Ich hatte neulich ein interessantes Meeting, bei dem einige Menschen anderen Menschen mal offenbart haben, wie viel Vorbereitung wirklich dahinter steckt, ordentlichen Fach- Unterricht machen zu können. ICH merke ja auch immer wieder, dass Leute tatsächlich glauben, ICH könnte alles Mögliche on a moments notice aus dem Ärmel schütteln – was vollkommener Quatsch ist. Ich muss mich genauso hinsetzen, eine Unterrichtsverlaufs-Planung schreiben, die passenden Einzelmethoden auswählen und – sofern es sich um theoretischen Unterricht handelt – den Content erstellen, wie jede:r andere auch. Okay, bei Unterrichten, die ich schon öfter gehalten habe, fällt vielleicht nicht mehr die GANZE Vorbereitungsarbeit an. Dennoch muss ich mich jedesmal neu reindenken, evtl. beim letzten Durchlauf aufgelaufenes Feedback integrieren und meine Materialien prüfen. Überdies entwickle ich für das Verständnis der Schüler:innen gerne Übersichten an der Metaplanwand, was bedeutet, dass ich auch jedes Mal meine Kärtchen neu schreiben muss. In aller Regel morgens, direkt bevor der Unterricht losgeht. Lehrkräfte mit noch nicht so fest eingeübten Abläufen brauchen aber länger für so was. Und nicht selten muss man sich selbst noch mal seines eigenen Wissens versichern, bevor man überhaupt daran denken kann, sich zu überlegen, wie man dieses eigene Wissen und die Skills für andere begreifbar machen könnte. Ich muss hier noch mal an die konstruktivistische Sichtweise auf Pädagogik erinnern: wir bringen niemandem etwas bei; wir bereiten lediglich den Boden, auf dem die Schüler:innen ihre jeweils eigene Wissensernte einfahren können! Wozu es im übrigen der Mitarbeit bedarf. Aber darüber habe ich an anderer Stelle schon sattsam gesprochen…

Arbeitgeber gehen oft naiv davon aus, dass ein Fachlehrer sich 35h die Woche in den Lehrssal stellt und in der verbleibenden Zeit nebenbei alles erledigt, was halt so anfällt: Unterrichtsvor- und nachbereitung, Korrespondenz mit den betrieblichen Ausbilder:innen und den amtlichen Regulierungsbehörden, Führen der Zeitnachweise und Klassenbücher, anlassbezogene Gespräche, bewertende Arbeitsbesuche, Korrektur von Klassenarbeiten, Staatsexamina und so weiter und so fort. Und da ist einspringen wegen Krankheit o. Ä. noch nicht inkludiert. Jede:r, die/der schon mal eine Klasse gemanaged haben, liegt jetzt vor Lachen gekrümmt unterm Schreibtisch, weil allen, die schon mal in diesen Stiefeln marschiert sind sofort und intuitiv klar ist, dass DIESE ANNAHME RIESENGROSSE, DAMPFENDE BULLENSCHEISSE IST! Die Fachlehrkräfte, mit denen ich bekannt bin, reden nicht über ihre Stundensaldi, sondern machen ihren Job. Aber der Krug kann nur so lange zum Brunnen gehen, bis er bricht. Was bedeutet, dass in dem oben erwähnten Gespräch ein Wort mit besonderer Häufigkeit vorkam: Überlastung! Und wir reden hier nicht über Heulsusen, sondern über ein Team, dass in der jüngeren Vergangenheit außergewöhnliche Belastungen einfach weggeatmet hat! Womit wir bei dieser Dienst-nach-Vorschrift-Diskussion wären, die derzeit Dank der häufig replizierten Gallup-Umfrage durch die Medien schwappt. Die Mitarbeiter deutscher Unternehmen hätten demnach im Mittel keine emotionale Bindung zum Unternehmen mehr und machen daher halt – ja genau: Dienst nach Vorschrift. Und natürlich schwingt in verschiedensten Einlassungen zum Thema stets dieser implizite Vorwurf der FAULHEIT mit. Nicht umsonst hat die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen dieser Tage nach dem Verzicht auf einen Feiertag gerufen, weil wir die Kosten des von der dräuenden SchleNeKo (Schlechte Neue Koalition) ausgehandelten “An-der-Schuldenbremse-vorbei-Sondervermögens” durch mehr Leistung ausgleichen müssten. Das einzige, was Frau Schnitzer dabei versteht ist Trickle-Down. Was allerdings bis heute nachweislich nicht funktioniert hat; sie redet also mit anderen Worten einer noch schnelleren Umverteilung von Unten nach Oben das Wort. Die Fresse halten soll dieses dämliche, überbewertete Fossil! Wir arbeiten angeblich zu wenig, sind nicht produktiv genug und überhaupt fordern wir Arbeitnehmer immerzu viel zu viel. Und dann kommt man auch noch mit der angeblich mangelhaften Arbeitsmoral um die Ecke!
Ich habe da einen etwas anderen Blick drauf, der sich übrigens in einigen Punkten mit dem der Fachjournalistin Diana Dittmer deckt: Mein Arbeitsplatz ist nicht meine Familie und am Ende des Tages ist meine Anstellung ein Handel auf Gegenseitigkeit: Lebenszeit gegen Kohle! In KEINEM Arbeitsvertrag steht was davon, dass ich meinem Arbeitgeber mehr schulde, als die vertraglich vereinbarten Stunden und die üblichen Loyalitätspflichten: nicht klauen, keine wirtschaftlich relevanten Interna ausplaudern, den Arbeitgeber nicht öffentlich diskreditieren, die Arbeitszeit auch wirklich mit Arbeit und nicht irgendwelchen Kinkerlitzchen füllen, mit den Kollegen professionell umgehen – egal, ob ich diese nun leiden kann, oder eher nicht. So weit – so normal. Doch es scheint heute üblich zu sein, implizit mehr als das zu erwarten und Menschen nur dann als performant wahrzunehmen, wenn sie “die Extrameile gehen”. SCHEISS AUF DIE EXTRAMEILE – WELCHE EXTRAMEILEN GEHT MEIN ARBEITGEBER FÜR MICH? Ich meine abseits dessen, was er um’s Verrecken nicht verhindern kann, weil wir evtl. heute in meiner Branche von einem Arbeitnehmer-Markt sprechen müssen? Mein Arbeitsplatz nimmt mich nicht in den Arm, wenn es mir schlecht geht! Mein Arbeitgeber stellt es mir nicht frei, zur Burnoutprophylaxe am Fluss spazieren zu gehen, auch wenn ich letzthin häufig das dringende das Bedürfnis dazu habe! Meine Arbeit gibt mit nur einen begrenzten Teil des Sinnes, den ich in meinem Leben sehen möchte! Manche Vertreter meines Arbeitgebers benutzen das Wort “Danke” gerne und ausgiebig (auch, weil es nichts kostet) – andere widerum würden sich eher die Zunge abbeißen, bevor sie zu MIR wirklich freundlich sind; oder die erbrachten Leistungen wirklich anerkennen.
Ich schulde meinem Arbeitgeber folglich genau das, was im Vertrag steht: 40h die Woche präsent, performant, perzeptiv und professionell zu sein. Nicht weniger – aber auch keinesfalls mehr. Und was für mich gilt, gilt für ALLE ANDEREN ebenso. Denn tatsächlich leisten nämlich sehr viele Menschen schon sehr viel mehr, als sie müssten; und manchmal auch, als sie eigentlich könnten. Und diese Menschen fühlen sich von dem realitätsfernen, arroganten, unverschämten Geschwafel möchtegernwichtiger, nutzloser “Elitenvertreter” regelmäßig beleidigt. Wo stehen wir also? Ganz einfach an dem Punkt, an dem die ganzen abgehobenen Wirtschaftslobbyisten, ultraneoliberalen Gierschlünde und ihre willfährigen Helferlein aus dem “Polit-Establishment” verstehen müssen, DASS ES KEIN ZUERÜCK BEI DEN ARBEITNEHMERRECHTEN GIBT! ENDE! DER! DISKUSSION! Wenn ihr meint, wir fleißigen kleinen Ameisen hier unten kriegen es nicht hin, dann kommt doch mal von euren hohen Thronen herunter, krempelt die Ärmel hoch und zeigt uns, wie viel ihr selbst zu geben bereit seid! Denn wirklich geführt wird einzig allein von vorne; und zwar durch Leader, die nicht ein Jota mehr verlangen, als sie selbst zu geben bereit sind! Derweil mache ich Dienst nach Vorschrift – ich leiste, wofür ich bezahlt werde, erledige derweilen, was zu tun ist, um den Laden am Laufen zu halten – und wenn ich nach Hause komme, dann lebe ich mein Leben. Und das weitestgehend unberührt von der Arbeitswelt. Denn das bin ICH mir wert! In diesem Sinne, auf zu einer neuen Woche im Hamsterrad… wir sehen uns!