ob es okay ist, die zu killen. Manche Kreaturen sind einfach durch ihre Natur böse oder durch ihre Fremdartigkeit so sehr ihren Instinkten unterworfen, dass man mit ihnen nicht rational verhandeln kann. Dieses Etikett tragen sie dann allerdings zumeist auch sehr offen vor sich her. Die Haupt-Antagonisten hingegen sind üblicherweise voll entwickelte, dreidimensionale Charaktere – und ich folge dabei recht häufig meiner individuellen Überzeugung, dass der Mensch das schlimmste Monster ist, welches sich die Natur ausdenken konnte (man darf im Fantasy-Bereich für “Mensch” aber auch gerne mal eine andere humanoide Spezies einsetzen). Wenn es um diese Wesen und ihre Geschichten geht, so lasse ich meiner Fantasie gerne freien Lauf. Bei mir geht das so: In diesem dämmrigen Zustand zwischen Bewusstsein und Traum, wenn man gerade im Begriff ist, vom einem in den anderen Zustand hinüber zu gleiten, lassen Richtung und Thema der eigenen Träume sich manchmal beeinflussen. Es sind diese Momente, in denen mir wirklich gute Ideen kommen. Zumeist habe ich mir allerdings vorher visuelle Inspirationen geholt, indem ich z. B. durch Pinterest (c) oder irgendeinen anderen visuellen Aggregator gesurft bin. Oft ist es so, dass unterdessen ein spezielles Bild mich anspringt und in meinem Kopf in der Folge nach und nach eine Geschichte zu der gezeigten Person oder Kreatur entsteht. Und beim Übergang ins Traumland setzt sich dann alles zusammen. Manchmal habe ich aber auch sofort eine Idee, die ich zu Papier bringe. Auf diese Weise füllen sich meine Notizbücher.

Es ist weder notwendig, meine Methode zu kopieren, noch nach irgendwelchen CR-Werten in Monstermanualen zu schauen. Das in manchen Regelwerken abgedruckte “Creature Ranking” kannst du nämlich in der Pfeife rauchen, wenn die Würfel deiner Spieler während der Sitzung heiß wie Lava oder kalt wie flüssiger Stickstoff sind. Die Action-Economy ist regelseitig auf durchschnittliche Würfelergebnisse zugeschnitten, weil wir alle an Gauß’sche Normalverteilungen glauben. Nur… unsere Würfel interessieren sich manchmal einen Scheiß für Gauß! Drei bis vier naturelle 20er zerstören ein Encounter, drei bis vier naturelle 1er deine Gruppe – zumindest mit etwas Pech. Und wer findet einen Total Party Kill schon lustig, außer denen, die NICHT dabei waren…? Manchmal muss man nachlegen, manchmal muss man die Bremse anziehen – was absolut NICHTS daran ändert, dass DEINE Encounter nur spaßig sind, wenn DEINE Kreaturen und Antagonisten DIR als Spielleitung Spaß machen. Wenn deine Spieler dann auch noch kreative Wege finden, die Mistviecher und ihre Meister zu bezwingen, steht einem wirklich guten Spieleabend nichts mehr im Wege… Klang das jetzt ein bisschen so, als wenn bei uns auch nur Monster-Slaying läuft? Tja, sagen wir mal so – Antagonisten treten einem nicht nur auf dem Schlachtfeld gegegnüber. Auch so genannte Social Encounters können es in sich haben: vermeintliche Feinde werden zu Verbündeten oder gar Freunden; und umgekehrt. Die Methode zur Erschaffung aller NSCs bleibt immer die gleiche – es geht um die, eventuell krasse Geschichte hinter der Figur und den coolen Scheiß, den diese deswegen u. U. drauf hat. Make them as memorable as possible!

Und vergesst dabei bitte nicht, dass das Terrain wie ein Mitspieler ist. Nutzt Räume, oder auch das Gelände nach allen taktischen Regeln der Kunst – aber gebt euren Spielern die Chance, dies auch zu tun. Und bedenkt, dass die meisten Spielrunden sich ohne einen SEHR deutlichen Hinweis NIEMALS taktisch zurückziehen werden, weil sie stets glauben, IHR würdet die Encounter von vorn herein so balancen, dass ihre Chars diese überstehen bzw. gewinnen können. Sagt ihnen in aller Deutlichkeit, dass diese Annahme Bullshit ist! Denn selbst, wenn man das als SL versuchen würde… vier naturelle 1er und verkackte Death-Saves und der Abend läuft vollkommen anders als geplant. Sagt ihnen, dass IHR Spaß haben wollt, und daher eure Antagonisten im Zweifel als Asskicker designed habt, und dass diese NSCs überdies keine Ahnung haben, dass sie Figuren in einem Spiel sind. Die agieren, um zu gewinnen, genau wie die Chars! Sobald die Spieler DAS verstanden haben, fangen sie vielleicht irgendwann an, über ihre Handlungen VORHER nachzudenken. Und sich über mögliche Konsequenzen ihres Handelns Gedanken zu machen. Derweilen designe ich mal die nächsten Encounter – immer wissend, dass Encounterdesign nicht nach dem Initiative-Wurf endet, wie Matt Colville immer so schön sagt. In diesem Sinne – always game on!

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Absurdistan ist zurück N°1 – Hier und jetzt…

Die beste Ehefrau von allen sprach “Lass uns wohl am Flusse gehen und dabei nur wenig blöde stehen”. Im, bis eben noch winterblassen Angesicht des Protagonisten zeichnet sich, ob der nun allüberall sicht- und fühlbar wohligen Temperierung des Außen Freude ab, sind die Worte doch ein wahrlich guter Hinweis. Und somit Anlass genug, das Innen zu verlassen. DAS INNEN – jener beinahe mythische Ort, die Höhle des häuslichen Daseins und Stätte des Existierens, sofern keine Pflicht dich von hinnen zu nötigen sucht. Doch – oh Freude – es ist Wochenende, und damit, weil’s vor allem die Endigung der, Schweiß- und gelegentlich auch Tränennassen Gesichtes verrichteten Arbeitsamkeit für einen nicht näher zu bezeichnenden Nutznießer bedeutet, jede unfreiwillige Verrichtung zu einer jähen Interruption kommen MUSS. Wehe jenen, nun schon länger vergangenen Zeiten des Schichtdienstes, da ein solches freudiges Ende als Anhang des Freitages nicht notwendig zu einer Unterbrechung jenes grausigen Fluches führte, der uns zivilisationsgepeinigten Kinder des 20. und 21. Jahrhunderts so oft so hart trifft: ABHÄNGIGE LOHNARBEIT. Allein, das Wort ABHÄNGIG, gleichwohl dem ABHÄNGEN verwandt und somit unter Umständen irreführend, ist hier der Aufregung wert; verheißt es doch eben nicht etwa, abhängen zu dürfen, sondern viel mehr abhängig zu sein – von so vielen Dingen…! Pendlerverkehr, Parkplatzsuche oder, nicht minder nertötend, die Fahrt in einer S-BAHN, jenem auch als teilmobil eingeschientes Superspreading-Event charakterisierbaren Mikrokosmos des allzu Menschlichen. Kommen einem diese ANDEREN allzu menschlichen doch hier – Platzmangelbedingt – so nah, wie sonst nur die beste Ehefrau von allen beim Spaziergang am Flusse… ein optisches, akustisches und leider, je Frühling oder Sommer es gar werden mag, auch olfaktorisches Panoptikum des Bizzarren – ja nachgrade eine Katastrophe nahezu biblischen Ausmaßes! Zumindest, wenn man wie ich ein misanthroper Morgenmuffel ist. Und bis hierher ist über Kollegoide – also Menschoide, die einem Kollegen an Gestalt und Gebaren in etwa nahe kommen, ohne jedoch je den Anspruch auf Ansprechbarkeit oder – noch besser – Antwortfähigkeit je erfüllen zu können, noch nichts hinreichend beleidigendes gesagt…

“Doch,” sprach jener, “bin ich nun zu nichts genötigt… ” ließ ob der gewünschten Akzentuierung eine kunstvolle Pause eintreten “…außer” und sog die Luft hörbar ein, um es beinahe in die nicht eben darauf wartende Welt hinausschreien zu können “…zu tun, wonach MIR der Sinn steht!” Oh Graus. Da war sie wieder, jene allzu drängende, stets zum ungünstigsten Zeitpunkt – wie etwa der allabendlichen ehelichen Diskussion über das gewünschte Unterhaltungs-Programm – auf den Plan tretende Ambivalenz; dieses verfluchte “ich könnte…” “aber ich könnte auch…”, “oder könnte ich nicht vielleicht …” VERDAMMNIS! Einmal mehr war ich geliefert. Denn abhängig war ich nicht nur von der verfluchten Lohnarbeit. Oh nein, vielmehr hat dieses dauernde MÜSSEN sich über die Jahrzehnte so sehr in mein Gemüt eingeschlichen, um die kleine faule Sau, die ich im tiefen Grunde meines schwachen Herzen gelegentlich immer noch gerne wäre langsam – aber nichtsdestowenigertrotz nachhaltig – mit dem Gift der Betriebsamkeit, der Nützlichkeit, der SINNHAFTIGKEIT zu beträufeln. Müßiggang… ja drüber Reden, oder gar Schreiben ist einfach, denn in dem Moment da man darüber redet oder schreibt, geht man ja gar nicht mehr müßig, sondern wird produktiv HIMMERLHERRGOTSAKRAMENTNOCHEINS…! So gerne würde ich behaupten, dass ich zu dieser wundervollen Zeit der Nichtverpflichtung auch tatsächlich zu nichts verpflichtet bin – wenn man von jenem unbezwingbaren Endgegner jeder Freude einmal absehen mag, den wir “HAUSHALT” heißen. Tue ich also wirklich, wonach MIR der Sinn steht, oder versuche ich nicht doch eher genau in diesem Moment einem Ideal gerecht zu werden, dass andere für mich erwählt haben: dieses dreckige Calvinistenpack mit seinem Arbeitsethos. ETHOS…? Ja welche Gesinnung habe ich denn nun? Ich will gar keine Gesinnung, schon gar keine des Fleißes, denn “am Freitag um eins macht jeder seins”, oder, wie auf dem Bau oft wiederholt, “um vier fällt der Hammer” Und das wäre auch gut so, denn den härtesten Hammer in diesem Haushalt schwingt nun mal die beste Ehefrau von allen, da beißt die Maus keinen Faden ab!

Nun jedoch ist das Blatt Papier – oder besser der Bildschirm – nicht mehr weiß, sondern zum beredten Zeugen des Chaosfaktors meiner Kreativität geworden. Kreativ ist dem lateinischen “creatum” für “erschaffen” entlehnt – und schon wieder haben wir’s mit Arbeit zu tun, den im “erschaffen” steckt “schaffen”; hier in meiner Gegend ein häufig bemühtes Synonym für “arbeiten”. Kreativ bedeutet also “er-schaffen!” oder besser “er schafft!” – und das am Wochenende! Nun, wenigstens lässt sich konstatieren, dass das Spazieren am Fluss in der durchaus schon höchst frühlingshaften Sonne sich auf das eigene Wohlbefinden poitiv auszuwirken vermochte. Während man seine Beine bestimmungsgemäß benutzt, schüttelt man, beschleunigt durch die Wucht der Vorwärtsbewegung beim Ausschreiten durch die Fußsohlen den Ärger hinaus, um diesen bei der nächsten, ebenso zwangsläufig entstehenden Berührung des Untergrundes mit der Ferse zu zermahlen. Was da unter den Sohlen knirscht, ist also nicht etwa der Bodenbelag, sondern vielmehr dürfen wir den gedämpften Schmerzensschreien unseres sterbenden Ärgers lauschen – ich liebe dieses Bild! Gleichsam kann man, wenn man ganz genau hinhört, auch das jeweilige Durchbrechen der Mauer der nächsten Sekunde hören. Denn solange wir während des Spazierens nicht zum finalen Liegen kommen, durchschreiten wir auch gleich noch Lebenszeit. Und so, wie das GLEICH sich im JETZT zum EBEN GERADE wandelt, entschwindet so manch negatives im Orkus hinter uns! Und aus einem weißen Blatt – oder besser Bildschirm – ist unterdessen ein Text über dieses und jenes geworden – vor allem aber über das JETZT. Schönes Rest-Wochenende…

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Erwachsen bilden N°52 meets New Work N°22 – Dienst nach Vorschrift?

Ich hatte neulich ein interessantes Meeting, bei dem einige Menschen anderen Menschen mal offenbart haben, wie viel Vorbereitung wirklich dahinter steckt, ordentlichen Fach- Unterricht machen zu können. ICH merke ja auch immer wieder, dass Leute tatsächlich glauben, ICH könnte alles Mögliche on a moments notice aus dem Ärmel schütteln – was vollkommener Quatsch ist. Ich muss mich genauso hinsetzen, eine Unterrichtsverlaufs-Planung schreiben, die passenden Einzelmethoden auswählen und – sofern es sich um theoretischen Unterricht handelt – den Content erstellen, wie jede:r andere auch. Okay, bei Unterrichten, die ich schon öfter gehalten habe, fällt vielleicht nicht mehr die GANZE Vorbereitungsarbeit an. Dennoch muss ich mich jedesmal neu reindenken, evtl. beim letzten Durchlauf aufgelaufenes Feedback integrieren und meine Materialien prüfen. Überdies entwickle ich für das Verständnis der Schüler:innen gerne Übersichten an der Metaplanwand, was bedeutet, dass ich auch jedes Mal meine Kärtchen neu schreiben muss. In aller Regel morgens, direkt bevor der Unterricht losgeht. Lehrkräfte mit noch nicht so fest eingeübten Abläufen brauchen aber länger für so was. Und nicht selten muss man sich selbst noch mal seines eigenen Wissens versichern, bevor man überhaupt daran denken kann, sich zu überlegen, wie man dieses eigene Wissen und die Skills für andere begreifbar machen könnte. Ich muss hier noch mal an die konstruktivistische Sichtweise auf Pädagogik erinnern: wir bringen niemandem etwas bei; wir bereiten lediglich den Boden, auf dem die Schüler:innen ihre jeweils eigene Wissensernte einfahren können! Wozu es im übrigen der Mitarbeit bedarf. Aber darüber habe ich an anderer Stelle schon sattsam gesprochen…

Arbeitgeber gehen oft naiv davon aus, dass ein Fachlehrer sich 35h die Woche in den Lehrssal stellt und in der verbleibenden Zeit nebenbei alles erledigt, was halt so anfällt: Unterrichtsvor- und nachbereitung, Korrespondenz mit den betrieblichen Ausbilder:innen und den amtlichen Regulierungsbehörden, Führen der Zeitnachweise und Klassenbücher, anlassbezogene Gespräche, bewertende Arbeitsbesuche, Korrektur von Klassenarbeiten, Staatsexamina und so weiter und so fort. Und da ist einspringen wegen Krankheit o. Ä. noch nicht inkludiert. Jede:r, die/der schon mal eine Klasse gemanaged haben, liegt jetzt vor Lachen gekrümmt unterm Schreibtisch, weil allen, die schon mal in diesen Stiefeln marschiert sind sofort und intuitiv klar ist, dass DIESE ANNAHME RIESENGROSSE, DAMPFENDE BULLENSCHEISSE IST! Die Fachlehrkräfte, mit denen ich bekannt bin, reden nicht über ihre Stundensaldi, sondern machen ihren Job. Aber der Krug kann nur so lange zum Brunnen gehen, bis er bricht. Was bedeutet, dass in dem oben erwähnten Gespräch ein Wort mit besonderer Häufigkeit vorkam: Überlastung! Und wir reden hier nicht über Heulsusen, sondern über ein Team, dass in der jüngeren Vergangenheit außergewöhnliche Belastungen einfach weggeatmet hat! Womit wir bei dieser Dienst-nach-Vorschrift-Diskussion wären, die derzeit Dank der häufig replizierten Gallup-Umfrage durch die Medien schwappt. Die Mitarbeiter deutscher Unternehmen hätten demnach im Mittel keine emotionale Bindung zum Unternehmen mehr und machen daher halt – ja genau: Dienst nach Vorschrift. Und natürlich schwingt in verschiedensten Einlassungen zum Thema stets dieser implizite Vorwurf der FAULHEIT mit. Nicht umsonst hat die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen dieser Tage nach dem Verzicht auf einen Feiertag gerufen, weil wir die Kosten des von der dräuenden SchleNeKo (Schlechte Neue Koalition) ausgehandelten “An-der-Schuldenbremse-vorbei-Sondervermögens” durch mehr Leistung ausgleichen müssten. Das einzige, was Frau Schnitzer dabei versteht ist Trickle-Down. Was allerdings bis heute nachweislich nicht funktioniert hat; sie redet also mit anderen Worten einer noch schnelleren Umverteilung von Unten nach Oben das Wort. Die Fresse halten soll dieses dämliche, überbewertete Fossil! Wir arbeiten angeblich zu wenig, sind nicht produktiv genug und überhaupt fordern wir Arbeitnehmer immerzu viel zu viel. Und dann kommt man auch noch mit der angeblich mangelhaften Arbeitsmoral um die Ecke!

Ich habe da einen etwas anderen Blick drauf, der sich übrigens in einigen Punkten mit dem der Fachjournalistin Diana Dittmer deckt: Mein Arbeitsplatz ist nicht meine Familie und am Ende des Tages ist meine Anstellung ein Handel auf Gegenseitigkeit: Lebenszeit gegen Kohle! In KEINEM Arbeitsvertrag steht was davon, dass ich meinem Arbeitgeber mehr schulde, als die vertraglich vereinbarten Stunden und die üblichen Loyalitätspflichten: nicht klauen, keine wirtschaftlich relevanten Interna ausplaudern, den Arbeitgeber nicht öffentlich diskreditieren, die Arbeitszeit auch wirklich mit Arbeit und nicht irgendwelchen Kinkerlitzchen füllen, mit den Kollegen professionell umgehen – egal, ob ich diese nun leiden kann, oder eher nicht. So weit – so normal. Doch es scheint heute üblich zu sein, implizit mehr als das zu erwarten und Menschen nur dann als performant wahrzunehmen, wenn sie “die Extrameile gehen”. SCHEISS AUF DIE EXTRAMEILE – WELCHE EXTRAMEILEN GEHT MEIN ARBEITGEBER FÜR MICH? Ich meine abseits dessen, was er um’s Verrecken nicht verhindern kann, weil wir evtl. heute in meiner Branche von einem Arbeitnehmer-Markt sprechen müssen? Mein Arbeitsplatz nimmt mich nicht in den Arm, wenn es mir schlecht geht! Mein Arbeitgeber stellt es mir nicht frei, zur Burnoutprophylaxe am Fluss spazieren zu gehen, auch wenn ich letzthin häufig das dringende das Bedürfnis dazu habe! Meine Arbeit gibt mit nur einen begrenzten Teil des Sinnes, den ich in meinem Leben sehen möchte! Manche Vertreter meines Arbeitgebers benutzen das Wort “Danke” gerne und ausgiebig (auch, weil es nichts kostet) – andere widerum würden sich eher die Zunge abbeißen, bevor sie zu MIR wirklich freundlich sind; oder die erbrachten Leistungen wirklich anerkennen.

Ich schulde meinem Arbeitgeber folglich genau das, was im Vertrag steht: 40h die Woche präsent, performant, perzeptiv und professionell zu sein. Nicht weniger – aber auch keinesfalls mehr. Und was für mich gilt, gilt für ALLE ANDEREN ebenso. Denn tatsächlich leisten nämlich sehr viele Menschen schon sehr viel mehr, als sie müssten; und manchmal auch, als sie eigentlich könnten. Und diese Menschen fühlen sich von dem realitätsfernen, arroganten, unverschämten Geschwafel möchtegernwichtiger, nutzloser “Elitenvertreter” regelmäßig beleidigt. Wo stehen wir also? Ganz einfach an dem Punkt, an dem die ganzen abgehobenen Wirtschaftslobbyisten, ultraneoliberalen Gierschlünde und ihre willfährigen Helferlein aus dem “Polit-Establishment” verstehen müssen, DASS ES KEIN ZUERÜCK BEI DEN ARBEITNEHMERRECHTEN GIBT! ENDE! DER! DISKUSSION! Wenn ihr meint, wir fleißigen kleinen Ameisen hier unten kriegen es nicht hin, dann kommt doch mal von euren hohen Thronen herunter, krempelt die Ärmel hoch und zeigt uns, wie viel ihr selbst zu geben bereit seid! Denn wirklich geführt wird einzig allein von vorne; und zwar durch Leader, die nicht ein Jota mehr verlangen, als sie selbst zu geben bereit sind! Derweil mache ich Dienst nach Vorschrift – ich leiste, wofür ich bezahlt werde, erledige derweilen, was zu tun ist, um den Laden am Laufen zu halten – und wenn ich nach Hause komme, dann lebe ich mein Leben. Und das weitestgehend unberührt von der Arbeitswelt. Denn das bin ICH mir wert! In diesem Sinne, auf zu einer neuen Woche im Hamsterrad… wir sehen uns!

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Der verwirrte Spielleiter N°61 – …und der Spielleiter?

Es ist so eine allgemeine Weisheit, die seit ein paar Jahren durch die Youtube-RPG-Sphere geistert, dass “der Spielleiter Spaß hat, wenn die Spieler Spaß haben.” Und tatsächlich kann ich das weitenteils bestätigen. Sitzungen, bei denen es allen Beteiligten so ein bisschen wie Müssen und weniger wie Wollen vorkommt, sind mir ein Graus, denn ich WEISS hinterher immer genau, dass es nicht so der Bringer war. Vielleicht nicht unbedingt “warum” – aber in jedem Fall “dass”. Ich muss, um das genauer erklären zu können, noch einmal zum Thema Prep zurückkehren. Wenn ich mich an meinen Schreibtisch setze und beginne, mir darüber Gedanken zu machen, was ich meinen Spielern das nächste Mal zum Fraß vorwerfen – ähm, ich meine zur Interaktion vorsetzen will, dann spiele ich bereits das Spiel. Natürlich sind die Spieler-Charaktere die Protagonisten der Handlung – und die Spieler gleichsam Mitautoren der Geschichte, weil sie mittels der Handlungen ihrer Avatare (der Chars) die jeweils aktuelle Geschichte, aber eben auch verschiedene, u. U, mehrere Story-Arcs überspannende Aspekte der umgebenden Spielwelt beeinflussen. Sitze ich nun an meinem Schreibtisch, so plane ich nicht voraus, was die Spieler mittels ihrer Chars tun werden; diese Entscheidungen müssen/dürfen sie schon selbst treffen. Aber ich mache mir selbstverständlich Gedanken, wie die Antagonisten – und auch der ganze Rest der Spielwelt – auf das Ergreifen verschiedener Handlungs-Optionen reagieren würden. Denn auch in der Secondary World haben Handlungen Konsequenzen. Andernfalls bräuchten die Chars ja gar nichts tun, weil die Dinge sich in jedem Fall in diese oder jene Richtung entwickeln würden. Das nennt man übrigens Railroading. Und da meine Spieler kein Problem mit (halbwegs) linearem Storytelling haben, sehr wohl aber mit Railroading, lasse ich das üblicherweise bleiben. Was ich jedoch tue, ist Folgendes: manchmal lasse ich es auf eine Begegnung ankommen, schlicht, weil diese durch die Anlage der Erzählung nicht vermeidbar ist. Ob das ein bisschen gemein ist? Vielleicht. Aber ist ein starker (evtl. sogar wiederkehrender) Antagonist, den zu hassen man einfach lieben muss, nicht das Salz in der Suppe einer spannenden Geschichte? Denkt nur mal an “Vecna” aus “Stranger Things”… what a wonderful villain…!

Wenn ich nun aber sage, dass ich bereits bei der Campaign-, oder Session-Prep selbst das Spiel spiele, so bedeutet dies, dass ich mich in die verschiedenen Figuren der Handlung hineinversetze und zu ergründen versuche, was sie in diesem oder jenem Fall tun würden. Und das ist nichts anderes als das, was ich als Spieler am Spieltisch auch tue. Ich versuche, so zu denken, wie mein Char es täte und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen, vor denen ich selbst vermutlich nie stünde. Mir sind jedenfalls letzthin keine Golems, Lindwürmer, lebende wie untote Piraten oder sonstiges seltsames Gesindel begegnet, die mir allesamt am Kittel flicken wollten. Meinem derzeitigen Hauptcharakter allerdings schon. Und diese Person ist von meinem wahren white-middle-aged-cis-gender-male-self SEHR weit entfernt. Jedesmal, wenn ich mir – nur im übertragenen Sinne – die Haut einer anderen Person überstreife, spiele ich das Spiel. Und selbstverständlich möchte ich dann Spaß haben. Beim Vorbereiten von Spielrunden habe ich den, wenn ich das Gefühl bekomme, eine Herausforderung geschaffen zu haben, die spannend, zum Nachdenken anregend, dramatisch, alle Mitglieder der Gruppe wirklich fordernd und schließlich im Abschluss auch belohnend ist. Ob das tatsächlich der Fall war, weiß ich allerdings auch immer erst hinterher. Denn zum einen sehen meine Spieler in meinen Szenarien IMMER WIEDER irgendwelche Dinge, an die ich im Traum nicht gedacht hätte. Was aber bedeutet, dass mein Encounterdesign sich auch nach dem Call for Initiative stets weiterentwickeln muss, um die eben genannten Adjektive wenigstens halbwegs erfüllen zu können. Und manchmal muss ich sehr hart improvisieren, weil sie – wie bereits erwähnt – auf Ideen kommen, die mich dazu zwingen, neue Seiten im jeweiligen Kapitel zu schreiben, weil ich DIESEN course of action einfach nicht vorhergesehen hatte. Was bedeutet, dass ich auch als Spielleiter das Spiel spiele – denn unvorhergesehene Herausforderungen gibt es halt auf beiden Seiten des Spielleiterschirms.

Kommen wir zum Graus, den ich am Anfang erwähnt hatte. Dieser entsteht unter Umständen aus mehreren Gründen. Zunächst einmal kommt es (sehr selten) vor, dass die Spieler an allen Plothooks vorbeirennen und selbst der grellbunte, laut hupende Plotbus nach Cottbus einfach ignoriert wird. Was machste dann? Tja, kurz recht blöd aus der Wäsche kucken und dann irgendeinen Kram aus dem Ärmel schütteln. Meine Truppe ist schon mal Hals über Kopf aus einer Stadt voller interessanter NSCs und Side-Quests geflohen, weil einer von ihnen das Wort “Vampir” auf eine Art gesagt hat, die alle ganz kirre gemacht hat. Okay, vielleicht war ich auch selbst schuld daran, weil ich halt bei jeder Gelegenheit betone, dass meine Vampire weder glitzern, noch blödsinnige Spielchen spielen oder lange fackeln und – ganz im Sinne Draculs – echte MONSTER abseits jeder romantischen Verbrämung sind. Ich habe eh nie verstanden, was dass mit dieser Soft-Erotik rings um Vampire soll. Die saugen Menschen aus und machen sie zu ihren Sklaven. Was ist denn daran bitteschön romantisch oder erotisch? So’n Quatsch. Zurück zum Thema. Ein anderer Grund für Graus ist, dass die Charaktere vollkommen antiklimaktisch durch alle Encounter walzen und null Spannung aufkommt. Auch das (bewusste oder unbewusste) Zerlegen von mir durchaus gewollter Suspense durch unpassende Witze oder Sprüche kann mir den Spaß zerlegen; was allerdings NICHT bedeutet, dass Humor keinen Platz am Spieltisch hätte. Nur bitte nicht dauernd und bei allem, denn DAS ist es, was Marvel am Ende kaputt gemacht hat: jedwedes Drama irgendwie semi-ironisch brechen zu müssen. Wenn die Spieler diskutieren und planen ist das okay. Aber ab einem bestimnmten Punkt wird jede Planerei vollkommen redundant, weil irgendjemand glaubt, alle Risiken ausschalten zu können – dann schalte ich auch kurz ab. By the way: it’s called adventuring. You knew the job was dangerous, when you took it! Um das zuvor Gesagte mal einfach zusammenzufassen: ich habe Spaß, wenn ich tatsächlich auch zum Spielen meiner Welt und meiner NSCs komme und trotzdem dramatische Encounter gestalten kann. Wenn jemand mutwillig (oder auch aus Versehen) mein Drama abschaltet, schalte ich auch ab. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es allen anderen SLs vollkommen anders geht. Daher… gönnt eurem Spielleiter doch auch mal seinen Spaß! In diesem Sinne – alway game on!

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Der Weg zur Hölle…?

Als ich heute morgen – zuvorderst um meiner mentalen Gesundheit Willen – einen längeren Spaziergang am Fluss machte, musste ich leider feststellen, dass dort schon andere Menschen waren. Stelle man sich das mal vor: man geht in “die Natur” und da sind andere Menschen! Pfui Teufel… Jedenfalls hörte ich im Vorbeigehen den Fetzen einer Unterhaltung, der in etwa so ging: “[…] Der ist ein richtiger sozialistischer Hund, ein Kommunist! Und dann gendert der so selbstverliebt […]” Der Sprecher – natürlich sagt sowas meist ein Mann – hatte dabei diesen verachtungsvollen Klang in der Stimme, der zumindest mir den Verdacht nahelegte, dass ER sich für einen richtigen Macher, einen sogenannten “Leistungsträger” hält, der überhaupt nicht verstehen kann (oder eher: nicht verstehen will), wieso man sich über anderer Menschen Belange überhaupt Gedanken machen sollte… Das ist nämlich der Hauptgrund, zu gendern. Das man es damit auch übertreiben kann, will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber es gar nicht zu tun, zementiert so am Rande halt die manifeste Ausgrenzung verschiedenster Personengruppen. Deshalb ist es in verschiedenen Kontexten durchaus nützlich. Aber ich bin ja auch so ein arroganter sozialistischer Hund, der (gelegentlich) selbstverliebt gendert, nicht wahr. Also nehmen wir uns doch einfach mal ein paar wenige Minuten, um diesen verbalen Abfall vom Flussufer mal zu dekonstruieren!

Ich bin, durch den kosmischen Zufall meines biologischen Geschlechtes und meiner Geburt hier in Deutschland in eine Periode großen Wohlstandes, in die unfassbar privilegierte Position gesetzt worden, zu einem white middle-aged cis-gender male heranwachsen zu können, dem die Welt offen steht. Insofern unterscheidet mich vom obigen Sprecher vermutlich eher wenig (er war schlanker als ich). Ich sage kosmischer Zufall deshalb, weil ich einerseits natürlich zu meinem Lebens-Erfolg durch harte Arbeit und ein paar halbwegs clevere Entscheidungen beigetragen habe; wäre ich jedoch im Süd-Sudan geboren, oder in Nord-Korea, oder in Peru, oder auch in der Volksrepublik China… sagen wir so: ich habe versucht, von den vielen Chancen, die mir das Leben hier in Deutschland geboten hat, wenigstens ein paar zu nutzen. Macht mich das zu einem wichtigeren, besseren, stärkeren, oder gar wertvolleren Menschen, als… sagen wir mal die Obdachlosen am Hauptbahnhof? Wohl kaum! Also scheint es andererseits doch so zu sein, dass ich zwar manche Aspekte meines Lebens gestalten kann, diese Gestaltungsfreiheit allerdings stets durch die Kontextbedingungen (verfügbare Ressourcen, medizinische Versorgung, Bildung, Staatsform, Frieden oder Krieg, Peergroups, etc.) begrenzt wird. Leute… wir segeln ALLE ZUSAMMEN auf dem gleichen, mit weitestenteils endlichen Ressourcen bestückten, stets vom Auseinanderbrechen bedrohten, nur von unsichtbaren Kräften auf seiner Bahn gehaltenen Gesteinsklumpen durch das lebensfeindlichste Medium, welches wir kennen: den Weltraum; und das mit einer, für unser Verständnis aberwitzigen Geschwindigkeit! Wie wäre es zur Abwechslung mal mit etwas Demut für die absolut unwahrscheinliche Verkettung von Zufällen, welche unsere Existenz überhaupt erst ermöglicht hat…? Mit etwas Dankbarkeit dafür, aus Versehen in einem Land geboren zu sein, dass uns so viel ermöglicht? Mit etwas Zusammenhalt für diejenigen, die es trotzdem wesentlich schwerer haben (auch hier bei uns)?

Wie wäre es etwa damit, wenigstens einen Teil seines “Leistungsertrages”, auf den man so stolz ist, dafür aufzuwenden, es denen, die weniger (oder gar keine) Chancen hatten etwas leichter zu machen, anstatt mit einer kruden Mischung aus Ekel, Mitleid und Arroganz auf sie herabzublicken; oder auf jene, die ihnen schon helfen. “Aus großer Macht erwächst große Verantwortung!” Da nicken alle Marvel-Fans pflichtschuldigst. Doch seid mal ehrlich zu euch selbst: lebt irgendjemand diesen Satz auch? Denn Geld istgleich Macht! Oder was glaubt ihr, warum dieser Psychopat Elon Musk ohne jedwede Eignung eine regierungsnahe Behörde “beraten” darf? Also, wie setzt ihr euer Kapital ein? Ach so, reicht gerade so zum Leben…? Aha. Was kostet ein Iphone gleich nochmal? Was kostet ein Premium-Fahrzeug mit vollkommen überdimensionierter Motorsisierung? Was irgendwelche Wohnraum-Accessoires mit Markenlabel, oder Klamotten desgleichen (die übrigens in dem gleichen Sweat-Shop von Kindern für einen Hungerlohn zusammengenäht werden, wie der Fast-Fashion-Mist von Shein, oder Primark, oder H&M!)? Was kostet die Welt? Wäre nicht die Frage wichtiger, was ICH von dieser Welt wirklich brauche? Es läuft immer wieder auf das Gleiche hinaus: viel zu viele definieren sich über die Kohle, die sie nach Hause bringen. Dann geben sie diese Kohle aus für Schrott, den niemand braucht, um sich so darüber hinweg trösten zu können, dass ihr Job nutzlos, nervtötend oder schlicht und einfach scheiße ist; weil sie dort an der Produktion und Vermarktung jenes Schrotts mitwirken, den andere Menschen nur dazu brauchen, um sich über die Nutzlosigkeit ihres eigenen Jobs… versteht ihr, dass diese Tretmühle ein Teufelskreislauf ist, der – bis auf wenige Menschoide ganz an der Spitze der Nahrungskette – nur Verlierer erzeugt? Die dann auch noch glauben, sich über andere erheben zu dürfen, die ein bisschen schlimmere Verlierer sind? Wie dieses Arschloch am Ufer? Ich könnte jetzt sagen: Ach was soll’s – erstickt doch einfach an eurem verfickten Konsum! Wenn ich nicht wüsste, dass ihr gerade die Zukunft meiner Kinder verbrennt. Wenn ich nicht wüsste, dass auch meine Bilanz noch Arbeit bedarf. Der Weg zur Hölle? Der ist mit vielen schlechten Entscheidungen geplastert. Viel Spß beim Nachdenken…

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…hab gecheated…!

Es gibt drei Dinge, die sich über den heutigen Freitag sagen lassen. Erstens ist es in den Medien sehr schnell verdächtig still um den Amoklauf hier in Mannheim geworden, einfach nur, weil man das Ganze nicht so schön migrations-medial ausschlachten kann. Buhu, kein “Ausländer” als Täter, da kann man nix draus konstruieren, also weiter im Text. ZWEI! MENSCHEN! SIND! TOT! IHR! VERKACKTEN! MEDIEN-ARSCHGEIGEN! Und ihr tanzt immer brav nach Pfeife der Drecksfaschos von der AfD! In Wahrheit ist unsere angeblich so linksgrünversiffte “Systemmedien”-Landschaft zum Sprachrohr der Rechten verkommen, indem sie deren Agenda des Noch-Nicht-Sagbaren immer weiter und weiter unter die Menschen trägt! Schämt euch in Grund und Boden, armseliges Journalistenpack! Der Taxifahrer, der den KRANKEN DEUTSCHEN MANN aufgehalten hat, ist übrigens gebürtiger Afhgane, der schon lange in Deutschland lebt und arbeitet. Gelungene Integration und so…? Zweitens habe ich durch die Einleitung einer “exlaboratio praecox” gecheated – also die Arbeitswoche frühzeitig beendet, um heute Abend mit meiner Gattin was Schönes zu unternehmen. Das haben wir uns nämlich sehr verdient, einfach weil wir das Alles, was das Universum uns vor die Füße zu werfen die Frechheit besitzt, jeden Tag auf’s Neue nonchalant, mit Chuzpe und Verve wegatmen! Drittens denke ich gerade über Wut nach! Das mag jetzt paradox klingen, jedoch ist die Reflexion der eigenen Gefühlswelt wichtige Voraussetzung, die Emotionen und Motive anderer Menschen verstehen und einordnen zu können. Man nennt diesen Vorgang gemeinhin übrigens Empathie – den rationalen Nachvollzug der Gefühlswelt meines Gegenübers. Mache ich mir indes die Gefühle meines Gegenübers zu eigen, so nennt man das Mitgefühl. Nur dass ihr das auch mal zu unterscheiden lernt…

Ich las heute Morgen beim ersten Kaffee auf Zeit Online einen Artikel über weibliche Wut. Und über die Wahrnehmung der Autorin, dass Frauen sich im Mittel nicht den Raum in der Öffentlichkeit nehmen, den Männer dieser Emotion einzuräumen sich erlauben. Ich stelle fest, dass die beste Ehefrau von allen in der Tat oft irritiert bis verärgert reagiert, wenn ich meinen diesbezüglichen Emotionen freien Lauf lasse. In den allermeisten Fällen leide ich dabei an Anfällen des klassischen Autofahrer-Tourette – und der muss halt raus, bevor ich Stücke aus dem Lenkrad beiße. Ich bemerke sehr wohl geschlechtsspezifische Verhaltens-Unterschiede im (teil)öffentlichen Miteinander. Mir ist auch bewusst, dass hierbei Elternhaus, Peergroup, sozio-kulturelle Normen, etc. eine entscheidende Rolle spielen. Ich gestehe allerdings, dass ich naiverweise davon ausging, dass Frauen sich ihren Raum für Ihre Wut einfach an anderen Orten oder in anderen Kontexten nehmen würden, schlicht weil Wut oft ein sehr privates Gefühl ist. Und sie haben ja auch jedes Recht dazu, wenn man sich die gesellschaftlichen Realitäten des Jahres 2025 mal genauer anschaut. In der Hinsicht wäre das private Gefühl dann doch eher ein politisches, und sollte sich in der Öffentlichkeit zeigen und entladen können. Denn von der, in unserem Grundgesetz in Artikel 3, Absatz 2 kodifizierten Gleichberechtigung und dem im Absatz 3 beschriebenen Schutz vor Benachteiligung sind wir immer noch verdammt weit entfernt. “It’s (still) a man’s man’s world”. Die zweite Zeile “But it wouldn’t be nothing, nothing without a woman or a girl” wird da immer noch gerne vergessen.

Ich glaube ja, dass vielen Frauen eine offen gezeigte, ungefilterte und unmoderierte Wut so unangenehm ist, auf Grund der kulturellen Konditionierung, welche sie auch heute noch viel zu häufig von Kindesbeinen an erfahren. Und das wir Männer das durch unser, im krassen Gegensatz dazu, häufig vollkommen unbeherrschtes Territorial- und Besitzverhalten auch noch weiter befördern. Ich würde Wut ja gerne normalisieren. ich hätte gerne wieder robustere Diskurse. Man gilt heutzutage ja nur etwas, wenn man stets beherrscht und höflich und allem Ärger über vom Gegenüber beigefügte Verletzungen zum Trotze sachlich – UND DAMIT EINFACH FALSCH – bleibt! Ich will, dass sich Menschen auch mal anschreien können, egal ob Mann, Frau oder sonstwas! Weil ich im tiefen Grunde meines Herzens davon überzeugt bin, dass diese ganze kulturelle Tünche, diese falsche Nettigkeit, diese vorgebliche Sachlichkeit die wir miteinander immerzu wahren zu müssen glauben, uns in Wahrheit nicht weiterbringt, sondern voneinander entfernt, weil sie Bigotterie und hinterfotziger Doppelzüngigkeit Tür und Tor öffnet. Und damit kann und will ich eigentlich nicht mehr umgehen müssen. Schreit mir ins Gesicht, was ihr denkt! Traut euch, nicht über euren Ärger zu lachen, um ihn so zu relativieren! Gebt einander Raum, die ganze Scheiße rauszulassen! Und dann, erst dann, wenn die Gewitterwolken sich verflüchtigt haben, besitzt die Größe, aufeinander zuzugehen und miteinander auszuhandeln, was es auszuhandeln gilt! Es ist die einzige Art, die für mich wirklich zufriedenstellend funktioniert und mir hilft, nicht wieder in Depressionen abzugleiten. Alle Emotionen brauchen Ventile – auch, nein insbesondere die negativen. Und wenn man – so wie ich – gefühlt schon immer wütend ist, dann nutzt es nichts, die nette Bedienberfläche aufzusetzen, wenn drinnen Dresden Februar ’45 ist. Mach ich nicht mehr! Sollten die Frauen auch nicht mehr machen. So. Gut is. Schönes Wochende… und lasst es mal raus. Tut. Echt. Gut…

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Stuck in the middle N°9 – …more about writing!

Trügerisch träge wälzt sich der Strom durch sein aktuell immer schmaler gewordenes Bett. Am Ufer liegen große Mengen Treibholz, kleingemahlen von der stillen Kraft, welche unter der idyllischen Szenerie lauert. Beschienen von der Märzsonne, die langsam aber sicher wieder an Kraft gewinnt, beobachte ich das sanfte Kräuseln der Oberfläche, schirme die Augen gegen die gleißenden Reflexe ab. Ein Sinnbild für meine derzeitige Fähigkeit, an meinem Projekt weiterzuschreiben. Gedanken treiben umeinander, schleifen sich gegenseitig so rund, dass anstatt Essenz nur noch nutzlose Reste übrigbleiben, bis irgendetwas davon ans Ufer meiner Wahrnehmung getrieben wird. In das Darunter hingegen kann ich wegen der Reflexionen, welche von Außen eingestreut werden, nicht hineinblicken. Zu viele Dinge, zu viele Menschen, die gleichzeitig nach meiner Aufmerksamkeit heischen; für manche davon werde ich bezahlt, andere entstehen dadurch, dass Existenz allein immer auch noch andere Verpflichtungen beinhaltet. Zum Beispiel gegenüber der Familie und den Freunden. Gerne wäre ich im Moment allein für mich. Doch diese Möglichkeit besteht gerade nicht. Ja, es ist Wochenende und offensichtlich habe ich genug Zeit, zwei Blogposts zu schreiben. Sich eine Stunde nehmen für einen Spaziergang am Fluss, das geht auch. Aber sobald diese zwei Tage wieder zu Ende sind, ruft er laut, der Trott des Alltags, garniert mit allzu würzigen Häppchen von Ärgernis, während große Brocken von Arbeit in einer Faden Brühe aus Ressourcen- und Motivationsmangel treiben…

Um mich von diesen Missempfindungen abzulenken, schreibe und zocke ich! Es gibt auch noch andere Gründe, aber in der Hauptsache ist es genau DAS – in andere Gedanken, in andere Personen, in andere Welten eintauchen und die reale Welt für einen definierten Zeitraum alleine in ihrem Saft schmoren lassen. Ich glaube man sagt Eskapismus dazu, aber ganz ehrlich… es ist mir scheißegal, wie das Kind heißt, solange es mir hilft, mit dem Rest irgendwie klarzukommen. Allerdings habe ich im Moment eine Blockade! Die ersten 150 Seiten schrieben sich beinahe wie von selbst, weil ich eine klare Vorstellung davon hatte, was wann und wie passieren soll, welche Protagonisten welche Rolle spielen müssten und worauf das alles hinausläuft. In anderen Worten – ich hatte einen Plan! Den habe ich immer noch. Das Problem mit Fantasy-Literatur ist Folgendes: wenn ich ein halbwegs gutes Buch schreiben möchte, also meine Charaktere und ihre Reise ernst nehmen will, dann sollte die äußere Welt, in welcher die Geschichte stattfindet den inneren Kampf der Charaktere widerspiegeln. [Wer gerne über das Thema mehr wissen möchte, liest Stephen R. Donaldsons Essay “EPIC FANTASY IN THE MODERN WORLD. A Few Observations.” aus dem Jahr 1986.] Das bedeutet, dass man einerseits seine Charaktere sehr gut kennen und wissen muss, was ihre Stärken und Schwächen sind, was sie in die Knie zwingt und womit sie psychologisch zu kämpfen haben, um die Herausforderungen der äußeren Welt darauf abstimmen zu können. Die Dynamiken der einzelnen Character-Arcs sollten daher auch aufeinander abgestimmt sein. Andererseits kann dann NICHTS in der äußeren Welt der Erzählung einfach so passieren, was nicht zu dieser inneren Reise passt! Ich kann nicht einfach eine Actionszene einbauen, nur weil mir beim Schreiben gerade langweilig ist. Das ist auch so eine oft unreflektiert replizierte Weisheit unter Autoren: wenn eine Szene notwendig aber langweilig ist, leg’ ne Kanone auf den Tisch und schau was passiert.

Man muss über das Schreiben auch noch dies wissen: wenn ich mich an eine Szene setze, dann weiß ich vorher NICHT, wie die fertige Szene aussehen wird. Und selbst wenn der First Draft meiner ursprünglichen Idee eventuell sehr nahe kommt, kann es nach der zweiten oder dritten Revision sehr wohl sein, dass die Szene nun vollkommen anders abläuft, als zunächst intendiert. Denn nehme ich beim Schreiben meine Charaktere ernst, muss ich im Prozess reflektieren, wie diese andere Person, durch deren Augen die Leser:innen später die Geschichte erleben auf die präsentierten Probleme und Herausforderungen reagieren würde – nicht, was ich dann täte. Was bedeutet, dass ich mich zum Schreiben tief in diese andere Person hinein versetzen muss. Ich streife mir – im übertragenen Sinne – deren Fleisch über. Niemand interessiert sich dafür, was ich täte, wenn ich von einem Dämon bedroht würde – ich, white middle-aged cis-gender-male Körpergulasch wäre einfach totes Fleisch! Meine Helden hingegen fahren unter Umständen mit einer Chaos-Kreatur auch mal Schlitten, dass es eine wahre Pracht ist. Oder auch nicht, wenn die Zeichen mal wieder gegen einen stehen! Daraus folgt, dass Action sehr wohl intergraler Bestandteil einer Geschichte sein kann (und manchmal sogar sein muss); allerdings nie zum Selbstzweck, sondern stets, um die Reise der Charaktere voranzutreiben. Für Sexszenen gilt übrigens das Gleiche. [Ja, ich schreibe echt für Erwachsene. Gibt schon mehr als genug Heiteitei-Young-Adult-Autoren da draußen!] An so einem Punkt bin ich gerade, wo das seichte Dahinplätschern auf den letzten Seiten geradezu nach einem feisten Weckruf verlangt, ich aber keine Action um der Action Willen inszenieren möchte, weil sich das im Verlauf falsch anführen würde. Blöd gelaufen.

Man kann den Schreibfluss manchmal nicht herbeizwingen. Oft ist es so, dass man etwas Zeit braucht, um seinen eigenen Kopf zu unfucken; und neben Zeit auch die Muße, Dinge einfach mal zu tun, weil man Lust darauf hat, nicht weil man muss. Und da ist er wieder, der Endpunkt des Wochenendes, der langsam aber sicher schon zu winken beginnt. Mal sehen, wohin der Zug heute noch fährt. Bis zum nächsten Mal eine gute Zeit und eine nicht zu beschissene Woche!

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New Work N°21 – wofür eigentlich…?

Um es auf den Punkt zu bringen – ich habe von einigen Dingen atomar die Schnauze voll! Zum Beispiel von Menschen, die unter hohem Zeitdruck erbrachte Arbeit nicht zu schätzen wissen. Nichts im Leben ist perfekt, insbesondere dann nicht, wenn man dabei mit knappen Ressourcen hantieren muss. Sich hinterher hinzustellen und alles zu zerpflücken, ist jedoch pille-palle-einfach – und wird in den seltensten Fällen der Mühe gerecht, die sich jemand gegeben hat. Das Corpus Delicti ist hier eine Online-Fortbildung, die nach Aussagen Dritter zu einfach, zu kurz, zu wasweißichnichtnochalles ist. Okay, ist kein Glanzstück, dass war schon vorher zu erkennen. Zudem beklagt sich eine gewisse Personengruppe, nicht genug eingebunden gewesen zu sein – obwohl diese Personengruppe von didaktischer Arbeit schlicht keine Ahnung hat. Und auch nicht von den technischen Grenzen bestimmter Methoden, Tools oder eines Lernmanagement-Systems. Egal. Was mich jedoch am meisten fuchst, ist, dass man es MIR vorwirft, dass ANDERE es sich zu leicht machen und dabei ARBEITSZEITBETRUG begehen. Würde man sich mit den Inhalten wirklich auseinandersetzen, so wie es vorgesehen ist, könnte man gewiss auf die angegebene Zeit kommen. Tut man aber nicht, aus Faulheit, Indolenz und Trägkeit, womit wir wieder bei der wahren Bedeutung von FIT wären. Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen möchte! Aber ich ziehe meine Lehren daraus. In Zukunft werde ich einfach NEIN sagen und die Herrschaften sollen doch bitte jemand anders suchen, wenn sie der Meinung sind, ich wäre zu blöd, zu faul oder zu wenig devot gegenüber gewissen Protagonisten. Ich bin weder blöd, noch faul, noch zu wenig kommunikativ – ICH BIN ÜBERARBEITET GODDAMMIT! Ich bekomme keine Ressourcen (zu teuer), keine vernünftige Unterstützung (da müsste man ja jemanden aus seinem Personalportfolio abgeben, geht ja gar nicht) und bin seit Jahren andauernd damit beschäftigt, mit heißer Luft zu zaubern. In regelmäßigen Abständen nähe ich die komplette Orga immer wieder frisch auf Kante, darf mir aber im Gegenzug das Gejammer Dritter anhören, die mit diesem oder jenem nicht zufrieden sind. Da fällt mir ein Zitat ein…

“We, the unwilling, led by the unknowing, are doing the impossible for the ungrateful. We have done so much, for so long, with so little, we are now qualified to do (almost) anything with nothing.”

Konstantin Josef Jireček

Mittlerweile bin ich nämlich vollkommen unwilling! Unwillig, für Undankbare unmögliche Aufgaben in unfassbar kurzer Zeit mit unglaublich wenig Mateial erledigen zu müssen. Unwillig, mich dafür beschuldigen zu lassen, wenn Dritte ihren normalen Aufgaben nicht nachkommen und es sich einfach machen, wenn man ein wenig Mühe aus verschiedenen Gründen erwarten dürfte. Unwillig, es weiter zu erdulden, dass man mich wahlweise zum Rezipienten für jedwede, noch so lächerliche Beschwerde macht, mir aber im Gegenzug untersagt, dem Beschwerdeführer eine deutliche Antwort zu geben; dafür jedoch in anderen Situationen einfach mal behauptet, wir seien auf einem guten Weg, wenn ich an dem gegenwärtigen Weg nur noch sehr wenig Gutes zu erkennen vermag. Unwillig, mich im politischen Kleinklein zuerreiben zu lassen, wenn mir dadurch viel zu wenig Zeit für die eigentlichen Aufgaben meines Amtes bleibt. Unwillig, zu akzeptieren, dass man stets versucht, meine Gestaltungsspielräume einzuengen. Unwillig, weiterzumachen… Es ist, paradoxerweise, momentan der Lehrsaal, der mich am wenigsten Energie kostet. Ja, die Auszubildenden sind teilweise anstrengende Sparringspartner, weil sie den Anspruch artikulieren, von mir ein Komplettpaket geliefert zu bkommen, dabei noch verkennend, dass sie eine Menge Eigenleistung dazugeben müssen, um am Ende das Ziel erreichen zu können. Aber es ist eine lohnende Arbeit, weil ich manchmal diesen Heureka-Ausdruck in den Gesichtern sehen kann. Und weil ich die Chance habe, den jungen Leuten zu einer Haltung zu verhelfen, die ich in so manch Anderen, mit dem ich beruflich zu tun habe deutlich vermissen muss. Respekt! Konfliktfähigkeit! Teamspirit! Leistungsbereitschaft! Dieses zwanghafte zu Tode verwalten, und vor allem zu Tode verwaltet werden jedoch, DAS kann ich nicht viel länger ertragen!

Ich habe mir schon ein paar Mal Ultimaten gestellt und – naiv, wie ich manchmal auch mit 50 Lenzen noch bin – verstreichen lassen, weil ich gelegentlich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen glaubte. JEDES EINZELNE MAL WAR ES EIN ENTGEGENKOMMENDER ZUG! Bislang bin ich nicht überrollt worden, aber es kommt mir gelegentlich so vor, als wenn gewisse Dritte es genau darauf anlegen würden. Ganz so, als wenn sie sich nicht bewusst wären, wie sehr ein Gesamtkonstrukt manchmal an einer Person aufgehängt ist. Nimmst du den zentralen Nexus in der Mitte weg, bricht das ganze Netzwerk zusammen. Und ehrlich gesagt sehe ich gegenwärtig wenig Benefit für mich selbst darin, so weiter zu machen wie bisher. Ja, ich habe in der Tat ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und schaue dabei auf die mir anvertrauten Kolleg:innen und Auszubildenden. Aber Selbstausbeutung MUSS eine Grenze haben. Meine ist, so weit ich das übersehen kann, mittlerweile wirklich und engültig erreicht. Ich mag Teile meines Jobs immer noch auf gewisse Art. Das, worauf ich nächste Woche am meisten gespannt bin ist, ob mein Unterrichtsansatz, jungen Menschen Ethik im Gesundheitswesen näher zu bringen fruchten wird, oder ob ich mal wieder zu verkopft an ein kopflastiges Thema rangegangen bin…? Wir werden sehen. Aber dieser ganze politische Quatsch, der mich von meiner eigentlichen Arbeit abhält, dieses Egogeficke verschiedener Protagonisten, diese Unfähigkeit zum systemischen Denken, dieser Egoismus, das ständige übereinander- anstatt miteinander Reden und die ständige Angst mancher Leute davor, was Dritte denken oder tun könnten, oder auch nicht, die brauch und will ich nicht mehr. Würde die beste Ehefrau von allen nicht gerade auch in einer großen beruflichen Transformation stecken, wäre ich wahrscheinlich zum 30.06 weg – und nach mir die Sintflut. Tja Scheiße gelaufen, Vielleicht spiele ich mal wieder Lotto. In diesem Sinne – versaut Kolleg:innen, die sich für ihren Job wirklich Mühe geben, nicht so den Tag, wie ich es oben beschrieben habe, sondern hegt und pflegt sie. Denn sind sie weg, werdet ihr feststellen, was ihr an ihnen hattet! Schönen Samstag…

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