Holy Sh**…!

Man fiebert, man wartet, man bangt, man sehnt, man wünscht, man verflucht, man winkt genervt ab, man verdammt, man möchte am liebsten wegrennen und trotzdem alles auf einmal in sich aufsaugen. Es gibt diese Periode zum Ende eines jeden Jahres, zu der Zeit sich wie Melasse und WD 40 gleichzeitig anfühlt und man sich stetig bei der Frage ertappt, was das alles eigentlich soll? Denn wenn wir dieses ganze Jahresendgebimse und -gesummse mal kurz aus größerer Höhe betrachten, stelle ICH immer wieder Folgendes fest: gehe ich am 31.12. um 23:58 kacken und betätige am 01.01. 00.03 die Spülung, so gilt einfach nur: different year – same shit! Ich schrieb hier in den letzten Jahren immer mal wieder über Rites de Passage (z. B. in diesem Post) und die heilende WIrkung für die Seele, welche insbesondere die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr auf mich – und die anderen, von Stress, Arbeitsverdichtung, der Weltlage und dem ganzen Scheiß geplagten Menschen in meinem Umfeld – haben sollte. Diese Heilung kann allerdings nur beginnen, wenn man sich darauf einlassen kann. Dazu müsste man einfach drauf scheißen können und das fällt mir derzeit schwer, denn wenn ich am 07.01 zurückkehre gilt: different year – same shit! Ich stellte letzthin fest, dass selbst ein in weitestgehender Solitude verbrachtes Wochenende meine sozialen Batterien kaum noch aufzuladen vermag, meine Bullshit-toleranz stabil bei ca. zwei Prozent umherdümpelt und mein Job mich eher zum Kotzen bringt, denn zum Lächeln. Da nutzen ein paar wenige Tage Urlaub bestenfalls, um partiell auf andere Gedanken zu kommen. Und doch…

Heute Abend beginnen die Raunächte, jene dunklen Stunden des Jahres, die – wie man von einem guten Übergang erwarten darf – Ende und Anfang gleichzeitig repräsentieren, wie sonst nur wenige Dinge in unserer, vom geschäftigen Huzz und Buzz des Arbeitslebens und der vielen anderen Verpflichtungen durchgetakteten Gesellschaft. Aldous Huxleys Schöne Neue Welt lässt grüßen… Eigentlich sollte es kein bestimmtes Datum als Grund für Instrospektion, Neubewertung, Kurskorrektur brauchen – also jene Aspekte, die wir gelegentlich zum Anlass nehmen, um als Erwachsener in eine neue Lebens-Phase eintreten zu können, ganz gleich, wie groß oder klein die Veränderung am Ende dann sein mag. Doch wir Menschen neigen dazu, uns an speziellen Daten aufzuhängen, weil diese in der unerquicklichen Unüberschaubarkeit jener Aneinanderreihung weiterer Sekunden, von denen wir niemals WIRKLICH wissen können, wie die nächste aussehen wird (man erinnere sich an die unüberwindbare Mauer der nächsten Sekunde), temporale Landmarken darstellen. So wie der Kirchturm, dieses eine besondere blaue Haus oder der kleine Park uns helfen, durch unsere geografische Umgebung zu navigieren, so sind Geburtstage, Feiertage, die eigentlich sehr willkürliche Einteilung in Wochen á sieben Tage (und in 12 krumme anstatt 13 identische Monate) und manches andere mentale Anker, welche die Relativität von Zeit besser erträglich machen. Und so klammern wir Menschen uns auch weiterhin verzweifelt an bestimmte, von alters her überlieferte Rituale; und so klammere ich mich an die Raunächte, um mit der Frage zu ringen, was als Nächtes werden soll. Wohl wissend, dass alles Plotten und Planen bestenfalls das Gelächter des Schicksals anregt.

Ich glaube nicht, dass ich mich diesbezüglich sonderlich von anderen Menschen unterscheide. Ich bezeichne mich – wie ein hoch geschätzter Kollege dies auch immer zu tun pflegt – als durchschnittlich intelligenten Menschen. Ich kann nicht besser in die, wie bereits bemerkt eher nur vage wahrnehmbare Zukunft schauen, einfach so schlimme Probleme lösen oder die Welt retten, als viele andere auch. Ich habe allerdings einige Talente, die tatsächlich eher selten geworden zu sein scheinen: Anstand, Haltung, Selbstreflexion und die Bereitschaft, meine Kreativität auch mal sinnvoll einzusetzen, ohne gleich auf den Paycheck zu schielen. All das möchte ich nun in die Wagschale werfen und die Raunächte tatsächlich als Anlass nehmen, zu schauen was war, was jetzt gerade ist und was vielleicht sein könnte. Nicht im Sinne einer Heilung, sondern eher im Sinne eines Re-Framings. Ich brauch eine neue Perspektive auf meine Situation; und auf die Frage, ob der Aufwand, welchen zu treiben ich mich derzeit (noch) verpflichtet fühle und die Benefits noch in irgendeinem Verhältnis zueinander stehen? Ich betrachte das gar nicht so sehr aus fiskalischen Gesichtspunkten, wiewohl ich Verpflichtungen habe, die nach Beachtung verlangen; ich kann nicht einfach so den Stecker ziehen und erst mal ein Sabbatical einlegen. Denn wenn ich das könnte, wäre das schon lange passiert. Ich denke tatsächlich schon seit einer Weile über diese Dinge nach – doch erst jetzt habe ich (dank einiger freier Tage) auch tatsächlich die Muse, über Alternativen nachzudenken, ohne immerzu von den Nöten des Alltags abgelenkt zu werden. Ich würde das allerdings nicht als Rite de Passage bezeichnen wollen, da zunächst noch unklar bleibt, ob es tatsächlich zu einer Veränderung kommen wird (und falls ja, zu welcher), sondern eher als Rite de la pensée; oder vielleicht sogar als Rite du rêve. Denn nachdenken muss ich – und träumen will ich!

Wie man’s auch dreht und wendet, wir stecken mitten im Weihnachtsfest, zu dem ich euch allen da draußen (ganz gleich, welchem Glauben ihr anhängen mögt) friedvolle Feiertage wünschen möchte! Feiert, was immer ihr zu feiern habt – und wenn ihr echt glaubt, nichts zu feiern zu haben, dann feiert trotzdem nach bestem Vermögen; und wenn’s nur ist, weil jeder Tag ohne Zettel am Zeh ein guter Tag ist! Das Jahresende dräut nun mit aller Macht und irgendwie zieht es viele dann immer zu Rückblicken. Man möchte resümieren, was war und was ist. Dazu kann ich jetzt gerade nur sagen: vor allem einige dienstliche Teile von 2024 waren atomar granatenmäßige Ultrabullenscheiße! Mein Bedarf ist gedeckt. Ob mir noch Anderes, Sinnvolleres, Schöneres einfällt, werden wir in den nächsten Tagen sehen. Bleibt sauber, so gut es geht. Wir hören uns noch, bevor für ’24 endgültig der Hammer fällt…

Auch als Podcast…

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