Im Funkloch

Ich bin, um dies einmal mehr unumwunden zuzugeben, einer von dieser Online-Junkies, über die so oft geschrieben wird. Ich – white, middle-aged cis-gender guy – stromere sehr oft durch verschiedene der, von mir so gerne so derb gescholtenen Antisocial-Media-Plattformen, um ein bisschen auf dem Laufenden zu bleiben, was die Kinder (also jene Menschen, denen meine Lebens- und Einsatzerfahrung abgeht) jetzt wieder umtreibt; ja verdammt, da bin ich ein bisschen bigott! So what, ihr Schlumpftulpen? Und da bin neulich von einem Anfang 20jährigen darauf hingewiesen worden, dass es ihn irritiere, dass ich über Phänomene informiert wäre, welche doch eher der Jugend vorbehalten seien. Ich nehme das als Kompliment, weil es mir sagt, dass ich immer noch in der Lage bin, als Pädagoge und Mensch auf lebensweltlich relevante Themen meiner SuS zu reagieren. Das bedeutet jedoch mitnichten, dass ich nun jeden noch so osbkuren Dreck kenne, der aus dem Huzz and Buzz der selbsternannten Trendmaschinen emergiert. Selbst meine 15-Jährige meint manchmal einfach nur “So ein Scheiß!”, wenn wir uns über “Trends” unterhalten. Aber ja, ich gebe es zu – diese Dinge interessieren mich immer noch. Keine Sorge, ich trage immer noch keine weißen Sneaker und diesen ganzen anderen Rotz, der bei Gen-Z-lern heutzutage (wieder) so hart trended. Ich war schon da, als vieles davon das erste Mal er heiße Scheiß war – und ich fand’s schon damals zum Kotzen…

Nun bin ich derzeit im schönen Schwarzwald unterwegs – okay, ziemlich oft ist es derzeit der neblige Schwarzwald, aber das tut hier jetzt nicht so viel zur Sache – um eine neue Klasse in der Einführungswoche zu begleiten und zu unterrichten. Eine Aufgabe, die ich mittlerweile schon öfter übernommen habe und die mir immer noch Freude bereitet. Und auch dieses Mal ist es Teil des Designs, dass das Netz hier nicht überragend ist. Was stets zu mildem Gejammer führt, denn irgendwie bin ich offensichtlich NICHT der einzige Online-Junkie hier; wohl der Älteste, aber bei weitem nicht der Einzige. Ist ja aber nicht so, dass man GAR NICHTS online tun könnte… Ich durfte allerdings dieses Mal wohltuender weise beobachten, dass tatsächlich mal Dinge passieren, die ich mir bei so einem Setup jedes Mal wünsche: nämlich dass die zumeist jungen Leute die Gelegenheit beim Schopfe packen und Dinge tun, die sie sonst eher nicht tun würden. Etwa sich aufeinander einzulassen, ehrlich ins Gespräch zu kommen, interessante Spiele zu spielen und – echt wahr – gemeinsam wandern zu gehen. Ganz so schlimm ist das Funkloch dann wohl doch nicht. Natürlich werden sie , sobald sie morgen Nachmittag über die Passhöhe der ausgeschilderten Umleitung dem Tal entflohen sind wieder in die typischen Muster zurückfallen. Aber wenn wenigstens ein bisschen was hängenbleibt, bin ICH schon hoch zufrieden mit diesem Event.

Was mich selbst betrifft, so stelle ich fest, dass die (teilweise) Entkoppelung vom normalen Arbeitsalltag (viele Aufgaben lassen sich ja auch aus der Ferne erledigen) ein bisschen hilft, den Kopf frei zu kriegen. Nach dem Unterrichtsende einfach ein paar Kilometer durch den Berg hinter dem Kloster zu wandern tut das seine dazu. Man hat in einer Leitungsposition immer dieses Gefühl alles selbst, unmittelbar und vor allem sofort regeln zu müssen. Was bei meinem Job, wie ich in den letzten drei Tagen wieder bemerken durfte, ganz einfach eine Illusion ist! [Exkurs: Ich denke, ich muss die Home-Office-Diskussion noch einmal neu aufrollen, weil ich mit dem aktuellen Modell nicht zufrieden bin. Das Unterricht in Präsenz stattfinden muss, darüber herrscht kein Dissens; wohl aber über viele andere Aufgaben, die sich sehr wohl remote erledigen lassen und dann sogar besser funktionieren. Z. B. das korrigieren… Exkurs Ende] Ich nehme jedenfalls aus diesem idyllischen Schwarzwaldtal ein paar neue Impulse, Ideen und Bekanntschaften mit, die ich als bereichernd empfinde. Ich durfte Bewegung in der Natur zu meinen Bedingungen haben und bin trotz der vielen Wochenstunden immer noch hoch motiviert. Vielleicht tun auch mir solche gelegentlichen Funklöcher ganz gut? Denn in letzter Zeit habe ich mich des öfteren beim Doomscroll of Death ertappt… Wie man es auch dreht und wendet, jede Münze hat zwei Seiten. Über die Trends der Jüngeren informiert zu bleiben, bedeutet dann manchmal auch, zu viel kostbare Lebenszeit im Netz zu verbringen; so, wie manche der Jüngeren. Mal sehen, ob ich außerhalb des Funklochs wieder zur richtigen Balance finde? Ihr werdet es erfahren. Bis dahin – Schwarzwald Ahoi!

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