Der verwirrte Spielleiter #02 – Vorbereiten? Ich…?

Wie bereits erwähnt, bedeutet SL zu sein Arbeit. Nicht im klassischen Sinne des Broterwerbs, obwohl ich gehört habe, dass es in den USA wohl Dungeonmasters for hire gibt, die stressgeplagten Städtern mit maßgeschneiderten Sitzungen einen Kick verschaffen und dafür eben bezahlt werden. Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll. Es klingt für mich zwar nicht nach einem Modell, dass allzu viel Wert auf Charakter-Entwicklung legt, aber jeder soll nach seiner Facon selig werden…

Allerdings steht fest, dass ein solches Bezahl-Modell eine Menge Vorbereitung auf Seiten des SL verlangt, da er für jede Eventualität, jedes Abweichen vom vorgesehenen Handlungspfad, jede Nebenaktion und jeden Wunsch der Spieler vorbereitet sein muss. Denn wer würde schon einen SL bezahlen, der mangelhafte Arbeit abliefert? Als SL muss ich mir also natürlich Gedanken darüber machen, wie ICH die Aufgabe lösen würde, wenn ich einen, oder mehrere der Charaktere spielen würde (was bedeutet, dass ich auch die Charaktere kennen muss). Was aber nicht bedeutet, dass die Spieler unbedingt auf die gleichen Ideen kommen müssen. Das Problem, dass daraus entsteht ist folgendes: was für Szenarien kann ich so stringent durchplanen, dass mein Zeitansatz und der vorgesehene Spielablauf in jedem Fall eingehalten werden und die Spieler hinterher auch noch Spaß gehabt haben können?

Wie in DVS#01 besprochen sollte sich die Gruppe vorher darüber geeinigt haben, welches Thema und welchen Fokus das Spiel haben soll. Miete ich mir einen D&D DM, läuft es auf Kampf- und Plünderungsorientierte One-Shots hinaus. Denn das Eingehen auf Spieler-Charaktere und ihre Hintergrundgeschichten braucht ebenso Zeit, wie die Entwicklung einer großen Geschichte. Man merkt, wir sind schon mittendrin, daher ein paar Worte zum Planen von Rollenspiel-Sitzungen und Kampagnen an sich: Die wichtigste Frage, die ich neben Thema und Fokus beantworten muss, ist, ob ich nur einzelne, unzusammenhängende Abenteuer erzählen möchte, die ich jeweils in einer, maximal aber zwei Spielsitzungen abhandeln kann; oder ob ich eine längere Erzählung plane, die neben der Hauptgeschichte auch Raum für Nebenkriegsschauplätze lässt? Die den Charakteren Freiraum bei der Erkundung der Welt gibt? Die sie auch Einfluss auf weitreichende Geschehnisse nehmen lässt?

Beschränke ich mich auf One-Shots, oder eine Serie von One-Shots, kann ich die Handlung wesentlich stringenter durchplanen, wobei ich auch in dem Fall vor dem Einbau von Problemen mit nur einer Lösung sehr warnen möchte. Denn – was mir offensichtlich erscheint, muss dies keinesfalls für meine Spieler sein. Ist doch klar, dass der nicht ganz so moosbewachsene Stein in der fünften Reihe von oben den Mechanismus auslöst – oder…? Trotzdem erlauben mir One-Shots mehr Kontrolle, da die Zahl der Optionen durch die geringe Größe der aktuellen Spielumgebung (das Geisterhaus, das kleine Dorf, die alte Burg, die Mafia-Wäscherei, das Schiff) quasi automatisch begrenzt wird. Gute Ausgangslage für ein “Whodunit”, o.Ä.. Überdies ist das Spiel-Ziel eines solchen Einzelabenteuers zumeist leicht zu erkennen.

Dafür brauche ich an vorzubereitenden Materialien nicht wirklich viel: ein paar Nichtspielercharaktere (NSCs), vielleicht ein, zwei Pläne für Gebäude/Verließe, ein paar Gegner, sofern ich es zu Kämpfen kommen lassen möchte und einen Zeitansatz, wie lange man ungefähr daran spielen könnte. Arbeit für einen regnerischen Nachmittag, sofern man seine Regeln schon ein bisschen kennt.

[KURZER EXKURS]: Regeln, also die mechanischen Notwendigkeiten eines jeden Spielsystems sollte man tatsächlich kennen, bevor man selbiges zum Einsatz bringt. Nicht notwendigerweise jede, noch so gut versteckte, Zusatzregel in irgendwelchen obskuren Quellenbüchern; aber man sollte schon halbwegs wissen, was man tut. Denn dauerndes Herumgeblätter in nämlichen obskuren Büchern bremst das Spiel und somit die Immersion der Spieler u. U. erheblich aus. [EXKURS ENDE]

Lege ich jedoch, nachdem ich mich mit den Spielern hinsichtlich Thema, Fokus, Regelwerk geeinigt habe, ein Kampagne an, ist viel mehr Vorarbeit notwendig. Ich brauche einen ganzen Sack voller NSCs unterschiedlichster Professionen, die ich wahlweise als Sidekicks, Aktionspunkte, Questgeber oder Antagonisten nutzen kann. Und jeder von denen hat seine eigene Agenda, seinen eigenen Shit am laufen, was durchaus Probleme erzeugen kann, wenn die Charaktere – mal wieder mit dem Kopf durch die Wand – aus Versehen jemandem in die Suppe spucken, der ihnen eigentlich wohlgesonnen war… Außerdem brauche ich wesentlich weitreichendere Areale mit Beschreibungen hinsichtlich Aufbau, Funktion, Infrastruktur, dort lebenden Fraktionen, wie etwa Gangs, etc, etc, etc.! Das kann, wie bei meiner aktuellen Kampagne, mehrere Tage meiner Freizeit in Anspruch nehmen.

Ich fahre dabei mittlerweile zweigleisig. Zum einen habe ich mein Notizbuch, in dem sich, eng beschrieben, Seite um Seite meine Gedankenstützen reihen. Andererseits pflege ich mittlerweile online – und auch für die Spieler zugänglich – eine Mischung aus Glossar und Tagebuch mit allem relevanten Infos, welche die Charaktere bereits haben. Natürlich notieren sich meine Spieler auch viel von dem mit, was ich während der Sitzungen beschreibe. Und trotzdem gehen gelegentlich Details verloren. Mir ist zwar deswegen noch nie eine Sitzung entgleist, aber manchmal hat nicht viel gefehlt. So gilt auch hinsichtlich der Nachbereitung von Spielsitzungen: wer schreibt, der bleibt!

Und was bleibt sonst noch? Ach ja: Ambiente… Dazu werde ich demnächst irgendwann ein paar Wort verlieren. Vorab nur so viel: das hängt sehr von den Spielern und dem SL ab, ob man sich die Mühe des Versuches machen möchte, am Spieltisch Ambiente erzeugen zu wollen. Über kommunikative Fertigkeiten als notwendige Vorbedingung des Rollenspiels sprechen wir das nächste mal. Bis dahin: always game on!

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