Wenn ich mich hinsetze und antagonistische Begegnungen für die nächste Sitzung mit meinen Spielern entwerfe, dann blättere ich üblicherweise nicht durch ein “Monster Manual” oder irgendeine andere Sammlung von vordefinierten Kreaturen. Oh, ich kenne und besitze solche Bücher durchaus, sogar zu verschiedenen Regelwerken – ich benutze sie nur allerbestenfalls als Inspiration für meine eignen kranken Ideen. Könnte natürlich daran liegen, dass ich schon seit Jahrzehnten beinahe ausschließlich auf Basis meines eigenen Homebrew-Systems leite. Das ist allerdings nicht der Hauptgrund, denn die Leitfrage, die ich mir immer stelle, ist nicht, wie die Chars meiner Spieler mit dem fertig werden, was ich ihnen vor den Latz knalle – sondern, ob es MIR Spaß machen wird, diese Kreaturen zu spielen! Pen’n’Paper ist vieles: zuvorderst eine Möglichkeit, narrativ in andere Welten einzusteigen, jemand anders sein zu können als man selbst ist, Dinge tun zu können, die man selbst nie tun könnte (oder wollte… jetzt mal ernsthaft – wer hätte schon WIRKLICH Lust, sich mit Vampiren, Aliens oder einer Drogendealergang zu kloppen, hm…?) – sich also in Eskapismus zu üben. Pen’n’Paper ist aber auch Problemlösen – und zu den am häufigsten verwendeten Problemen gehören im Storytelling seit der Antike nun mal Antagonisten. Was wäre etwa ein Krimi ohne einen guten Bösewicht (Oh – eine contradictio in adjecto… wie nett). Nun ist mein Regelwerk NICHT auf das taktische Zerkloppen von Monstern ausgelegt. JA – es gibt ein Kampfsystem, JA – es wird auch bei uns gekämpft, NEIN – es gibt keine ausufernden Taktik-Regeln, sondern vor allem “theatre of the mind”. Wenngleich auch an meinem Tisch manchmal eine Art Battlemap und Minis benutzt werden. Minis sind einfach dope as hell!

Mir geht es vor allem um die Motivation und Ziele der Antagonisten. Das sind bei mir keine 2-dimensionalen Wegwerfartikel, wenngleich es natürlich Minions gibt, bei denen man keinen zweiten Gedanken darauf verschwenden muss, ob es okay ist, die zu killen. Manche Kreaturen sind einfach durch ihre Natur böse oder durch ihre Fremdartigkeit so sehr ihren Instinkten unterworfen, dass man mit ihnen nicht rational verhandeln kann. Dieses Etikett tragen sie dann allerdings zumeist auch sehr offen vor sich her. Die Haupt-Antagonisten hingegen sind üblicherweise voll entwickelte, dreidimensionale Charaktere – und ich folge dabei recht häufig meiner individuellen Überzeugung, dass der Mensch das schlimmste Monster ist, welches sich die Natur ausdenken konnte (man darf im Fantasy-Bereich für “Mensch” aber auch gerne mal eine andere humanoide Spezies einsetzen). Wenn es um diese Wesen und ihre Geschichten geht, so lasse ich meiner Fantasie gerne freien Lauf. Bei mir geht das so: In diesem dämmrigen Zustand zwischen Bewusstsein und Traum, wenn man gerade im Begriff ist, vom einem in den anderen Zustand hinüber zu gleiten, lassen Richtung und Thema der eigenen Träume sich manchmal beeinflussen. Es sind diese Momente, in denen mir wirklich gute Ideen kommen. Zumeist habe ich mir allerdings vorher visuelle Inspirationen geholt, indem ich z. B. durch Pinterest (c) oder irgendeinen anderen visuellen Aggregator gesurft bin. Oft ist es so, dass unterdessen ein spezielles Bild mich anspringt und in meinem Kopf in der Folge nach und nach eine Geschichte zu der gezeigten Person oder Kreatur entsteht. Und beim Übergang ins Traumland setzt sich dann alles zusammen. Manchmal habe ich aber auch sofort eine Idee, die ich zu Papier bringe. Auf diese Weise füllen sich meine Notizbücher.
Es ist weder notwendig, meine Methode zu kopieren, noch nach irgendwelchen CR-Werten in Monstermanualen zu schauen. Das in manchen Regelwerken abgedruckte “Creature Ranking” kannst du nämlich in der Pfeife rauchen, wenn die Würfel deiner Spieler während der Sitzung heiß wie Lava oder kalt wie flüssiger Stickstoff sind. Die Action-Economy ist regelseitig auf durchschnittliche Würfelergebnisse zugeschnitten, weil wir alle an Gauß’sche Normalverteilungen glauben. Nur… unsere Würfel interessieren sich manchmal einen Scheiß für Gauß! Drei bis vier naturelle 20er zerstören ein Encounter, drei bis vier naturelle 1er deine Gruppe – zumindest mit etwas Pech. Und wer findet einen Total Party Kill schon lustig, außer denen, die NICHT dabei waren…? Manchmal muss man nachlegen, manchmal muss man die Bremse anziehen – was absolut NICHTS daran ändert, dass DEINE Encounter nur spaßig sind, wenn DEINE Kreaturen und Antagonisten DIR als Spielleitung Spaß machen. Wenn deine Spieler dann auch noch kreative Wege finden, die Mistviecher und ihre Meister zu bezwingen, steht einem wirklich guten Spieleabend nichts mehr im Wege… Klang das jetzt ein bisschen so, als wenn bei uns auch nur Monster-Slaying läuft? Tja, sagen wir mal so – Antagonisten treten einem nicht nur auf dem Schlachtfeld gegegnüber. Auch so genannte Social Encounters können es in sich haben: vermeintliche Feinde werden zu Verbündeten oder gar Freunden; und umgekehrt. Die Methode zur Erschaffung aller NSCs bleibt immer die gleiche – es geht um die, eventuell krasse Geschichte hinter der Figur und den coolen Scheiß, den diese deswegen u. U. drauf hat. Make them as memorable as possible!
Und vergesst dabei bitte nicht, dass das Terrain wie ein Mitspieler ist. Nutzt Räume, oder auch das Gelände nach allen taktischen Regeln der Kunst – aber gebt euren Spielern die Chance, dies auch zu tun. Und bedenkt, dass die meisten Spielrunden sich ohne einen SEHR deutlichen Hinweis NIEMALS taktisch zurückziehen werden, weil sie stets glauben, IHR würdet die Encounter von vorn herein so balancen, dass ihre Chars diese überstehen bzw. gewinnen können. Sagt ihnen in aller Deutlichkeit, dass diese Annahme Bullshit ist! Denn selbst, wenn man das als SL versuchen würde… vier naturelle 1er und verkackte Death-Saves und der Abend läuft vollkommen anders als geplant. Sagt ihnen, dass IHR Spaß haben wollt, und daher eure Antagonisten im Zweifel als Asskicker designed habt, und dass diese NSCs überdies keine Ahnung haben, dass sie Figuren in einem Spiel sind. Die agieren, um zu gewinnen, genau wie die Chars! Sobald die Spieler DAS verstanden haben, fangen sie vielleicht irgendwann an, über ihre Handlungen VORHER nachzudenken. Und sich über mögliche Konsequenzen ihres Handelns Gedanken zu machen. Derweilen designe ich mal die nächsten Encounter – immer wissend, dass Encounterdesign nicht nach dem Initiative-Wurf endet, wie Matt Colville immer so schön sagt. In diesem Sinne – always game on!