Out of the Box…

Ich finde es bemerkenswert, dass die vielen unterschiedlichen Menschen, die da so als Teilnehmer*innen in meine Unterrichte oder Seminare kommen immer wieder diese typischen Fragen stellen, die man eigentlich gar nicht hören möchte: “Wie lange machen wir heute?”. “Welche Inhalte kommen heute dran?”. “Ist das Prüfungsrelevant?”. “Kommt das noch mal dran?”. “Wo kann man das nachlesen?”. Und so weiter und so fort. Ich möchte dem nun in aller Form ein paar Dinge entgegnen, die mir in den letzten 9 Tagen während meiner Arbeit einmal wieder auf- und eingefallen sind:

  • Zeit- und Themenläufe sind variabel: Ich habe mir vorhin einen Moment genommen und bin auf eine direkte Frage eines Schülers hierzu eingegangen; und ich habe ihm gesagt, dass der Dozent oder Fachlehrer innerhalb eines gesteckten thematischen Rahmens nicht selten wie ein DJ vorgeht. Wir lesen den Raum, wir schauen, welche Fragen und Gespräche sich aus den gestellten Aufgaben und beschriebenen Problemen ergeben – und dann passen wir ggfs. unser Unterrichtsplanung an. Es mag sein, dass bei Lehrproben im Rahmen des Referendariats an allgemeinbildenden Schulen eine fest abzuarbeitende Unterrichtsvorplanung abgegeben werden muss, an die man sich nahezu sklavisch zu halten hat, weil der Fachleiter einem sonst die Rübe runter macht – aber das ist Bullenscheiße im Quadrat! Wenn sich der Flow im Rahmen des Themas in eine andere Richtung bewegt, aber die Fragen relevant sind, dann gehe ich den Weg mit. Und Schluss! (Ja, ja, ich weiß, die Stoffpläne – die sind in der allgemeinbildenden Schule oft genug einfach für den Arsch – und noch mal Schluss!)
  • Die Prüfungrelevanz betrifft IMMER die inhaltliche Essenz des Stoffes, nicht jedoch irgendwelche technischen Einzelheiten. Es ergibt (nicht nur aus konstruktivistischer Perspektive) absolut keinen Sinn, irgendwelche Schemata losgelöst von ihrem realen Einsatzzweck betrachten zu wollen. Die Leute suchen aber immerzu nach irgendwelchen Musterlösungen, die sie einfach nur anwenden müssen, um scoren zu können – aber weder für notfallmedizinisches Handeln noch das Leben an sich gibt es eine immergültige Musterlösung. Aber das kann man ihnen 1000 Mal erzählen und nächste Woche kommen sie wieder mit der gleichen Frage um die Ecke. Manche, weil sie sich’s einfach machen wollen und andere, weil sie an der Komplexität verzweifeln. Für beides gibt es Medizin, die allerdings nicht immer schmeckt: die Ersteren bekommen einen harten Realitätscheck, indem ihre Musterösung einfach mal im Training zerstört wird und die anderen Hilfe, indem man ihnen weitere Blickwinkel eröffnet. Kleines Einmaleins der berufsschulischen Pädagogik…
  • Der Unterricht ist zu Ende, wenn es Sinn ergibt! Manchmal ist das vor, manchmal nach der üblichen Schlusszeit. Wer hierbei nicht ein gewisses Maß an Flexibilität an den Tag legt, ist übrigens im Rettungsdienst schlicht falsch und sollte sich wohl besser was mit wirklich planbaren Arbeitszeiten suchen… weil nämlich die Struktur des Unterrichts hier aus der Metaperspektive die Struktur der eigentlichen Arbeit vorweg nimmt. Und die ist NICHT nine-to-five!
  • Die Festigung von Unterrichtsinhalten kann nie mit einem Durchlauf abgeschlossen sein. Insbesondere, weil theoretisch besprochene Inhalte sich immer einem Check an realen Einsatzsituationen unterziehen müssen, um ihre Relevanz für die Schüler*innen begreifbar zu machen. Die Antwort etwa auf die Frage “Warum müssen wir dieses Gesetz lernen?” ergibt sich schmerzlich verständlich oft erst dann, wenn man die Gründe selbst erlebt, aus denen dieses Gesetz entstanden ist.

Fertiglösungen, die “out of the box” funktionieren sollen kann man bestenfalls für sehr wenig komplexe Probleme formulieren, die sich in einen Wenn-Dann-Algorithmus pressen lassen. In der Notfallmedizin suggeriert man den Auszubildenden durch Algorithmen, die so aussehen, als wenn das möglich wäre, dass es fertige Musterlösungen geben könnte – nur damit wir Berufsfachschullehrer ihnen sehr mühsam den Reflex abtrainieren dürfen, auf komplexe Probleme stets einfache Antworten suchen zu wollen. Selbst Denken müssen die Azubis lernen. Aber zuerst müssen sie verstehen lernen, warum selbst denken zwar der anstrengendere, allerdings auch der wesentlich sicherere und zielorientiertere Weg ist. Und ich kann den Azubis da noch nicht einmal einen Vorwurf machen, weil es da draußen (auch und vor allem in unserem eigenen Berufsfeld) immer noch mehr als genug Menschen gibt, die ihnen vorleben, wie man es sich – vermeintlich – einfach macht. Die so tun als wenn Schema X jemals funktioniert hätte! Die alles, was nicht aussieht wie einer der Algorithmen zum “Bullshit-Einsatz” deklarieren! Die Kolleg*innen mit einem humanistischen Menschenbild als “Schwächlinge” verächtlich machen! Und die immerzu versuchen, den kürzesten, einfachsten, mit der wenigsten Arbeit versehenen Weg zu gehen, um sich dann auch noch ihrer Effizienz zu rühmen! SPEI! WÜRG! KOTZ! Wir haben noch einen verflucht weiten Weg zu gehen, wenn wir wirklich das Level an Profssionalität erreichen wollen, dass so viele von uns für sich reklamieren. Mal schauen, ob ich die nächsten Tage mal wieder etwas dazu beitragen kann. Hasta la Pasta, wie eine liebe Kollegin immer sagt…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert