New Work N°20 – Partizipation Ahoi!

Mit verlässlicher Regelmäßigkeit treiben die Medien – stets befeuert von den üblichen Verdächtigen, wie etwa verschiedenen Lobbyvertretern – irgendwelche Säue durchs Dorf! Nun sind Zeitdiagnosen ja auch so ein Ding. Bevor man nämlich anfängt, die Gondeln Trauer tragen zu lassen, sollte man sich vielleicht an ein paar wichtige Fakten über sozio- und psychometrische Messungen erinnern, die vielleicht ein wenig den Druck aus mancher Debatte zu nehmen vermögen: a) Verzerrungen durch aktuelle Laune lassen sich nur unzureichend heraufiltern. b) sozial erwartbares Antworten verschiebt die Ergebnisse ebenso wie c) der Befrager-Bias und d) der Umstand, dass Korrelation nicht Kausalität ist. Andernfalls würde uns die Wirklichkeit nicht immer wieder überraschen, obschon die Statistik frecherweise etwas Anderes vorhergesagt hatte. Von der, je nach Auftraggeber in die eine oder andere Richtung ausschlagenden, bewussten Einflussnahme auf das spätere Ergebnis durch normativ orientierte Gestaltung der Items in einem Fragebogen will ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen… Wenn also irgendjemand die Behauptung aufstellt, nachgewiesen haben zu wollen, dass die Arbeitsmotivation in Deutschland unter aller Sau sei, dann muss man Fragen: welchen Zweck verfolgt eine Unternehmensberatung wie Ernst & Young (ja, das sind die, die Wirecard verkackt haben) mit so einer Mitteilung, zu einer Zeit, wo gerade eine öffentliche Debatte über die Wiedereinführung von Karenztagen geführt wird? Sieht für mich nach sauber manipulativer Lobbyarbeit aus – und sonst nichts. Aber, und dieser Einwand ist auch für einen Kapitalismuskritiker wie mich relevant, gewiss sind diese Zahlen nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Man hat ja vermutlich real irgendwelche Menschen befragt. Was bedeutet, dass irgendwo ein Hund begraben liegen MUSS, nicht wahr…?

Nun kann ich zumindest mit anekdotischer Evidenz dienen und die stützt durchaus die These, dass es bestimmte Voraussetzungen braucht, damit ein gedeihliches und damit motivierendes Arbeitsumfeld entstehen bzw. bestehen bleiben kann. Und da spielt doch tatsächlich so gut wie immer auf den vordersten Plätzen die Möglichkeit mit, Einfluss auf die Gestaltung der eigenen Arbeit nehmen zu können! Potzblitz! Wer hätte aber im frühen 21. Jahrhundert auch gedacht, dass sich Menschen nicht mehr nach klassischer Gutsherrenart dominieren lassen wollen? (Und ja, ich weiß, dass es schon immer Menschen gab und noch gibt, die dafür sogar Geld zahlen…) Nun könnte man sich gewiss auf den Standpunkt begeben, dass es doch schon zahlreiche Möglichkeiten zur Einflussnahme für die Arbeitnehmer:innen gibt. Seit den ersten Sozialgesetzen haben sich Menschen in abhängiger Arbeit einiges an Rechten erkämpft, welche nach reinen BWL-Gesichtspunkten die Bilanzen von Unternehmen belasten; und dies aus Sicht nicht weniger Unternehmer über Gebühr! Ich werde hier jetzt nicht anfangen, irgendwelche mehr oder weniger angestaubten Sozialtheorien rauszukramen, aber wie wäre es hiermit: in einem Land, das zusehends überaltert, dessen Wohlstand von der Klimakrise sowie zahlreichen, teils bewaffnet ausgetragenen Konflikten und einem sich rapide verändernden politischen Weltklima bedroht ist und dessen Bürger:innen dennoch immer noch nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass die Party endgültig zu Ende ist, wäre es ein total erfrischendes, ja geradezu radikales Konzept, sich gemeinsam auf SOLIDARITÄT zu besinnen. Und jetzt ratet mal, was es dazu bräuchte…? Ja richtig, eine WESENTLICH gerechtere Verteilung der Gestaltungsmacht. Und ich rede noch nicht mal von Ressourcen, das kommt erst irgendwann später; dafür allerdings zwangsläufig.

Anstatt also dem ständigen Lamento aus den üblichen Wirtschaftslobbykreisen zuzuhören, sollten wir lieber den Menschen zuhören, welche die Wertschöpfung auch tatsächlich erzeugen. By the way: wie kann sich dieser arrogante Volldepp von der Allianz, dieser realitätsentrückte Anzugträger mit seine SIEBEN MILLIONEN JAHRESGEHALT entblöden, alle Arbeitnehmer:innen in der bunten Republik unter den Generalverdacht des schuldhaften Blaumachens zu stellen? Wofür bekommt dieser lächerliche Fatzke denn das viele Geld? Ist dessen Wertschöpfung wirklich EINHUNDERT MAL SO GROSS wie meine? Kann ich mir nicht vorstellen, denn vermutlich ist der auch nur durchschnittlich intelligent und hat auch nur zwei Hände und einen Kopf. Und vermutlich in seinem ganzen Leben noch nie eine Entscheidung über Leben und Tod treffen müssen; zumindest nicht bewusst. Was wir statt solcher empathiebefreiter Luftpumpen brauchen, ist mehr Transparenz in allen Prozessen, mehr Beteiligung der tatsächlichen Leistungsträger an Entscheidungen, wo diese auch die Expertise dazu besitzen – und das ehrliche Bemühen, ihnen diese Expertise auch zukommen zu lassen, wo und wie auch immer dies möglich ist. Was wir jedoch nicht mehr brauchen, sind weitere kurzfristige, selbstherrliche Hinterzimmer-Entscheidungen, die nur an den verdammten Quartalszahlen und ominösen KPIs ausgerichtet werden, von denen die wirklich Ausführenden überhaupt nicht verstehen, was diese modellieren sollen. Davon haben die Menschen nämlich die Schnauze voll – oder um es mit Iron Maiden zu sagen: “I AM NOT A NUMBER! I’M A FREE MAN!” Die Zahlen von EY bedeuten damit nur eines: gebt uns unsere Selbstbestimmtheit zurück, soweit auch nur irgend möglich! Wir wollen niemandem sein Unternehmen oder seinen Wohlstand wegnehmen. Wir wollen einfach nur die Chance bekommen, den Shit selbstbestimmt zu rocken! Über die damit untrennbar verbundene Frage nach einem Weg dies mit größerer Nachhaltigkeit und Ressourcen-Effizienz zu tun, die wir brauchen, damit die Kölner Bucht nicht ihren Namen doch irgendwann verdient, reden wir bei anderer Gelegenheit. In diesem Sinne… einen guten Start in die neue Woche.

Auch als Podcast…

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