Ich habe gestern wieder so eine besondere Art von Flow-Zustand erreicht. Ein Gefühl, dass sich nur dann einstellt, wenn ich mich in der Musik verliere. Nicht in einer Musik, sondern in DER MUSIK. Wenn ich mich von Song zu Song treiben lasse. Wenn ich inspiriert werde von dem, was ich gerade auf dem Bildschirm sehe, was in der Folge Erinnerungen oder Gedanken hervorruft und dann angespielt werden MUSS, um zu sehen, ob das erste Gefühl wirklich ist, wonach ich gerade unbewusst suche. Ich könnte geshuffelte Riesenplaylisten nicht wirklich ertragen, weil ich meinen Musikkonsum stets unbewusst kuratiere: abhängig von der Stimmung, die ich gerade erlebe, oder die ich zu evozieren suche, klicke ich auf Dinge, die für mich saliente Reize darstellen. Vielleicht, weil ich DAS schon lange nicht mehr – oder noch nie – gehört habe, aber genau jetzt nach dieser Erfahrung suche. Manchmal treibe ich dabei in Genres, die sonst nicht unbedingt meine Favourites sind, einfach, weil dort etwas hervorsticht, dass meine Aufmerksamkeit aus unerfindlichen Gründen fesselt. Das macht diese Art, Musik zu hören zu einer gelegentlich schrägen Erfahrung. Ich hörte vor einer Weile mal von jemandem, dass er wieder mit Vinyl angefangen habe, einfach weil einem die streng serielle Natur des Hörens eine spezielle Hörerfahrung aufnötigt, Geduld verlangt und unter Umständen das Konzept hinter einem Album sichtbar macht. Was ich mache, ist allerdings nicht das komplette Gegenteil, denn auch meine Art des kuratierten Konsums verlangt volle Aufmerksamkeit und – mehr oder weniger – bewusste Entscheidungen. Das komplette Gegenteil wäre leise im Hintergrund laufender Shuffle-Play, am besten mit Playlists verschiedener Alben derselben Künstler:innen. Vollkommene Entkopplung von Künstler und semantischer Werk-Bedeutung. Kein Bezugsrahmen, nur Konsum. Obwohl… bei vielem, was heutzutage auf den Musikmarkt geschissen… äh, pardon geschmissen wird, hat eh nur den semantischen Gehalt des Einwickelpapiers beim kleinen Wirtshaus zur platten Frikadelle: allzeit geschmacklos, nährwertfrei und ungesund…

Ich erlebe auch Momente, in denen es vollkommen okay ist, die Musik im Hintergrund dudeln zu lassen, etwa um meine Denkkanäle beim Schreiben freizublasen. Dann ist es meistens ein sehr uniformer genrebegrenzter Sound, der mich nicht zu sehr kognitiv belastet, aber meine Stimmung unterstützt. Meistens irgendwas elektronisches, dass mich nicht fesselt oder ablenkt, sondern bestenfalls erfreut und energetisiert. Die Frage, welche mich dabei immer beschäftigt, lautet, was Menschen dazu antreibt, etwas zu erschaffen. Und sei es – auf den ersten Blick – noch so simpel oder uniform. Gerade im Bereich elektronischer Musik ist es ja vergleichsweise einfach geworden, etwas halbwegs gut hörbares mit ubiquitär verfügbarer Hardware zu erzeugen. Letztlich geht das mit jedem Computer; wenn man natürlich more sophisticated and special aussehen will, nutzt man Modular Synthezisers, wie etwa irgendeinen Moog (oder auch was billigeres). Es bleibt jedoch dabei, dass man den kompletten Produktionsprozess ohne riesen Hazzle in seinem Wohnzimmer erledigen kann – außer, man möchte unbedingt singen! Dann sollte man für ein Mindestmaß an Hörgenuß etwas mehr Aufwand betreiben. Und vielleicht singen können? Aber das ist im Zeitalter von Rap und Hiphop ja auch nur noch optional… Es braucht also eine Motivation. Lautet diese “Ich will auf Youtube (oder xyz) Kohle machen!”, wird das Ergebnis generisch, erwartbar, repetitiv daherkommen, aber zumeist noch so gut konsumierbar sein, dass es schon ein bisschen Spaß macht. Interessant wird es jedoch, wenn jemand tatsächlich a) etwas von Musik versteht – was heutzutage keine zwingende Voraussetzung mehr ist, um welche zu veröffentlichen – und b) mit seinen Kreationen die üblichen Hörgewohnheiten herausfordert. Das erzeugt Spannung – und bedeutet für mich automatisch, dass es nicht mehr casual Quatsch für die Begleitung meines sonntäglichen Blogschreib-Prozesses sein kann. And here we go again.
Ich habe manchmal das Gefühl – aber das ist ganz und gar nur meine eigene, gelegentlich durchaus abgstumpfte Weltsicht, die hier spricht – dass wir Musik nicht mehr als eine Form von Kunst wahrnehmen, sondern nur noch als Konsumartikel und Projektionsfläche für unsere eigenen Erwartungen. Überhaupt erscheint es mir so, als wenn viele Menschen gar nicht mehr anders können, als jegliches Work of Art ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Konformität mit ihren Erwartungen an leichte Konsumierbarkeit zu bewerten. Doch das ist nicht die Aufgabe von Kunst! Die Aufgabe von Kunst ist zuallererst, die Ideen, die Weltsicht, die Gefühle ihrer Schöpfer:innen für Dritte begreifbar zu machen; und zwar getrieben von der Annahme, dass dieser Ausdruck der eigenen Persönlichkeit für irgendjemanden anders als man selbst wertvoll sein könnte! Und damit ist es vollkommen Wumpe, ob ein Work of Art für MICH leicht konsumierbar ist – denn DAS. IST. NICHT. SEIN. ZWECK! Bestenfalls kann es mich zum Neu-Denken von allem möglichen oder unmöglichen anregen. Und das ist auch gut so. Da stößt der Mainstream-Menschoid aber anscheinend schnell an seine Grenzen. Meine Mutter sagte in solchen Fällen: “Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht…” Hier sind wir nun bei der Begründung für meinen gestrigen Flow-Zustand – mir ist Genre egal! Mir ist Künstler:in egal! Mir ist easy listening so was von egal! Und mir sind Charts, Media-News und die Meinung anderer Menschen so egal, wie eben möglich. Einzig interessant ist für mich in solchen Situationen die Wirkung von Musik auf meine Kognition und meine Emotionen – und zwar unabhängig davon, ob die Künstler:innen es mir damit leicht machen oder nicht! Und damit ist alles gsagt. Hört auf, euch von Charts, von Fandom, von irgendwelchen Meinungsproduzenten und vor allem von der, auf die reine Konsumierbarkeit reduzierten, Mainstream-Scheiße abhängig zu machen, die immer gleich klingt und nichts mehr anregt, außer vielleicht das Gefühl, unter Gleichgesinnten zu sein – die genauso auf den Mist reinfallen. Selbst fühlen und denken macht einen wirklich frei. In diesem Sinne: startet in die neue Woche, wie’s euch gefällt – aber erzählt mir bitte nix von Musik.