Das große Staunen N°8 – Ja ist denn schon…?

So zuverlässig, wie schlechte Nachrichten viel intensiver wahrgenommen werden, als die Guten, ist jedes Jahr am 24.12 ganz plötzlich Heiligabend. Ich finde es mittlerweile ein wenig irritierend, wie viel Gebashe dieser arme Feiertag und seine kleinen Büder (25.12 und 26.12) in den Medien hinnehmen müssen. Kaum eine Postille kommt derzeit ohne diese vorgeblich sartirisch gemeinten, handwerklich mediokren und nur höchst selten halbwegs witzigen Glossen, Listicals, Pseudo-Reportagen, Möchtegern-Essays und sonstigen Randerscheinungen journalistischen Versuchens aus. Nun ja, Versuch macht ja angeblich klug, wenngleich sich MIR ein Fortschritt nicht so recht enthüllen will. Denn irgendwie werden die Dinger zwar jedes Jahr von einem neuen Praktikanten geschrieben (zumindest legt die Qualität den Verdacht nahe) und doch klingen sie immer gleich… ich weiß auch nicht, was das noch soll. Denn eines ist sicher – kaum etwas brauchen wir genau jetzt mehr, als ein paar wahrhaft besinnliche und friedvolle Festtage!

20.01.2023 – fehlt mir jetzt irgendwie…

Es ist das Ritual, dass uns – wenigstens für ein paar Augenblicke – einen sicheren Hafen vor den Ärgenissen, Herausforderungen, Fährnissen dieser Welt bietet. Und kaum etwas in unserer vollkommen bekloppten Zeit hat mehr rituellen Charakter, mehr formalisiert-choreographierte Abläufe, mehr Zuckerguss in allen Darreichungsformen, als nun mal das Weihnachtsfest. Und selbst, wenn diese überbordende Mischung aus heidnisch glitzernden Äußerlichkeiten, Konsumterror, prandialen Detonationen, prä-, midi- und post-pubertären Peinlichkeiten und viel zu wenig Schnee oder auch Lametta (war früher mehr, ’ne!) einen jedes Mal an den Rand des Wahnsinns treiben mag, wenn man dies denn zulässt – am Ende war’s dann doch Gans gut… Natürlich ist es verdammt anstrengend, einen auf heile Familie zu machen, wenn in Wahrheit eigentlich nur wenig heil ist. Aber geht das echt jedem so? Ich meine, wir hatten dieses Jahr einen herben Verlust zu verkraften, was ein eher ernüchterndes Zusammenkommen zeitigt. Aber selbst unter diesen Vorzeichen gibt es für uns noch genug zu feiern: wir haben diese verrückte Jahr in all seiner kaputten Pracht überstanden und stehen immer noch aufrecht! Allein DAS ist mehr als nur EINEN Asbach Uralt wert…

Es gab viele Anfechtungen, insbesondere im beruflichen Bereich, die sich bis in die letzten Stunden meines Arbeitsjahres hineinzogen. Doch jetzt werde ich diese SCH***E ignorieren und mein Ding machen. Und wer weiß denn schon vorher, wohin der Zug des Lebens als nächstes fährt…? Ich ganz gewiss nicht – aber ich bin für beinahe jede Richtung bereit und schließe nichts mehr aus. Es ist doch so: am Ende des Jahres, wenn die kurzen Nächte uns in diesen, durch das Fest der Feste formalisierten Rite de Passage zwingen, WOLLEN wir ein abschließend beurteilendes Resumée des Vergangenen ziehen, um uns dann zu versichern, dass das nächste Jahr…. Was für ein BULLSHIT! Der Blick in die Zukunft scheitert IMMER UND ZWANGSLÄUFIG an der undurchdringbaren mauer der nächsten Sekunde. Alles Abwägen und Planen endet zwangsläufig mit einer – mal mehr, mal weniger großen – Abweichung vom Plansoll. Egal ob beruflich oder privat. Woher soll ich also wissen, welche Chancen sich noch abseits aller Ideen, die ich derzeit wälze ergeben könnten? Don’t know. Und eigentlich will ich das JETZT auch noch gar nicht wissen. Denn genau jetzt möchte ich einfach nur meine Ruhe genießen dürfen, um mal wieder zu mir selbst finden zu können.

Die oben erwähnten Christmas-Bashing-Artikel helfen dabei übrigens nicht wirklich, reflektieren sie doch nur jedes Jahr auf’s Neue, dass manche Journaille einfach nicht mit der Ambivalenz und Ambiguität des Lebens in einer komplex-kaputten Welt umgehen kann. Und in der Folge seine kindlichen Wünsche nach Harmonie, Geborgenheit und Geschenken nicht mit den Anforderungen des Erwachsenseins in Einklang zu bringen vermag. Denn im Grunde wollen wir doch alle einfach eine Schneeballschlacht, was leckeres zu essen und unter dem Christbaum mit großen Augen Geschenke auspacken, als wenn wir immer noch Acht Jahre alt wären. Aber so wenig, wie man in die Zukunft schauen kann, so wenig kann man die Uhr zurückdrehen. Vielleicht wäre es für uns alle einfacher, wenn wir dass, was uns im Gemüt erwachsen macht für ein paar Stunden oder gar Tage vergessen könnten/dürften. Dann wäre Weihnachten für uns wieder das, was es für uns als Kinder einmal war: ein Grund zur Freude. Nun ja – vielleicht ist es dieser unterbewusste Wunsch, der den einen oder anderen etyltoxischen Cerebral-Storno im Schatten des Baumes entstehen lässt. Ich wünsche uns allen jedenfalls friedvolle Festtage. Denn selten braucht man das Kind in sich selbst dringender, als gerade jetzt. Lassen wir’s doch mal raus…

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