Trügerisch träge wälzt sich der Strom durch sein aktuell immer schmaler gewordenes Bett. Am Ufer liegen große Mengen Treibholz, kleingemahlen von der stillen Kraft, welche unter der idyllischen Szenerie lauert. Beschienen von der Märzsonne, die langsam aber sicher wieder an Kraft gewinnt, beobachte ich das sanfte Kräuseln der Oberfläche, schirme die Augen gegen die gleißenden Reflexe ab. Ein Sinnbild für meine derzeitige Fähigkeit, an meinem Projekt weiterzuschreiben. Gedanken treiben umeinander, schleifen sich gegenseitig so rund, dass anstatt Essenz nur noch nutzlose Reste übrigbleiben, bis irgendetwas davon ans Ufer meiner Wahrnehmung getrieben wird. In das Darunter hingegen kann ich wegen der Reflexionen, welche von Außen eingestreut werden, nicht hineinblicken. Zu viele Dinge, zu viele Menschen, die gleichzeitig nach meiner Aufmerksamkeit heischen; für manche davon werde ich bezahlt, andere entstehen dadurch, dass Existenz allein immer auch noch andere Verpflichtungen beinhaltet. Zum Beispiel gegenüber der Familie und den Freunden. Gerne wäre ich im Moment allein für mich. Doch diese Möglichkeit besteht gerade nicht. Ja, es ist Wochenende und offensichtlich habe ich genug Zeit, zwei Blogposts zu schreiben. Sich eine Stunde nehmen für einen Spaziergang am Fluss, das geht auch. Aber sobald diese zwei Tage wieder zu Ende sind, ruft er laut, der Trott des Alltags, garniert mit allzu würzigen Häppchen von Ärgernis, während große Brocken von Arbeit in einer Faden Brühe aus Ressourcen- und Motivationsmangel treiben…

Um mich von diesen Missempfindungen abzulenken, schreibe und zocke ich! Es gibt auch noch andere Gründe, aber in der Hauptsache ist es genau DAS – in andere Gedanken, in andere Personen, in andere Welten eintauchen und die reale Welt für einen definierten Zeitraum alleine in ihrem Saft schmoren lassen. Ich glaube man sagt Eskapismus dazu, aber ganz ehrlich… es ist mir scheißegal, wie das Kind heißt, solange es mir hilft, mit dem Rest irgendwie klarzukommen. Allerdings habe ich im Moment eine Blockade! Die ersten 150 Seiten schrieben sich beinahe wie von selbst, weil ich eine klare Vorstellung davon hatte, was wann und wie passieren soll, welche Protagonisten welche Rolle spielen müssten und worauf das alles hinausläuft. In anderen Worten – ich hatte einen Plan! Den habe ich immer noch. Das Problem mit Fantasy-Literatur ist Folgendes: wenn ich ein halbwegs gutes Buch schreiben möchte, also meine Charaktere und ihre Reise ernst nehmen will, dann sollte die äußere Welt, in welcher die Geschichte stattfindet den inneren Kampf der Charaktere widerspiegeln. [Wer gerne über das Thema mehr wissen möchte, liest Stephen R. Donaldsons Essay “EPIC FANTASY IN THE MODERN WORLD. A Few Observations.” aus dem Jahr 1986.] Das bedeutet, dass man einerseits seine Charaktere sehr gut kennen und wissen muss, was ihre Stärken und Schwächen sind, was sie in die Knie zwingt und womit sie psychologisch zu kämpfen haben, um die Herausforderungen der äußeren Welt darauf abstimmen zu können. Die Dynamiken der einzelnen Character-Arcs sollten daher auch aufeinander abgestimmt sein. Andererseits kann dann NICHTS in der äußeren Welt der Erzählung einfach so passieren, was nicht zu dieser inneren Reise passt! Ich kann nicht einfach eine Actionszene einbauen, nur weil mir beim Schreiben gerade langweilig ist. Das ist auch so eine oft unreflektiert replizierte Weisheit unter Autoren: wenn eine Szene notwendig aber langweilig ist, leg’ ne Kanone auf den Tisch und schau was passiert.
Man muss über das Schreiben auch noch dies wissen: wenn ich mich an eine Szene setze, dann weiß ich vorher NICHT, wie die fertige Szene aussehen wird. Und selbst wenn der First Draft meiner ursprünglichen Idee eventuell sehr nahe kommt, kann es nach der zweiten oder dritten Revision sehr wohl sein, dass die Szene nun vollkommen anders abläuft, als zunächst intendiert. Denn nehme ich beim Schreiben meine Charaktere ernst, muss ich im Prozess reflektieren, wie diese andere Person, durch deren Augen die Leser:innen später die Geschichte erleben auf die präsentierten Probleme und Herausforderungen reagieren würde – nicht, was ich dann täte. Was bedeutet, dass ich mich zum Schreiben tief in diese andere Person hinein versetzen muss. Ich streife mir – im übertragenen Sinne – deren Fleisch über. Niemand interessiert sich dafür, was ich täte, wenn ich von einem Dämon bedroht würde – ich, white middle-aged cis-gender-male Körpergulasch wäre einfach totes Fleisch! Meine Helden hingegen fahren unter Umständen mit einer Chaos-Kreatur auch mal Schlitten, dass es eine wahre Pracht ist. Oder auch nicht, wenn die Zeichen mal wieder gegen einen stehen! Daraus folgt, dass Action sehr wohl intergraler Bestandteil einer Geschichte sein kann (und manchmal sogar sein muss); allerdings nie zum Selbstzweck, sondern stets, um die Reise der Charaktere voranzutreiben. Für Sexszenen gilt übrigens das Gleiche. [Ja, ich schreibe echt für Erwachsene. Gibt schon mehr als genug Heiteitei-Young-Adult-Autoren da draußen!] An so einem Punkt bin ich gerade, wo das seichte Dahinplätschern auf den letzten Seiten geradezu nach einem feisten Weckruf verlangt, ich aber keine Action um der Action Willen inszenieren möchte, weil sich das im Verlauf falsch anführen würde. Blöd gelaufen.
Man kann den Schreibfluss manchmal nicht herbeizwingen. Oft ist es so, dass man etwas Zeit braucht, um seinen eigenen Kopf zu unfucken; und neben Zeit auch die Muße, Dinge einfach mal zu tun, weil man Lust darauf hat, nicht weil man muss. Und da ist er wieder, der Endpunkt des Wochenendes, der langsam aber sicher schon zu winken beginnt. Mal sehen, wohin der Zug heute noch fährt. Bis zum nächsten Mal eine gute Zeit und eine nicht zu beschissene Woche!