Als ich heute morgen – zuvorderst um meiner mentalen Gesundheit Willen – einen längeren Spaziergang am Fluss machte, musste ich leider feststellen, dass dort schon andere Menschen waren. Stelle man sich das mal vor: man geht in “die Natur” und da sind andere Menschen! Pfui Teufel… Jedenfalls hörte ich im Vorbeigehen den Fetzen einer Unterhaltung, der in etwa so ging: “[…] Der ist ein richtiger sozialistischer Hund, ein Kommunist! Und dann gendert der so selbstverliebt […]” Der Sprecher – natürlich sagt sowas meist ein Mann – hatte dabei diesen verachtungsvollen Klang in der Stimme, der zumindest mir den Verdacht nahelegte, dass ER sich für einen richtigen Macher, einen sogenannten “Leistungsträger” hält, der überhaupt nicht verstehen kann (oder eher: nicht verstehen will), wieso man sich über anderer Menschen Belange überhaupt Gedanken machen sollte… Das ist nämlich der Hauptgrund, zu gendern. Das man es damit auch übertreiben kann, will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber es gar nicht zu tun, zementiert so am Rande halt die manifeste Ausgrenzung verschiedenster Personengruppen. Deshalb ist es in verschiedenen Kontexten durchaus nützlich. Aber ich bin ja auch so ein arroganter sozialistischer Hund, der (gelegentlich) selbstverliebt gendert, nicht wahr. Also nehmen wir uns doch einfach mal ein paar wenige Minuten, um diesen verbalen Abfall vom Flussufer mal zu dekonstruieren!

Ich bin, durch den kosmischen Zufall meines biologischen Geschlechtes und meiner Geburt hier in Deutschland in eine Periode großen Wohlstandes, in die unfassbar privilegierte Position gesetzt worden, zu einem white middle-aged cis-gender male heranwachsen zu können, dem die Welt offen steht. Insofern unterscheidet mich vom obigen Sprecher vermutlich eher wenig (er war schlanker als ich). Ich sage kosmischer Zufall deshalb, weil ich einerseits natürlich zu meinem Lebens-Erfolg durch harte Arbeit und ein paar halbwegs clevere Entscheidungen beigetragen habe; wäre ich jedoch im Süd-Sudan geboren, oder in Nord-Korea, oder in Peru, oder auch in der Volksrepublik China… sagen wir so: ich habe versucht, von den vielen Chancen, die mir das Leben hier in Deutschland geboten hat, wenigstens ein paar zu nutzen. Macht mich das zu einem wichtigeren, besseren, stärkeren, oder gar wertvolleren Menschen, als… sagen wir mal die Obdachlosen am Hauptbahnhof? Wohl kaum! Also scheint es andererseits doch so zu sein, dass ich zwar manche Aspekte meines Lebens gestalten kann, diese Gestaltungsfreiheit allerdings stets durch die Kontextbedingungen (verfügbare Ressourcen, medizinische Versorgung, Bildung, Staatsform, Frieden oder Krieg, Peergroups, etc.) begrenzt wird. Leute… wir segeln ALLE ZUSAMMEN auf dem gleichen, mit weitestenteils endlichen Ressourcen bestückten, stets vom Auseinanderbrechen bedrohten, nur von unsichtbaren Kräften auf seiner Bahn gehaltenen Gesteinsklumpen durch das lebensfeindlichste Medium, welches wir kennen: den Weltraum; und das mit einer, für unser Verständnis aberwitzigen Geschwindigkeit! Wie wäre es zur Abwechslung mal mit etwas Demut für die absolut unwahrscheinliche Verkettung von Zufällen, welche unsere Existenz überhaupt erst ermöglicht hat…? Mit etwas Dankbarkeit dafür, aus Versehen in einem Land geboren zu sein, dass uns so viel ermöglicht? Mit etwas Zusammenhalt für diejenigen, die es trotzdem wesentlich schwerer haben (auch hier bei uns)?
Wie wäre es etwa damit, wenigstens einen Teil seines “Leistungsertrages”, auf den man so stolz ist, dafür aufzuwenden, es denen, die weniger (oder gar keine) Chancen hatten etwas leichter zu machen, anstatt mit einer kruden Mischung aus Ekel, Mitleid und Arroganz auf sie herabzublicken; oder auf jene, die ihnen schon helfen. “Aus großer Macht erwächst große Verantwortung!” Da nicken alle Marvel-Fans pflichtschuldigst. Doch seid mal ehrlich zu euch selbst: lebt irgendjemand diesen Satz auch? Denn Geld istgleich Macht! Oder was glaubt ihr, warum dieser Psychopat Elon Musk ohne jedwede Eignung eine regierungsnahe Behörde “beraten” darf? Also, wie setzt ihr euer Kapital ein? Ach so, reicht gerade so zum Leben…? Aha. Was kostet ein Iphone gleich nochmal? Was kostet ein Premium-Fahrzeug mit vollkommen überdimensionierter Motorsisierung? Was irgendwelche Wohnraum-Accessoires mit Markenlabel, oder Klamotten desgleichen (die übrigens in dem gleichen Sweat-Shop von Kindern für einen Hungerlohn zusammengenäht werden, wie der Fast-Fashion-Mist von Shein, oder Primark, oder H&M!)? Was kostet die Welt? Wäre nicht die Frage wichtiger, was ICH von dieser Welt wirklich brauche? Es läuft immer wieder auf das Gleiche hinaus: viel zu viele definieren sich über die Kohle, die sie nach Hause bringen. Dann geben sie diese Kohle aus für Schrott, den niemand braucht, um sich so darüber hinweg trösten zu können, dass ihr Job nutzlos, nervtötend oder schlicht und einfach scheiße ist; weil sie dort an der Produktion und Vermarktung jenes Schrotts mitwirken, den andere Menschen nur dazu brauchen, um sich über die Nutzlosigkeit ihres eigenen Jobs… versteht ihr, dass diese Tretmühle ein Teufelskreislauf ist, der – bis auf wenige Menschoide ganz an der Spitze der Nahrungskette – nur Verlierer erzeugt? Die dann auch noch glauben, sich über andere erheben zu dürfen, die ein bisschen schlimmere Verlierer sind? Wie dieses Arschloch am Ufer? Ich könnte jetzt sagen: Ach was soll’s – erstickt doch einfach an eurem verfickten Konsum! Wenn ich nicht wüsste, dass ihr gerade die Zukunft meiner Kinder verbrennt. Wenn ich nicht wüsste, dass auch meine Bilanz noch Arbeit bedarf. Der Weg zur Hölle? Der ist mit vielen schlechten Entscheidungen geplastert. Viel Spß beim Nachdenken…