Der Storyschreiner N°3 – Rückfall…

Ich habe gerade festgestellt, dass ich echt eine Sommerhure bin. Zumindest sprechen meine zwei letzten Posts hier diesbezüglich Bände. Und irgendwie dauert es mich, wenn ich zu oft die gleiche Leier spiele, denn immerhin ist monothematisch noch nie mein Ding gewesen. Aber wenn du halt in diesem Tunnel steckst und das Licht am Ende ein Schild ist, auf dem „Abgabetermin“ steht… Nun ja, an dieser Front klärt sich mein Geist gerade, da die letzten Schliffe an der Master-Arbeit zeitgerecht in der Mache sind und ich in den nächsten Tagen abgeben kann. Auf der Sollseite hat allerdings sich so viel seelischer Dreck angesammelt, dass irgendeine Therapieform vermutlich angezeigt wäre. Meine persönliche Lieblingsform ist und bleibt allerdings das Storytelling. Vielleicht greife ich die Idee mit „Them Vampir Ella“ wirklich auf…? Ne, Spaß – da gibt’s andere Projekte, die mich mehr reizen. Was mir fehlt, ist das Pen’n’Paper-Zocken. Die letzte Runde ist Monate her und einiges an meiner wissenschaftlichen Arbeit hat mir noch zusätzliche Lust darauf verschafft. Das Problem ist, dass Lust sich nicht automatisch in Motivation transformiert – und Motivation auch nicht verlustfrei in Aktion. Ich kenne mich selbst lang und intensiv genug, um zu wissen, dass ich gerade auf dem besten Wege von der Belastungs- in die Post-Projekt-Depression bin – dieses Loch, in das man fallen kann, wenn man gerade ein großes Ding gewuppt hat.

Holz-Kuppel BUGA 23

Ich hatte neulich mal so eine Modellskizze gepostet und über Grenzbereiche gesprochen, in denen das Erzählen einer Geschichte zu einer gemeinsamen Reise der Erzählenden und Zuhörenden wird; wobei beim Pen’n’Paper, wie auch sonst im Leben Zuhören nur für die Unverständigen ein passiver Akt ist. Ich musste das Modell, weil mein erstes Konzept noch nicht sauber in meine restlichen Gedanken gepasst hatte, noch mal überarbeiten und die Theorie-Bezüge schleifen, bin jetzt aber hoch zufrieden damit. Was mir in letzter Zeit nicht recht gelingen will ist, meine eigene Geschichte kohärent und befriedigend weiter zu erzählen. Ich meine, objektiv betrachtet fahre ich gerade die Früchte jahrelanger Arbeit ein und könnte mir zumindest’n bisschen auf die Schulter klopfen lassen. Doch – und es tut weh, das sagen zu müssen – ich fühle es nicht. Präzise fühle ich im Moment NICHTS. Und ich glaube, dass ich dringend in den Erzählraum muss – jenen nicht-physischen Ort jenseits der Realität, der es mir erlaubt, mit meinen Träumen wenigstens in jener Art von Simulation zu interagieren, die Rollenspiel nun mal ist. Ich gäbe wirklich viel für ein bisschen Immersion an einem Ort, an dem ich mal jemand anders sein darf, als der white, middle-aged, depression-ridden, cis-gender male, der ich mittlerweile geworden bin. GODDAMMIT!

Ich frage mich in letzter Zeit oft, was für ein Mensch ich gerne wäre, Wir alle – zumindest die Menschen meines Alters und darüber – haben ja dann und wann diese Momente, in denen wir unseren jüngeren Ichs gerne mal ein paar Ratschläge geben wollen würden – oder saftige Ohrfeigen, je nach Tagesform. Aber dieses ganz Hätte-Hätte-Gezuchtel taugt doch höchstens dazu, sich noch tiefer in diesen zähen, schlammigen Teich aus Selbstmitleid, Depression, mieser Laune und schlechten Coping-Strategien zu versenken. Ich sprach neulich von Framing. Und letzten Endes ist das wohl die einzige Chance, gegen dieses Teufelskreislaufartige, Selbstwertmangelgetriebene, Stressgetriggerte Sich-Selbst-Zerfleischen anzukommen: dreckig lächelnd das Komma des Lebenszufriedenheitskontos eine Stelle nach Rechts zu schieben (und ggfs. das Vorzeichen zu tunen), und im persönlichen Résumée das psychische Tafelsilber so lange zu polieren, bis dessen Glanz alles andere überstrahlt. Wir alle haben Dinge an uns, die einfach nur GEIL sind – wir neigen nur dazu, es zu vergessen. Ich weiß z. B., dass die Jahrzehnte der Übung mich zu einem wirklich guten Geschichtenerzähler gemacht haben. Und das möchte ich gerne wieder spüren dürfen. Egal, ob beim Schreiben, als Spieler oder Spielleiter. Und was ist euer GEILES DINGENS, mit dem ihr euch so richtig aus dem Loch ziehen könnt? Ich wünsch euch was…

Transparente Etiketten

Ich konsumiere, also bin ich! Ich meine damit tatsächlich zur Abwechslung mal nicht das Kaufen und Einlagern von weitestgehend nicem aber irgendwie unnötigem Tand, sondern Mediennutzung. Bei mir sind das häufiger mal obskure Musikaufzeichnungen (aber auch Filme und Bücher) aus dem Zeitalter meines persönlichen „coming of age“ – für jene, die das noch nicht mitbekommen haben: ich bin in den 70ern geboren und damit geistig ein Kind der 80er. Ich weiß, das erklärt so einiges. Während ich diese Zeilen schreibe, läuft dann auch – voll stilecht – im Hintergrund New Wave und Retro Electro in Dauerschleife. Aber im Grunde geht es mir nicht um die 80er als Zeitalter, sondern um eine Stilrichtung, die in jener Zeit weiter entwickelt wurde, und die heute wieder im Trend liegt: Cyberpunk. Ich habe mich an dem Thema schon ein paar mal abgearbeitet [True punks don’t need cyberware!, WTF-punk…? und …punked…? als Beispiele], stehe aber manchmal immer noch im Wald. Long Story short: für viele steht der Begriff „Cyberpunk“ als Synonym für einen Modestil, ein Computerspiel und vielleicht ein, zwei Filme, die sie gesehen haben – und dann denken sie, sie wüssten, worum es geht.

Sehgewohnheiten…?

Ich selbst ringe oft mit Begriffen, weil mir einerseits sprachliche Präzision am Herzen liegt; das ist der Sozialwissenschaftler und Pädagoge in mir, der sich weniger Missverständnisse und mehr Miteinander wünscht. Andererseits haben manche Begriffe oft einen impliziten, also nicht gleich sichtbaren aber dennoch wirksamen Bedeutungs-Überschuss – dass, was wir Konnotation nennen. Ich will es mit einem Beispiel versuchen. Nehmen wir das Wort „Gerechtigkeit“. Auf den ersten Blick ist es einfach: Gerechtigkeit bedeutet, so zu handeln, dass ein Ausgleich zwischen allen beteiligten Parteien in einem Prozess entsteht. But one mans justice is another mans penalty…? Werden also alle Beteiligten den gleichen Blick auf Gerechtigkeit haben, wenn ein Richter sein Urteil verkündet, ein Schlichter im Tarifstreit seinen Vorschlag unterbreitet, oder Menschen zivilen Ungehorsam ausüben, um zum Handeln im Angesicht einer ungewissen Zukunft aufzurufen, und dafür von wütenden Verkehrsteilnehmern in den Bauch getreten bekommen? Ich denke nicht! Was bedeutet, dass subjektiv eindeutige Begriffe sehr oft eine situationsabhängige – und vor allem hoch individuelle – Interpretation erfahren.

Kehren wir zu Cyberpunk zurück: one persons latex-clad Trinity is another persons in-depth look at the ever-changing phenomenon known as „society“. Cyberpunk war nie dieses eine stil-uniforme, einheitliche literarische Genre, sondern stets mehr eine Art Schmelztiegel unterschiedlichster Ideen, Wahrnehmungen und Ängste. Aber den Autoren war eine Sache wichtig – Aspekte gesellschaftlicher Entwicklung künstlerisch zu interpretieren und zu extrapolieren, um so darauf hinzuweisen, was passieren KÖNNTE, wenn man auf diesem oder jenem Pfad ungebremst weiterfährt. Ein einendes Thema war dabei recht oft die Entwicklung hin zu einem Kapitalismus im Endstadium, der anfängt seine Kinder zu fressen. Ohne jetzt allzu apokalyptisch klingen zu wollen – da sind wir längst. Andernfalls hätte nicht mein zweiter Satz in diesem Post auf typischen Consumerism des frühen 21. Jahrhunderts hingewiesen. Wir rennen zugegebenermaßen nicht alle mit Chrom im Körper rum, wie in Night-City (=> Cyberpunk 2077) Unsere Menschlichkeit opfern wir auf andere Weise. Man kann auch ohne Chrom so sehr mit dem Internet verwachsen sein, dass man sich selbst, oder besser seine Verbindung zu wahrem Menschsein (also realem sozialem Miteinander und Solidarität) verliert und sich somit selbst beschädigt. Sich dann mittels Medienkonsum abzulenken, ist das unzureichende Pflaser für die Wunden auf der Seele, die uns die De-Humanisierung unserer Welt tagtäglich zufügt...

Verschiedene Autoren hatten unterschiedlich Vorstellungen von der Zukunft; aber ihnen allen war gemein – und ist dies teilweise bis heute – dass ihre papiergewordenen Blicke auf diese potentiellen Zukünfte übernüchtern bis pessimistisch ausfallen. Ich selbst bin kein übernüchtern pessimistischer Mensch, aber ich nutze solche Szenarien, um meine eigene Wahrnehmung für die Welt und ihre Dynamik zu schärfen. Und selbstverständlich nutze ich sie zum Zwecke der Unterhaltung. Sowohl als Konsument (Bücher, Filme, Musik), als auch als Produzent (Pen’n’Paper, Schreiben). Kulturprodukte sind natürlich stets dem Zeitgeist unterworfen. Wenn man sich heutzutage manche Filme (speziell „Komödien“ und „Actionfilme“) aus den 80ern und 90ern anschaut, rollen sich einem die Fußnägel soweit auf, dass man ein Bügeleisen braucht. Damals war’s aber cool. Eines der Probleme, die daraus für Menschen meines Alters erwachsen ist, dass wenn man einem nostalgischen Impuls folgend, jene ehemaligen Orte der ungetrübten Freude aufsucht, oftmals mit erheblicher Ernüchterung konfrontiert wird. Schaut euch doch noch mal mit halbwegs erwachsenem Blick „Waynes World“ an. Oder „Bill und Ted“. Oder „Action Jackson“. Oder „American Fighter“ – Yuck…

Cyberpunk war schon immer so viel mehr als hackende, latextragende, im Neonglitzer der Tech-Slums umherstromernde Outlaws, die lässige One-Liner raushauen und nebenbei alles wegputzen, was ihre Hood bedroht. Das sind alles nur Etiketten, der klägliche Versuch von Marketing. Dabei ist so transparent, dass die Essenz des Begriffes Cyberpunk von diesen Möchtegern-Medienschaffenden nicht verstanden wurde, dass es einem schon fast weh tut. Denn um den vorhandenen Subtext von bestehenden Kulturprodukten verstehen und eventuell neu interpretieren zu können, muss man sich a) mit den Kommunikationsmodi verschiedener Kunstformen beschäftigen, b) bereit sein, seinen eigenen Blick auf die Dinge mal beiseite zu lassen, um die die Welt durch jemand anderes‘ Augen sehen zu können und c) Historizität verstehen lernen. Die 80er waren eine andere Zeit, als unsere heutige – alle Probleme, Fehler und Glitches inbegriffen. Das bedeutet jedoch minichten, dass damals alles schlimm war. Es war anders, weil die Wahrnehmung anders war. Und Künstler wie Neal Stephenson, William Gibson, Philip K. Dick haben aus jener Zeit heraus in eine Zukunft geschaut, die von unserer heutigen Realität in mancher Hinsicht nicht allzu weit entfernt ist – auch wenn ChatGPT noch keine Wintermute ist (1984: Gibson => Neuromancer).

Kunst ist Kommunikation – man braucht also die richtige Sprache, um Kunst dekodieren zu können. Was mich betrifft – ich kehre immer mal wieder zu den alten Sachen zurück. Nicht etwa, weil ich neueren Kulturprodukten nichts zutraue, sondern um mich auf meine Wurzeln zu besinnen, und das Delta, also die Unterschiede im Ausdruck und in der Dynamik für mich selbst fassbar zu machen. Außerdem ist es – insbesondere bei Filmen – eine gute Schule für die Sinne. Achtet mal auf die lausige Schnitttechnik und Kameraführung bei so manchem modernen Film – 30 Schnitte pro Minute suggerieren nur wahrnehmungs-gestörten Kognitionsallergikern Dynamik, verwirren aber jene, die sich Qualität wünschen; klassisches Centerframing ist schon echt kompliziert, gell. Man versucht mit optischer Hektik meist einfach nur ziemlich ungeschickt, das Unvermögen mancher Kameraleute, Schauspieler und Regisseure zu kaschieren. Brauch ich nicht. Da bleibe ich lieber – meinen Seh- und Hörgewohnheiten treu – ein oldschooliger Cyberpunker, auch wenn selbst das wahrscheinlich nur ein transparentes Etikett ist; es verdeckt den Umstand, dass es MIR vor allem um den Punk, also das Aufbegehren gegen den Status Quo geht, nur unzureichend. Ist mir Recht. Ich wünsche euch einen guten Start in die neue Woche.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°49 – Campaign prep…

Zuerst noch mal etwas Nomenklatur; aber keine Sorge, allzu theoretisch wird es nicht. Zoomen wir von groß nach klein. Jede Pen’n’Paper-Kampagne spielt an irgendeinem Ort, der sich in einem größeren Gefüge wiederfindet. Die meisten Regelwerke arbeiten mit einer eigenen Welt, oder mit einer eigenen Version der uns bekannten Welt. Im Bereich Fantasy sind es zumeist jedoch fiktive Kontinente und Länder, wie etwa Mittelerde. Die Welt, auf der meine gegenwärtige Fantasy-Kampagne spielt, heißt Ogaimos. Diese Welt hat eine eigene Geschichte, eigene Kulturen, eine Kosmologie (also Religionen, Mystizismus, Magie, etc.), sprich: alles (und etwas mehr), was wir hier und heute auch haben. Diese Gesamtheit übergeordneter erzählerischer Elemente nennt man Metaplot. Lasst euch davon nicht erschrecken, denn das Meiste davon braucht es am Anfang nicht. Aber mir als SL muss bewusst sein, dass eventuell irgendwann jemand danach fragt. Spätestens, wenn die Chars das Reisen anfangen, oder tiefer in den Metaplot einsteigen, passiert das automatisch. Ich muss davon aber nur soviel vorbereiten (oder lernen, wenn ich eine vorproduzierte Spielumgebung nutze), wie ich für die ersten Storybögen (also Einzelgeschichten innerhalb einer Kampagne) benötige. Storybögen oder Story Arcs sind dabei eingebettet in die Core Story, welche die Teile der Welt erzählt, die für die Chars direkt erlebbar sind.

(c) by Monika Merz

[Ein Beispiel: Die Chars treffen sich in der Stadt Villera, weil einer der Chars auf der Suche nach etwas wichtigem ist, das gestohlen wurde. (=> erster Story Arc der Kampagne!). Bei der Suche danach stolpern sie über eine alte Verschwörung, welche der Stadt vor einiger Zeit einen anderen Herrscher beschert hatte, sowie eine neue Verschwörung und Intrigen, bei denen nun um diese Macht gerungen wird; hieraus entsteht eine Abfolge von einzelnen Story Arcs oder Abenteuern (=> Core Story der Kampagne!). Die Stadt Villera liegt ja aber nicht isoliert im Nirgendwo, sondern auf Ogaimos und hat gemeinsam mit dem Rest der Welt eine Geschichte, beherbergt Völker, Kulturen und Religionen, die miteinander interagieren; und aus dieser Geschichte heraus droht ein dunkler Gott, sich erneut zu erheben, indem er die Fürsten der Stadt, mehr oder weniger subtil, in einen Bürgerkrieg manipuliert (=> Metaplot der Welt/Kampagne!) Womit auch klar wird, was das Movens, bzw. der Motor dieser Geschichte ist: nämlich die Ambitionen, Ziele, Wünsche, Träume der NSCs, die momentan über die Stadt herrschen. Und die alle, welche sich gerade zufällig in der Gegend befinden, mit in ihre Machenschaften hineinziehen. Ich bot den Chars also am Anfang einen McGuffin, um sie für die aufziehende Dunkelheit zu interessieren; aber ab einem bestimmten Punkt haben sie sich selbst dafür entschieden, es ausfechten und die Stadt schützen zu wollen; jede*r einzelne aus ganz individuellen Motiven.]

Faltkarte in meinem Campaign Diary

Ich beginne für die Campaign Prep also in aller Regel mit einer (wie auch immer gearteten) Übersichtskarte des Ortes, an welchem sich die ersten Story Arcs abspielen und notiere mir die (zunächst) nicht ganz so wichtigen NSCs wie Stadtwachen, Ladenbesitzer, Wirte, Schmiede, etc. die der Welt Flair & Fluff geben, wenn man sie namentlich ansprechen kann. Flair & Fluff klingt vielleicht auf den ersten Blick unwichtiger als es tatsächlich ist; denn eine Spielwelt wird im Pen’n’Paper erst dann zu einer second World, zu einem glaubhaften Ort, wenn solche Details die „willing suspension of disbelief“ unterstützen. Namen sind wichtig! Wesenszüge sind wichtig! Stimme ist nicht unbedingt wichtig, gibt der Sache aber, wenn man das dosiert einsetzt eine gewisse Würze (Hinweis: da wir NICHT allesamt Voice Actors sind, wie etwa das Cast von „Critical Role“, kann so etwas auch leicht ins Lächerliche abgleiten! Bevor man es hier übertreibt, lässt man’s lieber sein!) Aus zunächst unwichtigen NSCs können mit der Zeit durchaus auch wichtige NSCs werden; das schlägt sich dann im Campaign Diary, also den fortlaufenden Aufzeichnungen nieder. Mehr oder weniger gleichzeitig mit der Karte entstehen auch die ersten Key-NSCs, also Nichtspieler-Figuren, welche den Lauf der Geschichte beeinflussen helfen, indem sie entweder die Chars unterstützen, oder zu deren Anatagonisten werden. Bei manchen ist das schon am Anfang klar, bei manchen entsteht die tatsächliche Rolle, die sie zu spielen haben erst im Laufe der Geschichte. Key-NSCs haben immer einen eigenen Stat-Block und eine wenig Hintergrundgeschichte verdient.

NSCs aus dem Campaign Diary

Schließlich brauche ich ja auch noch den Plotbus! Der Plotbus ist für mich ein Synonym für Einstiegspunkte in eine vom SL vorbereitete Geschichte, also den eigentlichen Content, mit dem die Spieler sich später auseinandersetzen müssen/wollen. Hier ein kurzer Hinweis: die bloße Existenz eines Plotbusses ist KEIN Indikator für Railroading, sondern dafür, dass sich der SL vor Beginn des Abenteuers Gedanken darüber gemacht hat, was er seinen Spielern heute zu servieren gedenkt. Der Plotbus kann sich etwa in einem klassischen Questgeber konstituieren, in einer zunächst willkürlich erscheinenden Begegnung, die Fragen aufwirft, oder im Auffinden einer außergewöhnlichen Situation (Tatort o.Ä.). Das WIE ist dabei nur insofern interessant, als es zum WAS hinleiten sollte. Wenn ich möchte, dass die Chars einen Mord untersuchen, dann sollten sie in einer Weise über den Tatort stolpern, die Interesse oder persönliche Betroffenheit erregt. Wenn ein gestohlener Gegenstand wiederbeschaft werden soll, ist es vollkommen OK, einem der Chars direkt diesen Auftrag zu geben. Und wenn man möchte, dass sie eine geheime Schmugglerbasis im Innern einer Insel im Wolkenozean erforschen, dann plaziert man auch mal eine Vision über drohendes Unheil… [Eine persönliche Anmerkung: ob ihr, so wie hier bei mir zu sehen ein analoges Journal nutzt, oder irgendeine digitale Form, ist reine Geschmacksfrage; wichtig ist, dass das Journal regelmäßig gepflegt und mit den wichtigen Infos gefüttert wird. Insbesondere wenn NSCs sich entwickeln, muss dem ausreichend Platz eingeräumt werden, denn diese Art des Kampagnen- und Abenteuer-Designs ist zum allergrößten Teil Charakter-getrieben].

Apropos geheime Schmugglerbasis… 😉

Und damit sind wir mit der Kampagne auch schon soweit, dass man starten kann. Es ist natürlich durchaus clever, mehr Content vorzubereiten, als nur das erste Abenteuer. Aber manchmal muss man seine Spieler erst mal antesten, wie sie mit neuen Gegebenheiten, einer neuen Kampagnenidee, neuen Chars umgehen. Nicht jede Idee, die auf eurem SL-Papier toll aussieht, funktioniert auch für eure Spieler! Was aber einmal als Campaign-Prep niedergeschrieben wurde, bleibt verfügbar. Wenn’s jetzt nicht zündet, kann das in sechs Monaten schon ganz anders aussehen. Prep-Time ist also nie verschwendet. Und – sich selbst mal zu recyceln, ist definitiv nicht verboten! Insofern sind die Campaign Diaries das Herzstück der SL-Arbeit, weil sich dort alsbald alle relevanten Informationen zusammen finden. Eine gute Buchführung erleichtert überdies auch die „Session Prep“ erheblich. Doch damit wollen wir uns nächstes Mal in dieser Serie auseinandersetzen. Einstweilen gilt – always game on!

Auch als Podcast…

Eine Schreibübung…

Blitze zerrissen die Dunkelheit und dichter Regen fiel wie eine Wand. Merrick stand da, ganz still, nur atmend. Von den Zinnen des Turmes aus war es unmöglich den Hof der Zitadelle komplett zu sehen. Irgendwo da unten waren sie, lauerten, gierten nach seinem Blut. Das Gewitter schwieg für einen Moment und er sprang. Der Fall war lang und mit einem lässigen Federn rollte er von Punkt seines Aufpralls weg, die Schwerter aus den Scheiden zischend. Der erste Angriff hätte ihn beinahe getroffen, doch das Biest aus Schatten zerfaserte mit einem Aufheulen, als er ihm mit einem sauberen Schnitt ein Bein abtrennte.
Die nächsten Angriffe folgten in schneller Folge, doch seine Klingen zeichneten einen hypnotischen Wirbel in die Dunkelheit, Gegner um Gegner zurückschlagend; dann schrillte ein Klingeln durch den Burghof, dass alle für einen Moment zu irritieren schien. Eines der Biester erwachte wenige Hundertstelsekunden vor ihm aus seiner Verwirrung und lange, elend scharfe Klauen fuhren von oben durch seine Schulter, zerrissen seinen Brustpanzer und mit einem Schrei hauchte der Samurai sein Leben aus, zerfetzt von einem Schatten-Oni.
Mit einem lästerlichen Fluch auf den Lippen betrachtete er das „GAME OVER“ in seiner Brille, einen Moment überlegend, ob er jetzt überhaupt auf den Idioten reagieren sollte, der gerade seine Kom-Blockade umschifft und ihn damit sein letztes Leben gekostet hatte. Mit einem Seufzen stöpselte er aus, setzte die Brille ab und ließ seinen Blick durch die Arcade schweifen, wo in Dutzenden angeranzter Virtu-Kabinen andere Gamer ihr Glück versuchten. Das Klingeln war persistent, also bestätigte er und der Holo-Projektor seines Omnis zeichnete das Bild eines nichtssagenden Standard-Avatars in die Luft. Gemäß des, vom Anrufer aktiviertem Privacy-Protokolls wurde der Audio-Stream des Anrufes direkt in den Drahtlos-Anschluss seiner Buchse gestreamt.
Datenbuchsen der neueren Generationen hatten dieses Feature serienmäßig und er mochte es. In aller Öffentlichkeit telefonieren zu können, ohne dass die Informationen kompromittiert wurden; wenn nicht gerade zum rechten Zeitpunkt irgendein ultrakrasser Hacker im Nahbereich saß und den Feed anzapfte. Aber das konnten nur sehr, sehr wenige. Also fühlte er sich ziemlich sicher. War auch besser so, denn der Anrufer vertrat eines wichtigen Kunden.
„Merrick-San, schön dass sie es doch einrichten konnten. Ich hoffe, ich habe sie nicht bei etwas Wichtigem gestört…?“
Diese freundliche Stimme von Mr. Shao nervte ihn, wussten doch beide, dass es dem Anrufer scheißegal war, ob er gerade eine Ehe gesprengt, oder einen wichtigen Deal vereitelt hätte. Er machte sein Ding für seinen Boss und alle anderen hatten zu kuschen. Dieses elitäre Geschmeiß aus den oberen Ebenen. Die waren doch alle gleich. Er atmete einmal tief durch und versuchte mit möglichst nichtssagender Stimme zu antworten, denn ein Job aus diesem Büro war immer hilfreich, weil top bezahlt.
„Nö, Shao, is alles Sahne. Was gibt’s?“
„Mr. M benötigt ihre Dienste für einen Personentransfer vom Raumhafen ins Blue Chip.“
„Reicht dafür kein Taxi-Unternehmen?“
Sein Tonfall hatte ins Genervte gewechselt. Was sollte das?
„Mr. M hat explizit sie angefordert, da der Gast noch nie in Tairan City war und man nie wissen kann…“
Die unausgesprochenen Teile des letzten Satzes ließen vermuten, dass es vielleicht doch nicht so langweilig werden könnte. „Wann soll’s losgehen?“
„Jetzt! Wenn sie akzeptieren, schicke ich ihnen alle relevanten Informationen auf ihr Omni. Mr. M bittet um Diskretion!“
Das tat er eigentlich immer, also war es unnötig darauf hinzuweisen, weshalb er ihre letzte Äußerung mit einem gebrummelten „Schick schon!“ quittierte. Mit einem höchst indignierten Gesichtsausdruck übertrug der Avatar ein Datenpaket in sein Omni und das Gespräch wurde beendet.
Die gebotene Bezahlung war allerdings attraktiv. Er sah sich noch einmal um, unauffällig auf das Highscore-Board schielend. Immerhin hatte dieser Poser von Chukyo es immer noch nicht geschafft ihn vom Thron zu stoßen. Mochte an der Übung in der realen Welt liegen, die auch im Cyberspace durchaus einen Unterschied machte, den Ungeübte nur durch den Zukauf unverschämt teurer Aktoren-Software auszugleichen hoffen konnten. Derlei Geldverschwendung hatte er nicht nötig. Er verließ die Virtu-Kabine, löste seinen Rucksack am Schalter aus und machte sich auf den Weg zum Raumhafen. Immer schön gemächlich, es blieb ja noch fast eine Stunde, bis das Schiff ankommen würde.

Der Text, aus dem der Auszug stammt, sintert schon eine Weile auf dem Clouddrive vor sich hin. Hoffentlich werde ich irgendwann auch mal wieder mit einem Buch fertig…

An manchen Tagen, möchte man fort…

Schaukel mich rüber, über den Fluss!
Ich will nicht fort hier, ich muss!
Ich spür‘ kaum noch, leb‘ kaum noch,
den Zahn der Zeit, den spür ich jedoch.

Suche nach Willen, suche nach Kraft,
die, was zu tun, irgendwie schafft.
Existiere im Jetzt, sehn‘ mich nach Morgen.
Was wahres Leben, bleibt grad‘ verborgen.

Wie dunkles Tuch, kühl und dumpf.
In meinem Kopf ein einziger Sumpf.
Trüg mich die Schaukel doch über den Fluss
Aus dem Morast hier, fort ich muss!

Es bleibt mir ein Rätsel, was kann ich tun?
Geh immer noch vorwärts, müsste doch ruhen.
Lieg nachts wach, schau auf den Mond,
dieser Anblick ist mir lang schon gewohnt.

Doch im Morgen, nach dem ich mich sehnte,
mich einmal wieder bess’rer Dinge wähnte,
ist doch nur wieder der Sumpf, ohne ein Ende.
Wann kommt sie wohl, meine Gedankenwende?

Seh‘ ich die Schaukel, wird mir bald bewusst,
sie schwingt immerfort, quert doch nie den Fluss.
Also bleiben wir zusammen, im Hier und Jetzt
Besser wär’s dann wohl, wenn man das schätzt…

Grantel in the Bronx!

[VORSICHT RANT! ] „Is‘ so still hier… HALLO – jemand da?“ Leise verklingen die verzagten Rufe in den weiten Hallen des Gedankenpalastes, sich dabei nur mit dem eigenen Echo unterhaltend. So, oder so ähnlich kam ich mir selbst die Tage vor. Einsam. Obwohl so viele Andere da waren. Weil wir alle auf uns selbst, unsere elementaren Ängste und diese anderen, niemals offen artikulierten Emotionen zurückgeworfen sind. Denn der moskowitische Deckenwilly, dieser geschichtsklitternde KGB-Hanswurst und seine Oligarchokratie drehen hohl – und machen, dass wir alle mit hohl drehen! Hab gesten auf Zeit Online (wo sonst) einen Essay vom nicht vollkommen unprominenten Soziologen Armin Nassehi gelesen; seine Deutung: wir haben die Demokratie zu lange als Selbstbedienungsladen und den Staat als Dienstleister interpretiert und genutzt. Und kommen jetzt nicht damit klar, dass Demokratie AUCH bedeutet, sich eine eigene Meinung BILDEN, diese VERTRETEN und auf dieser Basis selbst ENTSCHEIDEN zu MÜSSEN. Wir haben verlernt, dass Demokrat zu sein, anstrengend ist. Anstrengend sein MUSS! Denn die aktuelle Beliebigkeit und die „alternativlosen“, rein Konsumentenorientierten Entscheidungen, wie sie die Politiker derzeit treffen („…es darf UNS nicht zu sehr wehtun…“) versuchen jede Anstrengung, jeden Diskurs, jedes Vertreten demokratischer Grundüberzeugungen (wie etwa die Gültigkeit des Völkerrechts auch für beknackte Russen-Diktatoren) tunlichst zu vermeiden. Democracy light to go sozusagen. Wasch mich, aber mach mich nicht nass… Können wir uns nicht alle hinstellen und sagen – NO PASARÁN – sie kommen nicht durch! Als Weltgemeinschaft diesen Wahnsinn stoppen, bevor er noch weiter eskaliert? Putin demilitarisieren und in irgendein tiefes, gottverlassenes Loch werfen und einfach vergessen? Warum können wir das nicht? WARUM GOTTVERDAMMTNOCHEINS? Ja, das hier ist nicht Spanien in den 30ern des letzten Jahrhunderts. Und er heißt Putin, nicht Franco. Aber auf welcher Seite das Unrecht kämpft, auf welcher Seite tatsächlich die Nazis stehen, ist sonnenklar; auch wenn der Möchtegernbärentöter Putin natürlich eine andere Geschichte erzählt. Ich habe die Schnauze davon voll, dass es egal ist, wen du wählst, weil sie ALLE nur den Göttern „Mamon“ und „Umfragewerte“ dienen. Nicht der Demokratie! Nicht dem Völkerrecht! Nicht den Menschen, deren Vertreter sie eigentlich sein sollten! Das Wort Partikularinteresse wird uns als Menschheit alsbald endgültig zu Grunde richten. Und der beschissene, ungerechte, unverhinderte Krieg gegen die Ukraine ist nur ein Aspekt davon… Ich habe fertig… [RANT ENDE!]

[Die andere Seite!] Ich habe in letzter Zeit viel über Verpflichtungen nachgedacht. Über die Frage, warum ich tue, WAS ich tue? Warum ich es tue, so WIE ich es tue? Ob ich mir nicht etwas Anderes vorstellen könnte? So diese typischen Fragen, die im Jahres- oder Zweijahresrhythmus wiederkehrend schlechte Laune, schlechten Schlaf und (zumindest manchmal) schlechte Entscheidungen mit sich bringen. Ich bin tatsächlich mit mir übereingekommen, dass ich am richtigen Platz bin, als ich dieser Tage Praxisanleiter in Ausbildung auf ihrer Reise durch die Welt der Berufspädagogik begleitet habe. Denn ich habe gespürt, dass ICH für so einen Lehrsaal gemacht bin. Das ich auch die anderen, weniger glamourösen, weniger öffentlichen Aspekte meines Jobs als Schulleiter immer besser beherrschen lerne, durfte ich diese Woche auch erfahren. Was mir aber am wichtigsten ist: ich sehe ein Licht am Ende des Tunnels hoher Belastungen. Wieder in ruhiges Fahrwasser kommen, wieder mehr für meine Lieben und mich selbt da sein können – das passiert gerade. Und das macht mich glücklich. Ich schrieb dieser Tage unter einem Facebookpost zum Ukrainekrieg, dass die Welt sich nur für die direkt Betroffenen zu drehen aufgehört habe! Ich würde nun ergänzen wollen, dass wir uns vermutlich auch deswegen schlecht fühlen, weil es für uns einfach normal weitergeht. Obwohl dystopisch-gewalttätige Szenarien, die den machtdementen Kleptokraten Putin als Nemesis ganz Europas sehen wollen, momentan eine gewisse mediale Konjuntur haben. Da phantasieren sich ein paar sendungsbewußte Journaillen gerne einen auflagenstarken Untergang herbei. Kein Wunder, dass ich dieser Tage morgens mit dem berühmten Satz Robert Oppenheimers im Kopf aufgewacht bin „Ich bin der Tod geworden, Zerstörer von Welten!“ (im Original aus der hinduistischen Schrift „Bhagavad Gita“). Journalismus ist genau wie Geopolitik offensichtlich ein Geschäft mit der Angst. Ich habe keine Ahnung, wie’s weiter, oder gar ausgeht. Ich glaube jedoch, DASS es weitergeht. Auf die eine oder andere Art und Weise. Und ich weiß, dass ich mir und meinen Lieben – so lange das möglich ist – gerne etwas Glück konservieren würde. Schaue ich gerade aus dem Fenster, scheint da die Sonne. Davon möchte ich gerne mehr. Denn je länger wir in Schockstarre auf die Ereignisse im Osten blicken, umso länger wird es dauern, bis sich eine Bewegung findet, den Wahnsinn zu beenden. Hoffnung ist des Menschen vornehmste und zugleich schrecklichste Bürde. Ich habe nochmal fertig… [Herzlich willkommen auf der anderen Seite!]

PS: Ich weiß nicht, ob es wirklich ein Gegrantel ist – und die Bronx ist in Mannheim ein anderer Stadtteil. Aber ein Jackie Chan, der jetzt den Bösewicht verkloppt, hätte etwas erfrischend Erheiterndes. Denn eigentlich sollte man den kleinen Mann und seine großen Machtträume einfach nur auslachen und stehenlassen – nachdem man ihm alle Waffen weggenommen hat. Schönen Samstag.

Auch als Podcast…

Unkreativer Samstagmorgen…

An manchen Tagen fange ich einfach mit dem Schreiben an, und schaue mal, wo mich der Flow hinträgt. Heute ist das nicht anders. Oft läuft nebenbei leise irgendwelche, tendenziell chillige Musik; wobei die Kategorisierung „chillig“ ja sehr subjektiv ist. Im Moment benutze ich „Stranger Synths“ auf YouTube. Wer hier eine Namensverwandschaft zu einer recht bekannten Netflix-Serie zu erkennen glaubt – STRIKE! Bin halt ein Kind der 80er. Und ein großer Popculture-Nerd. Ist gerade von Vorteil, denn ich habe mich die Tage durch ein tiefes Eintauchen in mein wohl wichtigstes Hobby von Sorgen und Problemen abgelenkt, die eventuell durch den Umstand ausgelöst sein könnten, dass mein Vater am Montag 88 geworden wäre. An solchen Punkten denkt man immer nach. Nach gängigen Taxonomien hätte ich damit wohl eher eine dysfunktionale Coping-Strategie angewendet. Nun ja, drauf geschissen… Das neue Jahr hat – zumindest beruflich – angefangen, wie das alte geendet hat: viel Arbeit, viele Anforderungen, und nicht immer ausreichende Ressourcen. Ich laufe mal wieder auf Messers Schneide – ABER, ich finde dennoch immer wieder und immer noch meinen Weg. Und ich stelle fest, dass mir das Ablegen schlechter Angewohnheiten langsam aber sicher etwas besser gelingt. Mehr Zug fahren, weniger Bier trinken, weniger Prokrastinieren und mehr gerissen kriegen. Bleibt nur die Frage, wann das mit dem Schaffen wieder zu viel wird? Auch darauf wird es bald eine Antwort geben. Aber genug des Vorgeplänkels!

Ich hatte eine kurze Konversation mit meiner Frau, in welcher sie über einen Forumseintrag erzählte: Eine andere Künstlerin berichtete davon, dass ihre Freunde ihr absprächen, „wirklich zu malen“, weil sie Teile ihre Bilder von Vorlagen abpausen würde. Was mich zu der Aussage verleitete, dass man ja alleine in die technischen Skills des Malens und Zeichnens erstmal eine Menge Zeit investieren müsse. Selbst bloßes „Kopieren“ erfordert ja schon gewisse Fertigkeiten. Anlass für die Unterhaltung war übrigens der Umstand, dass die beste Ehefrau von allen gerade – als Geschenk – einen Manga-artigen Charakter aus einem Videospiel mit Acryl auf einen Keilrahmen zaubert. Ich könnte das nicht; und ich habe sie schon öfter bei solchen Aktionen beobachtet. Ich bin zwar ein sehr visueller Mensch und übe schon eine Weile das Fotografieren; aber Malen ging immer an mir vorbei. Jedenfalls war ich gleich wieder drin in einer Denkspirale über das Thema Recyclingkreativität. Ich hatte dazu schon vor Jahren mal was geschrieben.

Das Künstler ältere Werke „re-mixen“ ist – mit Blick auf die Musik – ein alter Hut. Die Kulturschaffenden sind dabei immer auf dem schmalen Grat zwischen Schaffenskraft und Plagiarismus unterwegs. Nicht selten fallen sie dabei runter. Nichtsdestotrotz finde ich es frech, jemanden dafür abzuqualifizieren, dass er oder sie re-mixt. Insbesondere, wenn man nicht im Ansatz über die gleichen Skills verfügt, die dieses „Plagiieren“ ermöglichten. Bei wissenschaftlichen Arbeiten ist es einfach nur schäbig, denn dazu braucht man heutzutage nur noch <copy> & <paste>. In der Kunst besteht natürlich die Gefahr, dass die Recyclingkreativität zu <copy> & <paste> degeneriert. Aber da ist kein Kausalzusammenhang. Ich muss hier immer an meinen Musikunterricht in der gymnasialen Oberstufe denken. Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ (mein Lieblingsbild bis heute ist der „Gnomus“) – und was Isao Tomita ziemlich genau 100 Jahre später mit einem (1975 noch sehr neuen) Sythesizer daraus gemacht hat. Damals wusste ich die Lektion noch nicht zu schätzen. Heute umso mehr! Das war Recycling-Kreativität, denn das Originalwerk hat inspiriert, wurde auch zu Teilen kopiert, aber nie plagiiert. [An dieser Stelle wurde das Schreiben eine Weile unterbrochen und anstatt „Stranger Synths“ Tomitas „Pictures at an exhibition“ gelauscht. Doch diese Musik forderte mich kognitiv zu sehr, die konnte ich nicht nebenbei hören…]

Ich habe irgendwo gelesen, dass Recyclingkreativität oder „recreativity“ auch zum Problem für den Künstler selbst werden kann, wenn man sich in einer Feedbackschleife fängt, weil man immer wieder sein eigenes Werk zitiert. Und dadurch vielleicht andere Einflüsse unterbindet, die einen weiter bringen könnten. Ich denke nicht, dass Selbstplagiat ein Vergehen ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Lern- bzw. Übungseffekt bei redundantem Selbstzitat irgendwann zum Erliegen kommt; man wird zunächst nicht mehr besser, dann langsam uninteressant und in der Folge irgendwann irrelevant. Das gilt übrigens nicht nur für Künstler, sondern auch für Lehrer. Vielleicht ist es das, was mich manchmal so kribbelig macht? Dieses Gefühl, nichts Neues, Originelles, Relevantes mehr beizutragen, weil meine Inspiration träge und selbstgefällig geworden ist? Das Problem dabei ist, dass Inspiration und Kreativität Muskeln sind, die regelmäßig trainiert werden MÜSSEN. Steckst du aber in der Tretmühle des LIEFERN-MÜSSENS fest, ist dein Kopf nicht frei für Originalität. Denn auch der originellste Geist braucht immer wieder neuen, externen Input, um selbst Neues schaffen zu können. Kunst und auch Lehre waren schon immer Zitat, Re-Mix, Collage, Interpretation, etc. Deshalb ist der oben beschriebene Vorwurf „nicht wirklich zu malen“, auch substanzlos. So lange man sich bemüht, die Vorlage als Inspiration zu betrachten…

Wenn ich auf meine Schreibe und mein Storytelling im Pen’n’Paper schaue, dann ist vieles davon auf den ersten Blick Plagiat. Weil ich natürlich über Jahrzehnte eine Unzahl an Science-Fiction-, Fantasy- und Horror-Romanen gelesen habe: und in der Folge manche Motive von stärkeren Erzählern entlehnt habe, als ich einer bin. Andererseits sind manche Themen, Erzählfiguren und Archetypen mittlerweile universal geworden. Also, was soll’s? Ich habe mich im Laufe dieses Textes mal wieder selbst zitiert; bin ich also noch kreativ? Mal schauen, was mir dazu einfällt. Einstweilen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Happy new… whatever…

Das alte Jahr endete, wie bei verdammt vielen anderen Menschen auch, durch das ausdauernde Überbacken mit Käse. (Fast) Alles ist mit Käse überbacken besser; der Genuss ethyltoxischer Getränke half aber auch ein bisschen dabei. Das neue Jahr begann, wie bei vielen anderen Menschen auch, wie Tage eben beginnen: aufstehen, frischmachen, anziehen, frühstücken, etc. Der Unterschied zwischen dem Leben am 31.12.xx und dem am 01.01.xx besteht im Datum – allein im Datum! Neujahrsspaziergang, Restevernichtung am Mittagstisch, und exzessives, Wohlstandsverwahrlosung zelebrierendes Gammeln rundeten das Programm sorgsam ab. Soweit im Südwesten nichts Neues.

Raclette der Stufe 3… es hat nicht alles auf den Tisch gepasst.

Ich war morgens zu früh aufgewacht. Mitnichten das, nach derartig käsigen prandialen Detonationen durchaus erwartbare Albdrücken trug jedoch daran Schuld. Vielmehr hatte der Gedankenzirkus unversehens geöffnet; und der Zirkusdirektor meiner privaten Hölle gab eine To-Do-Listen-Galavorstellung. Am 01.01 gegen 06:40 kann ich auf sowas echt verzichten. Es gemahnte mich daran, dass ich für ’22 viel auf dem Zettel habe. Vielleicht zu viel? Ich weiß es nicht. In dem Moment wirkte es allerdings so einschüchternd, dass ich mit einem Schweißausbruch da lag und gerne spontan in ein anderes Universum gewechselt wäre. Selbst Bogenschütze in der ersten Reihe in Helms Klamm wäre in Ordnung gewesen. Wie das mit SOLCHEN Wünschen halt so ist – ich blieb genau da liegen, wo ich war. Und durfte weiter meinen, sich eintrübenden Gedanken nachhängen.

Wir neigen immer in den ungünstigsten Momenten dazu, uns selbst zu martern; und zwar, weil Entspannung oft dafür sorgt, dass unser Gehirn anfängt, nach weiteren Gefahren zu suchen. In unseren Schlafzimmern gibt es nun aber nur in sehr seltenen Fällen noch Säbelzahntiger (und noch seltener greifen uns diese physisch an). Und weil wir heute zu wenig physisch existenzielle Gefahrenquellen haben (warum gehen Menschen wohl Bungee-Springen, Fallschirmspringen, Downhill-Biken, etc….?), werden dann die Dinge greifbar, die wir (unserer Wahrnehmung nach) nicht gut, nicht gut genug, oder sogar gar nicht hinbekommen haben – könnte ja zu Problemen in unserem privaten oder Jobumfeld führen! Und schreiben uns die Schuld natürlich immer selbst zu, damit das schlechte Gefühl auch schön mächtig bleibt. Dass objektiv Manches einfach deshalb liegen bleibt, weil wir weder vier Arme, noch 48h-Tage zur Verfügung haben, gerät dabei zumeist aus dem Blick. Zumal diese Marter ja für andere auch durchaus nützlich ist. Was würden unsere Chefs denn ohne Mitarbeiter machen, die bei unerledigten Dingen Scham empfinden.

Ich möchte an dieser Stelle mal eine Lanze für das Nicht-Schaffen brechen. Wir leben in einer Zeit, in der Arbeitsverdichtung, zumindest in manchen Gewerken, keine Ausnahme mehr bleibt, sondern vielmehr die Norm geworden ist. Sich selbst eingestehen zu können, dass es JETZT gerade zuviel ist, sollte von den Anderen als Zeichen der Stärke, nicht der Schwäche wahrgenommen werden. Meine Mitarbeiter und ich haben in den letzten Monaten diesbezüglich (subjektiv) jedes Limit gerissen. Woran ich tatsächlich niemand speziellem die Schuld geben könnte – oder wollte! Ich habe es allerdings offen nach außen kommuniziert. Mal schauen, wie die Nachlese dazu ausfällt. Ich kann an dieser Stelle allerdings zwei Dinge ganz klar sagen: ich schäme mich für nichts! Und ich sehe auch nichts, dass man mir vorwerfen könnte – mit der möglichen Ausnahme, dass ich nicht früher personellen Entsatz besorgen konnte. Aber das der Markt schwierig ist, hatte ich ja prophezeit.

Ich rede immer wieder davon, dass ich meine Prioritäten neu sortieren möchte. Im Großen und Ganzen habe ich das getan. Letztlich gibt es da gar nicht so viel, was man bedenken muss: die existenziellen Bedürfnisse moderner Zivilisationsmenschen (Unterkunft, Sanitäranlagen, Essen, Kleidung, etc.) müssen gestillt sein; insbesondere, wenn man Verantwortung für seine Familie trägt. Alles, was der so genannten „Selbstverwirklichung“ dient, ist (so bitter das jetzt auch klingen mag) disponibel, nachgeordnet. Da ich meine abhängige Lohnarbeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aufgeben kann – und, zumindest zu einem gewissen Anteil auch noch nicht aufgeben möchte, weil sie spannend ist – um meinen bekloppteren Ideen nachzugehen, werde ich wohl noch eine Weile Sklave der Notwendigkeiten sein. Wäre ich allein auf der Welt, sähe das tendenziell anders aus. Wie’s auch laufend wird – ich stelle fest, dass meine Energie langsam aber sicher zurückkehrt. Und mit Hummeln im Arsch kann es eigentlich nur besser werden. Vielleicht sogar gut. Denn, um noch einmal ein wahrhaftiges Bonmot zu Wort kommen zu lassen: „…wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende!“ Wir hören uns…

Auch als Podcast…

Countdown to Christmas #3

Hab ich übrigens mal erwähnt, dass ich Nerd bin? Also, so ein richtiger, Sci-Fi und Fantasy abfeiernder, Pen’n’Paper-Rollenspiel betreibender, manche abseitige Dinge des Lebens durchforschender Erz-Nerd und Alt-Gothic? Nun…, falls das bisher noch nicht erwähnt worden sein sollte (muhahahahaha…) – es ist einfach wahr! Und als solcher bin ich – selbstredend – natürlich auch Anime-Fan. Seit ca. 1990. Da war es noch sehr schwer, an diesen Stoff zu kommen. Ein paar Jahre später, als „Cowboy Bebop“ dann rauskam, war Anime schon zu einem weithin bekannten Phänomen geworden; und der Konsum dieser Cartoons, mit ihrer, streckenweise durchaus gewöhnungsbedürftigen Dramaturgie und Optik, nichts allzu ungewöhnliches mehr. Ich müsste vermutlich nicht erwähnen, dass der Anime „Cowboy Bebop“ hinter mir im Regal steht. Was viele andere Fans jetzt vermutlich verwundern wird, ist jedoch der Umstand, dass ICH über das frühzeitige Absetzen der Live-Action-Adaption auf Netflix enttäuscht und auch ein bisschen traurig bin.

Dass unterschiedliche Medien unterschiedliche Erzählstile fordern, habe ich an anderer Stelle schon mal ausgeführt. Dennoch möchte ich mich selbst an dieser Stelle zitieren: „An dieser Stelle ein kurzer Exkurs für all Jene, die sich immer wieder mit solchen Sätzen wie den Folgenden hervor tun: “Das Buch war viel besser als die Verfilmung!”, “So hatte ich mir meinen Lieblingscharakter überhaupt nicht vorgestellt!”, “Die haben die gute Geschichte ruiniert!”, “Das kam SO doch gar nicht im Buch vor!”, “DAS hätten die aber auch zeigen müssen!”. Kommen solche Bemerkungen bekannt vor? Nun das dürfte daran liegen, dass ein Buch und ein Film bzw. eine TV-Serie zwei vollkommen unterschiedliche Kunstformen sind, und auch dann nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben müssen, wenn sie die gleiche Geschichte behandeln. Beim Buch kann man sich die beschriebenen Orte, Personen und Sachverhalte in seinem Kopf so ausmalen, wie man Lust hat. Beim Film haben der Regisseur, Produzent, Setdesigner und die Schauspieler zusammen ihre Version der Geschichte entwickelt, um diese dann in Szene setzen und dem Zuschauer präsentieren zu können. Beide Vorgänge involvieren die Phantasie, nur dass beim Film die Phantasie Anderer in den Vordergrund tritt. Zumindest tut sie das vordergründig. Auch eine visuelle Erzählung kann allerdings die eigene Vorstellungskraft anregen. Man sollte also eine [neue] Verfilmung als eine andere Weise betrachten, wie die Grundgeschichte interpretiert werden kann. Dann kann man sich unnötig Atemluft verschwendendes Verfilmungsbashing schon von vorn herein sparen – zwei VERSCHIEDENE Kunstformen! Klar soweit…?“

Nun ist es so, dass eine Anime-Serie als Live-Action-Serie adaptiert wurde. Und man kann den Machern sicher so manches vorwerfen, aber sicherlich nicht, dass sie das Original nicht präzise studiert hätten. Und sie haben es zitiert. Aber eben nicht Wort für Wort. Denn dann wäre das Erlebnis sicherlich repititiv und redundant gewesen. Was ICH gesehen habe, war eine Adaption, die das Ur-Werk mit seinen unfassbar vielen eingebauten Gags, Schrullen, Anachronismen, und vor allem seiner, eher an die – uns oft fremd vorkommenden – kulturellen Gewohnheiten des fernöstlichen Publikums adaptierten Dramaturgie und Bildgestaltung sehr ernst nimmt; und dabei die Geschichte dennoch an einigen Stellen anders aufrollt. Man könnte einige der Action-Szenen als lahm charakterisieren. Man könnte sich darüber aufregen, dass Daniella Pineda als Faye Valentine nicht die ganze Zeit halb nackt rumrennt (oder aber, sich freuen, dass die Kostümdesignerin der völligen Objektifizierung des weiblichen Hauptcharakters einen Riegel vorgeschoben hat). Man könnte dieses und jenes am sonstigen Produktionsdesign bekritteln, und kommt trotzdem nicht zu dem Punkt, der viele andere eigentlich stört: man hat den Anime nicht eins zu eins verfilmt. Aber, wie verf***t langweilig wäre DAS denn gewesen? Was mich am meisten stört, ist allerdings, dass solche Produktionen heutzutage bereits lange vor dem Erscheinen totgeredet und totgeschrieben werden, weil viele Menschen offensichtlich mittlerweile glauben, irgendwelche „Kritiker“ könnten besser beurteilen, was MIR gefällt, und was nicht! Das sind auch nur Menschen – und die meisten davon sind Feuilletonisten, weil sie für etwas ernsthafteres oder wichtigeres nicht getaugt haben! ICH hätte mehr von dieser Adaption gefeiert!

Warum ich über sowas Belangloses im Countdown bis Weihnachten rede? Ganz einfach: weil ich von den „schweren“ Themen die Schnauze voll habe! Was gibt es denn zum Zustand unserer Welt und dem Fortgang der Pandemie noch großartig zu sagen, was Andere nicht schon gesagt hätten? Und noch dazu manche von denen sogar weit stärker, wortgewaltiger und treffender, als ich das je könnte. Wem Cowboy Bebop – egal, ob als Anime, oder als Live-Action – zu seicht, zu strange, zu bunt, zu wild, zu zahm, zu blöd oder zu sonstwas ist, sei Folgendes gesagt: es ist ein arschgeiler Ritt durch verschiedene Genres, der die üblichen Themen einer Heldenreise (Liebe, Eifersucht, Gier, Hass, Sucht, etc.) incl. Katharsis auf erfrischende Weise neu zitiert. Sci-Fi sei innovativer als Fantasy, haben irgendwelche Honks mal behauptet. Dem gehe ich die Tage auch noch nach. Einstweilen jedoch kann ich sagen, dass ICH anscheinend mal wieder eine vollkommen andere Show gesehen haben, als 90% der sogenannten „Kritiker“ da draußen. Dann bin ich ich halt doch das Kind, das irgendwie anders ist – der NERD eben. Macht nix. Ich werde den Rest des Tages damit zubringen, rauszufinden, ob das Boostern bei mir auch knallt. Denn Heiligabend muss ich fit sein. Peace! Out!

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Schreiben ist Leben!

Um es gleich vorweg zu schicken: für mich ist mein Schreiben auch (aber nicht nur) ein Vermittlungs-Prozess zwischen meinem ES und meinem ÜBER-ICH. Für diejenigen, welche mit Freud nicht so vertraut sind: das ES, das sind unsere Triebe, unsere Instinkte, unsere irrationalen, nicht prämeditierten Bedürfnisse; vielleicht könnte man bei verschiedenen Gelegenheiten auch sagen: unsere niederen Dämonen. Das ÜBER-ICH hingegen ist jene Sicherungs-Instanz, welche durch die Sozialisation, Erziehung, Imitationslernen zu jenem moralinsauren, ewig rationalen, erhobenen Zeigefinger erwächst, der unseren niederen Dämonen den Spaß verderben möchte; oder anders formuliert: unser innerer Kerkermeister. In der Mitte zwischen den niederen Dämonen und ihrem Kerkermeister sitzt der ärmste Tropf von allen: unser ICH, also jener fluide Prozess der ewigen Gleichgewichts-Suche, den wir gerne als Persönlichkeit bezeichnen; und von der wir fälschlicherweise so gerne annehmen, sie sei stabil… Tja, dumm gelaufen. Die Sicht ist hier bewusst dramaturgisch verzerrt und ironisch überspitzt, denn ganz so einfach ist es nun doch nicht. Aber für den Zweck dieses Posts mag diese Beschreibung vorerst genügen…

Ich fing an, über diese Fragen nachzudenken, als ich mit der Lektüre des abgebildeten Buches begann (ich bin noch nicht fertig, ist ein ganz schöner Wälzer…). Die Autorin stellt, unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven, Schreiben als einen Akt dar, der einerseits in die kreative Sphäre eingebettet ist, andererseits aber auch der Verwertungs-Logik des Marktes unterworfen wird; sofern man denn überhaupt an den Markt geht. Meine diesbezüglichen Erfahrungen sind ambivalent. Einerseits ist es schön, von einem größeren Personenkreis als der eigenen Familie oder den nahen Freunden rezipiert zu werden. Andererseits macht man relativ schnell die Erfahrung, dass man in den anderen Menschen den Bewertungsreflex auslöst – und selbstverständlich ist es für dieses mühsam kultivierte Pflänzchen names „Selbstwertgefühl“ ein waschechtes Waterloo, wenn man dann die ersten (unvermeidlich) weniger schmeichelhaften Kritiken bekommt. Denn wie so vieles andere auch, sind die Meinungen über literarische Produkte Geschmackssache.

Es ist mir wichtig, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass ich die häufig angeführte Distinktion zwischen Hochkultur (und damit klassischer Literatur) und Populär-Kultur (und der damit assoziierten Trivila-Literatur) riesengroßen Käse finde. Nicht etwa, weil mir die Klassiker öde wären, sondern weil Kultur (wie schon so verdammt oft gesagt) ein fluider Prozess ist, ein dynamisches System, eine Verstetigung des Wandels, die damit im Kern ihres Seins jedweder ewig verehrenden Zurschaustellung von Kulturartefakten widersprechen müsste; aber wer bin ich schon… Ich ziehe es vor, jedwedes Kulturprodukt im Kontext seines Entstehungszeitraumes betrachten zu wollen. Damit entfällt auch ein nicht unerheblicher Teil dieser Wokeness-Debatten als unnötig, selbstreferentiell und arrogant. Wo „Kunstwerke“ zur Stigmatisierung oder Benachteiligung beitragen, müssen diese immer kritisch kommentiert werden. Aber dächte ich den Wokeness-Gedanken in seiner heutigen Darreichungsform konsequent zu Ende, dürfte es auch keine kritisch kommentierte Ausgabe von „Mein Kampf“ geben. Ich finde jedoch, dass man sich genau mit solchen Dingen bewusst auseinandersetzen sollte. Ich möchte hier an Adornos Diktum erinnern „[…] dass Auschwitz sich nicht wiederhole […]“

Ich bin weit davon entfernt, mein Schreiben als Kunst bezeichnen zu wollen, ganz sicher aber ist es ein komtemporäres Kulturartefakt. Das Publizieren in seiner Gesamtheit hat sich in den letzten 20 Jahren grundlegend verändert. Manche Leute sprechen gerne von einer Demokratisierung des Literaturbetriebes, befeuert durch die wachsenden Möglichkeiten des Selfpublishings. Die Unabhängigkeit von der etablierten Verlagsbranche wird als Sieg über die Macht der Lektoren gefeiert. Ich sehe ehrlich gesagt eher eine Prekarisierung. Denn, wer Literatur verkaufen möchte (oder gar muss), um seine Existenz zu finanzieren, unterliegt plötzlich der oben bereits benannten Verwertungslogik und den (bei Bourdieu so treffend beschriebenen) Notwendigkeiten des Massengeschmackes. Und das vollkommen unabhängig davon, ob mit Verlagsvertrag, oder doch als Selbstverramscher bei einem kleinen Onlinekaufhaus mit Regenwaldnamen… Denn beim Selfpublishing mag zwar das unternehmerische Risiko überschaubar wirken – es liegt dennoch zu 100% beim Autor. Und nur die Wenigsten schaffen tatsächlich Margen, die sich lohnen. Mal davon abgesehen, dass die handwerkliche Qualität auf diesem Markt der literarischen Ich-AGs sehr inhomogen ist, und nicht selten im eher überschaubaren Rahmen bleibt.

Für mich ist es eine Mischung aus Hobby, Selbstverwirklichung, Storytelling-Übung und Ergotherapie, die ich auf keinen Fall missen möchte. Ich bin kein leichtgläubiger Narr, der glaubt, dass ihm irgendwann die Verlage die Tür einrennen und alsbald danach Hollywood wegen der Filmrechte anklopft. Ich mache es zuerst, um wenigstens gelegentlich meinen inneren Kerkermeister austricksen zu können; und natürlich, weil ich irgendwann 2022 doch mal wieder was Eigenes veröffentlichen möchte, um herauszufinden, auf welchem Level ich denn nun tatsächlich stehe. Davor stehen aber noch einige andere Dinge an, die auf meiner Prioritäten-Liste höher angesiedelt sind. Wir werden sehen. Und wir lesen uns…

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